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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.03.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-03-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190603255
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19060325
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19060325
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-03
- Tag1906-03-25
- Monat1906-03
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Bezug--Prei- 1» der Hauptexpedtito» oder der» >»sga5«. stellen abgeholl: tsterteljährltch L4<), bei täglich iweimaliger Zustellung in» Haut vierteljährlich ^l S.—. Dnrch uusen an«- wäritgeo Au«gabestellen und durch dir Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich ^l 4.50, für die übrige» Länder laut Zeitung«prri»list«. Diese Nummer kostet aus 4 41 tN L allen Bahnhöfen und bei 11» den Zeitung«.vrrkäusera Redaktion «nd Srpeditio»» Fohannisgasi« 8. Telephon Nr. l5S, Str. L2L, Nr. 117». Verltner RedakttonS-vurraur Berlin HIV 7, Dorotheenstraße 88. Tel. 1, Nr. V27Ü. Dresdner RrvatttonS»vurea«r Münchner Str. 6. KWMr.TllMM Handelszeitnng. ÄmLsvlatt -es Rates «n- -es Rolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Et»zeigen Prei- R» Sgespalten« Prlttznl» für Leipzig und Umgebung Ld Pf^ für ru«würt« SO Pfg. Famtlien- Wohnung«- »ob Stelle». U»z.tge» St P FinanzielleAuzeigen, k-eschäft,.!? zeigen nnler Text oder an besonderer stelle > »ck Taris. Für da« Erscheinen an r stimmten Tagei« u Plätzen wird keine Garantie vrerno^we Anzrtgr» und Extrabeilagen .^ur in der Morgen-Ausgab« Schluß der Annahme nachmittag« 4 Uhr. Lnzeigea-Aaoahme: Lagnftnsplatz 8, Ecke Jobanni-gasie. Hanpt-Alltale Berlin: C arlDn u cker,Herzgl.Bayr.Hofüuchhandlg. Lützowstraße 10 lffernsprecher Amt VI Str. 4603). Filial-Expedition: Dresden,Marieustr 34 Nr. 152. Var Aichtigrle vom Lage. * Gestern mittag empfing der Kaiser die chinesische außerordentliche Mission in Gegenwart der Prinzen des königlichen HauseS und des Reichskanzlers. Dann sand zu Ehren der chinesischen Mission FrühslückStafel statt, an der außer dem Kaiser und der Kaiserin die Prinzen dcS könig lichen HauseS, der chinesische Gesandte und der Hofstaat teil nahmen. * Die provisorische Eröffnung des Deutschen Museums ia München ist sür den 6. Oktober festgesetzt; im Anschluß daran findet die Grundsteinlegung für den Neubau durch den Prinz-Regenten statt. Der Kaiser hat sein Erscheinen in AuSstchr gestellt. * Im Reichstag wurde gestern der Spezialetat für Südwestafrika in zweiter Lesung mit den von der Budgeikoinmission empfohlenen Abstrichen angenommen. (S. Bericht.) * Der französische Ministerrat hat die Parlaments wahlen auf den ü. Mai festgesetzt. * In Frankreich wird die Humbert-Affäre in sensationeller Weis« wieder aufgegriffen. Semütrpolitilrer. Wir Deutschen sind ein gemütvolles Volk, und am gemütvollsten sind wir, wenn wir offiziell werden. Nun ist es mit allen Dingen so, daß sie nur in einer gewissen Quantität ihre guten Seiten recht zeigen können und im Uedermaß meist schädlich wirken. Da» Gold Amerika hat Spanien zugrunde gerichtet. Und wenn wir nicht endlich lernen, die Dinge zu sehen, wie sie sind, und unsere Nuditätenscheu auf allen Gebieten nicht ablegen, so werden nächsten» konfessionelle Naturgeschichten er- zählen, der Mensch sei ein Blattgewächs, und wem kein Feigenblatt die Scham bedecke, der sei nicht normal. Da» Dümmste aber ist: wir werden schlechte politische Ge schäfte damit machen. Wer Kaufleuten weiß machen will, er treibe seinen Handel nur um der schönen Augen der Kundschaft willen, wird wenig Glauoen, aber viel Mißtrauen finden. Go kommt e», daß auch wir gerade wegen unserer Sucht, jedem Geschäft auch noch ein Mäntelchen umzuhängen, ein religiöses oder ein mora lische» oder mindesten» ein ethisches, bei anderen Na tionen auf Mißtrauen stoßen und wenig beliebt sind. Die meinen immer, wir müßten doch ganz gewiß noch irgend etwas Gräßliche» im Schilde führen. Wozu sonst immer die Beteuerung, wir strebten nicht nach Sonder vorteilen? Wozu die Definition, der Zweck der Kolo nien sei, Mission zu treiben? Kein Mensch glaubt uns das.' Und doch tun uns die Leute unrecht. Denn es ist nun bald so weit mit uns gekommen, daß wir selbst glauben, danach handeln zu müssen. Und die Folge da- von ist Sterilität auf dem ganzen großen Gebiete der auswärtigen Politik und Selbstquälcrei im Inneren. Man braucht den wissenschaftlichen Gewinn bei dem eingeleiteten ProfcssorenauStausch nicht gar hoch zu schätzen, kann aber der Meinung sein, daß wir sehr wohl manches von den Politikern der Vereinigten Staaten zu lernen hätten. Wie wäre es zum Beispiel mit einer kleinen Nutzanwendung der Lehren aus dem SiegeSzug der Monroedoktrin? Da wird ohne sichtbare Veran- lassung, ohne jede Bedrohung die Unantastbarkeit deS Bodens eines ganzen Kontinents proklamiert. Alle Staaten des amerikanischen Erdteils, die zum Teil nach Geschichte, Nasse und Sprache ihrer Bevölkerung euro päischen Kulturstaaten viel näher verwandt sind als der Union, werden durch einen einseitigen WillenSakt, ohne auch nur um ihre Zustimmung befragt worden zu sein, unter die Schutzherrschaft der Vereinigten Staaten ge stellt. Und da kein Widerspruch in offizieller Form er- folgt, so gilt die Lehre als akzeptiert und bestätigt, und heute ist sie bereits Nationalheiligtum und in Europa tabu. Hindert die Herren der Union aber nicht im ge- ringsten, selbst auf Eroberungen auszugehen, sich in die Angelegenheiten der Alten Welt zu mischen und auch gelegentlich Trohgeschwader die Säulen des Herkules passieren zu lassen. Man sicht, was die Welt sich gefallen läßt, wenn man es ihr nur geschickt als selbstverständlich beibringt. Wer freilich die Nolle des Tugendbolde» ge wählt, darf sich nicht über Splittcrrichtcrei beschweren. WaS haben wir in den vergangenen Wochen nicht für gute Sittcnlehren zum Thema Kolonialpolitik im Reichstage, wie in der Presse zu hören bekommen I Der Fall Puttkamer wurde durch ungezählte Kommissions beratungen und ein halbes Dutzend Plenarsitzungen ge schleppt. Und immer entrüstete sich die brave deutsche Tugend von neuem und hauptsächlich an der Tatsache, daß der Gouverneur von Kamerun vor acht Jahren ein- nial ein Verhältnis mit einer gewissen Eckardt gehabt hat. Gewiß — dies Verhältnis ist ihm zum Verhängnis geworden. Es hat ihn zu falschen Beurkundungen ge- führt und hat ihn zu Verletzungen der Normen des euro päischen Anstandskodcxes verleitet. (In den Kolonien selbst nimmt man es mit der GesellschastSfälüakeit nicht ganz so genau.) Ta» ist entschieden zu verurteilen. Aber man sollte doch aufhören, dem Mann daS Verhält nis an sich vorzuwerfen. Oder sollte man wirklich aus Mangel an näherliegendem Stoff bi» nach Afrika auf der Suche nach „Verhältnissen" schweifen müssen? —I — Da» Zentrum hat sich darüber aufgeregt, daß cm Reichstage das Wort des Grafen Götzen, de» Gouver- neur» von Deutsch-Ostafrika, im zustimmenden Sinne zitiert worden ist, Kolonialpolitik sei Eroberungspolitik und bringe Kolonialkriege mit sich. Ein ausgezeichnetes Wort, denn e» lehrt, die kolonialen Aergerniffe richtig zu Sonntag I schätzen und ruhig zu tragen. In England, in Frank- I reich, in Holland ist diese Ueberzeugung längst Gemein- l gut der Bevölkerung. Man bringt die Opfer, weil man weiß, daß es sein muß, und daß sie sich rentieren. Hätte scnst wohl England die ungeheuren Lasten des Buren krieges, der trotz allem ein Eroberungskrieg war, so ruhig getragen? In Deutschland aber mutz der Statue das Feigenblatt angeklebt werden. Und wenn dem Zentrum zu Liebe nicht die Fiktion aufrecht erhalten wird, daß wir Kolonialpolitik treiben, um konfessionelle Kultur zu verbreiten und möglichst vielen Schwarzen vom Christentum einige Formeln beizubringen, dann will das Zentrum nicht mehr mitspielen. Es ist nicht unbedenklich, was wir da erleben, und die Folgen nach außen und innen sind bös. Die Intelligenz wird zum Heucheln verleitet, und der Rest wird ge täuscht und zur Unklarheit erzogen. Nun wissen wir wohl, diese Feigenblattpolitik ist nicht nur Ursache von Mißständen, sondern auch selbst wieder Folge nationaler Anlagen. Und darauf eben ging die Einleitung dieser Betrachtung aus: Wir leiden an einem Ucbcrschuß an Gemüt und am meisten bei offiziellen Gelegenheiten. Im wirtschaftlichen Leben haben wir gelernt, klug zu rechnen und Notwendigkeiten beim Namen zu nennen. Das hat uns nicht gehindert, Sozialpolitik zu treiben, und unsere Seele hat keinen Schaden gelitten. Jetzt wäre es an der Zeit, auch dem Uebcrschwang der Gefühle in der Politik zu Leibe zu gehen. Das Privatleben mag dann dem Gemüt als geheiligtes Rcservatgebiet Vorbehalten bleiben. Wenn es uns nur erst die Politik nicht mehr verdirbt! MinktelialMozopdie. Preußen hat seit dem letzten Freitag einen philosophischen Minister. Herr v. Bethmann-Hollweg sucht, ein zweiter Stahl, nach Gründen für seinen Konservativismus. Ersucht nach Gründen und findet auch welche, die sich freilich an hören wie Entschuldigungen. Und 'ei näherem Zusehen haben sie alle einen Fehler, daß sie gerade das nicht be weisen, waS sie sollen. Also der Minister begründete daS preußische Wahlrekörmchen, ging im ?aule sein"- R xn allgemeineren Betrachtungen über und stellte sich dann die Aufgabe, di« Zweckmäßigkeit de» bestehenden Dreiklassen wahlrechts nachzuweisen. Herr v. Bethmann sagte: DaS Reichstagswahlrecht wurde eingeführt zu einer Zelt der Be geisterung. Er sagte das gewissermaßen entschuldigend. Heute aber lastet ein bitteres Gefühl der Unlust auf unserem öffentlichen Leben. Also ist das allcierreine, gleiche, direkte, geheime Wahlrecht jetzt nicht einführbar? Das wurde nicht glatt ausgesprochen, aber es war doch herauszuhören. Diese Anschauung würde zur Anschaffung eines ReichL- stimmungsmessers nötigen, nach dessen Angaben das je weilige Wahlrecht einzurichten wäre. Je löblicher die Laune de» Volke», je freier daS Wahlrecht. Bei fortgesetzter Nörgelei gehen wir mal wieder zur Autokratie über. Aber weiter. Der Minister erklärte, wir seien schon zu weit in Abhängigkeit von den Strömungen der Massen geraten, und es sei ein Unheil, daß große sozialpolitische Institutionen im parteipolitischen Interesse mißbraucht würden. Es sei ferner ein Unheil, daß unsere Presse nicht mehr in ihrer großen Gesamtheit daS Echo einer selbständigen und unabhängigen Parteipolitik bilde, sondern daß sie umge kehrt, wenigstens teilweise, eine Diktatur über die Parteien auszuüben beginne, die nicht frei sei von Rücksichten auf die «urs popularm. Da» von dem Mißbrauch sozialpolitischer Institutionen stimmt. Wir unterschreiben es jedenfalls. Die anderen beiden Uebel scheinen unS mehr in Vor stellungen des Ministers als in der Wirklichkeit zu bestehen. Wir sehen sogar nicht einmal, weshalb es ein so großer Vorteil sein soll, wenn sich die politische Presse nicht mehr ausschließlich als Dienerin der Parteien fühlt, sondern sich zum selbständigen und gleichwertigen Faktor auswächst. Nebenbei bemerkt, sind die Parteien selbst schuld daran infolge ihrer sträflichen Vernachlässigung und Unter schätzung der Presse. Und nun kommt der Kern der Belh- mannschen Ausführungen, der Fundamentalsatz, aus dem seine Verteidigung der konservativen Politik und des preu ßischen Wahlrechts im besonderen steht: Im Leben des Volkes ist das wertvollste und bestimmende Streben nicht auf Nivellieren, sondern vom Niederen zum Höheren ge richtet. Er sieht einen Beweis hierfür, und da» ist eine spezifisch liberale Auffassung, auch in dem Ansturm der Arbeiterschaft. Er sieht Beweise in der Entwickelung der Landwirtschaft, in der philosophischen Erkenntnis, daß es weniger auf den Anfangspunkt ankomme, als auf die Ge- wißheit der Aufwärtsentwickelung. Also, und nun kommt der Trugschluß, der leider ebenfalls nicht in präzsie Form gefaßt ist, also ist die konservative Politik den Formen dcS Lebens entsprechend und zweckmäßig, und das abgestufte Wahlrecht besser als das gleiche. Wir müssen diesem preußischen Minister den Schmerz an tun, ihn für einen Kryptoliberalen zu erklären. Denn wie er die Welt sieht, das ist liberale Anschauung, und wie er ihr in der Politik zu Hilfe kommen möchte, genau so will es der Liberalismus. Der wichtigste liberale Programmpunkt ist: Der Liberalismus sieht seine höchste Aufgabe »n oer höchsten Entwickelung des Individuums. Das ist genau da», waS unS der Minister als sein Ziel beschrieben hat. Aber er täuscht sich in fatalster Weise, wenn er nun dieses Ziel mit konservativer Hilfe zu erreichen hofft. Die Konser vativen sind auch für Abstufungen, aber nicht für natürliche Entwicklungsstufen, die in stetiger Bewegung sind, sondern für Festlegung der traditionellen Skufen in Ewigkeit. Das sind die Leute, die den Aufstieg der freien Kräfte des Volkes hemmen, die der Intelligenz und der Tüchtigkeit den Weg versperren, weil sie selbst aus der obersten Stufe der mecha nischen Leiter bleiben und niemand neben sich habe« wollen Und mit dem Wahlrecht ist es ebenso. Die Abstufungen des preußischen Wahlrechts bieten nicht die geringste Garantie dafür, daß nun auch die Entwickelung nach oben im Leben deS Volkes gefordert wird. Wir meinen den Irrtum des MinisterS richtig zu definieren, wenn wir sagen: Der . März 1906. Minister verwechselt Entwicklung natürlicher Kräfte und historisch« Entwicklungsstufen. Wer letztere schützt vor allem Wechsel, wer sie „konserviert", fördert nicht die Aufwärtsent wicklung de» Volke», sondern er bindert sie. DaS wären einige Gedanken zu dieser bedeutungsvollen Rede, die wohl geraume Zeit der Tage»- und noch mehr der Wochenpresse Stoff liefern wird. Wir haben sie in ihren wichtigsten Sätzen, in ihrer Nutzanwendung nicht billigen können. DaS soll uns aber nicht hindern, den reichen Geist anzuerkennen, der auS ihr spricht. Und zum Schluß noch einmal: Anschauungen und Ziele deS Ministers sind liberal — auch wenn ihn selbst davor schaudern sollte. Deutsches fleich. Leipzig, 25. März. * Besuch Kaiser Wilhelms in Madrid. Der Besuch Kaiser Wilhelms in Madrid ist, wie die „Neue Militärische Korre spondenz" von bestunterlichteter Seite hört, im Anschlüsse an die Miitelmeerreise de» Kaiserpaares vorläufig auf den 15. Mai festgesetzt. Der Aufenthalt deS Kaisers dürfte drei Tage dauern. * Reichskanzler und Kolonialrat. Wie wir au» zu verlässiger Quelle erfahren, wird der Reichskanzler Fürst Bülow, um allen Kombinationnn die Spitze abzubrechen, in nächster Woche die Forderung deS NeichSkolonialrate« im Plenum des Reichstages persönlich vertreten. * Afrikanische Verlustliste. Ein Telegramm aus Windhuk meldet unterm 23. März: Gefreiter Friedrich Lange, geb. zu Hünncseld, früher im Eisenbahn-Regi ment Nr. 1, am 19. März im Lazarett zu Stvakopmund an TyphuS gestorben. * Amtliches Wahlresultat. Bei der im Wahlkreis Signiaringen am 20. März abgehaltenen Reichs- tagScrsatzwahl wurden insgesamt 9670 Stimmen abge geben. ES erhielten: AmtSgerichtsrat Dr. Belzer- Sigmaringen (Zentr.) 7287, LandgerichtSpräsidenr R e ck - Hccsi'ngcn (Ncichsp.) 1886, Schrcinsrrneistcr N i N -Bodelshausen (Soz.) 844 Stimmen. Belzer ist somit gewählt. * Kamerun. Aus privaten Mitteilungen berichtet die „Franks. Ztg.": Kaufleute und Eingeborene schenken der Tatsache Beachtung, daß der stellvertretende Oberst Müller King Akwa und die Großhäuptlinge im Gefäng nis besucht hat. Der Ton der Ncgicrungsbcamtcn gegen über den Eingeborenen ist ein wesentlich anderer ge worden als zu Zeiten Puttkamers. NcgierungSrat von Brauchitsch übt gegenwärtig seine amtlichen Funktionen nicht mehr aus. Ob daS auf zufälligen Ursachen beruht oder ob er, wie behauptet wird, zurückberufen ist, muß dahingestellt bleiben. Gegen Brauchitsch richten sich nächst Puttkamer die Hauptbeschwerden der Eingeborenen. King Manga Bell sammelt für die Nückbcrusung PuttkamerS Unterschriften, hat aber keinen Erfolg, nicht einmal der seinen eigenen Leuten. King Akwa lehnt den neuen Richter als befangen ab, weil dieser die Verhältnisse in Kamerun nicht kenne, und stellt den Antrag, daß er und die Häuptlinge, wenigstens die Großhäuptlinge, in Deutschland vernommen würden, was auch der verstorbene NeichstagSabgeordnete Lenzmann im Reichstage empfoh len hatte. Er richtet auch an die deutsche ReichSregie- rung daS Ersuchen, die Einfuhr von Schnaps in Kamerun zu verbieten oder wenigsten» mit sehr hohen Abgaben zu belegen. * Eine Teuerungsvorlage für die Nnterbeamten wird in einer Eingabe des „Nationalliberalen Wahlvereins für Anhalt 1" an den Anhaltischen Landtag be fürwortet, indem aus die Teuerung aller Lebensbedürf nisse, insbesondere auf die Fleischteuerung hingewicsen wird. In der Eingabe wird gebeten, den verheirateten Unterbeamten eine einmalige Tcuernngszulage au k>e- willigen. Dazu könnten die durch Abstriche vom Etat er sparten 8000 verwendet werden. * Herr Max Lorenz beschimpft im Sckerlschen „Tag" da» „Leipziger Tageblati". E« soll Herrn Erzberger verhöbnt und die eigene BerusSehre befleckt haben, indem e» diesen Journalisten als Parlamentarier so charakterisierte, wie in der letzten SonntazSnummer zu lesen war. Wir könnten unS billig über Mangel an Auffassungsgabe bei Herrn Lorenz beschweren, unterlassen dies aber, da es eine ethische Forde rung ist, einem Mitmenschen Febler nicht vorzuwersen, auch nicht, wenn sie geistiger NcUur sind. Aber auf die Lorenzsche Argumentation soll mit ein paar Worten ein gegangen werben. «Dieser Erzberger muß doch eia ganz kapitaler Kerl sein", sagt Herr Lorenz und zieht daraus den Schluß: „Herr Erzberger hätte also Anspruch, ein Liebling der Presse zu sein", weil nämlich dieser ganz kapital« Kerl selbst Ionraalist ist. DaS ist, mit dürren Worten gesagt, ein Versuch, die Presse zur Fälschung der öffentlichen Meinung zu verpflichten, und zwar zu einer Fälschung pro clomo. Uns hierzu verleiten zu lasten, sind wir nickt geneigt. Und uns gegen den Vorwurf zu verteidigen, die Interessen de» Iournalisteastande« je ver nachlässigt zu haben, haben wir nicht notig. Wir müßten sogar auch auf diesem begrenzten Gebiete jeden Bergleich mit Herrn Max Lorenz ablebnen. Herr Lorenz bezichtigt nämlich ohne Einschränkung vie publizistisch« Kollegenschaft de» Herrn Erzberger, sie bebandele diesen mit «Geda'sigkeit, di« offen bar au- einem Gemisch von Neid und Verwunderung ... stammt." DaS tut derselbe Herr Mar Lorenz, der sich auf regt, weik wir einen e i u z e l» e u Kollegen nicht al» Kollegen, sondern al« Parlameniarier so gezeichnet haben, wie wir ihn sehen. — In unserem Artikel war auf einige schwer ver meidliche, mißliche Begleiterscheinungen aller journalistischen Produktiv« d«ng«w esen. Jeder einsichiige, erfahren« und auf richtige Kolla,,e wirb diel« Mängel nm uuS dellagen. Von Herrn Max Lorenz dürfen wir vaher wohl keiue Zustimmung hierzu erwarten. — Zur Orientierung nufer« Leser »och die M. Jahrgang. Bemerkung, daß Herr Max Lorrn; Herausgeber der „Auti- sozialen demokratischen Korrespondenz" ist. Früher war er selbst Sozialdemokrat. * Beginnende Organisation de« Deutschtums in Ruß land. Die Revolution scheint endlich auch daS bisher fas: zusammenhanglos über das russische Reich zerstreute Deutschtum, das höchsten» durch gemeinsame Kirchen organisation Fühlung untereinander besaß, aufzurüttein und zu strafferem Zusammenschluß zu drängen und Mieder einmal ein Stück der Kraft darzustellen, die in bösem Wollen da» Gute schafft. Wir haben schon mehr fach auf die erfreuliche Tatsache hingewiesen, daß die gemeinsame Not und die opferwillige Bruderhilfe ans dem Reich die Beziehungen zwischen Deutschbalten und Reichsdeutschen in den Ostseeprovinzen gründlich zum Guten verändert hat. Dann hat da» baltische Deutsch tum als erste» begonnen, den Gedanken eines Zu sammenschlusses zur nationalen Erhaltung seiner Volks güter außerhalb de» Parteilebens zu pflegen. In Riga und Reval wurde sodann in rcichsdeutschen und bal tischen Kreisen gemeinsam der Plan der Gründung eine» Bundes der Deutschen in Rußland zur Pflege und Er haltung der deutschen Kulturgüter und des deutschen Volksbcstande» aller Deutschen in Rußland ohne Unter schied der Staatsangehörigkeit in Angriff genommen. Jetzt kommt aus dem entgegengesetzten Pol deS russischen Reiches, aus Odessa, die erfreuliche Mitteilung, daß sich dort ein Bureau russischer Untertanen deutscher Nationa lität gebildet hat, welches, auf dem -arischen Manifest vom 17. Oktober 1905 fußend, dem deutschen Element in Rußland Gelegenheit geben will, in politischer Orga nisation zu den bevorstehenden innerpolitischen Ereig nissen Stellung zu nehmen. Dieses Komitee hat sofort mit den deutschen Organisationen in Petersburg, Moskau und Riga Fühlung genommen. Auf seine An frage hin wurde ihm vom Generalgouverneur die Zu sicherung zuteil, daß er den Bestrebungen, da» Deutsch tum Rußlands politisch zu organisieren, nicht» in den Weg legen würde, ein Standpunkt, der im russischen StaatSinteresse nur al» ein verständiger bezeichnet werden kann. In diesem liegt e» durchaus, daß da? kulturell hochstehende, politisch reifere und durchweg ordnungsliebende Deutschtum mit seinen 2^ Millionen Köpfen in dem bevorstehenden Sturm und Drang der jungen politischen Parteien Rußlands mit zu Worte kommt. Wir stehen demnach am Ausgangspunkt be deutsamer Entwickelungen für daS russische Deutschtum, vor den ersten Ansätzen seiner politischen Organisation und seines Zusammenschlusses zum Schuh seiner gemein samen nationalen Volksgüter. Auch hier blüht neues Leben aus den Ruinen. Möge eS sich kraftvoll ent wickeln. * Sozialdemokratischer Hofklatsch. Es gehört zu den Mittel» antimonarchischer Agitation von feiten der Sozial demokratie, daß in de« Blättern dieser Partei Hosklatsch ansgetischt wird, der darauf berechnet ist, gegen die einzelnen Fürsten Stimmung zu machen. Auch der ehrwürdige Groß herzog von Bade» ist vor diese» Anwürfen nicht sicher. So brachte der Vorwärts kürzlich eine Mitteilung au» Karls ruhe, in der u. a. behauptet wurde, es sei eine bekannte Tatsache, daß „im Schloß zu Karlsruhe" ein «Widerspruch nicht beliebt und gestattet" ist. Im Anschluß daran hieß e«: „DaS mußte einmal der neugewählt« Abgeordnete Muser erfahren, als er bei seinem ersten — aber auch letzten — Besuch am Hofe einer ungnädigen Bevrteiluug seiner damals erschienenen Broschüre „Sozialistengesetz und Rechtspflege" eingegentreten wollte." Demgegenüber erklärt jetzt der Abgeordnete Muser: „Diese Behauptung fit »ine irrtümliche. D«r Großherzog von Baden hat bet dem in Frage kommenden Anlaß allerdings die Sprache auf mriar damal« erschienene Broschüre „Sozialistengesetz und Rechtspflege" gebracht und mir auch zu verstehen gegeben, daß er mit derselbe» nicht einverstanden sei, allein die- geschah in einer durchaus liebenswürdigen und nicht entfernt „ungnädigen" Weise. Unser Großherzog verübelte e« mir auch nicht im geringsten, al» ich meinen entgegengesetzten Standpunkt ihm gegenüber vertrat. Da» ganze Gespräch bestärkte mich in der Ueberzeugung, an der ich auch seither nie irre geworden bin, Laß unser Lurch und durch bumaner und wohlwollender Großherzog der letzte ist, der die freie Aussprache einer der setnigen entgegengesetzten Anschauung nicht er tragen konnte oder gar nicht gestatten würde. Ich halte eS de-baib für meine Pflicht, einer Darstellung enigegenzutreten, die. wenn sie unwidersprochen blieb«, leicht zur Sntiiellung de« geichichtlichen Bilde« eine« Manne« beitragen könnt», der alle» Anspruch dar auf Hal, in seinem Wesen erkannt und nicht verkannt zu werden." * Preußischer Landtag. «Abgeordnetenhaus.) Der Geiktz- entwurf über die Erweiterung der Stadtkreise Aacken und Kassel wird in zweiter Lesung angenommen. Drei Denlsckrnten übrr die sür die Arbeiter der staatliche» Berg-, Hütten- und Salz werke bestebrnden Wohlfadrseinrichtungen, sowie übrr die Bo> schritten de« preutzischen allgemeinen Berggesetzes und über die Bestimpsnug der Granulöse in Preußen werden durck KenntniSnaluuc sur er ledigt rrllärt. Darauf vertagt sich da« Haus vis Lü. Lkarz. * Kleine politische Nachrichten. Der „Sraattauzeiger" meldet: Dem Vizepräsidenten de» Evangelischen Ober kirchenrat» Frhr. v. d. Goltz ist Ler Charakter al» Wirtlicher Geheimer Rai mit dem Prädikat Exzellenz verliehen worden. — Bei Lein Eisenbahnunglück aus der Stlecke Passau-Pocking ist Ler Reick-tagrabgeordurte Mittermrirr verletzt worden. — Au? Hamburg meldet «nS eia Prioattelegramm: Da» Landgericht verurteilte d«n Leiter de» katholischen Berlin» in Bcrgedorf. Geller, Ler den evangelischen Pastor in Bergedorf in einem n> Paderborn erscheinenden vlaite der Proselhtenmrcherei beschuldigte, zu drei Monaten Gefängnis und Publikation dr- Urteils in einer Anzahl evangelischer Zeitungen. Ftustana. Oesterreich.Ungarn. * Etvrm im Abgeordnetenhaus. Beim Abschluß der ersten Lekvng der Wavlreformvorlage ist e-, w!e wir ge'iern scheu berschietrn, im Adgeordneiendanfe noch zu erregten Au-tiiüen ue- kammen. I» der Wahlrrsormdebatt« de» ReichSraie« sprach Graf Stürgkh gegen di» dauernd« Unterjochung dr« Deutschtum» durch di» Slawe» auf dem Weg« d« Watzlrefor», ferner g«g«
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