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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.07.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060720026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906072002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906072002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-07
- Tag1906-07-20
- Monat1906-07
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Es sind er neut Truppen in Petersburg eingetroffen. (S. Ausl.) * Wie aus Sysran gemeldet wird, sind bei dem Brande, der gestern in der Stadt gewütet hat, viele Menschen umgekommen. Noch eine zweite russische Stadt, Alatyr im Gouvernement Simbirsk, ist zum Teil niedergebrannt. Dort sollen 600 Häuser, darunter die Post, die Bank und das Kloster, niedergebrannt und 5000 Menschen obdachlos sein. politische Lagerscdau. Leipzig, 20. Juli. Der Prozeß Götz und die Zeugenaussage des Herrn Erzberger. Man schreibt uns: AlS Zeuge in dem Strafverfahren gegen Götz und Genossen hat Herr Erzberger ausgesagt, daß er den angeklagten Kolonialbeamten Götz gar nicht kenne, den angeklagten Kolonialbeamten Schneider erst nach den Kolonialdebatten kennen gelernt habe, dagegen von höheren Kolonialbeamten wiederholt sehr inter essante Mitteilungen erhalten hätte. Wegen dieser An gaben des Herrn Erzberger halten einige Blätter die Einleitung des Strafverfahrens gegen jene Subaltern beamten für verfehlt und folgern aus dem zuletzt wieder gegebenen Punkte der Aussage Erzbergers: „nun wisse der Reichskanzler, an wen er sich zu halten habe." Immerhin lag ein Verdacht gegen die Herren Götz und Schneider nahe. Herr Erzberger hat anerkanntermaßen Beziehungen zu dem aus dem Dienst entlassenen Kolo nialbeamten Pöplau gehabt. Nichts aber lag näher als die Vermutung, daß Pöplau auch nach seiner Ent lassung die Verbindung mit Kolonialbeamten fortsetzte, mittels solcher Verbindung Kenntnis von amtlichen: Material, wie z. B. von dem Geheimbericht des Ge heimen Legationsrates Rose für den Reichskanzler, er hielt und auf Grund der so erlangten Kenntnis Herrn Erzberger informierte. Die Annahme, es könnten höhere Kolonialbeamte zu dem dienstentlassenen Pöplau in irgendwelchen Beziehungen stehen, erschien wenig wahr scheinlich: nur Subalternbeamte dürften derartige Be ziehungen zu Pöblau pflegen. Deshalb war das straf gerichtliche Vorgehen wider die Subalternbeamten Götz und Genossen der gewiesene Weg, um hcrauszube- kommen, ob Pöplau der Mittelsmann zwischen Kolonial beamten und Herrn Erzberger sei. Scheiden aber die Subaltcrnbeamten Götz und Schneider hierbei aus, sind es wirklich höhere Kolonial beamte, die Herrn Erzberger die Kenntnis von amtlichem Material verschafften, dann hat Herr Erzberger jetzt die Pflicht, diese höheren Beamten zu nennen, damit die völlige Unschuld der Götz und Genossen auf die einwand freieste Art erhärtet werde. Zur Agrarfrage in Rußland. Die Verhandlungen der russischen Reichsduma haben jedem gezeigt, daß in Rußland vor allem die Agrarfrage die gespannteste Aufmerksamkeit verdient. Die in die Duma gewählten Vertreter der Bauern gehören großen teils der radikalen Richtung an und stellen ihre Forde- rungen mit größtem Nachdruck auf. Hauptsächlich er tönt der Ruf nach mehr Land für joden einzelnen, da das Land, besonders bei der dortigen extensiven Wirt schaft, nicht mehr zur Befriedigung aller Ansprüche aus reicht: dem abzuhclfen, schickt sich das neue Ucbcrsiede- lungsgesctz vom 19. Juni 1904 an, das Alexander Kauf mann-Petersburg, Ministerial-Dezerncnt im russischen Landwirtschaftsministerium, im „Archiv für Sozial wissenschaft und Sozialpolitik" (Mohr, Tübingen: Bd. XXII, Heft 2) zum Ausgangspunkt einer beachtens werten Untersuchung macht. Das Uebersiedlungsgesetz, das theoretisch auf liberaler Grundlage ruht, hat koloni satorische, hauptsächlich aber innere agrarpolitische Zwecke: cs soll die Gebiete Sibiriens bevölkern, die überfüllten heimischen Gemeinden entvölkern. Kauf mann aber weist an der Hand eingehenden statistischen Materials nach, daß die sibirischen Landstriche nur noch in ganz beschränktem Maße zu direkter Ucbersiodelung geeignete Flächen darbieten, und demgemäß von Uober- siedelung eines für die agrarpolitischcn Zwecke genügen- den Teils der Bevölkerung nicht die Rede fein kann: auch hält er die Uebersiedelung nicht in jedem Falle für geeignet, dem Bedürfnis nach Land abzuhelfen, denn ein großer Teil der Gemeinden hat nur darum Landmangel, weil die konservativen Bauern einer Aufbesserung der Ertragsfähigkeit durch höhere Kulturmethoden wider streben und starr an ihrer niederen Extensivwirtschast festhaltcn, solange sich irgend ein Ausweg aus der Krise zu zeigen scheint. In Wahrheit verlängert unter solchen Umständen die Abwanderung einzelner die Krise, die erst nach dem Uebergang zu besserer Bodenpflsge schwindet. — Ueberhaupt hält Kaufmann — im Gegensatz zu anderen Beurteilern — die niedere Kulturstufe des russischen Bauern für ein Haupthemmnis der erfolg reichen Kolonisation. Wer schon zu Haufe so zäh am Alten haftet, sei in der Kolonie, wo die Anpassung an die Verhältnisse eine Haupttugend, unbrauchbar. Die Amerikaner auf Manila. Von Manila und den gesamten Philippinen hat man eigentlich seit der Okkupation durch die Bankers wenig mehr gehört. Ein gewisses Geheimnis beobachten die Vereinigten Staaten, weil die Philippinen ihre „Station zur Beobach tung der japanischen Äusdehnungsgeluste" sind, aber sie sind doch genötigt gewesen, zuzugestehen, daß auf Mindanao Auf stände stattgefunden haben, die kriegerische Gewalt zu ihrer Unterdrückung beanspruchten. Es liegt uns'ein Privatbrief vor, dessen Verfasser di« In seln bereits früher besucht hat und nunmehr wieder nach Manila gekommen ist. Der Brief ist vom größten Interesse. Es heißt darin: Auch wenn man zehn Jahre nicht dagewefen ist, schaut der wundervolle „Passeo de la Lunetta", die „Mond schein-Promenade", noch ebenso überraschend aus, obwohl alles sonst verändert ist. In den Wagen, die ihn durchfahren, ist keine neue Gesellschaft, aber eine neue Rasse. Von alle den Häusern, die seit und für lange Zeit gebaut waren und nickt von Deweys Kanonen weggeblasen sind, haben nur die der Kirche „Risse verklebt", um Hich für die Zukunst zu sichern, und doch war die Zeit des «Sturzes der hispanischen Herrschaft eine Periode des erwachenden Hasses, den man gegen sie in Jahrhunderten gesammelt hatte. Der Laie bekam kein Recht gegen einen Kleriker, ein Bizekönig, dessen Tochter verwundet war, setzte nichts gegen den geist lichen Täter durch. - Das haben die Amerikaner abgestellt, die spanische Geist lichkeit ist „auszesperrt", und die alte Metropole bat die hierarchische Führung der Inseln verloren. Immerhin hat der amerikanische Kongreß sich mit der Kurie wegen Manila aut zu stellen gesucht. Der Klerus auf Luzon aber unter hält mit Rom keinerlei Beziehungen, er hat sich eine eigene Hierarchie gebildet. Und die Amerikaner sind srob, wenn es so weiter geht; sie haben noch lange nicht auf allen Inseln ihre Farben gezeigt, und die letzten Kämpfe beweisen, daß die Inseln leicht zu verteidigen sind. Die eingeborenen Tagalen sind tapfer, die Ameri kaner suchen ihnen gegenüber eine Truppe von Chino- Tag a l-M e st iz e n zu gründen. „Sie werden nicht Herren bleiben", so sagt der Tagale, und die Sieg« der Japaner sind noch gar nichts gegen die, welche die Chinesen in Zukunft erringen werden. In der Tat hatte Japan bis 1897 die feste Absicht, die Inseln zu nehmen, aber es kam der kubanische Krieg dazwischen, das Reich der ausgehenden Sonne kam zu spät. Die Japaner spielten dabei dieselbe Rolle wie die Italiener in Tunis, sie waren die „Aus gemieteten", und wie man den Italienern dafür mit Ery- threa eine Danaer-Entschädigung gab, so soll man dem Mikado auf Jndochina, will sagen auf di« holländischen Be sitzungen, Hoffnung gemacht haben. Der japanische Einfluß ist nach der amerikanischen Invasion gau^ verschwunden, aber die Chinesen, die mit den Tagalen Blutsverwandtschaft haben, sind obenauf gekommen, wenn sie auch sich nichts merken lassen. Sie sehen physische und finanzielle Kraft bei den Eroberern vereint, wenn bieselben auch den Dollar nickt so springen lassen, wie in Shanghai und Hongkong. Aber der chinö-tagalische Mestize haßt den Dankee tödlich, das ist selbst im Senat zu Washington berührt worden: schüchterne Andeutungen sind gemacht worden, ob es nicht besser sei, den Filipinos ihre Unabhängigkeit zurückzugeben. Die große Republik sollte doch den Tagalen und den sonstigen Bewohnern eine Art von Konstitution ge währen, das wäre ein ehrenvoller Anfang von der allmäh lichen Aufgabe des Archipels. Und dabei würde die amerika nische Eitelkeit geschont, da die Zeit des Ueberganges lange dauert. Mögen die Amerikaner noch so energisch Vorgehen, in 30 Jahren sind die Tagalen chinesisch. Und die Java nen und die sonstigen Sundaleute erst recht, denn die Chinesen fangen jetzt erst an, erpansiv zu wirken, was sie bisher für „unnobell' dielten. Gegen ihren Druck von 400000000 Menschen können die anderen Nationen bei Asiaten nicht aufkommen, das liegt auf der Hand. Jeder Tagale ist der Meinung, daß die Rück eroberung Asiens durch die Asiaten gerade in Manila seit der Annexion durch Dewey die größten Fortschritte ge macht hat. veulscves Keich. Leipzig, 20. Juli. * Der Kaiser kommt abermals nach Norderney. Die „Vossische Ztg." meldet aus Norderney: Wie es heißt, wird der Reichskanzler seinen hiesigen Aufenthalt bis zum 25. September ausdehnen, und einem weiteren, ziem lich bestimmt auftretenden Gerücht zufolge, wird dec Kaiser nach der Beendigung der Nordlandreise hier aber- mals zum Besuche des Fürsten Bülow erwartet. Dec Reichskanzler wird voraussichtlich von hier zunächst zur Nachkur nach Homburg v. d. Höhe reisen. * Ter Untersuchungsrichter im Reichshause. Das „Berl. Tagcbl." schreibt: Von der Untersuchung des Kolonialamtes wider Götz und Schneider wußte dieser Tage das Gerücht eine seltsame Neuigkeit zu erzählen. Darnach sollte neuerdings auch bei dem Reichstagsab- geordneten Erzberger eine Durchsuchung durch den Unter suchungsrichter Landgerichtsrat Schmidt stattgcfunden haben, nicht nur in seiner Privatwohnung, sondern auch in seinemArbeitszimmer im Reichstage. Die letztere Untersuchung sollte nicht ohne lebhaften Protest des Reich stagsdirektors Jung heim vor sich gegangen sein, der die den Untersuchungs richter begleitenden Kriminalbeamten ans dem Hause entfernt haben sollte. Tatsächlich hat sich der Vorgang nach Erkundigung an maßgebender Stelle wesentlich anders abgespielt. Im unmittelbaren Anschluß an die gerichtliche Vernehmung Erzberyers am 10. Juli in Moabit begab sich, anschernend auf den direkten Wunsch des Abgeordneten, ge meinsam mit ihm der Untersuchungsrichter sowohl in die Erzbcrgersche Wohnung, wie in das Reichstagsgebäude, wo ihm anscheinend gewisse Papiere frei willig vorgelegt werden sollten. Direktor Jung heim ließ den Untersuchungsrichter er st danndieRäumedesHaufes betreten, nachdem Erzberger wie Landgerichtsrat Schmidt die schriftliche Erklärung abgegeben hatten, daß der Besuch des Untersuchungsrichters auf den aus- drücklichen Wunsch des Abgeordneten er folge, und daß der Untersuchungsrichter innerhalb des Hauses keine Amtshand lungen vornehmen werde. Kriminalbeamte waren bei dem Besuch überhaupt nicht zugegen. * Z ivilvcrwaltuna in DeutschOftafriko. Die Zivilver- waltuna in Deutsch-Ostafrika soll letzt allmählich vollständig durchgeführt werden. Die Errichtung der im Etat für 1906 bewilligten Bezirksämter Mprvapwa, Tabora, Muausa und Moschi sowie der Residenturen in Bukoba, Ruanda und Urundi an Stelle der bisherigen Militärbezirke wird im „Amt!. Anz. f. D.-Ostafr." vom 23. Juni bekannt gegeben. Bei dieser Umgestaltung hat sich aber herausgestellt, daß die bisherige Organisation — Gouvernement, Be zirksamtmänner und farbige Akiden — nicht mehr aus reicht. In der Sitzung deS GouvernementSrateS vom 19. Mai, über die man in der „D.-Ostafr. Ztg." ausführliche Berichte findet, sind bei Beratung deS Etats für 1907 über die ge planten Reformen einige beachtenswerte Aufschlüsse gegeben wo: den. Zwischen den Bertrrtern der Regierung und der Be völkerung herrschte Einigkeit darüber, daß eme Dezentralisation durch Einführung einer Proviozialverwaltung erwünscht sei, die also als Zwischeninstanz zwischen dem Gouveruemeot und den Bezirksverwaltungen stehen würde. Vorbereitende Schritte sind durch die Ernsetzung von zwei Provinzialrefereuten be reits getan. Bestimmte Vorschläge zu machen, ist aber, wie Geheimrat Haber, der stellvertretende Gouverneur erklärte, das Gouvernement gegenwärtig nicht in der Lage, einmal wegen der noch ungelösten Fiuaazfrage, sodann auch in Rücksicht auf die eben erst begonnene Trennung von Zivil- und Militärverwaltuog und auf die derzeitige polstische Lage. Die farbigen Akideu sollen durch weiße Beamte unterster Instanz ersetzt werden. Geheimrat Laber führte dazu aus, daß die Betrauung Farbiger mit selbst ständiger Ausübung von Strafgerichtsbarkeit und Polize: nach europäischem Muster als unzweckmäßig erkannt worden sei. Das Gouvernement sei daher zu dem Schluß gekommen, die Akiden auszuscheiden und behördliche Funktionen gegenüber Eingeborenen nur Weißen zu geben. Da aber hierfür die Bezirksämter nicht genügen könnten, weil ihre Bezirke zu groß seien, so sei unter den Bezirksamtmännern noch eine unterste Instanz nötig. Diese sollte in den neuen Neben stellen bestehen. Durch den vorliegenden Etatsentwurf sollten zunächst die Mittel zu einem Versuche angefordert werden. Es bestände die Absicht, eine Anzahl älterer Alicen, die treu zu uns gehalten haben, auch in Zukunft zu belasten und sie den weißen Beamten als Berater beizugeben. — Der GouvernementSrat stellte zur Erwäguua, ob die neu ein- zurichtenden Nebenstellen auch zuverlässigen Privatbeamten zur Verwaltung im Ehrenamte übertragen werden können. * Wieder ein falscher Alarm. Aus London wird gc- meldet: Die angebliche Expedition eines deutschen Forschers in das Hinterland von Tripolis erklärt sich nunmehr auf folgende Weise: Der Forscher ist ein eng- lischcr Untertan schweizerischer Her- kunft, der im Auftrage der englischen Regie- Feuilleton. Da rvüre manches Oich», mancher Schein unck Spiegel- bütr, cker fern schon Hinterm Uorironte ckem Schluncke cker Vergessenheit ruflackerte, vviecker aufgebläht am kAeeresrsncke unck scheu unck selig unck so verheipenck auf mich los unck Hütte eine Oolckfurche übers schnarre üäeer gerogen, her ru mir ckurch ckle kracht. kmil filetier. Lin Rsnian, den inan lesen nintz. Von Detlev Freiherrn von Liliencron (Alt-Rahlstedt). *) „Tie, die die, die die Gänse gestohlen haben, mir anzeigen können, kriegen eine Belohnung . . ." -Ist das „aut deutsch"? Die Einstellung ist häßlich. Die Wortfolge ist richtig. Aber — sollen wir etwa sagen: ,Diejenigen, welche diejenigen, welche die Gänse gestohlen haben, mir anzeigen können" usw. usw.? Ich bitte Gustav Wustmanns „Allerhand Sprachoummheiten'' dritte Ausgabe, Seite 232, einzusehen. Ich vergöttere Gustav Wnstmann. Jeder Säugling müßte ihn schon haben. Deutschland hat ihm unendlich dankbar zu sein. Leider sangen schon Lehr- bücher der deutschen Sprache an, wieder ruhig „welcher pp. und „derselben pp. . ." zu gebrauchen. Dock — ich habe bier keine Polemik gegen schlechte Sprachgcoräuche einzu leiten. *) In diesem Aufsatz, dessen Nachdruck verboten ist, wirbt der ursprünglichste deutsche Lyriker für einen schlesischen Poeten, dessen stille Art er schon im „Mäcen" nelobt Kat, und dessen Roman auch hier angezeigi wurde INr. 474 des vorigen Jabrzanaesl, mit der ganzen Be- -eisterungskroft seiner Persönlichkeit. Da ist vor kurzem ein Rowan erschienen, der sich schon durch sein liebes,Flottes Deutsch von tausend und aber- tausend anderen Büchern unterscheidet. „Von Einem, der auszog — ein Seelen- und Wandcrjabr aus der Landstraße". So lautet der Titel dieses lieben, flotten Romans. Ge schrieben ist er von Paul B a r s ch, der sich in Schlesien, seiner engeren Heimat, seit langem schon als Dichter einen Namen gemacht hat. Von Einem, der „auszog"! Immer ist mir beim Lesen von Barschens Roman Parsifal eingefallen, obgleich der „Held", der bei Paul Barsch „auszieht", durchaus nichts mir den Abenteuern Parsifals zu tun hat. Im Gegenteil: Es ist eine „ganz gewöhnliche" Geschichte von einem Handwerks, burschen, der in der weiten Welt unter guten und bösen Menschen sein Glück zu suchen ging. Aber so unbedeutend dieser siebzehnjährige „Held" deS Romans auch zu sein scheint — unbedeutend ist er ganz und gar nicht. Dieser wandernde, leidende, jubelnde und philo sophierende Handwerksbursche ist ein durch und durch ideal denkender Mensch. Und nun sieht er im Leben, wohin cs ihn auch bringen mag, nichts als Lüge, Gemeinheit, Bosheit — und wie die hübschen Eigenschaften der Menschen alle heißen. Und trotzdem bleibt er der „tirmpe Parsifal". Keine Enttäuschung kann ihn ganz unterkriegen. Immer wieder beruhigt er sich und denkt gütig und verzeihend über ,die beste der Welten". Das ist der rote Faden in diesem herr lichen Buche: dieses Nichtnachlassen im Glauben an di« Menschheit und an die höheren und höchsten Ziele! Mein Gott, ja, und wenn man in die Interna oder — ich will doch lieber deutsch sagen — in die Innerlichkeit dieser Seele hrneinblick: was für ein wundervoller Kerl ist er auf seiner Wanderschaft gewesen und geblieben? Schon die Einleitung dieses Lebens- und Beicht-Buches vermag einen Vorgeschmack davon zu gehen. Darin heißt es unter anderem: „Von einem närrischen Grünling, von einer auf sich selbst «stellten, in sich ruhenden kleinen Kreatur will dieses Bc- kcnntnisbuch künden. Non einem armen Wandergesellen, der von Gott und Welt und Menschenseele nichts wußte. Von einem wegmüden, wektscheuen, veiwrügelten und dennoch auf rechten Sucher, d:r sich :n Gott, Welt und Mensches--le aus irgend eine beruhigende Weif« zurechtfinden wollt«. Von E»a«, der -«»zog. um durch di« Wirrnis vielfach«! Rätsel, die ihn reizten und ängstigten, herzhaften Mutes vorzu dringen und vielleicht gar, wenn es anginge, das Wunder kräutlein zu gewinnen. Von einem ergötzlichen Gernegroß, der, kaum erwacht, vom Herde der Mutter weglies, in Seelen not unter fremden Menschen umherirrte, sich in Seelennot auf seinem Marsch ins Leben an allen Ecken und Ende wundstieß, als Mensch in Seelennot mit sich selbst rang und sich durch wirkliche und erträumte Schrecknisse sort- kämpste." Davan knüpft der Dichter dieses „Seelen- und Wander- Jahres" (der da ein Stück seiner eigenen Jugend enthüllt) folgende Betrachtungen: „Das war vor Jahrzehnten. Weitab in der Ferne liegt jenes „Scelcnjahr". Möglich, daß sich Schleier der Dichtung über die Wahrheit senkten. Wie ein seltsam fremdes Menschenkind mutet mich jenes Kerlchen an, das damals viel, leicht ich selbst gewesen bin. Es hat, während ich aus Auf zeichnungen, Erinnerungen und Träumen nachzcichnete, merkwürdig typische Züge angenommen. Als ein echtes Kind der Mutter Schläsing erscheint es mir, das, wie die meisten Sprößlinge dieser schönen Mutter, ein Stückchen Dichter war, wenig für das Leben taugte und dennoch, nach rich tiger Schlesierart, nicht zugrunde ging." So erzählt also dieses merkwürdig vertiefte und doch so einfache und starke Buch (ich schließe mich hier möglichst den Worten des Dichters an) —: m>ie eine kleine, unwissende, unreife, zaghafte, traumselige Menschcnseelc beschaffen war, ehe sie aus der Enge der Heimat, aus Beschränkung und Un wissenheit hinausflatterte in den Trubel der Welt . . . und wie sie sich draußen in der Fremde wandelte. Vielleicht bat sich da unwillkürlich auch ein« kulturgeschichtliche Farbe über die Grundzüge des Buches gelegt. Vielleicht ist es ein bodenständiges und vaterländisches Buch und bas letzte um- fangreick-c Zeugnis von der Wandcrpoesie, di« dem tech nischen, industriellen und polizeilichen Geiste einer neuen Zeit weichen mußte. Vielleicht ist cs gar eine Naturgeschichte des kleinsten deutschen Mannes." Man kann den eigentümlichen Charakter des BuchcS nicht knapper, nicht erschöpfender angebcn. Alles in diesem Roman ist mit der gewissenhaftesten Natur-Wahrheit geschrieben. Nirgends scheint rctouchicrt zu skln. wirkliches, tollcS Leben darin. Und drese Wahrheit gibt d«m Buche den größt«» Wert. Trotz aller „Naturwahrheit" aber bleibt das Buch ein „Roman", ein gut komponierter und außerordentlich interessanter Roman, eine Dichtung, ein Kunstwerk. Der Untertitel paßt also. - Nun zu einem anderen Punkte: Es gehört zu den Seltenheiten, daß wir mal von diesem Leben auf der Land straße, von diesem Leben hören und sehen. Zum großen Teil sind die rohen Erzählungen, Beschreibungen, meinetwegen auch Schilderungen der Walze, die wir sonst zu lesen be kommen, nicht gerade angenehm zu genießen. Das ist nun iN-diesem Buche ganz anders. Hier darf ich mal das Wort „Spannung" in der edelsten Bedeutung gebrauchen: der Roman ist von Anfang bis zum Ende „spannend . Man kommt nicht weg davon, als bis man alles gelesen hat! Frei lich — ein „Modebuch" wird das Werk niemals werden. Das ist das Gute dabei! Feinere Menschen aber werden den seelischen Gehalt dieses Buches erfassen, ihre närrische Lust daran haben und für ihr Herz einen ganzen, großen Fracht wagen voll inniger Schönheiten sVerzeihung für den gräß lichen Vergleich!) in ihr eigenes Leben hinübernehmen. Dieses Buch kann sie für immer bereichern, fördern, be- glücken! Aus zwei Bänden besteht das Werk. Der erste Band um- faßt sechsundzwanzig, der zweite Band einundzwanzig Kapitel. Mersterkapitel sind darunter. Um einen Begriff von der stofflichen Reichhaltigkeit dieser Kapitelsolgen zu geben und um aus das ganz Besondere besser verweisen >u können, Willrich die Ueberschriften der einzelnen Kavitel hier ansühren. Si« lauten: Junge Dichter — Der Ausmarsch — Meine Mutter — Junge Gesellen — Der Aufbruch — Junge Fechter — In Breslau — Johanna verschwindet — Der Fechtmeister — Das schön« Tal — Der Meister — Der erste Wochcnlohn — Die heilige Dreifaltigkeit — Der Herr Pfarrer — Ein Sonntag — Gott-Vater — Der Briei an die Mutter — Im Gcsellenbunde — Der neue Anzug — Der Dichter — Der Sozialdemokrat — Der Herr Stadt sekretär — Der christlich« Herbergsvater und das Scdansest — Pauline Ullrich — Ter Galgenposamcntierer — Der Raubmörder — Die Rinderpest — Auf der Bergstraße — Kachelofen, Kaffee und Filzschuhe — Bei Oelmüllers — Herr Streller — Heinrich, der Gurkenmacher — Bei Fran» — Im (sächsischen! Königsschlosse — Ohne Gefährten — In Leivzrg — Friedrich Hofmann — Die Höhl« d«» Elend» — Hi» »» ihr! — Bei ihr — Sehnsucht — Der alte Schmied —
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