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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.07.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060727018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906072701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906072701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-07
- Tag1906-07-27
- Monat1906-07
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Gerichtssaal.) * Eine Konferenz von 112 Abgeordneten des nieder ländischen Parlaments beschloß, der Staatsregierung die gesetzliche Festlegung der Thronfolge des wei- ma rischen Hauses vorzuschlagen. * Die Mitglieder der interparlamentarischen Konferenz wurden gestern vormittag im Buckingham-Palast vom König von England empfangen. Als Vertreter des britischen Parlaments waren der Lordkanzler und der Sprecher d«S Unterhauses zugegen. Vie Immunität <ier beicbrtagr- abgeortinrten. Es ist erreicht. Dem deutschen Volke ist auch in der parlamentslosen Sommerzeit ins Gedächtnis gerufen, daß der Abgeordnete von Biberach, Herr Matthias Erz berger, noch existiert und sich betätigt. Betriebsam und ge- schästsklug, wie die Kolonialautorität des Zentrums nun einmal ist, wurde die kostbare Untersuchungsmär in die Länge gezogen, um die Spannung zu steigern. Nicht so- gleich, als Herr Erzberger vom Untersuchungsrichter in der Angelegenheit des kolonialen Enthüllungskomitees ver nommen war, erfuhr die Menschheit den Sachverhalt und Genaueres über die Vorgänge. Vielmehr ließ Herr Erzberger zunächst verlauten, er werde erst vor versammeltem Reichstag auf die Einzelheiten ein- gehen und sein Votum fällen. Tropfenweise sickerte nun aber manches durch. Auch andere Leute hatten die Glocken läuten hören, so daß Gefahr bestand, die ganze Angelegenheit könnte ohne Zutun des Hauptbcteiligten publik werden. Also rückt Herr Erzberger schon jetzt mit seinem Material heraus und schildert seine Vernehmung, und was sonst noch passiert ist. Aus dem Stuttgarter „Deutschen Volksblatt", dem Erzbergerschen Leiborgan, erfährt man also, daß Herr Erz berger sich hat als Zeuge vernehmen lassen, auch über das, was er als Abgeordneter erfahren haben will, daß er sein Material im Reichstage wie in seiner Wohnung hat durch suchen lassen, und daß er dabei erklärt bat, „selbstverständlich dürfe hieraus keine Konsequenz für den Reichstag und die Zukunst gezogen werden". Diese Haltung will uns nicht gefallen. Die Bedingung, unter der Herr Erzberger sich auf die Untersuchung eingelassen hat, ist ganz wirkungslos, denn es liegt weder in der Macht des Herrn Erzberger noch des Untersuchungsrichters, ob Konsequenzen aus dem allerdings sehr bemerkenswerten Vorgang gezogen werden. Was anderes wäre es gewesen, wenn Herr Erzberger formell protestiert oder gar sich widersetzt hätte, wozu er sich für berechtigt halten konnte. Das hätte nebenbei noch das Gute gehabt, daß die zum mindesten ungeklärte verfassungsrecht liche Lage hätte geprüft, und daß eine Entscheidung hätte her. beigeführt werden müssen. Wenn Herr Erzberger wirklich die Ueberzeugung von seiner Unantastbarkeit auch als Zeuge gehabt hätte, was freilich aus seiner Auslassung nicht deutlich hervorgeht, so wäre es jedenfalls besser gewesen, der Pression des Untersuchungsrichters nicht nachzugeben. Die Rechte der Abgeordneten sind eine zu ernste Sache, als daß man auf sie verzichten dürfte, vielleicht nm Scherereien zu entgehen. Man vergleiche damit die Haltung des Bureau direktors des Reichstags, der sowohl den Polizeibeamten wie dem Untersuchungsrichter die Durchsuchung der Reichstags räume verwehrte und sie erst gestattete, als der allein in Betracht kommende Abgeordnete, eben Herr Erzberger, seine Zustimmung zu der Durchsuchung gab. Vielleicku hätte Herr Junghein auch jetzt noch die Auslieferung der Schlüssel ver weigern sollen, denn die Immunität ist nicht nur zum per- sönlichen Schutze der Abgeordneten geschaffen, sondern in noch viel höherem Maße ein Mittel zur Steigerung der Bedeutung des Parlaments in seinen Arbeiten wie in seiner Würde. Wie kein Abgeordneter auf die D äten verzichten darf, sollte auch keiner auf sonstige Mgcordnetenrechte vcr- zichlen dürfen, wenn er nämlich dazu gezwungen werden soll. Aber cs ist erklärlich, baß der Direktor nicht peinlicher auf die Wahrung der Rechte des einzelnen Reichstags mitglieds bedacht ist als dieses Mitglied selbst. Der Untersuchungsrichter soll gefragt haben, wo das Gesetz sei. das das Reichstagsgebäude vor einer Durch, snchung schütze'? Damit wird der Herr gesagt baben wollen, er bestreite, daß die Verfassung in ihren Artikeln 30 und 31 den Schutz der Adg-ordneten auch auf ihre Vernehmung als Zeugen ausdehne. Diese allein hier anzuziehenden Be stimmungen lauten: Artikel 30: „Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes getanen Aeußerungen gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst außer halb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden." Artikel 31: „Ohne Genehmigung des Reichstages kann kein Mitglied desselben während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Aus übung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird. Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied desselben und jede Untersuchungs- oder Zivilhast für die Dauer d-r Sitzungsperiode aufgehoben." In diesen beiden Artikeln ist allerdings der Fall nicht ausdrücklich erwähnt, daß ein Abgeordneter auch nicht alt Zeuge „wegen der in Ausübung seines Berufs getanen Aeußerungen" vernommen werden dürfe. Aber es ist ganz unzweifelhaft d:e Absicht der Verfassungsgeber gewesen, auch das zu verhindern. Der Beweis hierfür liegt in der schon be tonten Doppelbedeutung der Immunität. Es handelt sich hier gar nicht allein um den Abgeordneten als Person, sondern auch um die Arbeit und Würde des Parlaments. Dieser Um weg zum Ziel der Vernehmung des immunen Abgeordneten ist ein juristischer Kunstgriff, besten formale Berechtigung auch erst noch klargestellt werden muß. Es kommt darauf an, wie der Satz auszulegen ist: „Kein Mitglied des Reichs tags darf . . . verfolgt oder sonst außerhalb der Versamm lung zur Verantwortung gezogen werden". Nimmt man das Wort „Verantwortung" hier rein in seiner linguistischen Bedeutung, worauf besonders die Einleitung des Satzes „oder sonst" hindeutet, so liegt darin auch bas Verbot der Vernehmung der Abgeordneten als Zeugen wegen Aeuße- rungen, die sie in Ausübung ihres Berufes getan haben. Soll dagegen das Wort „Verantwortung" nur di« Vor nahme einer gegen die Abgeordneten direkt gerichteten Handlung bedeuten, so könnte der Untersuchungsrichter diese Lücke der Verfassung für sich ausnutzea und darauf sein Vor gehen gründen. Das wäre dann ja ein reizender Zustand. Möchte ein Staatsanwalt einem Abgeordneten an den Kragen, so könnte er ein Strafverfahren gegen Hinz oder Kunz oder noch bequemer gegen „Unbekannt" eröffnen und den Wgeordneten als Zeugen vernehmen. Aus der dabei gewonnenen Wissensck)aft ließe sich dann zu gelegener Zeit, etwa nach Schluß der Sitzungsperiode, eine nette Anllage konstruieren, und das Ziel, das die Verfassung unter allen Umständen verhindern wollte, wäre auf einem kleinen Um wege erreicht. Noch ein anderer Umstand macht die An nahme des Untersuchungsrichters von der Berechtigung seiner Handlungsweise zweifelhaft. Er selbst bat dem Ab geordneten Erzberger gegenüber nach dessen Bekundung ge äußert: „Selbstverständlich habe er nicht dieses Recht sder Haussuchung bei einem ^Abgeordneten), wenn der betreffende Abgeordnete selbst unter Anklage stehen würde, respek tive kommen könnte, was beides für den Abgeord neten Erzberger nicht zutreffe". Woher weiß denn der Untersuchungsrichter, baß der Abgeordnete Erzberger nicht unter Anklage kommen kann? D-r Amtsbezeichnung' Untersuchungsrichter deutet eigentlich auf alles andere eher hin, als auf solche Gewißheit. Und wenn nun das Unwahr- scheinliche Ereignis werden, wenn die Untersuchung den Ab geordneten Erzberger belastendes Material zutage fördern sollte — lvas dann? Nach des Untersuchungsrichters eigener Aussage hörte dann seine Berechtigung zur Vornahme lvciterer Amtshandlungen, die sich auf den belasteten Ab geordneten erstrecken, auf. Woraus vielleicht eigenartige Nutzanwendungen gezogen werden könnten. Schon die Un möglichkeit, in solchen Fällen immer korrekt die Grenze zu ziehen, wann und wie weit der Untersuchungsrichter einen Abgeordneten zur Zeugenpflicht heranziehen darf, ohne auch nur mit dem Wortlaut der Verfassung in Konflikt zu ge raten, müßte es unmöglich machen, die Wahrung der wich tigsten Volksrechte, denn dazu zählen wir die Immunität der Volksvertreter, dem persönlichen Ermessen eines richter lichen Beamten zu überantworten. Es ist überies bekannt aus dem Falle Jessen, baß der Reichstag selbst sich gegen die Zeugnispflicht der Abgeordneten ausgesprochen l>at. Und es ist mit Sicherheit zu erwarten, baß Herrn Erzberger vom Reichstag kein Dankes. Votum für sein Verhalten zu teil werden wird. Für uns ist es jedenfalls wegen des Zweckes der Immunität, außer der Person auch die Würbe des Parlaments und das Material der Abgeordneten zu schützen, ganz zweifellos, daß die Heranziehung der Abgeordneten zur Zeugnispflicht eine Gefährdung dieses Zweckes bedeutet. Und das allein ge nügt uns, um in dem Vorgehen des Untersuchungsrichters eine Verletzung der Immunität selbst zu erblicken. Mehrheit ihrer Gemeinde in den schärfsten Konflikt geraten sind, und ihre Entfernung auf das dringendste verlangt wird. Wir haben ganz kürzlich den Fall des Pastors Jskraut mit geteilt, eines längst gerichtlich gebrandmarklen Ehren- kränkers, den seine jetzige Gemeinde vergeblich wieder los werden will, nachdem sie ihn wohl in einem Augenblicke anti- semitischer Verblendung gewählt hatte, der in einer früheren Wirksamkeit sogar mit Erfolg sich der Klassenverhctzung schul dig gemacht hatte. Solche Erscheinungen müssen bei den nicht dogmagläubigen Protestanten das Gefühl erzeugen, daß nicht gleiches Recht für alle gilt; und ein solches Gefühl mutz zur Quelle gefährlicher Erbitterung werden. Nun behauptet freilich die Orthodoxie, daß die Zustim mung zu den Bekenntnis-Schriften eine unerläßliche Be dingung für die Zugehörigkeit zu der protestantischen Kirche sei, zum mindesten für die Ausübung amtlicher Tätigkeit in ihr. Abweichenden Meinungen stehe ja der Austritt frei. Demgegenüber ist zunächst einzuwenoen, daß das herrschende Kirchenregimeut auch nicht mehr voll und ganz auf dem Boden der Glaubensformen reformatorischer Zeit stehen ge blieben ist, wie seinerzeit z. B. dem Abt Uhlhorn in Han nover aus seinen Schriften nachgewiesen wurde, der doch den Mut besaß, Porstg und Klapp für ungeeignet zu er klären. Wenn aber einmal an dem starren Dogma gebröckelt und gedeutelt werden dars, wo soll da die Grenze sein? Wenn die aowkEio oder die Concordienformel nicht mehr als unbedingt verbindliche Norm gilt, weshalb denn das kipostoliauin? Bloß weil es älter ist? Es ist doch längst erwiesen, besonders durch Harnack, daß es keineswegs den allerältesten Zeiten des Christentums entstammt, daß sein Name willkürlich ihm beigelegt ist. Auch brndet tatsäch lich die herrschende Partei sich nicht an jeden Satz dieser altehrwürdigen Formulierung. Den Rat zum Austritt aber wird die liberale Opposition schwerlich befolgen. Auch die lutherische Reformation wäre kaum durchgedrungen, wenn die Fürstenyewalt sie nicht durch die Enteignung des katholischen Kircheneigentums er möglicht hättc^ Dafür läßt heute die Gesetzgebung keinen Raum. Die Opferwilligkeit der Privaten aber dürste viel zu gering sein, um eine neue große Neformationskirche zu erschaffen. Uebrigens ist das Schisma von 1520 für Reich und Kirche so verhängnisvoll geworden, daß es nicht zur Nachfolge reizen wird. Der Kampf zwischen den beiden großen Richtungen wird auch fernerhin auf dem Boden der kirchlichen Gemeinschaft mit allen gesetzlichen Mitteln ausgefochten werden müssen. Durch freies Worl und freie Presse wird eine allmähliche Umstimmung der Gemüter zu erstreben sein, bis eine über- wältiqende und ihrer selbst bewußte Mehrheit die Kirchen behörden mit sich fortreitzt. Vor allem gehört natürlich dazu, daß der Begriff des kirchlichen Liberalismus selber endlich einmal festgestellt wird. Dazu fehlt nicht weniger als alles. Mit den Grundsätzen der historischen Bedingtheit und der absoluten Subjektivität der Rcligionsmeinungen ist selbstverständlich ganz und gar nichts anzufangen. Das alte Dogma muß bekämpft werden, nicht weil es alt, sondern weil es falsch ist. Der unvergängliche Kern der christlichen Religion muh aus der fehlerhaften Formulierung heraus geschält, darf aber auch nicht zu einer schalen Brühe zusammcngekocht werden. Ein Christentum ohne Christus ist natürlich ein widcrspruchbehaftetes, unnützes Ding. Wir möchten aber schließlich noch anheimaeben, ob der dogmatische Partcistreit die Hauptsache der geistlichen Amts führung ist. Die Bedürfnisse der Seelsorge sind so unend lich groß, daß für die lehrhafte Polemik doch wirklich ein herzlich kleiner Raum bleibt. Wir wollen keiner Heuchelei das Wort reden: aber weshalb in den Wahlpredigten immer so ungebührlich der liebe eigene Lehrstandpunkt in den Vor dergrund gerückt wird, vermögen wir doch nicht recht ein zusehen. Den kirchlichen Wählern soll die Person des zu erkiesenden Bewerbers vorgesührt werden, nicht die Ein zelheiten seiner Lehre, die er in der Praxis doch nachher nicht in jeder Predigt paradieren lassen darf, sollen seine Para- nesen nicht ungenießbar und für die Seelsorge ohne Frucht bleiben. Andererseits darf natürlich auch dem Probe prediger kein solcher Text gestellt werden, der eigens zu dem Zwecke ausaewählt ist, um ihn „sestzunageln". Das soll leider beim Falle Römer geschehen sein. MMbertätigtwgen. Dem Fall Römer ist schnell ein neuer „Fall" gefolgt: Dem von der Reinoldi-Gemeinde in Dortmund gewählten Pfarrer Cäsar ist abermals durch das Konsistorium die Be stätigung versagt. Die beiden Fälle scheinen ganz gleich zu liegen: beide Geistliche hatten in anderen Gemeinden jahre lang (P. Cäsar 18 Jahre lang!) zur Zufriedenheit ihrer Pfarrkinder ihr Amt verwaltet, sind dann auf Grund gün stiger Zeugnisse von seiten ihrer bisherigen Gemeinden zu einer Wirksamkeit in städtischen Pfarren berufen, nachdem sie eine Prooepredigt gehalten hatten, welche der Mehrheit der wahlberechtigten Gemeindemitglieder gefiel. Aber beide mal hat eine Minderheit an einzelnen Wendungen eben dieser Probepredigten Anstoß genommen, Beschwerde ein gelegt und erreicht, daß der Beschwerde Folge gegeben wurde. Ob das dogmatische Gewissen der Privaten selber so sein modulirt war, oder ob es durch ältere Geistlich« derselben Pfarre geschärft oder schließlich von außen, vielleicht von oben her, gestimmt wurde, vermögen wir hier nicht zu er messen. Auf alle Fälle wird durch solche Vorgänge eine große Unruhe in die Gemeinden, nicht bloß in die beteiligten, ge tragen, eine noch größere aber in die Theologenschaft selbst. Es wäre zu wünschen, daß die vorgekommenen Zwistigkeiten so wenig wie möglich Nachfolge sanden. Sie sind freilich keine neue Erscheinung. Früher scheinen sie eine Spezialität von Stadt Berlin und von Hannoverland gewesen zu sein, wo besonders die Stadt Osnabrück ziemlich in jedem Jahr zehnt einmal den Schauplatz häßlichen kirchlichen Haders darstellte: man denke an die Fälle Portio, Klapp und Wein gart. In Berlin erregte wohl zuerst die Nichtbestätigung eines Pastors Sydow Aufsehen; auch Kalthoff mußte aus Berlin fort, l-atte freilich selber ein Absetzungsverfahren gegen sich beantragt, indem er mit anerkennenswertem Mute sich aus die Seite eines Abgesägten schlug Die Berliner und hannoverschen Resugiäs haben später meist in den Hanse- städten ein Asyl gefunden. Man kann nun nicht behaupten, daß Licht und Schatten gleichmäßig verteilt seien. Wenn die Kirchenbchörden noch so geringe orthodoxe Minderheiten vor den liberalen Wölfen zu bewahren für ihre vornehmliche Aufgabe ansehen, so hat man andererseits nie gehört, daß gegen orthodoxe Zeloten eingeschritten wäre, auch nachdem sie mit der große» Deutsches Keich. Leipzig, 27. Juli. * Die Kaiserin geht in See. Die Kaiserin traf gestern mit dem Prinzen Joachim und der Prinzessin Viktoria Luise und Umgebung in Kiel ein, lvo die Kaiserin von Prinz Oskar begrüßt wurde und sich nach der Villa des Prinzen Adalbert begab. Ihre Majestät gedachte vor mittags hier zu bleiben und sich nachmittags mit dem Prinzen und der Prinzessin auf der Jacht „Iduna" ein zuschiffen und in See zu gehen. * Verlustliste. Amtlich. Am 21. Juli auf Patrouille bei Garunarab gefallen: Reiter Dauve Voß, geboren zu Emden, früher im Infanterie-Regiment Nr. 78, Kopf-, Hals- und Brustschutz; schwer verwundet: Leutnant Hel- muth Block, geboren zu Königsberg (Neumark), früher im Infanterie-Regiment Nr. 173, Bauchschuß. Am 8. Juli bei Tses leicht verwundet: Gefreiter Otto Gros- nik, geboren zu Stuga, früher im Kürassier-Regiment Nr. 5, Schuß ins Gesäß. Ferner: Reiter Wilhelm Stenzel, geboren zu Branno, früher im Jnfanterie-Regi- ment Nr. 149, am 22. Juli im Lazaratt zu Keetmans- hoop an Herzschwäche nach Lungenentzündung verstorben. * Die Operationen in Dentsc^Ostafrika. Nach einem telegraphischen Bericht des Gouvernements in Dar-es- Salaam meldet Hauptmann Hirsch, der Chef der 5. Kom- pagnie, unter dem 11. und 14. Juli aus Jraku die Wiederaufnahme dec Operationen durch zwei Dcmon- strationsabteilungen, da die Aufständischen die Be dingungen, Auslieferung der Führer und Waffen, un erfüllt ließen. Die Führer flohen infolgedessen. Im übrigen hat die Erfüllung der Unterwerfungs bedingungen begonnen. Hauptmann Schöneberg meldet aus Liwale die Ergreifung des Rebellenführers Abdallah Schimani. * Deutsche Armer-, Marine- und Kolonial AuS- ftellung 1907. Die Vorarbeiten für diese in großem Stile geplante Ausstellung sind nunmehr so weit ge diehen, daß mit der Ausarbeitung der baulichen und gärtnerischen Entwürfe im einzelnen begonnen werden kann. Tic Ausstellung, die vom Juni bis Oktober nächsten Jahres in Schöneberg auf dem erweiterten Ge lände der Landwirtschaftsausstellung stattfindet, soll eine Uebersicht der Entwickelung von Industrie und Gewerbe auf den Gebieten des Heeres- und Marinewesens und der Kolonialwirtfchaft bieten. Zu diesem Zweck haben sich die namhaftesten einschlägigen Industriellen Berlins vereinigt, um in dieser Ausstellung ein möglichst voll kommenes Bild ihrer Leistungsfähigkeit auf diesen drei Gebieten der nationalen Produktion zu geben. General v. Poser, Admiral Plüddemann und Geheimrat Tr. Paasche haben das Präsidium der drei Abteilungen über nommen, während in Direktor Huster ein bewährter Ausstellungsfachmann und in dem Orientmaler Rudolf Hellgrewe ein künstlerischer Beirat gewonnen ist, die beide schon an der Gewerbeausstellung 1896 mitgewirkt haben. Nachdem es gelungen ist, die Schwierigkeiten dec Terrainsrage zu überwinden und die Verträge wegen Ueberlassung des Schöneberger Geländes abgeschlossen sind, wird nunmehr in der allernächsten Zeit die bauliche Umgestaltung des umfangreichen Gebietes für die Zwecke der Ausstellung in Angriff genommen. Das Bureau des Arbeitsausschusses befindet sich Berlin 8^V., Anhalt straße 12. * Ein neuer französischer Botschafter in Berlin? Wie das „Echo de Paris" aus San Sebastian erfahren zu haben behauptet, wird der derzeitige französische Bot schafter in Madrid, Cambon, im Oktober als Botschafter nach Berlin versetzt werden. * Die „Germania" zur Flottenfrage. In einem Leit artikel von heute, Freitag, schreibt die „Germania": Das Reichsmarineamt hat vor vierzehn Tagen erklärt, daß im Herbst eine neue Marinevorlage nicht erscheinen werde. Ob es auch heute noch diese ganz bestimmte Er klärung abgeben kann, erscheint uns fraglich; aber selbst wenn sie abgegeben wird, ist damit niemand vor Ueber- raschungen geschützt, wie die Geschichte der Flottenvor lage von 1900 jedermann zeigt. Tatsache ist, daß gewisse einflußreiche Kreise, die auch auf der Nordlandreise ihre Vertreter haben, mit aller Macht arbeiten, um für eine neue Flottenvorlage die Zustimmung zu erhalten. Auch in der breiteren Öffentlichkeit hat man in der letzten Zeit erfahren, daß für eine neue Flottenvorlage tüchtig gearbeitet wird. Der Rheinische Flottenverein hielt dieser Tage in Bonn seine Hauptversammlung ab. Dabei war im höchsten Grade auffällig, mit welchem Eifer ein hoher Beamter, der Oberpräsident Freiherr v. Schor- lemer, für eine größere Flotte ins Zeug ging, also in einer doch sehr stark politischen Frage sich exponierte. Er meinte, wir müßten eine Flotte haben, die sich neben den Flotten anderer Länder sehen lassen könne. Ms ob das die deutsche Flotte*;. B. gegenüber der französischen nicht schon honte könnte! Der Artikel schließt: Jedenfalls gilt für die ganze Sache das Wort des Reichsschahsckre- tärs, daß er dem Reichstage keine Vorlage mit hohen Ausgaben unterbreiten werde, ahne sofort die Lösung der Finanzfrage mitzubringen: ein sehr gesunder Gedanke. Nur so kann Ordnung in den Reichsfinanzen bleiben, wie man sie mit vieler Mühe geschaffen hat. Man muß sich deshalb klar vor Augen halten, woher das Geld kommen soll, und da bleibt nach Lage der Sache nur die Ausdehnung der Neichserbschaftssteuer auf Kinder und Ehegatten übrig. Wir sprechen das jetzt schon aus, damit später niemand über rascht sein kann, Nvnn die Sache kommt. Wer diese Steuer nicht will, der muß dann auch nicht für Aus gaben eintrcten, die diese unbedingt berbeiführcn müssen. — Die große Erbschaftssteuer wollen wir ja eben! * Disziplinarprozeß Puttkamer. Von der Disziplinär untersuchung gegen den Gouverneur v. Puttkamer wincn eie „Hamb. Nachr. das Folgende zu berichten: Die Vcrnch- mungen nehmen einen ziemlich schnellen Fortgang. So hatten dieser Tage verschiedene Offiziere^ die sogenannte Freiin v. Eckardtstein, der Kameruner Oberlichter Meyer, sowie Dr. jur. Esser und Direktor van de Loo als Vertreter der Viktoria-Pflanzung, vor dem die Untersuchung führen den Richter, Kammerqerichtsrat Strähler, unter ihrem Eide ihre Bekundungen abzugeben. Eine große Zahl weiterer Zeugen ist geladen. Zwei der erwähnten Ostizierc haben, wie privatim über den Inhalt der Aussagen verlautet, er- klärt, daß sie die später in Kamerun aufgetauchte Dame dem Gouverneur hier in Berlin als Freifrau v. Eckardtstein vorgestellt haben. Eine erhebliche Rolle in der Untersuchung spielt das von der Basler Mission gelielerte Anklage material. Von der Basler Mission geht nämlich oie Be- hauptung aus, Puttkamer habe in unzulässigen Beziehungen zu den EsserscheN-Gesellschaften gestanden und diese darauf hin begünstigt. So sollte v Puttkamer u. a. bei sämtlichen Esserschen Faktoreien unbeschränkten Kredit gehabt und be nutzt, sowie einen baren Rabatt von 10 v. H. auf die ihm kreditierten Einkäufe bezogen haben. Die Vertreter der Viktoria - Pflanzung hatten demgegenüber erklärt, daß Puttkamer keinerlei Vorteile, Kredit, Zuwendungen, Pro. Visionen usw. erhalten und auch in keinerlei Form icinals irgend etwas derartiges verlangt oder angeregt habe. * Professur Franckc für Cuno! Professor Dr. Franckc- Berlin hat an den Ersten Bürgermeister Cuno in Hagen im Anschluß an die Kompromißverbandlungen zwischen den Christlichsozialen, den Nationalliberalen und dem Zentrum vor der Hauptlvahl folgendes Schreiben ge- richtet: „Verehrter Herr Erster Bürgermeister! Die Episode im Wahlkreise Hagen-Schwelm, die sich an meinen Ikainen knüpft, veranlaßt mich zu folgender Er klärung: Völlig überraschend, ohne jede Vorbereitung erhielt ich am Samstag, den 14. Juli, nachts Mischen 11 und 12 Uhr die Anfrage des Lizentiaten Mumm, die Ihnen aus den Zeitungen bekannt geworden ist. Mir war keinen Augenblick zweifelhaft, was ich zu antworten hatte. Sonntag vormittag 8'/- Uhr lehnte ich tele- grapisch dankend ab. In einem Briefe an Mumm, den er verspätet bekam, legte ich meine Gründe w»e folgt dar; Seit dreißig Jahren stehe ich im öffentlichen Leben pol>
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