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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.07.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060731015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906073101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906073101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-07
- Tag1906-07-31
- Monat1906-07
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R.) * Gestern ist auf der Reichswerst in Wilhelms haven die neunstündige Arbeit-zert eingeführt. * Graf Witt« äußerte sich in interessanter Weise über die KrisiS in Rußland zu einem Vertreter de- »Daily Telegraph", wobei er einen durchaus liberalen Standpunkt vertrat. (S. Ausl.) Italiens 6Ianr. fDou unserem Römischen Korrespondenten.) Die Anerkennungen des Glückes und der Größe, die Italien aus Anlaß der Fortschritt« seiner innerpolitischen Gesetzgebung und namentlich der Konversion seiner Schulden so sehr reichlich gespendet worden sind, waren sicherlich nicht unverdient. Nun, da sie in der internationalen Presse we gen des mangelnden ostentativ-aktuellen Anlasses aufgehört haben, da auch der Zauber der Luzzatti-Depesche unseres sogar auf diplomatischem Felde mehr als liebenswürdigen Reichskanzlers zu verblassen beginnt, melden sich die Leute von der anderen Denkweise zum Wort. Hier, in Italien selbst, tun jie's sehr nachdrücklich. Zugleich erweist fick, daß es keineswegs, wie der Schatzminister Majorans urbi st orbi versichert hat. eitel Patriotismus war, der die Ita liener verführt hat, bei der Konversion der Staatsschuld so passiv zu bleiben, sondern daß sie vielmchr einer ihnen mit unleugbar großem Geschick und mit noch größerer Rück sichtslosigkeit von der Regierung uud den Banken bereiteten Verlegenheit sich gefügt haben: die Bischöfe gehen damit um, die Staatskasse zu verklagen, weil die »um Ersatz der Säku larisation der Kirchengüter ihnen gegebenen ursprünglich sünsprozentige» Staatsschuldscheine einer Konversion über- Haupt nicht unterzogen werden dürften; die Offiziere sind mißmutig, weil ihnen nicht zureichend Zeit gelassen worden ist. über di« anderweite Anlage ihrer den standesgemäßen Haushalt garantierenden Depositen irgendwie im geringsten zu verfüge«; die sonstigen Besitzer der konvertierten Papiere suchen sie jetzt in ansehnlichem Umfange börsenmäßig abzu stoßen. Erheblicher ist aber noch, weil für di« Solidität der Grundlage deS Finanzwesens kennzeichnender, «in starke- Drängen der Kommunen, die zum weitaus größten Teile iuden elendesten finanziellen Verhält» nifsen leben und nun unter allen möglichen Formen die za ersparenden Zinse» zu ihren Gunsten nahezu erbetteln, als Minimum aber die Ermäßigung des ihrerseits an die Staatskasse für Darlehen zu zahlenden Zinsfußes von 4,15 Prozent sü) auf 3,75 uud später 3L Prozent, d. h. auf den nunmehr für den Staat gegenüber seinen Gläu biger» gültigen Zinsfuß, wünsche«. Frommer Wunsch wird derlei «och sehr, sehr geraume Weile bleiben. Denn zwischen dem Glanze der italienischen StoatSfinanzen und der konstanten, auch für dieses Rech nungsjahr auf etwa 45 Millionen Lire zu veranschlagenden lleberschüss« und zwischen dem Stande der öffentlichen Ein- richtungen in Italien besteht ein arges, auch für den Finanzpolitiker höchst gewichtiges Mißverhältnis. An Be dürfnissen zur Geldausgabe mangelt es also nicht nur nicht, sondern die Bedürfnisse sind so zahlreich und zum Teil so dringlich, daß die verfügbaren Gelder zu ihrer notdürftigsten Befriedigung lange nicht zureichen. Im Dezember 1905 hat der hier gewiß vertrauenswerte derzeitige Schatz-, damalige Finanzminister, Majorana, gelegentlich der Vorlage eines nunmehr charakteristischerweise ganz beiseite gelegten Ge setzentwurfs einer Reform der lokalen Steuern, selbst be- könnt: sämtliche öffentlichen Einrichtungen, ohne Aus nahme, sind unzulänglich dotiert; das Eisenbahn-, Schiff- sahrtS-, Post-, Telegraphen- und Telephonwesen bedürfen aufS dringendste ansehnlicher Dotierungen, und für die nationale Verteidigung, die Landwirtschaft, jede Art der öffentlichen Arbeiten, den öffentlichen Unterricht, das Rechts- und Berwaltungswesen gibt es ungeheuerliche Lücken zu füllen. Man könnte hinzufügen, daß die jüngste Gesetz gebung zugunsten Süditaliens für absehbare Zeit nichts als eiu papiern«r Wert ist, so daß auch Süditalien im ganzen und im einzelnen ein die nationale Wohlfahrt Italien- schwer drückendes Problem nach wie vor bleibt. Umsomehr, als die von Sonnino gegebene Anregung, die Wurzel der meisten und schädlichsten aller italienischen Uebel, das Analphabetentum, durch die Uebernahme deS Elementarschulwesens auf Staatsrechnung auSzuheben, nicht befolgt worden ist und vorläufig kaum befolgt werden wird. Wer angesichts der in Mailand gebotenen glänzenden Proben der industriellen Leistungsfähigkeit des neuen Italien-, sowie der in derselben Richtung zeugenden großen Zahlen des amtlichen statistischen Jahrbuches ein Urteil über Italien fälle» wollte, würde und müßte irren. Denn n«ben dpm in der Tat raschen und nicht unsoliden industri ellen Fortschritt«, trotz eines direkten und indirekten Sckmtz- zollwesens, da- sich des öfteren in recht bedenklichen Maß nahmen äußert: neben diesem industriellem Fortschritte steht eine Stagnation deS für Italien vorwiegend bedeutsamen landwirtschaftlichen Betriebes und seiner Faktoren und ein nur oben merklicher intellektueller und soziologischer Auf schwung. Di« Stagnatio» auf de« Lande liegt dermaßen zutage, daß selbst j» der allernächsten Nähe Rom-, der ReichS- hauptstadt, die Art der Ackerbestellung uud daS Leben der Landleute miserabel ist, wie Jahrhunderte zuvor. Hier wie anderweit ist die Schuld bei den Großgrundbesitzern zu suchen, die lieber mit einem geringeren Ertrage des BodenS vorlieb nehmen, als daß sie in planvoller Weise eine rationale Bewirtschaftung unter Einsatz ihrer eigenen Kraft unternehmen oder unternehmen lassen. Dieser Widerstand gegen den Fortschritt, der doch auch vom rein privatwirtschastlichen Standpunkte aus schätzbar sein müßte, erklärt sich bei den Großgrundbesitzern teils aus persönlicher Mattigkeit und unzulänglicher Berufsbildung, teils und vornehmlich aus einer Standestendenz, di« den Abstand zwischen Reich und Arm so groß wie möglich er- halte» will, gleichsam als den Abstand zwischen Herren und Sklaven. A» vielen Orten aber hat bereits ein« Bewegung eingesetzt, die Wege» des unter solchem Verhalten der Be sitzer naturgemäß stetig wachsenden Elends der Landbevölke rung, sei «s gewaltsam, s«i «s mit Hilfe der Gerichte, dazu gelangen dürfte, daß «ine parzellenweise Vergebung der Territorien zu Bebmrungszwecken seitens der Besitzer gegen Pachtzins oder als amortisierbarer Besitz stattfindet. Daß der neue Modus mit der Kleinlichkeit der Verhältnisse, die ihm eignet, einen Betriebsfortschritt ohne weiteres mit sich bringt oder volkswirtschaftlich sehr bald in die Wagschal« fallen wird, ist kaum anzunehmen. Im übrigen zeigt der unter der Last der Staatssteuern geschehen« Ruin der kleiuere» Gutsbesitzer von Mittel- und Süditalien, die dann ihr Heil in d«r Auswanderung suchen, wo der Hebel zur Besserung noch onzusetzen ist; die italienischen Gesetzgeber haben ein leichtes Erzielen glänzender Finanzen, wenn ihr« Kataster, und Steucrbeamten die Devise haben: nach uns die Sündflut! Es gibt Leute in Italien und anderswo, die in der auf eine Million arbeitsfähiger Menschen binnen kurzem sich beziffernden jährlichen Auswanderung aus Italien ein Heil für das Land s«hen. 9tun kann man gewiß ein räumen, daß das Wachstum der Bevölkerungsdichtigkeit in Italien von 99 auf 115 pro Quadratkilometer während der letzten zwanzig Jahve sehr ansehnlich und zureichend ist, und daß die Auswanderer für die Heimat aus mehreren Gründen kein durchaus verlorenes Kapital sind. Ja der Hauptsache aber ist doch zu berücksichtigen, daß die Leute nicht auswandera, weil ihre Arbeitskraft im Heimatlande erübrigt, sonderu, trotzdem mau der Arbeitskräfte aufS dringendste bedarf, und sehr viele Bezirke unkultiviert bleiben, die eine reich« Kultur gehabt haben und neuerdings durchaus verdienen. Nicht achtlos darf map »endlich an den blutig«« Aeuße- rungen der sozialen Gegensätze in Italien vorüber gehen, di« alle Augenblicke gemeldet werden. Streiks sind hier und dort und saft stets irgendwo, in denen Wünsche zum AuStrag kommen, die bei uns längst, längst erfüllt sind. Die Modalitäten der Streiks bekunden ausnahmslos, wie gering die Bildung der niederen und daS moralische Ge baren der besitzenden Klassen ist, und wie wenig selbst eine in ihren Polizeiinstruktionen sehr vorsichtige Regierung in der Lag« ist, die gewaltsamen Konflikte zu vermeiden und der meist ungemein rohen Vernichtung von Menschenleben und öffentlichen Werten Einhalt zu tun. Die Versuch« poli tischer Generalstreiks haben trotz ihrer bisherigen geringen Bedeutung immerhin gezeigt, welche Tragweite der hiesigen Lage der sozialen Beziehungen eignet. Vie Proportional-Aadl. I. Unter der großen Menge von Rezepten, nach denen an unserem Reichstags-Wahlrecht herum kuriert werden soll, spielt auch die Verhältniswahl eine bedeutende Rolle. Voraussetzung aller solcher Heilmittel ist dabei, daß unser Reichstag in seiner jetzigen Zusammensetzung ein krankes Organ des Reichskörpers darstelle. Ob zweifellos vorhan dene Krankheitserscheinungen nicht vielmehr aus unge sunden Säften des gesamten Volks-Organismus ihren Ursprung herleiten, danach fragen die gelrchrten Herren Wahlspezialisten nicht oder wollen nicht danach fragen. Es läßt sich nicht leugnen, daß für die Proportionalwahl — den Proporz, um eine wenig Wohllautemde, aber kurze und schon ziemlich eingebürgerte Wortform zu gebrauchen — schön klingende und bis zu einem gewissen Grade auch berech- tigte Gründe geltend gemacht werden. „Der brutalen Tyrannei der Mehrheit soll ein Gegengewicht gesetzt wer den"; „den hervordringenden Unterströmungen, neuen Parteibildungen, soll der Einzug ins Parlament erleichtert werden." Wir wollen zunächst dahingestellt fein lassen, ob diese ewigen neuen Gruppenbildungs-Versuche neben den bestehenden Parteien und im Wettbewerb mit ihnen ein Ziel sind, auss innigste zu wünschen: ebenso ob das Gegengewicht gegen brutale Majorisierung durch die verschiedenartige Zusammensetzung der einzelnen Wahlkreise nicht auf lang« Zeit gesichert ist. Wir wollen lieber vorerst die wahrschein lichem Ergebnisse einer Einführung der Verhältniswahl ein mal rechnerisch sestzustellen versuchen. Es würden drei Arten der verhältnismäßigen Vertretung denkbar sein: Reichsproporz, Bezirksproporz und Kreis proporz, unter die sich alle möglichen Variationen leicht eftr- ordn«n ließen. Wir meinen: Berechnung durch das ganze Reich, nach Regierungsbezirken (Kreishauptmannschaftem) oder Minderheit-Vertretung der einzelnen Wahlkreise. Die Sozialdemokratie pflegt mit Vorlieb« auf die erste Form hinzuweisen. Wohl erklärlich: sie rechnet dabei eine Verstärkung ihrer Mandate um etwa 50 Prozent heraus! Die bislang aufaemochten Statistiken leiden übrigens an erheblichen Unrichtigkeiten. Man hat ungeprüft die Wahl- beteiligung von 1903 zugrunde gelegt. Nun besteht aber doch kein Zweifel, daß große Wählermassen sich von der Wahl fern gehalten haben, weil sie entweder sagten: „unser Kreis ist ja doch sicher", oder: „in unserem Kresse hilft es ja doch nicht-." Ziffernmäßig laßt sich daS erste am leichtesten be weis«» in den 70 umbedingt sicheren Zentrumskreisen, welche nur «ine durchschnittliche Wahlbeteiligung von 682 Prozent »eigen, g«g«n 76,1 Prozent im Reiche oder vielmehr gegen 77,7 Pro-ent der übrrgen 327 Kreise. Man muß also den Zentrum-stimmem von voruherein 9ch Prozent zurechnen; abgesehen von der allgemeinen stärkeren Wahlbeteiligung bei der ersten Provortionalwahl, bei welcher sämtliche Parteien i und auch dr« kleinsten Gruppen mit Volldampf agitieren I würden. ES find übrigens keineswegs an-schließlich land- l liche Kreis« geweseu, deren Dahleifer 1908 zu wünschen übrig gelassen hat: Frankfurt a. M. marschiert mit 55S Prozent an der ncuntletzten Stelle und wird in Preußen nur von Glatz und Tondevn an Wahlträgheit übertroffen! Nnd das in einem so zweifelhaften Kreis«, daß die Entscheidung erst in der Stichwahl gefallen ist; während für die 67,9 Prozent von Berlin VI der sozialdemokratische Sieg mit 80 000 Stimmen gegen 31 000 als mildernder Umstand gelten darf. Wenn wir also den 1875 000 Zentrumsstimmrn ein Sie bentel hinzurechnen, also rund MOOO, so kommen wir auf folgende Ziffern: Konservative und Reichspariei 1280000; Antisemiten und Landbündler 475 000; Nationalliberale 1320000; Freisinnige usw. 875 000; Polen 350000; Zentrum 2150000; Sozialdemokraten 3010000. Wir müssen außeracht lassen, daß vielfach Konservative mit Antisemiten und auch mit Nationalliberalen zusammen gegangen sind, ferner Nationalliberale mit Freisinnigen; da ein« reinliche Scheidung dieser Stimmen ziffernmäßig doch nicht durchzuführen ist. Wenn wir nun die rund 400 Abgeordneten auf rund 9 600 000 Wochlstimmen verteilen, so käme etwa auf 34000 Wähler «in Vertreter. Dann würden erhalten haben: die Konservativen 53 statt 75; die Antisemiten usw. 20 ---- 20; di« Nationalliberalen 55 statt 51: die Freisinnigen 36 statt 37; die Pi^en 15 statt 16; die Ultramontanen 89 statt 100: die Sozialdemokraten 125 statt 81. Der Rest entfiele aus di« kleinen Gruppen sWelfen, Elsässer Dänen). Auch die stärkere Einbuße der Konservativen würde ver mutlich durch stärkere Beteiligung in den sicheren Kreisen noch etwas abgcschwächt werden. Immerhin blieben für sie und das Zentrum ein erheblicher Verlust, für die Sozial demokraten ein gewaltiger Gewinn, während die Liberalen schwerlich große Verbesserungen erwarten dürften. Für den Hezirlsproporz wollen wir als Musterbeispiel die Pfalz auswählcn. Sachsen ist schon wegen der Kartell politik wenig geeignet. Insgesamt sind 150 900 Stimmen abgegeben, also würde auf etwas über 25 000 einer der 6 Vertreter entfallen. Nun haben Stimmen erhalten: die National!iberalen43 400, das Zentrum , , . » 45 300, die Sozialdemokraten37 600, die Landbündler16500, die freisinnige Volkspartei .... 8000. Es müßten also doch wohl je 2 Vertreter den National- liberalen und dem Zentrum zugestanden werden, den So zialdemokraten mindestens einer und vielleicht noch einer dem Landbund, während die Volkspartei ausgefallen sein würde, trotz relativer Mehrheit in Kaiserslautern. Ob das Gcrechnakc-lt wäre, die stärkste Parte: eines KrerseS ldie Nationalliberalen hatten für Sartorius gestimmt), völlig auszuschließen? Zu bemerken ist auch, daß das Zentrum auf einmal 2 Mandate erlangt hätte, obwohl es bisher als Minderheitspartei sämtlicher Kreise noch niemals einen Vertreter in der Pfalz durchgesetzt hat. Solche Unbilligkeiten würden sich häufen bei einem Kreisproporz. Natürlich könnten nicht die heutigen Wahl kreise beibehalten, und etwa jedem Mehrhettsabgeordneten ein Beauftragter der stärksten Minderheitspartei an die Seite gestellt werden: dann erlahmte nicht nur jeder Kampf um die Palme, sondern es müßte auch gleich ein neues Reichstagshaus gebaut werden: vielleicht zum Vorteil des künstlerischen Geichmackes, aber sicher zu großem Nachteil für die Reichskasse. Die Sache ließe sich bloß so denken, daß etwa je drei bisherige Kreise zu einem vereinigt wür den. Dann erhielte die Partei mit absoluter Mehrheit zwei Abgeordnete, die stärkste Minderheitsgruppe «inen; viel leicht mit der Beschränkung, daß auf sie mindestens ein Drittel der Stimmenzahl gefallen sein müßte, während einer Zweidrittel-Mebrheit olle 3 Abgeordnete« zugebilllgt würden. Falls nach diesen Grundsätzen Plätze übrig blie ben, wären die Parteien nach ihrer Stärke zur Berücksich tigung heranzuziehen, welche über «in Sechstel der Stimmen zahl erhalten haben. Also würde beispielsweise nach einer Zusammenlegung der drei Kreise Danzig-Stadt, Danzig- Land nnd Elbing bei den 1903 abgegebenen 55 229 gültigen Stimmen die absolute Mehrheit 27 615, das Drittel 18 410, das Sechstel 9205 Stimmen betragen haben. Da nun in allen 3 Kreisen zusammen die Konservativen 17 421, die Sozialdemokraten 15 209, das Zentrum 10166, die Freisin nigen 8731, die Polen 1835, die Nationalliberalen 1740 Stimmen aufgebracht haben, fo hätte keine einzige Partei ein unbedingtes Anrecht auf eine Vertretung gewonnen; nach der Sechstelklansel aber würden Konservative, Sozial- demokraten und Zentrum mit je einem Abgeordneten ansge- stattet werden, wahrend die Freisinnigen ihr Mandat in der Stadt Danzig einbüßten und nur durch die Eibinger Na- tionalliberalen gerettet werden könnten. Die jetzt aber dreimal unterlegenen Sozialdemokraten gelangten auf alle Fälle zu einem Mandat. Hat nun aber wirklich eine Min derheitspartei aller drei Kreise ein größeres Recht als die Mehrheitspartei der politischen Einheit Danzig-Stadt? Noch ein anderes Bedenken siebt diesem Kreisproporz entgegen. Gesetzt, wir hätten 100 Wahlkreise und nur zwei Parteien, und es wären etwa die Liberalen in 60 Kreisen siegreich, aber nur in 10 Kreisen mit Zweidrittel-Majo- rität; dahingegen siegte die Rechte bloß in 40 Kreisen, aber darunter in 30 mit der erhöhten Mehrheit. Dann erhielten di« Liberalen: 10 X 3 4- 50 X 2 -s- 10 X 1 140 Sitze, die Konservativen: 30X3-j-10X2-I-50X1--160 Sitze. Die in der Mehrzahl der Kreise siegreiche Partei bliebe also im Reichstage in der Minderheit. Auf die moralischen Bedenken gegen die Verhältnis- wähl verden wir in einem zweiten Artikel eingehen. vrrttsrber Keich. Leipzig. 31. Juli. * Unser Klottentesuch in Norwegen. Der bi» ,um 1. August beabsichtigte Aufenthalt der aktiven Cchlachtslotte in de« norwegischen Häsen wird biS zum 3. August nach mittag- verlängert. Anläßlich deS Geburtstages de- Königs von Norwegen am 3. August wird die aktive Schlachtflotte über Toppen flaggen und einen Salut vou 21 Schuß feuern. Nachmittag« geben die Verbände zu gemeinsamen Uebungen in See. Anschließend daran tritt die Flotte am 4. August ihren Marsch nach der Helgoländer Bucht an. * Li» Italiener über Italiens dentschwidrigc Politik. Professor Sacerdota, Berliner Korrespondent de „Gazzefta del Popolo" schreibt: Die Deutschen haben nicht ganz un recht, wenn sie der italienischen Politik seit den Kongresse von Algeciras nicht recht trauen, unter anderem auch hinter dem abessinischen Vertrage einen gegen Deutschland gerich. telen Schachzug im Bunde mit Frankreich nnd England wittern. Denn die Unbeständigkeit ;a fast der Leichtsinn der 'talieniscken Politik, namentlich die Wahl des als franzö sische» Werkzeug geltenden Visconti Venosta zum Vertreter Italiens in Algeciras haben Deutschlands Verrrauen er schüttere * Kommt König Stzuar»? DaS alte Spiel beginnt von neuem. „Daily Grapbic" will wissen, daß eine Begegnung des Kaiser- und deS Königs von England am IS. August in Friedrichshof bei Hamburg stattfind«. * Major vou Fischer. Zur Verhaftung des Maiors von Fischer von der Schutztruppe erfährt der „Berl. L.-A ": DaS wegen Verdachts der Bestechung einaelettete Verfahren wird bald zum Abschluß gelangt sein. ES dürste jedoch kaum Beweise einer strafbaren Handlung bringen, um so weniger, al- bereits seststeht, daß eine materiell« Schädigung des FiS- kuS nicht vvrliegt. ES handelt sich lediglich darum, baß Major von Fischer vou einem Teilhaber der Firma TrppelS- kirch bedeutende Darlehen angenommen hat, zu deren Zu rückzahlung er kaum in der Lage fein durfte. Mft seiner Stellung als Offizier und besonders als Vorstand des Be- kleidungSamtes der Schutztruppe war diese Handlungsweise nicht zu vereinbaren. Die Veranlassung zur Einleitung einer Untersuchung hat eine Anzeige gegä>en. Die Verhaf tung deS Beschuldigten mußte erfolgen, um jede Verschleie rung zu vermeiden. — Demgegenüber wird dem „B. T." von einer Seite, die mit den Verhältnissen vertraut ist, mit- ^eteilt, daß Maior von Fischer in zwei Fällen Amtsvergehen chwerer Art sich habe zuschulden kommen lassen. ES handele ich in dem einen Falle um eine Liauidation über Kosten ür eine Dienstreise vou Berlin nach Hamburg. Der zweite Zall betrifft die Fälschung eines Aktenstücks über di« Ge- mhrnisse eines SchutztMipeuarztes. Die Angabe, daß Major von Fischer fick in großer Geldverlegenheit befunden habe, wird von zuverlässiger Sette mit dem Bemerken be stätigt, daß dies amtlich bekannt war und daß von Fischer von der Behörde mit ganz außerordentlich hohen Extra- renumeratiouen und Unterstützungen bedacht Word« sei, obwohl er schon seit Jahren em festes Einkommen von jähr lich 8000 hatte. — Der Major von Fischer L 1» auits der Schutztruppe für Ostafrika und beim Oberkommando der Schutztruppe, Vorstand der BekleiduugSabteiluna, her nach dem „Lokalanzeiqer" wegen Verdacht- der Bestechung in Untersuchung gezogen nnd in Untersuchungshaft genommen sei« soll, ist in ReichStagSkreisen eine bekannt« Persönlich keit gewesen uud hat während der Beratungen deS Kvlouial- etatS de» Sitzungen der Budgetkommission beigewvhnt. auch daselbst bisweilen daS Wort ergriffe». Er hat schon als Hauptmann dem Oberkommando der Schutztruppe« ange- bört und sst vor einiger Zett zum Major avanciert. — Zum Fall des Majors Fischer meldet der „Hannoversche Courier" an- bewährter Quelle, daß mau auf Grund von beste» In formationen versichert, daß sofort »ach Einlauf der Denun ziation von mas» ebender, höchster Stelle die Anweisung er gangen ist, rücksichtslos burchzugreisen. Di« Untersuchung wird vom Kriegsgericht-rat Soelle von der Gardedivlsion geführt. Inwieweit das Verhältnis des Staates zur Firma Tlppelskirch einer Revision zu uuteraiehou sein wird, läßt sich für den Augenblick noch nicht absehen. Sollten sich Mo mente ergeben, die zur strafrechtlichen Verfolgung deS Ma jors führen, so wird selbstverständlich auch der LiefernngS- vertrag zwischen dem Staat und der Firma Tippelskirch ge- löst, weil dann ein« Uebervorteilnng deS Staates feststeht. * Professor M-ldenhauer über die Wahl in Hage». Der unterlegene Kandidat der Nationalliberalen im Reich«- tagswahlkrerse Hagen, Professor Moldenhauer, bespricht iu einem Leitartikel der „K3ln.-Zeit." die Ursachen deS national liberalen Mißerfolges. ES heißt dort: „Ich darf und kann nicht anders sagen, als daß da- Ver halten der nationalliberalen Fraktione« iu der Schul- untrrdaltung-gesetzfrag« nnd in der Ftuauzrefor« den Hauptanteil an der Niederlage in Hagen-Schwelm trägt. Bon Anfang der Versammlungen an mit sich steigender Heftigkeit, al- erst dir Gegner ihre trefflich« Position völlig au-zunutzen begannen, ist der Borwurf erhoben worden, die uatioaalliberale Partei sei ja nur Regierungspartei und wag« überhaupt kein« Opposition mrhr zu »«Heu, »ud dieser Vorwurf kam nicht nur von den Gegner», die ihn gegen die ganze Partei erhoben, sondern auch an- unfern Reihen, die sich gegen die Fraktionen wandten. Alle Versuch«, in klaren, überzeugenden Auseinandersetzungen zu beweise», daß die staatlichen Verhältnisse zu der KomprmnitzpoUtik führen mutzten, und daß ja an der Fiuanzreform nicht nur die nationalliberalen Abgeordneten, sondern auch da- Zentrum beteiligt gewesen sei, Warrn vergeblich bei dem Mißmut und der Unzufriedenheit, die sich der Massen bemächtigt Katt«. DaS Zentrum hatte e« vortrefflich verstanden, sich im Reichstag bei den unangenehmsten Strser- gesetzen zurückzuhalten, und die anderen Parteien konnten nun mit vollem Erfolge ihre Opposition, die den Massen mehr und «ehr Acktang kinslSßte, gegen uns ouSbeuten. Ich konnte keinen größeren Beifall finden, al- wenn ich auf die schweren Fehler hinwie-, die hier unzweifelhaft gemacht worden find, und davon sprach, daß rin liberaler Mana unbedingt dagegen seine Stimme erheben müsse. ES ist unzweifelhaft, d<m der Zu wachs der freisinnigen Stimmen aus den uattonalliberalen Reihen stammt. Die Hauptschuld an dem bösen Niedergang unserer Stimmen ist also keine lokale gewesen, sondern liegt tu dem Miß mut gegen die Schul- und Fiuanzreformpolitik der nationalliberalen Fraktionen. Ich habe gerade über die Schalttage viel mit den Volt-schullebrern. die sonst durch ihren großen Einfluß unsere besten Stützen aus dem Land« waren, gesprochen; sie drückt»» mir persönlich ihre Zustimmung au-, aber sie versagten der Partei. E- ist unsere Pflicht, den Dingen, wie sie sind, offen in- Auge zu sehen und hier nicht» zu verschönern. Der Heißhunger nach einer entschiedeneren, liberalen Politik, wie er in Eisenach gekennzeichnet wurde, ist nicht gestillt und wird immer stärker werden." Genau unser Standpunkt! * rä«ischer Kautzltzat Hanssen. Da» „Berl. Tagebl.* schreibt über den künftigen dänischen Vertreter de« Kreises Hadersleben: Der „Heimkal" des Abgeordneten Haussen war daS erste nordschleswigsche Blatt, daS eine Annäherung zwischen Dänemark und Deutschland befürwortete. Im ganzen und großen hat „Heimdal* im Gegensatz ru „FlenS- borg Avis" seitdem diese Politik gefordert. Tie Wahl Haussen-, die mit einer Zweidrittelmehrbeit gesichert ist, deveutet eine Stärkung der Linken des Reichstages, Der neue Vertrauensmann der Dänenpartei wird fick an die liberalen Parteien anlehnrn. Haussen ist 1862 in Norder mühle bei Sonderburg geboren. Er hat einen großen Teil keiner Ausbildungszeit iu Kopenhagen verlebt. Nach seiner Rückkehr nach Nordschleswig erwarb er da« Apenrader Blatt „Heimkal", das rr zum bedeutendsten Rordschle-wig- nächst
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