Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 11.05.1933
- Erscheinungsdatum
- 1933-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193305118
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19330511
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19330511
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1933
- Monat1933-05
- Tag1933-05-11
- Monat1933-05
- Jahr1933
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- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 11.05.1933
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kraft. Ne schwemmten mühelos immer neue Treibsand» mengen in die eben auSgebobenen Baggerlöcher. Nun endlich^ scheint diesem vergeblichen Bemühen ein Ende gesetzt zu sein: Der deutsche Ingenieur Franz Becker hat einen Riesentrichter konstruiert, der, mit der Oessnung nach unten, aus die Oberfläche des Seelandes gestülpt wird, unter dem man die genaue Lag« des Wrackes festgestellt hat. Der Turm hat eine .Höhe von 28 Metern, bestehend auS einer langen Röhre, die mitten aus der Nordsee heraus ragen wird und einen daran anschließenden Konus. Der Gedanke ist nun folgender: Man will innerhalb diese- Trichters eine Säugpumpe arbeiten lassen, die die Sand mengen herausbesördern und „nebenan", also außerhalb des Turmes ins Meer befördern soll. Dadurch wird der Trichter mehr und mehr herabsinken, die eigene Schwer kraft der Stahlkonstruktion wird ihm dem Schisfswracke näher und näher bringen. Man will also damit den Feind zum eigenen Hilfsmittel machen, denn: je mehr man Sand heraussaugt, desto tieser gräbt sich der Trichter ein. In den so gewonnenen Schacht, den man schon nach zwei Tagen Arbeitszeit erhalten will, wird dann der Ingenieur selbst mit seinem Sohne zu den Goldschätzen der „Lutine", die nun unbedeckt vor ihnen liegen, hinabsteigen. Dann muß daS Meer endlich herausgeben, was es 134 Jahre lang hart näckig behalten hat. Zum Unterschied von dem Riesenwindkraftturm bei Eichlamp ist inan hier schon dicht an der Ausführung: Turm, Säugpumpe, Hebemaschinen — alles ist schon gebaut und harrt nur noch des guten Wetters, nm eingesetzt zu Werden. Die Insel Terschclling fiebert. Seit Wochen darf sie die Menschen, die geivannt aus vollkommen ruhige See oartcn, mit ihren geheimnisvollen Apparaten beherbergen. Warten wir mit — lange ja kann sich das Meer nicht gegen den Angrisf aus seinen Goldschatz wehren. Zwei Erfindungen — zwei Dokumente deutschen Er findergeistes und deutschen Jngenieurkönnens! Beide zu- tunftsweilend, bei vollkommenem (Gelingen, bedeutend für die weitere Entwicklung der Kraftwirtichaft, bezw. für die Gewinnung der von den Meeren umklammerten Schiisss- schätze. Hassen wir, daß sich hierbei der Welt die Größe der deutschen Technik auss neue offenbart. MMrkWM M MMen. Von H. Thomas. gu. Wir stehen nun mitten im Frühling, der uns schon recht sonnige und warme, ja sogar heiße Tage gebracht hat. Mit den stetig wärmer werdenden Tagen können wir auch überall die ersten (Hewitter beobachten, die unS — nun nach so langer gewitterloser, kalter Jahreszeit — aufs neue, und für die meisten Menschen sogar aufwühlend und erregend, beeindrucken. Es liegt im Menschen eine ganz instinktive Furcht vor jedem Gewitter, die aber der kühl erwägende Verstand meistens nicht wahrhaben will. Es ist nun aber Tatiackic, daß diese grandiose und gleichzeitig furchtbare Naturgewalt immer seine Opfer fordert, und zwar Opfer, die rein zahlenmäßig hinter denen natürlich stehen, die die anderen entfesselten Elemente jährlich for dern. Nach statistischen Feststellungen werden bei unS ungefähr tausend Personen vom Blitz jährlich getroffen. Die Wirkung des Blitzes ist nicht immer tödlich, aber schwere Lähmungen, Erblindungen, Taubheit und starke Verbrennungen gehören nicht zu den Seltenheiten. Im übrigen zeigen die Blitze geradezu sonderbare Launen, und namentlich die so seltenen Kugelblitze richten aus ihrem verheerenden Wege manchmal eigenartige Zerstörungen an. Nicht nur die Alten hatten von den Wirkuimeu des Blitzes aus lebende Wesen und namentlich auf Menschen zum Teil sehr verwunderliche Vorstellungen, sondern auch heute herrschen darüber noch mancherlei Aberglaube und große Unwissenheit. Zwar soll hiermit keineswegs gesagt werden, daß wir gegenwärtig alle hierhev gehörigen Er scheinungen zu erklären vermögen, doch hat man sich daran gewöhnt, Blitzschläge als Naturerscheinungen aufzufassen, und sic von diesem Standpunkte aus sorgfältiger zu be obachten und nüchtern zu beurteilen. Gelegenheit hierzu bietet sich leider nur zu ost. Seit mehreren Jahren hat man dafür Sorge getragen, daß in den Statistiken die Geschlechter geschieden werden, und hierbei stellte sich heraus, daß der Blitz das starke Geschlecht „bevorzugt", daS schöne aber mehr verschont. Die Ursache dieser Galanterie ist aber einfach darin zu suchen, daß zu den ländlichen Arbeiten im Freien mehr Männer als Frauen verwendet werden. Die Zahl der Verwündeten oder überhaupt nur gc- trosscnen Personen ist fünfmal so groß wie di« der Er schlagenen: gering ist jedoch die Zahl derer, die vom Blitze getroffen wurden und erst in Folge der hierbei erlittenen Verletzungen früher oder später starben. Beispiele von Wirkungen der Blitzschläge, durch welche Menschen oder auch Tier« getroffen worden sind, lassen sich leicht in großer Menge zusammenstellen. Trotz dieser leider sehr zahlreichen Fälle sind doch die UngluckSfälle nicht allzuhLusjg beizubringen, von welchen genaue und zuverlässige Beobachtungen vorliegen. Immerhin besitzen wir aber noch ein^e Anzahl von glaubwürdigen Berichten bei denen der Blitz bei.dem Menschen die sonderbarsten Wirkungen hatte. Als in ihrer Sonderbarkeit einzigartig mag wohl folgende Wirkung eines Blitzschlages gelten, welche uns aus früherer Zeit bekannt ist: Am 25. Juni 1785 zilln Beispiel schlug ein Blitz in die Gubener Torwache zu Frankfurt/Oder und traf vier auf der Bank vor der Wache sitzende Soldaten, unter denen zwei Unteroffizier« auf eigentümliche Weis« verletzt wurden. Am Nacken des einen war das Haar verbrannt und die Haut in Blasen erhoben. Bon dieser Stelle ging ein starker roter, mit Ausstrahlungen versehener, von aus getretenem Blute gebildeter Streifen nach der Länge dsS Rückgrats herab, bis er sich in der Kreuzgegend links zuerst umkrümmte und dann rechts wiederum etwas hinaufstieg. Aus diesem Streifen entstanden mehrere ähnliche schwächer« Seitenstreifen, und der stärkste unter ihnen, welcher zur rechten Seite herablief, endete an drei Orten: 1. vorne über der reckten Schulter: 2. an der rechten Brust: 3. an der reckten Hälfte in noch feinere strahlige Reste. Ferner lief noch ein besonderer ähnlicher, mit Blut unterlaufener feiner Streifen von der Mitte der rechten Wade bis zur Ferse herab, und aus der Mitte der linken Wade hatte sich auch noch ein mit Blut unterlaufener einzelner strahlender Stern gebildet. Dem Wadenstreifen entsprechend waren auch die Strümpfe versengt. Bei dem anderen Unteroffizier fand man oben am linken Oberschenkel «in« von unterlaufenem Blut gebildete fonnenartige Gestalt. Sie hatte einen kleinen, länglich runden Mittelpunkt, von dessen Umfang naich allen Rich tungen viele strahlige Streifen fortliefen, welche wiederum mit vielen kleinen Seitenstrahlen versehen waren. Ferner ging auch noch am reckten Unterschenkel ein ähnlicher zackiger und allenthalben seitwärts strahliger Streifen herab und dementsprechend war der Strumpf versengt. Hieraus kann man ermitteln, welche Stellung die beiden Soldaten in dem Augenblick innehatten, da sie vom Blitz getroffen wurden. Der erste Unteroffizier saß mit ausgestreckten Beinen, deshalb blieben di« Schenkel von Verletzungen frei, nur die rechte Ferse als Absprung stelle wurde verwundet. Der andere dagegen hatte den reckten Schenkel über den linken gelegt und die dadurch gehinderte Leitung erzeugte die anfängliche Verbrennung deS linken Oberschenkels; die Absprungstelle bei ihm war der Knöchel deS linken Fußes. ES ist eine häufig berichtete Tatsache, daß vom Blitz getroffene Personen von dem, was mit ihnen vorgegangen ist, meist keine Erinnerung haben. Der Blitz mit seiner ungeheuren Schnelligkeit betäubt und tötet eben, ehe sein Licht durch den Sehnerv, sein Schall durch den Hörnerv zum Bewußtsein kommen kann. Die Schwerverletzten hatten keine Erinnerung von dem Blitzschläge, mehrere, und zwar gerade die leichter Verletzten, hatten jedoch eine Erinnerung behalten, sie waren offenbar erst einen Augen blick später in Betäubung gefallen. Ein Verunglückter er zählte, er habe gemerkt, wie er getroffen niedersank und dabei eine Empfindung gehabt, als ob er in Stücke gerissen Lek Leiter der preußischen GestütSvernmUnng tödlich verunglückt. Oberlanbstallmeister Wilhelm Gatermann, der Leiter der gesamten preußischen Gcstütsverwaltung im Landwirt- schaftsmittisteriiun, verunglückte auf der Jagd: er stürzte so unglücklich, daß sich aus der Büchse ein Schub löste und ihm in die Brust drang, so baß er sofort getötet wurde. Würde. Tin anderer fühlt« «inen Schlag im Genick, tote mit einem dicken Pfahle, und geriet seitdem bei jedem Gewitter in heftig«, nicht bezwingbare Angst. Ein Dritter, der noch bemerkt«, wie sein ebenfalls getroffener Nebenmann ihn leichenblaß anschaute und dann hinsank, vergleicht di« Er schütterung, die er vom Blitze empfand, mit dem Schlage eines schweren Hammers, der auf den Amboß niederfällt, ohne zurückzuschnellen. Wenn Menschen vom Blitz getroffen werden, so ge schieht es auch nicht selten, daß durch den Schlag die Kleider mehr oder weniger zerrissen werden. Ein Mädchen wurde vom Blitz getroffen und stürzte lautlos ohne jede Zuckung zu Boden. Auf ihrer Brust hatte der Blitz einen mark großen, weißlichen Kreis, der sich strahlenförmig ver zweigte, und auf der rechten Schläfe, auf welche der Blitz aufgesprungen war, «inen kleinen blutunterlaufenen Fleck hinterlassen, in dessen Mitte sich eine klein« Oeffnung befand. Die Knochen waren unverletzt geblieben, ober ein großer Teil der Haare wurde verbrannt. Di« Bekleidung war der ganzen Länge nach zerrissen, und an einzelnen Stellen verkohlt, der hölzerne Absatz eines Schuhes, wahr scheinlich der, von dem der Blitz in die Erde überschlug zerschmettert. W StNk »kl t« WM tsd. Eine der modernsten und schönsten Kaserne« von Dresden ist die in der Vorstadt Uebigau gelegene, am An fang des Krieges für bas damalige Telegraphen-Bataillo» gebaut. Die einzelnen Gebäude bilden ein architektonisch geschlossenes Ganzes, das einwandfrei zur Umgebung paßt. Zwischen den Exerzier- und Reitplätzen, den Stallungen, Wagenschuppen und Wohnhäusern schimmern grüne Rasen flächen, in die des Gärtners Kunst leuchtende Blumenkissen gestickt hat. Drei riesige, nach oben sich verjüngende Eisen- konstruktionen recken sich hoch in die Lüfte — Funktürme! Der 4. sSächs.f Nachrichten-Abteilung, die in diesem ästhetisch schönen Kasernenkomplex untergebracht ist, galt der Besuch der Presse am Montag vormittag. Oberstleutnant Mehnert, der Kommandeur der Truppe, machte mit einigen seiner Offiziere den Führer durch sein Reich. Ge- miß, man weilt bei Soldaten — aber was man bei dieser Spezialtruppe sieht und hört, das ist das hohe Lieb der Technik und der wissenschaftlichen Forschung. ES ist doch schon so; in den wenig mehr als 1v Jahren ihrer Evolution ist die Funktechnik zu einer Wissenschaft geworden. Und dar aus ergibt sich zugleich, daß an den Funker heute höchste und allerhöchste Ansprüche gestellt werden, baß die Auslese -er Angehörigen der Nachrichten-Abteilungen äußerst sorgsam voraenommen wird und die Anforderungen ganz besonder hoch sind. Daß der alte Kavallerist heute, in einer Zeit, in der sich das Gesicht der Welt so entscheidend wandelt, schmerzliches Heimweh nach dem Alten und Einfachen — der Befehls übermittelung durch den Meldereiter — empfindet, ist eine selbstverständliche Erscheinung: aber die Tatsache, daß durch die Technik den Menschen erleichterte Arbeit geschenkt wird, muß dieses Heimweh bei weitem aufheben. Hauptmann Göring erläutert die Aufgaben der Fernsprech-Kompagnie; de« DivistonSstab «ährend deS Ge» sechts mit der Truppe zu verbinden. Diesem Zweck dienen die motorisierten Fernsprech-Bautrupps, durch die die Lei tungen zu Fuß oder während der Fahrt vom Fahrzeug aus gelegt werden. Ern weiteres wichtiges Mittel im moder nen Kampf ist der F.uuk: hier stellt der Dienst die größten Anforderungen an den Soldaten, der ein guter Techniker, zuverlässig erzogen und ein rascher und sicherer Arbeiter sein muß, wenn die Schnelligkeit und Richtigkeit der (ver schlüsselten) Funksprüche gewährleistet sein soll. Auf die technischen Einzelheiten kann natürlich hier nicht eingegangen werden. Aber eins sei gesagt: auch hier klirre« die Fesseln des Versailler Vertrages. Auch Hier spürt man die „Großzügigkeit" der Leute, die die Abrüstung des deutschen Heeres in den Einzelheiten festzusetzen haben. Und eindringlich und eindeutig sei immer und immer wie- der festgestellt, daß Deutschland nicht imstande ist, seine Grenzen zu schützen: daß unsere Armee ohne schwere Ge schütze und Flieger, mit Tankattrappen und hölzernen Kanonen keine Armee ist, wie sie Deutschlands Sicherheit ersordert! Auf dem Sportplatz herrscht reger Betrieb: die jungen Mannschaften treiben Körpergymnastik. Schmetternde Mu- sik an der Spitze, kehrt «ine Abteilung von einer Gelände übung zurück. Unter fröhlichem Gesang rückt eine andere Abteilung »um Schießstanb. Auf dem Reitplatz werde» Pferde bewegt. In den Wagenschuppen wird eifrig gear- bettet, und in den Werkstätten werden die Soldaten in ihrer technischen Fertigkeit gefördert und auf den späteren Zivil- beruk vorbereitet. Man wandert durch die Gänge -es Hauses der 1. Kom pagnie. Ueberall an den Wänden Erinnerungen an den Lop^rigkt t>x -lartia keucktvsngsr, Halle <8asle) s« Der König ist in seiner Hand. Der König — wir wissen es! — ist schwach. Seidene Röcke machen die Politik in Preußen — und hinter diesen seidenen Röcken verbirgt sich ein gewissenloser Nichtpreuße, der von den Notwendigkeiten unseres Staates keine Ahnung haben kann. Muß der König geleitet werden, dann von uns und den Unseren. Stein ist landfremd, Ausländer — Jakobiner. Er macht dem französischen Kaiser Zugeständ nisse auf Zugeständnisse. Er rät dem König zu, den schmachvollen Tilsiter Frieden zu erfüllen. Mein Vetter Pfeil hat ihn im Frühjahr in Berlin gesehen. Er ging aus und ein bei Dar». Seine Absichten sind nicht rein. Er soll das verräterische Wort gesprochen haben: .Was schiert mich Preußen? Es geht mir um Deutschland...' Ja, Sie stoßen überraschte Ausrufe des Entsetzens auS. Dies Wort von Stein ist authentisch. ES entlarvt seine vaterlandslose Gesinnung. Uns— uns muß der König folgen. Wir sind der Staat. Uns muß er gehorchen..." „Herr Vetter", warnte Graf Dieberlingk den Zornigen, „man muß nicht alles über die Lippen springen lassen, waS das Herz denkt. Wir verstehen uns auch so. Was Stein betrifft, so weiß er weder, WaS er will, noch hat er eine Ahnung von den schlesischen Verhältnissen. Außerdem: es ist die alte Geschichte. Ein Adeliger, der seinen Stand verrät, ist jedenfalls schlimmer als ein Bürgerlicher oder ein Bauer. Denken Sie an den Grasen Mirabeau in Paris..." „Auch ich bin dafür", warf der Hausherr ein, ein älterer Mann von hohor Statur und vornehm-klugem Antlitz. / „daß wir uns mit Frankreich, das heißt mit Napoleon gut stellen. Er hat Verständnis für den Adel und seine Ansprüche. Seine Handlungsweise zeigt das tagtäglich. Er würde uns nie so schaden wollen, wie dieser heimat lose Streber, dieser Stein, das offensichtlich beabsichtigt. Ich bitte Sie, meine Herren, was will der König mit einem Minister, dem es um Deutschland und nicht um Preußen geht! Ein gefährlicher Kosmopolitismus spricht aus diesem Wort, das man mir auch schon von anderer Seite zugetragen, den sich Dichter und Träumer, aber nicht Politiker leisten mögen!" „Heimatlos, Graf Thiel", sagte bedächtig Leutwin, ein hannoverscher Adeliger, der erst seit kurzem in Schlesien sich angekauft hatte und den Menschen und Verhältnissen noch fremd war, mit wenig erwünschter Wahrheitsliebe, „können Sie den Freiherrn vom Stein nicht gut nennen. Er ist im Nassauischen sehr begütert. Seine Gemahlin, eine geborene Wallmoden, hat ihm weitere beträchtliche Güter zugebracht. Stein ist vielmehr das, waS man einen universelle» Geist zu nennen pflegt. Er gehört zu den gefährlichen und unruhigen Menschen, denen eine Idee mehr gilt als seine persönlichen Vorteile, obwohl er auch diese zu wahren weiß, wie der Ankauf des DomiuiumS Birnbaum bei Meseritz beweist." „Mag er, in drei Deubels Namen, seinen Idealen leben. Er soll aber unS und unsere Interessen aus seinem Spiel lassen", rief roh der Freiherr von Goldfus in die langsame Rede des bedächtigen Freiherrn von Leutwin. „Indessen...", wollte der fortfahren. Aber ein noch junger Herr, der sich bisher still verhalten hatte, sprang jetzt temperamentvoll auf und rief mit klingender Stimmer „Gestatten Sie mir, gräfliche und freiherrliche Gnaden» einen Abschnitt vorzulesen aus einer Broschüre, wie sie der Reichsfreiherr vom Stein, unseres Königs verant wortlicher Minister, propagiert. Vielleicht wurde sie gar auf seinen Wunsch geschrieben — und s o geschrieben!" „Titel — Namen — Ueberschrist!" rief es lebhaft auS dem Kreise der Herren zurück. .Keine Erbuntertäniakeit". oob rum der 4uuae «mck Wengers Auskunft. „Sie wurde in den .Schlesischen Pro- vtnztalblättern' warm empfohlen. Ich ließ sie kommen und finde... Aber hören Sie! Zum Beispiel folgende Stelle«: Euer ganzes Wirtschaftssystem ist auf Hunger «nd Gei berechnet ... Ihr habt Scharen von elenden, gezwungene« Arbeitern, welche hungern und frieren. Aber dafür habt Ihr auch jährlich Mißwachs und schätzt Euch glücklich, im Durchschnitt daS dritte Korn zu ernten... Weiter", wehrte Wengers mit abwehrender Handbewegung dem a»S- brechenden Zorn seiner gespannt lauschenden Hörer. „Die lohnendsten Wirtschaften sind da, wo der gemeine Ma»« am liebsten hinzieht, wo er am menschlichste« behandett wird, wo er am meiste« Mensch ist..." Ein Sturm der Entrüstung unterbrach de« vorlesen- de« — Hohnlachen und Ausrufe der Wut. „Jetzt enthüllt sich der Jakobiner!" „Das ist Jakobinismus in reinster Form!" „Der Rustikalarbeiter — Me«fch? Weshalb nur nicht gleich Herr?" „Wenn man diese ttöde Masse kennt..." „Gestatten Sie noch", verschaffte Gras Wengers seiner Stimme Raum, „Ihnen das Motto diese« Elaborats de- kanntzugeben. Nur" — und er legte Hohn in seinen Auspruck — „die Arbeit des frei.«« Mensche« segnet Gott!" Ein wahrer Orkan spöttischen ZonrS brach a«S in dem Kreise von mehr als fünfzehn Herren, die sich zusammen gefunden hatten, um zu beraten, durch welch« Maßnahmen man Stein und seine Reformen — wen» nicht rückgängig, so doch unschädlich mache« könne. „Rieder mit diesem Jakobiner k" „Wenn der König unsere Treue will, soll er diesen Verräter an den vornehmsten Interessen des Staates fort jagen l" „Warum bleibt er nicht in seinem Nassau und bewirt schaftet mit solch vorbildlicher Menschlichkeit seine eigenen Güter? Diese westlichen Praktiken sind nichts für unsere« schlichte«, treue«, urdeutschen Ost«U"
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