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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.07.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060730012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906073001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906073001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-07
- Tag1906-07-30
- Monat1906-07
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Für daS Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen Anzeigen und Extrabeilagen nur in der Morgen-Ausgabe Schluß der Annahme nachmittags 4 Uhr. Anzeigen-Annahme: AugUstnSplatz 8, Ecke Johannisgasse. Hanpt-Filtale Berlin: LarlDuncke r,Herzgl.Bayr.Hosonchhandlg., Lützowstraße 10 (Telephon VI, Nr. 4603). Ailial-ikrpeSttion:DreSSen,Mariens!r.34. Nr. 381. Z Atontag 30. Juli 1906. M. Jahrgang. Var lvicdtlgrtr vom rage. * Wie verlautet, soll dem Kaiser Franz Jo sef die er st ePaten st elle bei dem neuge borenen Sohne des deutschen Kronprin zen angeboten werden. Auch bei dein deutschen Kron- Prinzen übernahm Kaiser Franz Josef die Patenstelle und ließ sich damals durch den Erzherzog Karl Ludwig vertreten. * Major Fischer, Vorsteher der Beklei dungskommission beim Oberkommando der Schutztruppen, ist unter dem Verdachte, Be stechungsgelder angenommen zu haben, in Unter suchungshaft genommen worden. (S. Dtschs. R.) * Gegen die bei dem Bergwerksunglück von Courritzres wegen fahrlässiger Tötung angeklag- ten Ingenieure soll auf Antrag deS Untersuchungsrich- terS das Verfahren eingestellt werden. (S. Letzte Dep.) * Das Manifest der aufgelösten Duma ist in einer von Bewaffneten besetzten Druckerei in 150 (XX) Exemplaren zwangsweise gedruckt worden. (S. Letzte Dep.) * In Rußland ist es wieder an verschiedenen Orten, besonders heftig im Kaukasus, zu lokalen Zu- fammenstößen gekommen. (S. Letzte Dep.) * Die Weltmeisterschaft für Berufs fahrer errang gestern in Genf der Franzose Dar ragon. — Die von Dickentman und Robl auf der Münchener Rennbahn geschaffenen neuen Weltrekords wurden am Sonnabend und Sonntag von Guignard wesentlich verbessert. (S. Sport.) pslilirche Aorbearchs«. Die Woche setzte gleich mit einer Ueberraschung erstell Range- ein. In Rußland siegte in der Umgebung des Haren noch einmal die schärfste Reaktion und Nikolai II. loste die Dum» auf. Darauf «atz invn in der westeuro päischen Welt tatsächlich nicht gefaßt. Man wußte aller dings, daß in der Kamarilla zu Peterhof die Meinung bestand, bei guter Gelegenheit den unbequemen Schreiern im taurischen Palast den Hals umzudrehen und wenn- möglich die radikalsten Kampfhähne zur Ernüchterung auf eine Reihe von Jahren auf dem beliebten administra tiven Wege nach Sibirien zu schicken; aber man traute Nikolai, dem Weichherzigen, nicht zu, daß er mit kühnem Hieb den unentwirrbaren Knoten lösen würde, den die Duma seit einer Reihe von Wochen geschürzt hatte. Offenbar haben Faktoren stärkster Art auf ihn gewirkt. Der „TempS" weiß sogar zu melden, daß einer der Groß- fürsten direkt mit einer Palastrevolution deutlich gewinkt habe und daß daraufhin -er Zar in seiner bleichen Furcht um das liebe Leben und in -er ängstlichen Sorge um die Krone für seinen Erben das Manifest veröffentlichte, das der Duma, angeblich für einige Zeit, wenn Gott will, für immer, das Lebenslicht ausblies. Man erwartete nach diesem Schritt ein allgemeines Auflodern der Revolution in den weiten Flächen Rußlands. Aber die Welt täuschte sich in dem Charakter des russischen Volkes. Die Masse der Slawen läßt sich durch einen wuchtigen Hieb stets zurückdrängen, in ihrem angeborenen blinden Gehorsam pariert sie der brutalen Gewalt für den Augenblick, um erst langsam sich zu besinnen und zurückflutend sich für die angetane Vergewaltigung zu rächen. Einstweilen herrscht also eine relative Ruhe im heiligen Rußland und Herr Stolypin, der die Geschicke des Reiches lenkt, kann mit Genugtuung dieses Faktum betonen, und da man in Peterhof stets dafür Sorge trägt, daß der Zar nur das sieht, was die Kamarilla will, so wird man dem schwachen Nftolai nun für lange Zeit beigebracht haben, daß die schärfste Reaktion das Universalheilmittel für Ruß land sei. Die Nachricht von der Dumaauflösung platzte wie eine Bombe in die interparlamentarische Konferenz, die in London tagte und ihre akademischen Wünsche aufs neue den Vertretern der Kulturnationen der Welt, denen sich nun auch Japan angeschlossen, unterbreitete. So uner wartet die Auflösung der Duma kam, ebenso unerwartet kam der Welt die Rede, welche Sir Henry Campbell Bannerman in der ersten Erregung hielt und sein Wort: Ixr vonm» ext morte, viv« la voum»! wird sehr bald zu den historischen Aussprüchen berühmter Staatsmänner gehören und noch sehr oft der englischen Diplomatie ins Gedächtnis zurückgerufen werden. Man braucht nicht an zunehmen, daß daS Programm der englischen Staatskunst durch die spontane Rede ihres gegenwärtigen Lenkers in ihren Beziehungen zu Rußland geändert würde. Sir Henry hat vielmehr als echter Whig dem gesamten Libe- raliSmuS der Welt gegenüber ein gutes Zeugnis abgelegt und daS Gesicht der Konferenz gewahrt. Ebensowenig Bedeutung für die reale Politik, wie die Bannermansche Rede beanspruchen darf, messen wir der interparlamen tarischen Konferenz selbst bei, die nun am 25. geschlossen wurde und nach dem Wunsche vieler das nächste Mal in Berlin tagen soll. Fürst Bülow hat allerdings noch nicht eingeladen. Es ist zwar unverkennbar, daß durch die Völ- ker der Welt ein Zug geht, ihre Differenzen auf dem Forum ruhiger und sachlicher Entscheidung zu schlichten, aber der Militarismus, der sich in immer teurerer und drückenderer Form auf alle Kulturvölker legt, wird darum doch nicht in seinen Festen erschüttert werden. Das alte para bellum wird nach wie vor, trotz der leiden schaftlichen Tiraden Mr. Bryans, die letzte Weisheit der Staaten bleiben. Wem» übriaeuS Sir Henry danernd die Roll« deS Vogels mit dem Oelblatt im Schnabel f ür die Welt über nehmen will, so stimmt das nicht recht mit der Art, in der er am Goldenen Horn Politik ma^ht. Er hat in der Akaba-Affaire dem kranken Mann die Faust recht derb unter die Nase gehalten und sich in ft'-er Wirkung dieser Politik anscheinend nicht getäuscht. ft'Lenn unverkennbar zeigen die letzten Jrades des Sultan s die Neigung, sich mit England auf einen besonders giften Fuß zu stellen, nachdem das Freundschaftsverhältnis mit Deutschland sich in der Stunde der Entscheidung al«.-, zu biegsam erwies. Wir haben ganz sicher in der Polit'i.k des nahen Orients einen Fehler gemacht, als wir in di.an Streite um Akaba ganz unnütz vor der Zeit laut in dü - Welt riefen, daß wir den Türken zuliebe uns mit Engi land nicht broullieren würden, und wer den Muselmanr: kennt, weiß, daß die Erinnerung an diesen diplomatischen Fehler so leicht nicht aus seinem Gedächtnis schwinden wird. Die Früchte der Kaiserreise inS heilige Land und ans Goldene Horn be ginnen langsam zu faulen. Aber Wilhelm II. bemüht /^ich dennoch weiter, auf seinen Reisen, und seien sie noch so privater Natur, neue Freundschaften für das Reich und seine eigene Person unter den Mächtigen Europas zu gewinnen. Die Tour nach Spanien ist allerdings mit guten Gründen ausge fallen. Der junge Bourbon Nürd lange warten können, ehe er zum zweiten Male datz Haupt der Hohenzollern sieht. Dafür aber hat der jllngs te der europäischen Monar chen, Haakon von Norwegen, Gelegenheit genug gehabt, den mächtigen deutschen Nachbarn von Angesicht zu Ange sicht zu sehen und ganz sichen auch ein Stück des Kaiser lichen Programms für die I Zeltpolitik kennen zu lernen. Ganz gewiß spielt Norwegen heute als Ostsecmacht auch eine Rolle darin, und wer den Kaiser kennt, wird nicht glauben, daß er lediglich ds r guten Luft und der neu er standenen Stadt Aalesund wegen an Norwegens Küste in diesem Jahre geweilt hat. Die diesjährige Kaiserreise wird eine historische Erinnerung bleiben, weil den Monarchen auch hier die Nachricht von der Geburt des Kronprinzensohnes ereilst. Auch eine andere Dynastie erwartete ein junges grünes Reis am alten C-tammbaume. Doch ehe die zarte Knospe aufbrach, fiel sie ab. „Ons Wilhelmintje" ent täuschte die braven M ynhers zum dritten Mass und in Amsterdam macht mw«r sich nun mit dem Gedanken ver traut, die Thronfolge, gänzlich zu regeln. Die Ironie des Schicksals will es vielleicht, daß der künftige Herr Hol lands aus dem Land e stammt, von dem man sonst an den Mündungen des Rheins und der Maas nichts wissen will und mit dem man nicht einmal die Postunion eingehen mag. Vielleicht ho,t Großherzog Ernst Wilhelm von Sachsen zu wähle/n, ob er weiter in seinem Thüringer Lande mit seinen Burgen und grünen Wäldern regieren oder den Thron der Oranier einnehmcn will. Wenn er klug ist, wird er 'm seinem lieblichen Erblande bleiben und anderen die So/cgen überlassen, die ganz sicherlich einmal Len Holländern im Verlaufe der weltpolitischen Entwicke lung unserer Aeit erwachsen. Als ein Markstein in dieser ist der dritte pan amerikanische Kongreß anzusehen, der ganz sicher einen Fortschritt der Politik bedeutet, welche mit aller Kraft seit den Zeiten des seligen James Monroe von Nordamerika betrieben wird. Wir haben an anderer Stelle die Bedeutung des Kongresses in Rio gewürdigt und wünschen, daß die europäische Diplomatie die Stim men, welche sie in der letzten Woche über die pan-ameri kanische Tagung vernehmen konnte, nicht achtlos in den Wind schlägt. Es könnte die Zeit kommen, da sich die Sünder, der Väter böse an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied rächen möchten. veutschrs seiest. Leipzig, 30. Juli. * Eine Tka«»«lafsLre iur Netchs-Kolxntalamt. Major Fischer, der Vorsteher der Bekleidungskommission beim Oberkommando der Schn tztruppeu, ist unter dem Verdacht, BestechuuaSgelver angenommen zu haben, ix Untersuchung«baft genommen worden. Ob da« Ver fahren gegen den Major zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen, ovrr ob e« mit einem Disziplinarverfahren gegen ibn sei» Bewenden haben wird, muß der Fortgang der Untersuchung ergeben. Die Verhaftung Fischer« ist angeblich bereit« vor acht Tagen erfolgt, sei aber bisher geheim ge halten worden. Major Fischer war, wie di« „Bert. Morgenpost'' schreibt, wegen seiner GeschäftStüchtigkett und seiner eminenten Kenntnis d«S gesamten militärischen BerwaltuugSweseuS dem Oberkommando der Schutztrupp« fast unentbehrlich, und vor allem hatte er daS ent scheidende Wort zu sprechen bet der Bergebuxg von Lieferungen an Uniform und AuSrüstungSgegrufläudru, sowie namentlich auch bei der Abnahme dieser Lieferungen. I» der Abnahmekommission saß übrigen« auch der Koloaialbeamt« Schneider, gegen den eia Brrsahren «egen Verletzung de« Dienstgeheimnisses schwebt. Bekannt ist, daß in der Budgetlommission »ud im Reichstag selbst über die schlechte Beschaffenheit der AnSrüstung unserer Schustrupplrr wiederholt Klage geführt Word« ist. Ferner wxrd« eS mehrfach gerügt, daß der Firma von TippelSkirch u. To. trotz der öfter bewiesenen Unzu länglichkeit ihrer Leistungen die Lieferungen für di« Schutztruppe ans lange Jahre hinan« — bi« zum März 1911 — zngesprochex worden sind. Di« au« d«r Mitt« de« Reichstage« beantragte so fortige Lösung derjenigen Lieferung-Verträge, die über die Dauer eia«« Etat-jahre« hinan-qehen, wurde nicht vorgeuommex. viellricht weil di« Firma TippelSkirch »x hohe EutschädtgnugSauIprüch« ge stellt hatte. Sie verlangte nämlich für die Lösuiia ihrer Beiträge di« ihr im Iah« 190b ein« Umsatz von acht Million« brachten, und di« ihr im lausend« Jahre ein« Umsatz von 6'/, Million« bringen werden, eine Entschädig»ag-lumme von nicht weniger al« 1'/« Million« sür da« Jahr. Mit Herrn v. TtppelAkirch hat, wie wir hör«, der jetzt verhaftete Major Fischer in den allerrugst« persönlichen Beziehung« gestand«. Fischer war «in Duzfreund de« , Herr» v. Ttpprl«kirch. d« er stet« mit „Dippel" anzured« pflegte. Die 1 materiellen Verhältnisse Fischer« waren schlecht und er befand sich I stet« ix «eldverlegtnheiteu. Der frühere Gedetmsekretär IP »Ol» , ax« dem Reichsrotouiotm»«, degex DtürtpUxar - tzlLr» in letzter Zeit so viel Aufsehen erregte, hat schon früher gegen den Major Fischer die schwersten Anschuldigungen gerichtet. Neuerdings hat er dem Reichskanzler und auch der Staatsanwaltschaft eine Anzeige erstattet, der zufolge Major Fücher bei Liquidation von Tagegeldern über die ihm zusteheuden Sätze HGausgegangen sein soll. Auch der Urkundenfälschung hat Pöplau den Major Fischer beschuldigt. Fischer soll einen seiner Uniergebenen veran laßt haben, in einem Aktenstück, das bereits vou dem zuständigen Dezernenten unterzeichnet war, Ziffern auszuradicr« und sie durch andere Ziffern zu ersetzen. Wenn sich alle diese Mitteilungen als richtig Herausstellen sollten, was noch nicht sicher ist, so würde ein Fall schwerster Verfehlung vorliegen, wie er in der deutschen Armee glück licherweise zu den größten Selteuheiten gehört. * Eine merkwürdige Depesche. Nach einem Flens burger Telegramm der „N. Hamb. Ztg." soll der König von Dänemark den Hinterbliebenen des als verbissenen Preußenhasser bekannten Protestler- führers Jessen sein Beileid ausgedrückt und den Verstorbenen darin als einen „bewährten Vor kämpfer dänischen Rechtes" bezeichnet haben. Wenn sich das bestätigt, so würde es einen charakteristi schen Kommentar zu den Aspirationen liefern, wie sie am dänischen Hof gehegt werden, eine hübsche Illustra tion für die Art, in welcher der Kopenhagener Hof mit den Verhältnissen seinen „Frieden" gemacht hat! Die „Nordd. Nllg. Zeitg." über die Wahl in Hagen. Die „Nordd. Allg. Zeitg." schreibt in einem Artikel über die Wahl in Hagen: „Wir haben von Anfang an die Episode, die der Versuch der Bildung eines Kartells von Nationallibcralen, Christlich-Sozialen und Zentrum bildete, nicht schön finden können, die nun auch in der übrigen Öffentlichkeit, insbesondere von nationallibe raler Seite sehr abfällig beurteilt worden ist. Die Frage der Verständigung der bürgerlichen Parteien, auf die wir seit langer Zeit das Augenmerk gerichtet haben, wird infolge des in letzter Zeit unverkennbaren Anwach sens der sozialdemokratischen Stimmenzahl - immer aktueller und findet auch in immer weiteren bürgerlichen Kreisen die Aufmerksamkeit, die ihr gebührt. Manche Organe, die diesen Gedanken lange Zeit mehr oder min der ablehnend gegenüber gestanden haben, haben sich mit ihm sichtlich befreundet und teilweise schon beachtens- wc'te Vorschläge für die Art der Durchführung einer möglichst allgemeinen Verständigung der bürgerlichen Parteien bei künftigen Wahlen gemacht. Das Ele ment einer solchen Verständigung ist aber doch gewißlich die Anerkennung des Vorrech tes der stärksten bürgerlichen Partei vor allen anderen, da eine Vereinbarung aller bürgerlichen Parteien über diejenigen Mandate, die durch den An- sturm der Sozialdemokratie bedroht sind, nur auf Grundlage der Wahrung ihres gemeinsamen gegenwärtigen Besitzstandes möglich er scheint. Als ein nachahmenswertes Vorspiel für die Hauptwahlen im Jahre 1908 kann also der gescheiterte . christlich-soziale Kompromrßversuch in Hagen-Schwelm nicht betrachtet, vielmehr müssen andere Mittel und Wege einer Vereinbarung, bei der jede Partei zu ihrem Recht kommt, gesucht und gefunden werden. * Die Bevölkerung des Deutschen Reiches ist im „Statist. Jahrb. f. d. Deutsche Reich" nach dem Stande um Mitte dieses Jahres auf 61102 (>00 Köpfe berechnet. Da die Volkszählung vom 1. Dezember 1905 nach der vorläufigen Feststellung eine Bcvölkerungszahl von 60 605 183 ergeben hatte, hat in den letzten sie ben Monaten eine Zunahme um nahezu eine halbe Million stattgefunden. In zehn Jahren hat sich die Bevölkerung des Deutschen Reiches um 8,35 Millionen vermehrt, in 20 Jahren hat sie um 13,47 Millionen zugenommen. Seit der Grün dung des Deutschen Reiches hat die Bevölkcrungszu- nahme 20,1 Millionen Köpfe oder 49 vom Hundert be tragen. * Eine Grenzverletzung durch einen russischen Solda- ten wurde dieser Tage aus Kattowitz berichtet. Jetzt wird aus Breslau, 28. Juli, gemeldet: Eine russische Untersuchungskommission besichtigte gestern nachmittag die Stelle, wo der Buchhalter Broder durch einen russischen Grenzsoldaten erschossen wurde. Der russische Soldat hatte preußisches Gebiet betreten und war sodann auf dem neutralen Weg zurück gegangen. Von diesem aus hatte er den Schuß auf den auf preußischem Boden stehenden Broder abgegeben. Der russische Soldat ist bereits verhaftet worden. Der Soldat wird vermutlich bestraft werden, damit ist dann die Sache erledigt. Leider weckt die Strafe den Toten nicht wieder auf und Entschädigung gibt's auch nicht. Ja, wenn Rußland Marokko wäre! * Die Kreuzer „Vineta" und „München" sind in die nördlichste Nordsee und an die norwegische Küste ausge laufen zur Vornahme von Funkspruchübungen, um die Spruchweite der neuen, großen drahtlosen Küstenstation Norddeich festzustellen. Die Marinebchörde strebt die drahtlose Ueberbrückung des ganzen Nordseegebiets an. * Vom Kriegsgericht in Trier wurde nach sechstägiger Verhandlung der Major Mejer wegen vorsätzlicher unrichtiger Abstattung einer dienstlichen Meldung und Ungehorsams zu einem Jahre und einem Tage Festungshaft und Dienstentlassung, der Hauptmann Jouin wegen Unterlassung einer dienstlichen Meldung zu 7 Monaten Festungs haft, ferner 3 Feldwebel, Unterberger, Mach- wirth und Stahl, zu je 6 Monaten und 1 Woche Gefäng- nis und der frühere Sergeant Bienefeld zu einer Zusatzstrafe von sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. Der Unteroffizier Schöwe erhielt drei Tage Miltelarrest, der Feldwebel Chilla wurde frei gesprochen. Bei der Urteilsbegründung wurde -tze Oeffeutlichkeit auSge- * Der spanische Kreuzer „Estramadnra" hat, wie uns aus Kiel geschrieben wird, Sonnabend vormittag 11 Uhr den Kieler Hafen, in dem er nach dem Besuch in Kronstadt Liegeplatz genommen hatte, verlassen, um durch den Kaiser Wilhelm-Kanal die Fahrt nach Cowes anzutreten. An Bord des Kreuzers befinden sich die beiden Jachten „Mourisco" und „Santa", welche an d.n Wettfahrten der Cowes Week teilnehmen sollen. Der Kreuzer „Estramadura" wird voraussichtlich in den eng lischen Gewässern mit dem „Giraldan" an dessen Bord sich der König und die Königin von Spanien befinden, Zusammentreffen. * Kleine politische Nachrichten. Der Kaiser bat dem Vizepräsidenten des Re i ch s b a n k-D i r c k- toriums Exzellenz Galle n kam p, der noch langer verdienstvoller Tätigkeit am 1. August d. I. aus seinem Amte scheidet, den Kronenorden erster Klasse verliehen. — Der erste internationale Kongreß für di« Be- kämpfung der Arbeitslosigkeit ist ans den 2. und 3. Oktober verlegt worden; zur Beratung kommen Ursachen, Vorbeugungsmittel, Bekämpfung der Folgen der Arbeitslosigkeit. Ruslana« Oesterreich-Ungarn. * Einberufung der Delegation«. Aus Pest wird be richtet Minister Andrassy reist am Montag und Dr. Wekerle am Dienstag nach Ischl, um dem Kaiser den Ministerratsbeschluß betreffend die Einberufung der Delegationen für den 22. Oktober nach Pest zu unter- breiten. * Erzherzog Otto inaktiv. Das Militärverordnungs- blatt meldet die bereits angekündiqte Enthebung des Erz herzogs Otto und besten gleichzeitigen Austritt aus dem aktiven Heeresverbande für di« Dauer seiner Dienstuntaug lichkeit. * Ende deS Streiks im Goldbergwerke. Racb soeben ein- gegangener telegraphischer Mitteilung aus Brad in Siebenbürgen ist der am t7. d. Mts. daselbst ansgebrochene allgemeine Streik der etwa 2000 Grubenarbeiter der Goldbergwerke Ruta-Muszari, welche der Harkortschen Bergwerks-Aktiengesellichait zu Schwelm (Gotha) gehört, als beendet zn betrachten. Die Mannschaft bat sich den Bedingungen der Direktion unterworfen und wird Montag, d« 30. Juli, rie Arbeit wieder anfnehmen. DaS Bergwerk liefert pro Jahr etwa 8 0—900 lcg Gold. Rußland. * Zlrkularuote wegen Auflösung der Dnma. Der Mi nister des Aeußern Iswolsky richtete an die russischen diplo matischen Vertretungen im Auslande eine Zirkularnote, in der sie angewiesen werden, den betreffenden Regierungen Auf klärungen über die Gründe der Auflösung der Reichs- dnma und zugleich über die weiteren Intentionen der russischen Regierung zu erteilen, um auf diese Weise den viel- fach« irrigen Anschauungen, die im AnSIande über die Vorgänge in Rußland verbreitet sind, nach Möglichkeit entgcgcnzutreten. Ebenso hat der Finanzminister Kokowzew die russischen Finanz- irnd Handelsagenturen im Auslande beauftragt, die betreffenden Fina n- institute über die Finanzlage Rußlands zu beruhigen und die Eiklärung abzugeben, Laß die cingegangenen Verpflichtungen auch pünktlichst erfüllt werden würden. * Tie Schwierigkeiten der russischen Kabinettsbildung sind noch nicht behoben. Die Männer, denen Stolypin Minister portefeuilles anbot, machen deren Annahme von der augenblick lichen Durchführung neuer liberaler Reformen abhängig, während Stolypin zunächst einmal sür Ruhe und Ordnung im Reiche sorgen möchte. * Tie Mitglieder deS RcichSratS, hauvtsächlich Vertreter der Universitäten und Semsuvos, welche als Protest gegen die Aus lösung derReichsdnma ihre Mandate niedergelegt haben, erließen eine Kollektiv-Erklärung an ihre Wähler über die Motive ihres Schrittes. Die Erklärung ist in sehr scharfen Aus- drücken gehalten. * Verhaftungen. In den letzten Tagen sanden iu Petersburg und vielen anderen Städten, wie schon gemeldet, zahlreiche Ver haftungen und Haussuchungen -infolge der Beschlagnahme wichtiger Dokument« in der Redaktion des sozialdemokratischen Blattes „Mygl" statt. Lian fand einem Petersburger Telegramm des „B. L.-Anz." zu- wlge den Plan eines Ausstandes in Rußland und ein genaues Verzeichnis aller Beteiligten. Darunter sind viele Personen, die eine hervorragende Stellung einnehmen. Quittungen über be deutende Summen sür die Propaganda wurden vorgesundrn. * Finnlands politische Vorzugsstellung. Den Finnlän dern, denen jüngst die von den ^ständen beschlossene Land- tagsresorm bestäugt wurde, lächelt abermals die kaiserliche Gunst. Durch eine Kundmachung werden den Gemeinde- Verwaltungen und den Privatpersonen alle Strafen erlassen, die während des Rufsifizierungssystems für Verstöße gegen das Wehrpslichtgesetz und andere Verordnungen auferlegt waren. Die Gemeinden hatten sich beispielsweise geweigerl, bei den Nekrutenaushebungen mitzuwirken, und von den Ge stellungspflichtigen blieben eine Menge sern. Die Folge waren hohe Geldbußen. Ferner können die ins Ausland geflüchteten Personen straffrei nach Finnland zurückkehren. Dies soll innerhalb eines Jahres geschehen, und falls die Rückkehr in dieser Zeit nicht möglich ist, soll wenigstens den diplomatischen Vertretern Meldung gemacht werden. End- lich werden auch alle Beamten, die sich ebenfalls weigerten, den in der Russifizierungszeit erlassenen Verordnunacn nochzukommen, von jeder Verantwortung befreit. Marokko. * Sklxtwittxrkt. Der ,,Daily Grapbic" bringt in seiner Nummer Vom Freitag, 27. Juli, einige hochinteressante Photo graphien vom Sklavenmarkte iu Marrakesch. Der Markt findet in einem langen, schmutzigen Hole statt. Der Verkauf, dem der Korrespondent briwobnie, sand an einem Donnerstag nachmittag statt. Es gelangten männliche und weiblich« Sklaven, uuter den letzteren auch weiße Mädchen, zum Verkauf. Der Preis sür ein Mädchen war durchschnittlich 10 Lstr. Die Anwesenheit von Euro päern wurde offenbar uicht gern gesehen. Der englisch« Berichterstatter der tu Modador ansässig ist. erklärt übrigen« daß dir Sklaven keines wegs eiueu gedrückt« Eindruck machten. Di« Mädchen, die auf da best« heraaSgeputzt waren, schien« zum Teil sogar den Verkauf gern zu sehen. Der Gewährsmann dr» ..Daily Grapbtc" behauptet, daß r- vorkomme, daß freigelassene Sklaven sich selbst wieder in die Sklaverei verSoufien, und er ist überzeugt davou, daß eine Ab- > stimmnng der Sklaven unbedingt gegen dir Abschaffung der Sklaverei autfall« würde. Der Sklave erblicke in ihr «in« Vor- ^lxugxng WD« di« Gefahr, wie ein gewöhnlicher Arbeiter arbeit«
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