ERSTER TEIL DIE HERRLICHE STADT AM STROM 1. Kapitel Die Kunststadt Dresden Jeder Dresdner, der die Schönheit und die Kunst liebte und zu schätzen wußte, hielt Dresden für die schönste Stadt in ganz Deutschland. Aber auch der Fremde war stets von neuem ent zückt von Dresden, und wenn er vom Weißen Hirsch hinunter schaute, war er begeistert von der herrlichen Silhouette der Stadt am Strom, die sich dem Auge aber wieder ganz anders darbot, wenn er sich die Mühe machte, sie vom Turm des Rat hauses zu betrachten. Und das taten viele — im Frühling, im Sommer, im Herbst und im Winter. In jeder Jahreszeit war das Bild etwas anders, aber immer war es schön. Wunderschön war es auch an einem der letzten Januartage des Jahres 1933, einem Tag, der dunstig und neblig begann. Als die Besucher an diesem Tage noch unten vor dem Rathaus standen, schien es ihnen, als ob die Zeiger der großen Turmuhr mit grünlichem Schimmer durch den Nebel geleuchtet hätten. Aber während der elektrische Fahrstuhl im eigenen Steingehäuse leise summend an der äußeren Turmwand des 100 Meter hohen Rathausturmes hoch fuhr, während man in halber Höhe des Turmes in den zweiten Fahrstuhl gestiegen und damit bis zum äußersten Rundgang, direkt unter die große Uhr gefahren war, war das Grün des Leuchtzeigers erloschen. Das Morgendunkel war gewichen, die Sonne war durchgebrochen und beleuchtete das herrliche Bild, das sich von der Plattform in 70 Meter Höhe über der Stadt bot.