Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.07.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060718018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906071801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906071801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-07
- Tag1906-07-18
- Monat1906-07
- Jahr1906
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
-7 ...... Bezugs» Preis iu der Hauptexpeditiou oder drreu Ausgabe stellen abgebolt: vierteljährlich ^tl 2.40, bei täglich zweimaliger Zustellung tu- Hau» vierteljährlich 8.—. Durch unsere aus ¬ wärtigen Ausgabestellen und durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut Zeitungspretsliste. Diese Nummer kostet auf /» U allen Bahnhöfen und bei I »I den Zeitungs-Verkäufern Redattion und Expedition: Johannisgasse 8. Telephon Nr. 153, Sir. 222, Nr. 1173. Berliner RedatttonS-Bnreau: Berlin kilV. 7, Dorotheenstraße 83. Telephon I, Nr. 9275. Morgen-Ausgabe. KlpMcr TagMM Handelszeitnng. Ämlsvlatt des Rates und des Nolizeiamtes der Ltadl Leipzig. Anzeigev-Preis di« 6 gespaltene Petitzeile für Lrivssg und Umgebung 2b Pf., Familien-, Lvmnmnas- >. Stellen-Anzeigen, towie An- u. Verkäufe SO Pf. (Händler und Vermittler 25 Pf.), für auswärts 30 Pfg. Fipauzielle Anzeigen, Geschästsanzeigen unter Text oder an bevorzugter Stelle nach be sonderem Tarif. Für das Erscheinen an bestimmten Tagen v Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen und Extrabeilagen nur in der » Morgen-Ausgabe Schluß der Annahme nachmittags 4 Uhr. i Anzeigen-Annahme: AugustUSPlatz 8, Ecke Joüannisgasje. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker,Herzgl.Bayr.Hofbuchhandlg., Lützowstraße 10 «Telephon Vl, Nr. 4603). Filial-Expedition: Dresden,Marieustr 34. Nr. 358. Var MÄiigrie vom Lage. * Der Vorsitzende des KirchcnratS im Groß- herzogtmn Sachsen Geh. Kirchenrat Dr. Foertsch ist gestorben. * Der Bischof Endert von Fulda ist gestern mittag gestorben. * Die bayerische Abgeordnetenkammer hat den An trag auf Einführung einer bayerischen Staats lotterie abzelehnt. * Iu Petersburg sink die Schutzleute in Aus stand getreten. sS. Ausl.) * Die türkische Untersuchung skommifsion ist nach Samos abgereist. * Der Ausstand der Leipziger Buchbinder dauert fort, nachdem das Resultat der bisherigen Eiuigungsver- handlungen gestern von den Ausständigen als ungenü gend abgelehut worden ist. sS. Letzte Lokaluachr.) isegierung «na vnms. Ein kürzlich aus Petersburg zurückgekehrter Diplo mat, der Gelegenheit hatte, sich durch Rücksprache mit den verschiedenen Faktoren des politischen Lebens über die Lage in Rußland eingehend zu informieren, äußert sich Liber seine persönlichen Wahrnehmungen und Beob achtungen in einem Artikel, der uns zur Verfügung ge stellt wird, und offenbar die Anschauungen wiedergibt, die in den russischen Regierungskreisen herr schen. Aus diesem Grunde ist der Artikel beachtenswert und wir drucken ihn nachfolgend ab : „Erst vor weniger Tagen aus Petersburg zurückgekehrt, gewährt es mir ein besonderes Vergnügen, meine eigenen Wahrnehmungen mit den Berichten zu vergleichen, welche, namentlich in letzter Zeit, in der deutschen Presse über Nutz land verbreitet werden. Trotz aller Mühe und trotz allem Mißtrauen, daS ich ebenfalls, beeinflußt durch die Lektüre der verschiedensten Zeitungen, mitbrachte, habe ich keines wegs auch nur annähernd das bestätigt gefunden, was der öffentlichen Meinung jetzt Tag für Tag seitens der ver schiedensten Korrespondenten aus Petersburg gemeldet wird, nämlich, daß wrr vor einem Zusammenbruch des Riesen- reicheS stehen. Wahrlich, mit einer großen Revolution in Rußland lwt eS noch lange gute Wege! Di « gegenwär tige Regierung verfügt über die weitest gehenden Machtmittel, um jeder, selbst der größten Volkserhebung erfolgreich ent- gegeuzutreten. Die Macht des weißen Zaren ist doch noch viel, viel tiefer basiert, als wir Westeuropäer uns vor- stellen können. Der Glaube an den Kaiser, die Liebe zum Haufe Romanow, wurzelt felsenfest rm Herzen der Russen, Nicht nur die Macht seines Heeres, sondern mehr noch die Liebe und das Vertrauen seiner Untertanen stützt den russi schen Kaiser und seine RUierung. An dieser Tatsache ist nicht zu zweifeln, nnd die nächste Zeit schon wird beweisen, daß es den in der Duma verevnigten Demokraten und deren Anhang trotz aller Mühe nicht gelingen wird, in dem Kampfe gegen die Regierung zu siege». Das sehen übrigens die besonnenen Führer der Kadetten vollständig ein und man kann jetzt schon ein gewisses Ab flauen in dem Verhalten der Dumamajorität bemerken. Es kann keinem ftzveifel unterliegen, daß — wenn auch keine Verständigung zwischen Regierung und Dnma als un mittelbar bQ-orstehend angesehen werden darf — dennoch sich ein raockus vivvncki wahrscheinlich erzielen lasten wird, und zwar ohne daß das Kabinett Goremykin zu demissionie ren braucht. Es hat übrigens keineswegs an Versuchen seitens der Regierung gefehlt, ein Versöhnungskabinett zu bilden. Daß diese Bemühungen scheiterten, lag nicht an der Regierung, sondern vielmehr ausschließlich an dem geradezu wahnsinnigen Verhalten der Duma. Zurzeit regiert in der Duma nämlich lediglich die Phrase. Wer die schönsten Phrasen macht und di« tollsten Forderungen stellt, wird stets jubelnden Erfolg in der Duma finden. Bei aller Nachsicht, die man einem so jungen Parlament entgegenbringen muß, ist doch nicht zu bestreiten, daß die positiven Leistungen der Duma bis jetzt gleich Null sind, und daß ein Zusammen arbeiten irgend einer Regierung, und sei es auch der liberal sten, mit der Duma in der heutigen Gestalt zu den Unmög lichkeiten gehört. Ich hatte Gelegenheit, die Duma bei der Arbeit zu sehen, und muß gestehen, daß ich stark ernüchtert bin von dem, was ich in der Duma sah und hört«. Die Duma macht auf mich durchaus den Eindruck einer sozialisti schen Volksversammlung, wo die nichtssagendste Phrase seitens einer urteilslosen Menge stürmisch applaudiert wird. Wer da glaubt, daß die Wiedergeburt Ruß lands von dieser Duma zu erwarten ist, be findet sich jedenfalls in einem enormen Irr. t u m. Die Zahl derjenigen Abgeordneten, welche überhaupt für eine seriöse gesetzgeberische Tätigkeit qualifiziert sind, ist jedenfalls recht gering. Hierin liegt aber die Stärke der Re gierung, die heute nur nötig hat, abzuwarten, wie sich die Verhältnisse weiter in der Duma entwickeln werden. Arbeitet die Duma in der bisherigen Weise weiter mit Schimpfen, wüsten Brandreden und mit absolut unverstän digen Forderungen, so muß in der öffentlichen Meinung Rußlands unbedingt ein Rückschlag über kurz oder lang eintreten. Die Wählermasten werden bald genug einse'hen, daß ihre Vertreter in der Duma weder befähigt noch willens sind, wirkliche Reformen einzusühren. Zeigt dann die Re gierung, daß sie selbst guten Willen hat, eine zielbewußte Reformpolitik auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens zu inaugurieren, so wird sie bald Herr der Situation werden. Ich hatte Gelegenheit, unlängst einen hervorragenden russischen Staatsmann, der durchaus modernen Ideen hul digt, über die Lage zu sprechen, und dieser bestätigte mir ebenfalls, daß trotz mancher bedrohlicher An-eichen dennoch an eine große Revolution in Rußland nicht zu denken sei. Trotz aller gegenteiligen Meldungen und ungeachtet «iuiger Fäll« von Insubordination steht die Armer Mittwoch 18. Juli 1906. 180. Jahrgang. unbedingt ans feiten des heutigen Regimes, und es i st gar nicht daran zu denken, daß im Ernstfall die Truppen meutern werden. Wie ich von maßgeben der Seite höre, beabsichtigt die Negierung durchaus nicht, die Duma aufzulösen. Weder der gegenwärtige Ministerprä. sident, Herr v. Goremykin, noch seine Ministerkollegen verdienen eine derartige Beurteilung, wie sie ihnen z. B. in einem Teile der deutschen Presse zuteil wird. Herr v. Goremykin ist ein durchaus gemäßigter Poli tiker von großer Erfahrung und Lauterkeit des Charakters. Außer ihm dürfte die markanteste Persönlichkeit des gegenwärtigen Kabinetts in erster Lime der Finanzminister v. Kokowtzofs sein. Herr o. Äokowtzoss ist nicht nur einer der glänzendsten Finanzpolitiker Ruß lands, sondern einer der feinsten Köpse, die ich kenne. Er ist ein Mann von seltenen Fähigkeiten, großer Erfahrung, der bei Freund und Feind wegen der Lauterkeit seines Charak ters und der Gewissenhaftigkeit, mit welcher er seine Pflich ten ausübt, allgemein beliM ist und über den ich nur das Allerbeste hörte. Nun noch ein kurzes Wort über die Haltung der deutschen Presse gegenüber Rußland. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß an maßgebender Stelle an der Newa «ine ziemliche Erkältung Deutschland gegenüber eingetrelen ist, und zwar hauptsächlich deshalb, weil seitens einer Anzahl großer deutscher Zeitun gen eine wahre Kampagne gegen Rußland und die gegenwärtige Regierung getrieben wird. Fürst Bis marck sagte einmal, daß jedes Volk die Fensterscherbcn zu bezahlen hätte, die seine Presse einschlägt. Dies trifft auch mit Bezug auf Rußland zu. Die fanatische Partei nahme eines großen Teiles der deutschen Presse zugunsten eines Sieges der russi schen Revolution hat — wie ich positiv weiß — i n der Umgebung des russischen Kaisers den ailerübelsten Eindruck gemacht, und hatte zur Folge, daß die starke, deutschfreunoliche Partei innerhalb der russischen Regierung und des Hofes in letzter Zeit stark ins Hintertreffen kam, weil man in russischen Reglerungskreisen nicht mit Unrecht höchst erbittert ist über die Haltung der deutschen Presse. Wir Deutschen täten jedenfalls gut daran, uns weniger in fremde Händel einzumischen, sondern einzig und allein uns leiten zu lasten von den Interessen für unser eigenes Vaterland. . . ." Wir möchten diesen Ausführungen einige Worte hin- -ufügen. Da der Verfasser der russischen Regie rung nahe zu stehen scheint, so ist seine Dar stellung natürlich von dem Wunsche diktiert, die Lage der Regierung dem Auslande in einem möglichst günstigen Lichte darzustellen. Am auf- faltigsten erscheint dies Bestreben in der Behauptung, daß die Machtmittel der Regierung so stark seien, um selbst der größten Volkserhebung entgegen treten zu können, und gar nicht daran zu denken sei, daß im Ernstfälle die Truppen meutern werden. Diese Voraussage ist wirklich ein starkes Stück nach all den unerhörten und immer von neuem ausbrechenden Meutereien und Widersetzlichkeiten in der Armee, wie sie seit der Affäre des „Potemkin" bis zu den unglaublichen Disziplinlosigkeiten im Preobraschenskischen Leibgarde- Regiment in Rußland an der Tagesordnung sind. Was der so zuversichtliche Diplomat über die Duma sagt, mag ja zum Teil richtig sein, wenn er auch die Intelligenz und den Patriotismus, wie den ehrlichen Willen min destens der Kadettenpartei einfach eskamotiert und dabei ganz übersieht, daß die Duma nur deshalb so wenig Posi tives leistet, weil die russische Regierung sich den einmü tigen Wünschen der Volksvertretung entgegenstemmt und ostentativ nicht weniger als alles unterläßt, um eine Verständigung über die ja gewiß oft zu weit gehen- den Forderungen der Duma zu finden. Die ganze Kunst der russischen Regierung, das verrät der Diplomat, be steht offenbar im Abwarten, im Hinzichen und auf dis lange Bank schieben. Sie wird, wie wir gern glauben, die Duma nicht auflösen, denn das würde in Rußland eine ungeheuere Aufregung Hervorrufen, sondern sie spekuliert darauf, daß die Energie der Duma sich in den unfruchtbaren Debatten verpufft und aufreibt, und daß gleichzeitig die fieberhafte Aufregung im Lande und in der Armee einer allmählichen Beruhigung Platz macht. Es mag sein, daß diese Spekulation unter den jetzigen Verhältnissen vom Standpunkte der Regierung aus richtig ist und glücken wird; es kann aber auch sein, daß die Duma oder die revolutionären Parteien die Geduld verlieren und zur Selbsthilfe greifen. Wenn heute die Duma eine Proklamation erläßt, daß die Dynastie der Romanows zu regieren aufgehört habe; wenn die Volksvertretung eine provisorische Regierung einsetzt, die Truppen und Beamten ihres Eides ent bindet und die Truppenführer, die staatlichen Verwal tungskörper und die Stadtmagistrate im ganzen Reiche verpflichtet, nur den Befehlen der Duma Gehorsam zu leisten; wenn überall in den Städten mit einem Schlage Milizen errichtet werden, — garantiert der russische Diplomat in diesem Falle, der hoffentlich nicht eintritt, daß die Armee zum größten Teil nicht vom Zaren und seiner Regierung abfällt? . . . Dann aber ist es einfach mit der Macht vorbei. Wenn Rußlands Regierung wirklich so fest im Sattel säße, wie es der Verfasser des offiziösen Artikels glauben machen will, warum hat dann der Besuch der englischen Flotte rück- gängig gemacht werden müssen? War es nicht die Rück sicht auf die Duma und das russische Volk, neben der Furcht vor Matrosendemonstrationcn, die diesen Ent schluß diktierte? Gleichviel, ob er der Initiative der russischen oder der englischen Regierung entsprang, er beweist, daß eine finstere Macht neben der russischen Regierung emporgewachsen ist, deren Einfluß stark genug ist, um eine wohl überlegte und lange vorher geplante politische Demonstration, die in Widerspruch mit den Tendenzen dieser Macht steht, zum Scheitern zn bringen. Die Schlußausführungen des russischen Diplomaten erscheinen übrigens recht anmaßend. Die große Mehr heit der deutschen Zeitungen ist natürlich gegen das Regime des Zaren, das zu so traurigen Zuständen ge führt hat, und sie war es immer. Aber von einer „fana tischen Teilnahme zu Gunsten eines Sieges der russischen Revolution" weiß sie sich völlig frei. Dieser Vorwurf kann sich nur auf die sozialdemokratische Presse beziehen, und diese ist nicht die deutsche. Im übrigen läßt sich die deutsche Presse von „russischen Diplomaten" nicht den Mund verbieten. Nebenbei bemerkt, ist von einer „starken deutschfreundlichen Partei innerhalb der russischen Regie rung und des Hofes", die angeblich infolge der Haltung der deutschen Presse ins Hintertreffen gekommen sein soll, seit dem beklagenswerten Tode Alexanders II. nie etwas Besonderes zu merken gewesen. Deutsches Keich. sechzig, 18. Juli. * Zur Rede des Prinzen Ludwig als Ehrenpräsident des XV. Deutschen BundesschießenS schreibt unser Münche ner Korrespondent: Die deurschen Schützenseste besltzen durch Die Zusammenfassung aller deutschen Stämme und der dies mal besonders zahlreich erschienenen Deutschen des Aus landes noch heure eine große nationale und politische Be deutung, die keiner besonderen Hervorhebung mehr bedarf. Diesem nationalen Empfinden ist Prinz Ludwig völlig ge recht geworden, indem er in warmen patriotischen Worten die Reichsdeutschen zur Einigkeit mahnte und das Beispiel seines Baiers und des Kaisers pries. Wie sehr dem Prinzen sie Lerkehrsfragen am Herzen liegen, zeigte er auch bei dieser Gelt^enhert. Als eine der schwersten und wichtigsten Ausgaben im Reiche nannte er die Ausgleichung der Inter essen der einzelnen Staaten miteinander, und machte dabei besonders aut die nicht ganz gleich gelegenen Verkehrsinter- essen aufmerksam. „Man darf nicht zugunsten des einen die andern schädigen, sonst fallen wir zurück in die Zeiten, wie sie im alten Reiche waren." Ob diese Wendung eine ganz allgemeine war, ob sie sich an eine bestimmte Adresse richtete, darüber lassen sich natürlich nur Vermutungen anstellen. Auch die Mahnung zur Einigkeit, die Prinz Ludwig den österreichischen Brüdern zuricf, kann einhelliger Zustimmung sicher sein, wie ja auch ein starkes Oesterreich im höchsten Interesse des Reiches gelegen wäre. Mit seinen weiteren den Oesterreichern gewidmeten Ausführungen hat sich aber der hohe Herr out ein heikles und ausländisches politisches Gebiet begehen. Lr Hal gewünscht, daß die Deutschöster- reicher in ihrem Reiche im Frieden mit allen anderen Na tionen leben und ihnen als Beispiel die Schweizer vorge- sührt, denen dies unter Wahrung ihres Deutschtums gelinge, die sich mit den französischen und italienischen Schweizern als Eidgenossen fühlen. Bei diesem Vergleiche sind aber ge waltige Unterschiede außer Betracht geblieben. An den Deutschen in Oesterreich erfüllt sich das Wort: „Es kann der Beste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefallt." Sie sind nicht die Störenfriede, sie kämpfen eben um ihr Deutschtum. In der Schweiz aber befinden sich die Deutschen in übergroßer Mehrheit und- die anders sprachigen Eidgenos en fühlen sich als gute Schweizer. Im Kaiserstaate an der Donau dagegen wollen außer den Deut schen alle andern Nationen und Natiönchen sich von Oester reich losreiben, um eigene Staaten zu bilden oder sich anderen anzuschließen. Wenn man also glaubt, die traurigen Ver hältnisse berühren zu müssen, dann kann man nur zu dem Resultat kommen, daß das Deutschtum als das Rückgrat und die einz'qe Stütze des Karserstaates die möglichste Stärkung erheischt. Uebrigcns bat die Ansprache des Prinzen be- aeisterten Beifall gesunden und auch verdient. Die schlichte Art, mit der er sich zu geben weiß, verschaffte ihm auch dies mal große Sympathien. Man denke sich einen Thronfolger, der, wie es auch Prinz Alfons tat, beim Bankette manchen ihm ganz unbekannten Schützenschwestern und -Brüdern — Postkarten unterschreibt. Auch der Regent sand sich am Sonn tag au- dem Fcstplatze ein und wurde in seiner vornehmen, ungezwungenen Leutseligkeit mit stürmischen Ovationen be- grüßt. Die nationale Begeisterung, die durch die ganze Ver anstaltung gebt, läßt gern übersehen, daß die Staätsgebäude vorschriftsmäßig nur mit bäurischen Flaggen geschmückt waren. Der Vorschlag ist selbstverständlich von der Re gierung ausgegangen. * Zu den Personalien in der Kolonialabteilnng schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung": Die .Freisinnige Zeitung" wird nicht müde, über die Personalien in der Kolonialabteilung irreführende Angaben zu verbreiten. Sie will bei'pielsweise das Obwalten besonderer Gründe dafür unterstellen, daß die Geschäfte der Abteilung zurzeit ver tretungsweise vom Geheimen Legationsrat Rose geführt werden nnd nickt vom dienstälteren Geheimrat v. König. Der Grund hierfür liegt einfach darin, daß Geheimrat v. König beurlaubt ist. Unverständlich erscheinen die Be merkungen des Blattes über eine nur expedierende Stellung des Geheimen Legationsrates Schmidt-Dargitz. Dieser Beamte ist bekanntlich aus der Kolonialabteilung in die Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes versetzt worden und bekleidet hier, wie bei der Kolonialabteilung, die Stelle eines Vortragenden Rates mit allen einem solchen zustehen den Befugnissen. * Ueber die Zurückzahlung zuviel erhabener neuer wie alter Steuern und Zollbeträge sind vom Bundesrat neue Bestimmungen getroffen worden. Bei den gemeinschaftlichen ReichSsteuexu, bei den Stempelabgaben, der statistischen Gebühr und den bei der Verwaltung der Zölle und Steuern zu er hebenden Gebühren sowie bei Zollbeträgen findet eine Zurück zahlung statt, wenn sie mehr als zehn Pfennig betragen und der Anspruch auf Rückzahlung innerhalb der vom Tage der Zollentrichtung an zu rechnenden Verjährungsfrist schriftlich oder mündlich aagemeldet wird. Beträge von drei Mark und darüber, deren Ueberhebung vor Eintritt der Verjährung festgestellt wird, werden auch ohne Antrag zurück erstattet. Zuviel gezahlte Steuern muffen innerhalb eines Jahres vom Tage oer Anweisung, Zölle vor Ablauf der Verjährungsfrist erhoben werden. Eine Nachforderung von Gebühren darf nur innerhalb eines Jahres, eine von Zoll beträgen nur innerhalb der Verjährungsfrist und wenn sie mehr als zehn Pfennig betragen, stattfinden. Auf die Erb schaftssteuer finden diese Bestimmungen keine Anwendung. * Zur Reform beS juristischen Prüfun«Swcsens hat die Kommission zur Fürsorge für weibliche Ge fangene und Strafentlassene brü Vereins Frauen wohl an die Justizminister der deutschen Bundesüaaren fol gende» Gesuch gerichtet: „1. Ja deu Prüfung-plan de- AssessorenexamtuS daS Gebiet der Gefängniswissenschaft auf- zuueymen; 2. einen praktischen Kursus der Rejerenva^e in einer größeren Gesangencuanstalt — im Hinblick auf die spätere Tätigkeit der Richter und Staatsanwälte als aus- fichtSsührende Behörde oer Strafanstalten — in deu Plan der Vorbereitungszeit einzusügen." * Was gilt ein Deutscher, was ein Franzose? fragt die „Deutsche Kolonialzeitung": „Als vor Jahr und Tag wrr an dieser Stelle erwähnten^ datz die marokkanische Regierung sich verpflichtet habe, aus dem Grabe des am 8. März ermordeten Reisenden Siegfried Geuthe ein würdiges Denk mal zu errichten und der Familie eine Buße zu zahlen, mußten wir über di« geringe Höhe dieser Buge verwundert sein. Wenn überhaupt eines Menschen Leben in Zahlen aus gedrückt werden soll, so darf man den Wert eines zukunfts reichen deutschen Gelehrten nicht so niedrig ansetzen —„ober man sieht besser von einer Bezifferung ab. Nach französischen Meldungen erhalten die Hinterbliebenen des vor kurzem der Tanger ermordeten Bckbkbeamten Charbonnier 100 «DO Jrcs. Entschädigung — ein Mehrfaches der der Familie Geuthe zu gebilligten Buße. Außerdem wird an der Mordstelle ein Sühnedenkmal errichtet, ein Vertreter des Sultans und ein Abgeordneten des Maghzen haben auf der französischen Ge sandtschaft das Bedauern ihrer Negierung ausgedrückt. Wie beschämend diese Gegenüberstellung für uns Deutsche ist!" * W. T. Stead, dessen Eifer und Geschick es nicht zum geringsten Teil zu danken ist, daß die Jourualistensahrt nach England den bekannten Verlauf genommen hat, macht in der „Review of Reviews" über die Teilnehmer an diesem denk würdigen Ereignis folgende beachtenswerte Bemerkungen: Die große Mehrzahl der englischen Zeitungen beteiligte sich so herzlich an dem Empfang unserer Gäste, daß die Abwesen heit der „Times" kaum bemerkt wurde. Weit ernster war die Möglichkeit, daß der Besuch infolge der stark aus gesprochenen politischen Ansichten unserer Gäste fehlschlagen konnte. Die Auffassung der „Times", daß deutsche Redak teure bloße Puppen des Kaisers seien, erschien außerordent lich lächerlich wenn man mit den fünfzig Journalisten zu- sammentrafi die die Einladung des Anglo-German Friend- ship Committee angenommen hatten. Ich beneide, sicherlich den Kaiser oder König nicht, der versucht, diese Männer als Puppen zu behandeln. Sie sind so bemerkenswerte Männer, wie ich sie jemals das Glück hatte kennen zu lernen. Sie vertraten fast jede politische Richtung eines Landes, von dem cs heißt, daß es siebzehn verschiedene Parteien besitzt, von denen jede wiederum siebzehn Unterabteilungen besitzt. Sie kamen aus allen Teilen des Landes. Ihre politischen Be kenntnisse waren von jeder Schattierung, vom Stock-Kon servativen bis Sozialdemokraten' und ihre Religion reichte vom Katholiken bis zum Freidenker. Als die Herren sich am Montag, 19. Juni, abends, im Ratskeller in Bremen ver sammelten, waren sie einander größtenteils Fremde. Es war äußerst zweifelhaft, ob es einer so zahlreichen und re präsentativen Gesellschaft von Männern, oi« ihr Lebcm lang Polemiken miteinander geführt haben, gelingen würde, sich in die Rolle von Reisekameraden und gemernsamen Gästen zu finden. Der Besuch mag englisch-deutsche Differenzen be seitigt haben oder nicht; niemand rann leugnen, daß er für die Dauer von vierzHn Tagen einen Gottesfrieden unter den kriegerischen Polemikern der deutschen Presse bewirkte, * Unnötige konservative Sorgen. Die „Kreuzztg." klagt aus Anlaß der Reichstagsstichwahl in Altena-Iserlohn über die „DirektionSlosigkeit" der uativnalliberalen Partei «nv hat die Güte, dabei zu sagen: „Diese Partei ist in unserem politischen Leben unentbehrlich, und wenn sie in ihrem inneren Zerfall weiterhin solche Fortschritte macht, werden dem Reiche ernste Schwierigkeiten entstehen." Weshalb dies« rührendeFürsvrge für eineauderePartei? Daß die Konservativen genügend Sorge um „DirektionSlosigkeit" im eigenen Lager haben dürften, bezeugt die „Kreuzztg." selbst, indem sie in derselben Nummer unmittelbar vor obiger Apostrophierung der NationaUiberalen, darüber Nagt, daß die „Post" Herrn von Helldorf neben Herrn v. Ranchhaupt und Hm» v. Heyde- brandt unter den „großen Regeneratoren" der konservativen Partei genannt habe. Mit Herrn v. Helldorf-Bedra, den die „Kreuzftg." als „echten Opportunisten" von obenhin abtut, verglichen oder auch nur in einem Atem genannt zu werden, da« hätten weder Herr v. Ranchhaupt noch Herr v. Heyvebrandt verdient. <so ächtet die,^kreuzztg." euren Mann, der in der konservativen Partei eine große Rolle gespielt hat! WaS den „murren Zerfall" anlangt, so möchten wir nur darauf Hinweisen, daß bei deu ReichS- tagswahleu von 1890 die naiionalliberale Partei auf 41 Mandate beruntergegangen war. Damals befaßen die Konservativen deren noch 72. Bis zu den Wahlen von 1903 waren sie auf 51 herabgegangen, die Natioaallideralen auf 53 gestiegen! * Der Fall Liszt, d. h. das auffällige Einschreiten des preußischen Kultusministeriums gegen die geplante Vorlesung des Prof, von Liszt an der neuen Handelshochschule in Berlin wird von der „T. R." anders beleuchtet, als es vor mehreren Tagen an dieser Stelle geschehen ist. DaS genannte Blatt schreibt: Professor von Liszt hatte die Uebernahme von Vorlesungen au der Handelshochschule zugesagt, ohne dem Kultusministerium, wozu er nach der Kabinettsorder vom 13. Juli 1839 (Ges.-Samml. S. 235) als Universität-Professor gehalten war, vorberAnzeige zu machen bezw. um Genehmigung nachzusochen. Daraufhin hat das Kultus ministerium lediglich an ihn eine Anfrage gerichtet und ibn um Auskunft gebeten. Schon vorher aber hatte sich der akademische Senat und die juristische Fakultät der Universität Berlin mit der Angelegenheit beschäftigt, und der Verzicht des Herrn Professors von Liszt dürste auf deren Wunsch zurückzuführen sein. Man fürchtet in den beteiligten Kreisen nicht mit Unrecht, daß die enge Verbindung der beiden Institute gerade sür die >unge Anstalt Nach teile im Gefolge haben müsse. Wenn Professoren der Universität Vorlesungen an der Handelshochschule übernehmen, werben auch Lehrer der Handelshochschule wünschen, eine Lehrtätigkeit an der Universität auSzuüben, was zu Unzulräglichkeilen sichren könnte. Jedenfalls aber kann eine wlche kombinierte Lehrtätigkeit nicht dsm Belieben des Einzelnen freigegeben werden, sondern must der Ent scheidung der Hochjchulbehörde und insbesondere der der Regierung unterstellt bleiben, die auch immer auf die Einhaltung icner Kabinettsorder gesehen hat- Hiernach würde es sich also nicht um ein au Professor von Liszt ergangenes Verbot handeln, sondern um eine An frage des Kultusministeriums und um einen Wunsch de« akademischen Senats und der juristischen Fakultät. Damit würde Wegfällen, daß eS sich hier um einen Schlag speziell gegen Prof, von Liszt handelt» ebenso, daß nickt, wie die I „Franks. Ztg." annimmt, da- Vorgeben darauf binziele, zu I zeigen, ein Universität-Professor sei in erster Linie Untergebener I de» Minister-, genau so wie jeder Laodrat und Regierungsrat.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite