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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.06.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060616012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906061601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906061601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-06
- Tag1906-06-16
- Monat1906-06
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Für das Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen und Extrabeilagen nur iu der Morgen-Ausgabe Schluß der Annahme nachmittags 4 Uhr Anzeigeu-Annahme: AugllftuSplay 8, Erke JobanniSgasse. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuucker.Herzgl.Bayr.Hofbuchhandlg., Lüpowslraße 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Ftlial-Expedition: Dresden,Marieusir.31. Sonnabend 16. Juni 1906. 100. Jahrgang. Vas Wcdligrte vsm Lage. * Wie in Kreisen, die als unterrichtet zu erachten sind, versautet, beabsichtigt der Rat der Stadt Leipzig, den Stadt verordneten eine Vorlage, betreffend die Abänderung des Stadtverordneten»-»-! rechts, -» unter breiten. * Ter d e u t s ch e K a i s e r hat sich bei dem Könige Haakon für den 8. I u l i in D r o n t h e i m zum Be- suche gemeldet. Ter Besuch trägt offiziellen Charakter. ' Ter Kaiser ist gestern abend 5 Uhr 50 Min. von Station Wildpark nach Hannover abgereist. ' König Friedrich August von Sachsen führte gestern den geplanten Besuch in Salzwedel aus. (S. Deutsches Reich.) * Nach einer Meldung des „H a n n o v. Courier" steht der Rücktritt des Staatssekretärs im ReichSmari ne amt, des Admirals Tirpitz, un mittelbar bevor. (S. Deutsches Strich.) * Das preußische Herrenhaus begann gestern die allgemeine Debatte über das Volks- scyulgesetz. (S. Deutsches Reich.) ktbircdtt Manko. Zu der Zeit, als die Interna aus der Verwaltungs praxis amerikanischer Versicherungsgesellschaften Auf sehen machten, hatten wir Gelegenheit, mit einer auch politisch stark engagierten hervorragenden amerikanischen Persönlichkeit zu sprechen. Natürlich verurteilte der Herr die bekannt gewordenen Machenschaften scharf, bat dann aber doch recht dringend, sein Urteil nicht zu publizieren, denn: „die Leute sind drüben so empfindlich." An dies Geständnis mußten wir denken, als uns zu Gesicht kam, was Herr v. Podbielski dem Vertreter eines Berliner Lokalblattes über die Chicagoer Scheußlichkeiten gesagt hat: „Die Vorkommnisse in Chicago waren uns sehr wohl bekannt; mit Grauen konnte man bei den Mit teilungen erfüllt werden. Wir konnten uns dazu nicht öffentlich äußern, sondern mußten nur unsere Bevölke- rung zu schützen suchen." Nun wird man an dem preu ßischen Landwirtschaftsminister manches auszusetzen haben können, aber daß er sich ein so wirksames Argu ment für seine Grenzsperre ohne Not hätte entgehen lassen, wird ihm niemand zutraucn. Es müssen also recht triftige Bedenken dem Minister den Mund geschlossen und aus seinem Herzen eine Mördergrube gemacht haben, was sonst nicht seine Art ist. Die zitierten Worte des amerikanischen Volkspsychologen geben des Rätsels Lösung. Aus politischen Gründen, um das empfindliche amerikanische Nationalbewußtsein zu schonen, mutzte sogar Herr v. Podbielski schweigen. Das wird noch ver ständlicher, wenn man sich der internationalen Lage des letzten Herbstes erinnert. Es war die Zeit der Ent hüllungen über Delcassss Pläne, der Vorbereitungen für Algeciras und der Mobilmachungsgerllchte. Trotz alledem will uns etwas wie Neid überkommen wegen des Respektes, den andere Nationen selbst noch vor der schmutzigen Wäsche Amerikas haben und nur wegen des empfindlichen Nationalgefllhls. Das Selbstbewußt- sein braucht durchaus nicht immer und in allen Punkten begründet werden zu können. Nur stark muß es sein, dann wird es schon respektiert werden. Wir wollen die strahlenden Seiten des amerikanischen Volkscharakters, seine gewaltige Tatkraft, seine Heimatsliebe, nicht schwärzen. Deutsche Publizisten, deren hohe Intelligenz und vaterländische Gesinnung Bürgschaft für Kritik am rechten Platz bieten, haben uns den Amerikaner sehen und schätzen gelehrt. Aber daß diese ganz einseitige, enorme Kräfteanspannung, diese niaßlose Ueberschätzung des Er folges und der bloßen Qualität doch schwere ethische und wirtschaftliche Nachteile für die Union mit sich gebracht bat, ist heute auch von dem enragiertesten Lobredner des Dollarlandes nicht mehr zu bestreiten. Auch die Gewissen- losigkeit geht drüben ins große. Wenn das ein Trost im Leide ist, mag 's dafür genommen werden. Wohl haben auch wir Fälscher, Betrüger und Panischer unter uns. Aber diese Menschen betreiben doch ihr Gewerbe scheu und heimlich. In Chicago aber ist es in aller Öffentlichkeit unter Aufsicht der Behörden und trotz der Mitwisserschaft von Tausenden von Angestellten bisher unbeanstandet möglich gewesen, aus gemeiner Gewinn sucht die scheußlichsten Dinge zu begehen. Hier also hat der amerikanische Stolz, der für die Opfer von San Franzisko kein fremdes Geld zu nehmen litt, versagt. So ziemlich alles hat versagt. Die Trustmagnaten, die Direktoren, die Angestellten der Gesellschaft, die Arbeiter, die wegen eines halben Dollars Wochenlohn in jeden Streik zu bringen sind, die staatlichen Kontrolleure, alle haben versagt, haben es mit ihrer Menschenwürde verein bar gefunden, ihren Mitmenschen Kot statt Fleisch zu bieten. Dis endlich ein Unbeteiligter, ein sozialistischer Schriftsteller, die Schauermär so laut verkündete, daß die Verbrechen nicht mehr vertuscht werden konnten. Vielleicht wird nun sogar ein paar Leuten der Prozeß gemacht werden, aber Amerika wird es dem Zuschauer nicht ver übeln dürfen, wenn er das ganze Staatswesen für diese Zustände verantwortlich macht. Wir geben gern zu, daß ein Uebermaß behördlicher Beaufsichtigung eine Landplage werden kann, daß es selbständigen Menschen unerträglich erscheinen, daß es die Entwickelung des Volkscharakters ungünstig beein flussen, ihn zur Kleinlichkeit geneigt machen kann. Aber wenn wir die Wahl haben zwischen straffer Staatskon trolle, selbst verbunden mit starken Unzuträglichkeiten, und der Möglichkeit von Vorkommnissen ä la Chicago, so bekommt ein SchutzmannShelm einen förmlichen Glorienschein. In Amerika wird man gut tun, sich im Lexikon über I das Wort Ethik recht gründlich zu informieren, und das Uebel nicht nur in Chicago zu suchen. Es liegt viel > tiefer, in der ganzen Lebensauffassung und im Lebens zuschnitt des Volkes. Bezeichnend dafür ist das völlige Vernachlässigen der Allgemeinbildung und das ausschließ liche Kultivieren der Fachwissenschaften. In Amerika sind junge Leute fertige Ingenieure in dem Alter, in dem sic bei uns die Hochschule beziehen würden. Dies ist einer der Punkte, die uns wertvoll dünken an unserem sonst recht bcsscrungsbedürftigcn Erziehungssystem. Ob Herr Roosevelt der Mann ist, eine solche Abkehr von alten „Idealen" bei dem Volke herbeizuführen, kann sich jetzt zeigen. Sein guter Wille gerade in dieser Richtung ist bekannt, aber auch seine bisher noch stets hervorgetretene Scheu, den Kampf mit den Trustherrschern bis aufs Messer auszutragen. Die Gelegenheit ist günstig. Wenn cs ihm jetzt nicht gelingt, da das Volk in Empörung und Abscheu gegen die Vampire hinter ihm steht, ist auf keinen Sieg zu rechnen. Es wäre zu wünschen, daß ihm dieser Kampf von Europa aus nicht erschwert wird durch Auszeichnung derselben Leute, mit denen er ringt. Ein Armour hat bereits in der Kieler Woche den Kaiser als Gast bei sich gesehen, und in Wien hat Prinz Heinrich wieder ein Mitglied dieser Schlächterfamilie ausge zeichnet. Solange die Greuelgeschichten von Chicago nicht publik waren, mochte das hingehen, wenn auch diese Leute durch nichts als ihr Geld hervortraten. Es will uns aber unmöglich scheinen, heute noch die Personen von der Sache zu trennen. Das Geld, das aus dem Dreck der Chicagoer Schlachthäuser genommen wurde, riecht. Jedermann kennt die kleine Geschichte von dem dank baren Schlächtermeister, der einst dem Fürsten Bismarck den Rat gab: „Durchlaucht, essen Sie nie Wurst." Daran ist etwas Wahres. Keine Fleischfarce bietet die Garantie für Güte und Reinheit, wie das ungemengte Fleisch, und im Interesse kräftiger Volksernährung liegt es, den Ge schmack zu veredeln und auf reine, einfache Speisen zu lenken, die scharf gewürzten Gemenge aber mit Vorsicht genießen zu lehren. Dazu ist freilich nötig, daß die Fleischpreise sich in mäßigen Grenzen halten und nicht so in die Höhe gehen, daß das Volk zu minderwertigen Nährmitteln zu greifen gezwungen ist. Da Herr von Podbielski es für eine Pflicht der Landwirtschaft erklärt hat, für eine gute und billige Alimentation des Vater landes zu sorgen, brauchen wir uns in der Beziehung ja glücklicherweise keinen Sorgen mehr hinzugeben. Aus Dankbarkeit dafür soll er uns auch stets bereit finden, an seiner Seite für scharfe Kontrolle aller eingeführten Fleischwaren zu kämpfen. die seit einigen Tagen ans dem schmutzigen Boden gelegen batten, dazmvarfen. In einer anderen Schlachterei jaden wir mehrere hundert Pjund gekochter Fleischwosalle aus einem Tisch liegen, wovon ein großer Teil trocken, ledercg uns ganz ungeeignet für den Genuß war. Dabei be- sanden sich Stücke von Schweinshaut, einige ;,ra«mente von Stricken und Abfall. Der mit dreier Milchung^beschas- tinte Mann erklärte uns, daß er eben präparierten Schinken sPotted Ham) zubereite. Alle aus diesen Etablissements kom menden Büchsen trugen Inspektionsvermerke. Es liegt, au, der Hand, daß diese Angabe völlig unbegründet und irre führend ist. Wie die Aerzte feststellen, ist die Tuberkulose in den Schlachthäusern in unvevhä)tnismäßiger Weise verbreitet, und die Opfer dieser Krankheit spucken aus den schwammig hölzernen Boden der dunkeln Arbeitsräum«, von denen später die Fleischabfälle zusammengekehrt werden, um zu Fleischprodukten umgewandelt zu werden. Di« Beschau vor dem Schlachten scheint in den meisten Fällen wenig Wert zu haben. Die mikroskopisch« Unter- suchung von Schweinen, di« für die Ausfuhr nach Deutschland bestimmt sind, scheint mit großer Sorg falt vorgenommen zu werden, und es kann mit gutem Grunde gekragt werden, warum nicht dieselbe Vorsicht auch bei Schweinen, die für den amerikanischen Markt bestimmt sind, gilt. Deutscher Reich. Leipzig, 18. Juni. ' König Friedrich August in Salzwedel. Der König von Sachsen ist gestern nachmittag 2 Uhr 44 Minuten in Begleitung des Generaladjutanten Generalleutnant von Altrock und des sächsischen Militärbevollmächtigten in Berlin, Oberst von Salza und Lichtenau, hier einge troffen. Zum Empfange waren erschienen der Komman dierende General des 4. Armeekorps v. Bcneckendorff und Hindenburg, Divisionskommandeur v. Bernhardt, Dri- gadekommandeurOberst Schotten und der Regimentskom mandeur der 16. Ulanen, Oberst v. Pappritz. Die Straßen der Stadt trugen reichen Festschmuck. Spalier bildeten drei Schwadronen des Ulanen-Regimentes, die hiesigen, sowie etwa 30 auswärtige Kriegeroereine, andere Vereine, die Innungen und die Gewerke. Dem Könige wurden vom Publikum lebhafte Huldigungen dar gebracht. Der Monarch fuhr, von einer Schwadron Ulanen eskortiert, nach der Probstei, dem Wohnsitze des Landratcs von der Schulenburg, wo er Wohnung nahm. Auf dem Wege dorthin hielt der Zug vor der Höheren Töchterschule an, wo dem Könige ein Blumenstrauß über reicht wurde. Bald nach der Ankunft durchfuhr der Monarch einige Straßen der Stadt und besuchte die Kasernen. Darauf empfing er in der Probstei eine Depu- Aus dem Bericht der amerikanischen Kommissare. Der offizielle Bericht der beiden Kommissare Neill und Reynolds, die Präsident Roosevelt nach Chicago ge schickt hatte, ist dem Kongreß, wie gemeldet, am 4. d. M. übermittelt worden. Jetzt liegt der Bericht auch hier im Wortlaut vor. In Ergänzung der aus ihm bereits mit geteilten Angaben fei noch die nachfolgende Schilderung zum Abdruck gebracht: Nichts zeigt die allgemein« Gleichgültigkeit gegen alle Rücksichten der Reinlichkeit und Hygiene handgreiflicher, als die für Männer und Frauen bestimmten Aborte. Diese Räume werden häufig zugleich auch als Garderoberäume für die Angestellten verwendet. Wäschobehälter gibt es entweder überhaupt nicht, oder sie sind klein und schmutzig. Ebenso wenig gibt es da Handtücher, Seife oder Toilettenpapier. Männer und Frauen kehren direkt von den Aborten zu ihrer Arbeit zurück, um die ungewaschenen Hände in das Fleisch zu tauchen, das zu Würsten, Rauch fleisch und anderen Waren verarbeitet werden soll. s... Hier übergehen wir einige allzu ekelhafte Einzel heiten.) Ein Mangel an Sauberkeit wurde überall bei der Be handlung des Fleisches beobachtet. In einigen der größten Anlagen werden di« Viertel in dem Raum, worin das Ent fernen der Knochen voraenmmen wird, in einem großen Haufen auf den Fußboden geworfen. Die Arbeiter klettern über diese Haufen von Fleisch hinüber uns juchen sich die Stücke aus, die ihnen passen, und Versen diese häufig auf den schmutzbedeckten Boden neben ihrer Ar beitsbank. Selbst bei dem Zerkleinern des Fleisches auf der Fleischbank wird das Fleijch meistens gegen die Schürzen gedrückt, und diese Schürzen sind in der Rege! in einem unbeschreiblich schmierigen Zustande. Sie sind meistens aus Leder gemacht oder aus grobem Sackleinenstoff, und es Hal sich auf ihnen infolge langen Gebrauchs Fett und Schmutz in Masien abgelagert. Es wurden auch Fleisch- abgänge beobachtet, die von den schmutzbedeckten Fußböden in Behälter zusammengeschaufelt und von diesen mit Schaufeln wieder inFäjser oder unmittelbar in dre Hack. Maschinen befördert wurden. Zu bemerken ist, daß diese Fußböden in den meisten Fällen feucht und schlüpferig in dunkeln, schlecht ventilierten Räumen sich befinden und daß die Angestellten, die augenscheinlich keine Ahnung von Rein lichkeit oaer von Gefahren für die Gesundheit hatten, ganz harmlos auf den Boden ausspien. Mit einem Wort, wir sahen, daß Fleisch von schmutzbedeckten hölzernen Fußböden aufgeschaufelt, aus selten gewaschenen Tüchen aufgetürmt und auf verfaulten Schiebkarren von einem Raum nach dem an- dern befördert wurde und daß bei all diesen Prozessen das Mitgehen von Erde, Splittern, Bodenschmutz und den Auswürfen tuberkulöser oder sonjt erkrankter Arbeiter unvermeidlich war. Ein be- sonders krasser Fall von Unreinlichkctt wurde in einem Ar- heitSsaal sestgestcllt, in welchem die besten Arten Würste für die Ausfuhr zubereitet wurden. Man nahm hierzu nur di- besten Stücke Fleisch, und die Zu bereitung lief darauf hinaus, daß die Würste ungekocht ge. pessen werden sollten. Die Bediensteten fuhren die Fleisch stücke hierzu auf Schubkarren an, deren Griffe von Fett glänzten, sie warfen das Fleisch aus die Tische, sprangen darauf, handhabten die Stücke mit ungewaschenen Händen, knieten mit ihren von Schmutz starrenden Beinkleidern und Schürzen daraus und holten dann eine neue Ladung In diesem Raum befand sich kein Wasser zum Händewaschen. ! Ein weiteres Beispiel drängte sich uns auf, als wir sahen l wie die Arbeiter in einer bekannten Anlage frisches Fleckch I tu ein Faß schaufelten, worauf si« ein« Menge Fleischabsälle, tation des Magistrats, der Stadtverordneten und des Ver eins ehemaliger Treffenfeld-Ulanen. Um 6 Uhr fand das Diner im Offizierskasino statt, an dem außer dem Prinzen Leopold von Bayern, Inspekteur der 4. Armee inspektion, der mit dem Mittagszuge angekommen war, die gesamte Generalität teilnahm. Abends 9 Uhr ist ein Zapfenstreich der Ulanenkapellc vor dem Offizierskasino vorgesehen. * Tirpttz. Wie unS ein Privattelegramm aus Hannover berichtet, bringt der „Hann. Courier" die Meldung von einem nahe bevorstehenden Rücktritt des Staatssekretärs im Reichsmarineamt, des Admirals Tirpiy. Augenscheinlich gründet sich diese Annahme darauf, daß Tirpitz kurz vor der Kieler Woche in Urlaub gegangen ist. Immerhin wird dieser Urlaub, den der Admiral in Bad Nauheim verbringt, auch erklärlich durch Gesundheitsrücksichten. Wer sich daran erinnert, wie wenig zufrieden man aber gerade in flot.tenfreundlichen Kreisen mit der letzten Novelle zur Flottenvorlage war, die nur aus Rücksichten gegen daS Zentrum sich in so bescheidenen Grenzen hielt, der wirb unschwer auch einen sach ichen Grund für die Glaubwürdigkeit der Meldung von einem bevorstehenden Rücktritt des Admirals Tirpitz finden. Die nächsten Tage werden ja zeigen, ob die Meldung nicht verfrüht rst. * Afrikanische Verlustliste. Rciter Ernst Reimers, geb. zu Dahlen, früher im Ulanen-Regiment Nr. 9, ist am 11. Juni 1906 im Lazarett Kectmanshoop an Typhus und Skorbut gestorben. * Die Manneszucht im deutschen Heere. Die Aus streuungen des „Vorwärts" über „Meutereien" in Süd westafrika sind natürlich miteingegeben von der „patrio tischen" Absicht, die Manneszucht im deutschen Heere als erschüttert darzustellen. Es verlohnt sich deshalb ein Blick auf die Kriminalstatistik für das deutsche Heer, die für das Jahr 1905 bereits vorliegt. Darin sind die strafbaren Handlungen, welche gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung begangen wurden, nach be stimmten Gruppen unterschieden. Rechtskräftig bestraft wurden während des Jahres 1905 im ganzen deutschen Heere wegen achtungswidrigen Betragens 212, wegen Beleidigung von Vorgesetzten 111, wegen Ungehorsams und ausdrücklicher Verweigerung des Gehorsams 863, wegen Widersctzung 79, wegen tätlichen Angriffs gegen Vorgesetzte 69, wegen Aufforderung und Anreiz zu Ver letzungen der Subordinationspflicht, sowie wegen Auf wiegelung, Erregen von Mißvergnügen, Meuterei 8, wegen militärischen Aufruhrs 5, wegen Beleidigung, Ungehorsam, Widersetzung gegen Wachen 51 Personen des Soldatenstandes. Im Vergleich mit den Be strafungen des Jahres 1904 weist jede Gruppe der an geführten strafbaren Handlungen einen Rückgang auf. Und zwar beträgt der Rückgang für die einzelnen Grup pen in der obigen Reihenfolge: 67, 13, 8, 9, 13, 5, 1, 16. Die Gesamtzahl der strafbaren Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung betrug also im vergangenen Jahre 1398. Da die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres eine halbe Million Köpfe weit über- steigt, kann nicht bestritten werden, daß die Mannes zucht in der Armee nichts weniger als die Beleuchtung verdient, in welche das sozialdemokratische Zentralorgan sie rücken möchte. ' Eine Rede des Kardinals Fischer bei einem Besuch in Eschweiler hat die Frage der konfessionellen Ver hetzung berührt. Der Kirchenfürst führte aus, man solle unter den christlichen Konfessionen das Gemein- sanie und Einende, nicht daS Trennende in den Vorder- gründ stellen und sich gemeinsam zusammenfinden gegen den Geist der Auflehnung und des Umsturzes, der an- kämpft gegen den Gottesglauben, gegen die bürgerliche Ordnung und das gemeinschaftliche Vaterland. * Aus per nationalltberalen Partei. Der von uns s. Z. gcmclvkte Rücktritt de« Dr. Bürklin von dem Psst.-u deö 1. Vorsitzenden res Nationallideralcn Vereins der Pialc ist von offenen Gegnern und falschen Frennden der naiio- nalliberaien Partei dahin gedeutet worden, er sei erfolgt, weil Bürklin vaS Auftreten und die Bestrebungen der Jung- lcberalen mißbilligt habe und das Zusammengehen mit den Linksliberalen, ja das ganze Nürnberger Blatiprogramm ihm wider den Strich gewesen fei. Dr. Bürklin hat jetzt riesen Entstellungen ein Ende bereitet, indem er in einem Bries an den Vorstand des Neustavter a. H. national liberalen Vereins erklärt, sein Rücktritt sei lediglich dadurch beringt, daß er Vizepräsident der Ersten Kammer in Baden wurde und er sei nur nicht früher zurückgelreten, weil er versprochen halte, bis nach der Kaiserslautelner Reichstags wahl auf seinem Posten zu verbleibe». Er fährt dann in dem Bries wörtlich fort: Es ist nicht wahr, daß ich ein Gegner des Nürnberger Block programms bin. Ach dabe dasselbe und den Zusammenschluß ter liberalen Parteien befürwortet. Es ist nicht wahr, daß ich den Jungliberalen*unfreundlich gesinnt bin. Ich babe von Anfang an diele Bewegung begrüßt, als em Zeichen erfreulicher Teilnahme auch der lüngeren Generation an unserem politischen Leben. Dies habe ich nicht heimlich, sondern viele Mare in öffentlichen Bei sammlungen kundgegeben. Daß ich einzelnen Mitgliedern aus den jungtiberalen Reihen eutgegeugetreteu bin, steht damit nicht im Widerspruch. * Tas Volksschulgcsctz dar dem prcutztschen Hcrrcn- hans. Das Haus begann die Beratung des Volksschnl- unterbaliuugsgesetzes. Nachdem Kultusminister Dr. Studt die Grundlage des Entwurfs dargelegt und die Hoffnung ausgesprochen hatte, daß auch daS Herrenhaus die Hand bieten werde, das Gesetz zustande zu bringen, beantragte KoScielski die Absetzung der Vorlage von der Tages ordnung, mit der sich das HauS nicht beschäftigen lönnle, ehe dre durch die Lex Schiffer vorgesehene Verfassungs änderung durch zweimalige Abstimmung in beiden Häusern sanktioniert sei. Der Antrag wurde mit allen gegen 2 Stimmen abgelehut. Zn der GeueralbiSkussion tprach Manteuffel seine Freude über den konfessionellen Charakter deS Gesetzes aus, wünschte aber eine gründliche Beratung in der Kommission. Oberbürgermeister Becker äußerte besondere Bedenken gegen den Rekiorenparagraphen, hoffte aber, daß iu der Kommission eia Ausgleich zustande kommen werde, da daS Gesetz ein Bedürfnis sei und viel Gutes enthalte. Zm weiteren Lause der Debatte trat Kardinal Kopp dem Fürsten Lichnowskr entgegen, der, um der polnischen Agitation zu begegnen, besondere Bestimmungen für Oberschlesien wünschte. Kopp betonte, die Bedenken gegen die Vorlage seien nicht so schwere; man solle daher ohne Not keine Aenderungen daran vornehmen. Kultusminister Studt schloß sich den Aussührungen KoppS bezüglich des Antrages Lichnowsli an. Oberbürgermeister Fuß bedauerte besonders die Eingriffe in die Selbst verwaltung, die die Vorlage enthalte. Doch seien seine Freunde bereit, in der Kommission au Verbesserungen mit- zuwirken. Um '/«ö Uhr wurde die Weiterberatuuz auf Sonnabend 11 Uhr vertagt. * Von der 20. Wanderausstellung der Deutschen Land wirtschafts-Gesellschaft, die vom 14. bis 19. Juni in Schöneberg bei Berlin zu besichtigen ist, kann auch der politische Publizist einiges berichten. Zunächst ein kleines Vorkommnis, das erst eine politische Spitze gegen die von den Agrariern nicht sehr geliebte Stadt Berlin zu haben schien. Berlin hatte die Landwirte zu einem festlichen Empfangsabend im Rathause eingeladen. Die Landwirte hatten auch dankend angenommen, die angebotene Be wirtung aber abgelehnt und nur gebeten, sie gegen Hunger und Durst gegen Entgelt zu schützen. Die Kunde dieser Begebenheit verlor aber alles Peinliche, als die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft erklären ließ, sie habe es bei ihren früheren Ausstellungen in anderen Städten ebenso gehalten. Nach dieser freilich sehr notwendigen Aufklärung können wir nicht anders, als das Verhalten der Landwirte außerordentlich verständig und nach ahmenswert zu finden. So lange es sich um Bewirtung kleinerer Kreise von Gästen handelt, solange infolgedessen auch die Kosten nicht allzu hoch kommen, mag der freund schaftliche Zweck derartiger Veranstaltungen erreicht werden. Sobald es aber auf eine Sättigung großer Massen ankommt, sind häufig Schauerfzenen unvermeid lich. „Da wendet sich der Gast mit Grausen" und be dauert nur meistens, sich nicht besser vorgesehen und nicht schon gegessen zu haben. Die Ausstellung selbst ist über raschend geschickt angelegt und bietet nicht nur Fachleuten interessante Objekte. Besonders das Tiermatcrial ist be wunderungswürdig. Freilich wird beim Anblick des kapitalen Mastviehs mancher Besucher an die weisheits vollen Worte Fritz Reuters denken, der Rindfleisch mit Pflaumen für ein schönes Gericht erklärte. Nur müßte man es auch zu essen bekommen. Auf die bei der feier lichen Eröffnung der Ausstellung gehaltenen Reden ein- zugchen, liegt ein politischer Anlaß mcht vor. Alle Herren Redner, mit Einschluß des protegierenden Kron- Prinzen, waren sehr vorsichtig in ihren Worten, und die Gelegenheit wäre ja auch denkbar schlecht gewählt ge wesen zu parteipolitischen oder polemischen Auseinander setzungen. Selbst der temperamentvolle preußische Land wirtschaftsminister, dem übrigens auch seine Gegner fachliche Tüchtigkeit und Eifer im Beruf nicht abfprechen können, hütete sich vor rednerischen Extravaganzen und redete im wesentlichen nur seinen Schutzbefohlenen ins Gewissen, sich für die schöne Zollpolitik nun auch dankbar »u »eigen und „für eine gute und billige Alimentation
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