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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.08.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060820012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906082001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906082001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-08
- Tag1906-08-20
- Monat1906-08
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König Eduard ist nun unter die Patienten nach Marienbad gegangen, um dort seiner Gesundheit zu leben, die für England heute mehr wert ist als ein Ge schwader Linienschiffe, und nebenher jedenfalls auch noch ein paar kleine politische Geschäfte zu machen, denn Sir Campbell Bannerman ist gleichfalls marienbadbedllrftig geworden. Es wird sich natürlich um den alten Plan handeln, Oesterreich in die Konstellation zu ziehen, welche nach Ansicht König Eduards die allein richtige ist. Wir können dem alten Freunde Delcassss trotz seines Cronberger Besuches nicht glauben, daß er über Nacht feine politische Epidermis geändert habe. Wir sind wenigstens davon überzeugt, daß er in Oesterreich Las englische Geschäft schon nach besten Kräften zu er ledigen bestrebt sein wird. Das kann man dem englischen Könige, der einst nur für Modejournale, Nennen und die Schönheiten der Pariser Boulevards Sinn zu haben schien, nicht abstreiten, daß er ein Politiker von aller- erster Bedeutung ist. Aber trotz dieser Anerkennung, die wir ihm willig zollen, und trotz der Zusammenkunft mit Kaiser Wilhelm in Cronberg, werden wir als Deutsche das Gefühl niemals ganz beschwichtigen können, daß König Eduard gegen uns nur die Allüren des don krtzre «t nmi annimmt, wenn er Deutschland unbedingt nötig braucht. Es ist ja erfreulich, wenn die Monarchen der beiden Reiche, deren Interessen in der Welt eigentlich stets parallel laufen sollten, ihre persönlichen und sach lichen Differenzen durch eine Aussprache abgeschwäckn oder gar beseitigt haben. Aber die englische Presse ist doch aufrichtig oder selbstbewußt genug gewesen, um die Richtung zu verraten, in welcher die englischen Wünsche in diesen letzten Tagen liefen. Man will Aegypten ein für allemal zu einer englischen Provinz machen, wenn man auch die Flagge des Khedive der Form wegen noch über dem Lande des Vizekönigs flattern läßt. Da aber Deutschland bei dieser Neugestaltung der Verhältnisse selbst dem großmächtigen England die ärgerlichsten Wirrungen veranstalten könnte, wenn es nicht auf seine Konsulargerichtsbarkeit, den Gebrauch der deutschen Sprache im amtlichen Verkehr und andere Gerechtsame verzichten will, so ist man in England verzweifelt höflich gegen uns geworden und von der alten Melodei: „Wir haben halt a Feinderl mehr!" augenblicklich abgekommsn. Die nächste Zeit soll nach der Versicherung des englischen Botschafters in Berlin die Grundlinien des Abkommens zeigen, das in Cronberg getroffen wurde. Die gesamte O r i e n t p o l i t i k ist allerdings heute zu einem ziemlich heiklen Ding geworden, und die blutigen Greuel von Anchialos haben nicht dazu beige tragen, das Zutrauen in eine friedliche Entwickelung der Balkanländer zu stärken. Wir haben an einer anderen Stelle die Genesis der bulgarisch-griechischen Differenzen auseinandergeseht, welche in Konstantinopel, hinzukom- mend zu den Schwierigkeiten in der Thronfolge und zu der panislamitischen Agitation, besonders unangenehm in dieser Zeit empfunden werden. Der Sultan Abdul Hamid, der hartnäckig wieder gesund gesagt wird, hat anscheinend den Grund zu neuen Komplikationen dadurch selbst gelegt, daß er seinen Lieblingssohn Burhan Eddin durch Erlaß zum Thronfolger bestimmen will. Das würden natürlich seine Verwandten, die gleichfalls auf die Würde des Großkhans spekulieren, nicht ruhig hinnehmen, und die Mächte am Goldenen Horn hätten willige Prätendenten und Hauptakteure für Palast revolutionen in Hülle und Fülle. Das ist aber stets eine direkte Gefahr für den Frieden Europas, der ohne hin im nahen Osten ziemlich brüchig geworden ist, und man wird es den Großen Europas, welche bei den ewigen Wirren nur verlieren und nichts gewinnen können als blutige Köpfe, kaum verargen, wenn sie ein wachsames Auge für die Zettelungen im Jildiz-Kiosk behalten und unter Umständen ein Wort dareinreden, das nicht in das Programm des kranken Mannes, der noch einen so gesunden Starrsinn zu zeigen vermag, hineinpaßt. Gegen England wird er sich allerdings in Aegypten kaum ernstlich wehren, das Land am Nil ist für die Pforte schon seit den Tagen Ibrahim Paschas dahin. Dafür aber wird die russische Politik von Stambul aus mit sehr mißtrauischen Blicken betrachtet, da man in« Aildiz - KioSk der Ansicht ist, daß Rußland versuchen wird, sich für seine Niederlage im fernen Osten an türkischem Gebiet schadlos zu halten, und der russische Appetit auf Konstantinopel wird ja nie zu beschwichtigen sein. Gegenwärtig glaubt man an russische Absichten auf Türkisch-Armenien. In Nordafrika ist es noch immer Frankreich, das mit feiner Politik den Türken Aergerlichkeiten macht. England hat geschickt durch sein Abkommen mit der I Republik di« Abneiguna und den Haß der Orientalen! auf die Franzosen abgeladen, wie sich überhaupt in der I gesamten islamitischen Welt Nordafrikas ein stiller Haß aufspeichert, dec eines Tages zu einer furchtbaren Explosion führen kann. Auch das vielgerühmte abessinischeAbkommen scheint zu keiner Quelle ungetrübter Freude werden zu dürfen. Der „Temps" meint, das Zustandekommen des Vertrages sei sehr frag lich geworden durch italienische Einwände, Tittoni sei plötzlich eigensinnig geworden. Natürlich steht nach An- sicht des „Temps" und jedes rechtgläubigen Franzosen hinter Tittoni die deutsche Diplomatie, genau, wie in der Djanetaffäre; als ob wir nie etwas anderes zu tun hätten, als den armen Franzosen Fallen und Tellereisen zu stellen. Vor der eigenen Tür zu kehren, wäre den Pariser Politikern von weit größerem Nutzen, denn die Darlegungen des Senators General Langlois im „Temps" über eine belgisch-holländische Entente zeigen so deutlich ihre Spitze gegen uns, daß der Zweck der Uebung zu plump erscheint. Der Segen Englands uird Frankreichs wird den Holländern und Belgiern versprochen, falls sie sich zu einem großen wirtschaftlichen Gemeinwesen zusammentun, und mit warnendem Finger wird auf das üble Deutsche Reich ge deutet, das unfehlbar die kleinen Nachbarn verschlingen werde, falls sie nicht nach dem Rezepte des Herrn Langlois handeln. Daß gerade zwischen Belgien und Holland im Denken dec Völker und im wirtschaftlichen Leben ein tiefer Riß besteht, daß der Belgier Schutzzöllner und der Niederländer Freihändler ist, daß ersterer alles Heil von der Industrie und letzterer nichts von ihr er wartet, daß endlich ein Jahrhunderte alter Haß der Kon fessionen die Nachbarn trennt — das alles verschweigt Herr Langlois. Vielleicht denkt man in Brüssel einmal darüber nach, daß man in Paris schon einmal einen ganz gesunden Appetit auf Belgien hatte, daß England und Japan gewiß nicht zögern würden, wenn sich die Gelegen heit böte, Holländisch-Jndien aufzuteilen, und daß man in Deutschland noch nie irgend etwas getan hat, das nach einen: heftigen Liebeswerben oder Drohung aussah. Die Stimmung Englands gegen uns wird auf allen Gebieten geflissentlich freundlicher gestaltet. Waren es vordem Künstler und Gelehrte, welche die Palmenzweige des Friedens schwangen, so sind es heute englische Offi ziere, die unseren Kämpfern in Südweslafcika den Lorbeer der Anerkennung reichen: „Eine Truppe, die weder Salz, noch Brot, weder Stiefel mvch-Hemden mehr besitzt, eine Truppe, die tagelang nur von geschlachteten Munitionseseln lebt, seit vierzig Stunden keinen Tropfen Wasser mehr hat, und dennoch sich nicht murrend hinwirft, sondern in den: wilden Berggelände unab lässig am Feinde bleibt, eine solche Truppe sollte über den Verdacht erhaben sein, daß sie in ihren Reihen Meuterer habe." Englische Offiziere sprachen an der Grenze mit Herrn v. Quitzow in Romansdrift in tiefer Ergriffenheit: mit ihren Soldaten würden sie niemals solche Leistungen voll bringen können, wie da die Deutschen. Man habe über haupt nicht geglaubt, mit weißen Truppen dort Krieg führen zu können. Am allerwenigsten aber sei man auf ein solches Heldentum der Entsagung, auf eine so eiserne Pflichttreue und Disziplin gefaßt gewesen. Das könne kein Volk den Deutschen nachmachen. Eine Anerkennung unserer tapferen Truppen tut heute umsomehr wohl, als sonst noch immer keine erfreu liche Botschaft vom Sandfelde der kolonialen Politik kommt. Einen Großen scheint aber jetzt die koloniale Welle verschlingen zu wollen, Herrn v. Podbielski. „Viele Hunde sind des Hasen Tod!" soll er gesagt haben: die Tippelskirch-Affäre scheint ihm über Nacht den be kannten Zahn so hohl gemacht zu haben, daß er nicht mehr schmerzlos zu ziehen sein wird. Deutsches KeiA. Leipzig, 20. August. ' Deutsch-dänischer Handelsvertrag. Die Frage des Abschlusses eines deutsch-dänischen Handelsvertrages be schäftigt die dänische Presse recht lebhaft. Von agrarischer Seite in Deutschland ist behauptet worden, Dänemark habe Verhandlungen über einen Handelsvertrag mit dem Deutschen Reiche abgelehnt. Tie gesamte dänische Presse antwortet hierauf, wie der „V. Ztg." geschrieben wird, in fast gleichlautenden Mitteilungen, die offenbar von der dänischen Regierung inspiriert sind. Danach hat die dänische Regierung sich nach dem Inkrafttreten des neuen deutschen Zolltarifes an die deutsche Regierung gewandt und von dieser die Antwort erhalten, sie sei bereit, über einen Vertrag zu verhandeln. Die deutsche Regierung habe aber keine Vorschläge gemacht, und Verhandlungen konnten daher nicht stattfinden. * Die Monarchen-Zusammcnkunft erfährt im „L.-A." von angeblich „ausgezeichnet unterrichteten Stellen" aus folgende Beleuchtung: Wenn ein Teil der englischen Presse in nicht gerade sehr geschickter Art von materiellen Ergebnissen der Entrevue in bezug auf das Bagdadbahn-Projekt und auf ägyptische Angelegenheiten spricht, so haben die be treffenden Blätter die Intentionen des englischen Kabinetts nicht verstanden. Ter Regierung Groß- britanniens ist wohl bekannt, daß das Bagdadbahn- unternchmen ein deutsches ist; sie weiß auch, welcher Art die Chancen sind, die sich der Beteiligung eng lischen Kapitals dabei erschließen. Sie weiß ferner, daß von deutscher Seite eine unnötige Eilfertigkeit in dieser Frage gar nicht beabsichtigt ist. Genau ebenso ausreichend ist Englands Regierung darüber unter richtet, daß betreffend Aegypten Abmachungen von deutscher Seile, und -war seit dem Frühjahr vorigen Jahres bestehen, die zu korrigieren kein Anlaß vor- Uegt. Die Kenntnis dieser Tatsachen hat naturgemäß dazu geführt, daß in Cronberg diese Fragen, die sonderbarerweise in einem Teil der englischen Presse als Clou der Unterhaltungen hingestellt werden, m i l keinem Wort erwähnt w u r d e n. Es handelt sich, nebenbei bemerkt, bei beiden Gegenständen nicht um Fragen aktueller Entscheidung, sondern ruhiger Entwickelung. Darein sollte man, will man ersprieß liche Politik treiben, nicht störend eingreifen. Die Cronberger Entrevue ha: auf ganz anderem Gebiet auch materielle Fortschritte gebracht. * Tie Podbielski - Krisis. Wir wiesen schon Sonntag früh auf den Widerspruch hin, der zwischen der Meldung der „Norddeutschen Allg. Ztg.", Podbielski habe sein Ministerportefeuille zur Verfügung gestellt — und der Erklärung besteht, zu der der Minister noch am Donners tag den „Lokal-Anzeiger" ermächtigte. Der „Lokal-An- zeiger" empfindet diesen Widerspruch denn auch selbst und gibt nun folgende, wiederum recht interessante Dar stellung : Noch im Laufe des Sonnabend, bevor Herrn von Pod bielski der Wortlaut der in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" erschienenen Notiz bekannt war, verbreitete er sich in Gegenwart eines seiner politischen Freunde ebenso srei- mütig wie unmutig über die Angriffe, denen er ausgesetzt fei, und erklärte, daß er nicht daran denke, seine Demission zu nehmen. Jedenfalls habe er nichts Unrechtes getan. Das sei ja wohl auch selbstverständlich. Er glaube aber auch nicht, daß Tippelskirch etwas Unrechtes getan habe. Sollte er aber dauernd auf seinem Landsitz verbleiben, so werde es ihm auch dort sehr gut gefallen. Er brauche nicht einmal erst eine Etage in Berlin zu mieten. Wie ruhig er über die ganze Lage denke, gehe auch schon aus dem Umstande daß er Sonnabend vormittag mit Verwandten und Freunden ins Mecklenburgische auf die Hühnerjagd gegangen sei. Diese Aeußerungen lassen die ganze Angelegenheit aus den ersten Blick noch rätselhafter erscheinen. Nachdem Herr von Podbielski jedoch mittlerweile von der Notiz der „Nvrdd. Allg. Ztg." Kenntnis erhallen hat^a laubt er diesen schein baren Widerspruch in folgender Weise erklären zu können: Er habe tatsächlich bereits vor einiger Zeit, gleich im Beginn der Tippelskirch-Asfäre. ein Schreiben an den Herrn Reichskanzler nach Norderney gerichtet, das etwa mit den Worten schloß: „Er, Herr von Podbelski, sei zu alt, um sich in dieser Weise mit Schmutz bewersen zu lassen. Lieber würbe er vorziehen, aus dem Staatsdienst zu scheiden." Diese Worte wollte der Minister nicht als Einreichung eines Abschiedsgesuches verstanden wissen; wenn er e:n solches beabsichtigt hätte, würde er Lasur den vorgeschriebenen Weg einer Immediateingabe an den Kaiser gewählt haben. Seine Auffassung erscheint indessen nicht unanfechtbar und wurde, wie die Tatsachen beweisen, auch an anderer Stelle Inch' geteilt. Im übrigen bleibt nunmehr die Entscheidung des Kaisers abzuwarten. Das wäre ja politisch höchst pikant, wenn eine von Podbielski nicht als Bitte um Entlassung beabsichtigte Ausführung gegenüber dem Reichskanzler von diesem doch als solche verstanden worden wäre. Und daß das tatsächlich der Fall ist, bewies die Mitteilung der „Nordd. Allg. Ztg.". Die Schlüsse, die sich hieraus ziehen lassen, liegen so nahe, daß sie nicht erst ausgesprochen zu werden brauchen, zumal sich die Vorgänge zu wieder holen scheinen, die schon bei einem früheren Minister wechsel sich abspielten. * Zur Charakteristik des Agraricrtums. Etwas vor eilig — denn noch ist Podbielski nicht verabschiedet worden — bringen eine Reihe von Zeitungen Nachrufe auf den Minister, der zuerst im Reichspostamt, dann im Landwirtschaftsniinisterium einflußreiche Stellungen ein genommen hat. Wir sparen unser Abschiedswort bis zum Scheiden des Ministers auf. Ueber Sterbende ver öffentlichen wir keine Nekrologe. Aber aus dem Nekro log, den entgegen diesem Grundsatz das Hauptagrarier- blatt, die „Deutsche Tageszeitung", dem Minister wid met, sei zur Charakteristik der Politik des Bundes der Landwirte hervorgehoben, daß man dort zwar anerkennt, Podbielski habe „Verständnis" und „Herz" für die Land wirtschaft gehabt, und daß er im „Fleischnotrummel so fest geblieben sei" — aber alsLand Wirtschafts mini st er habe er die Erwartungen doch nicht vollkommen erfüllt, die man hegte! So steht es schwarz auf weiß gedruckt in der „Dtsch. Tages zeitung" zu lesen. Wer nun noch nicht an die Unersätt lichkeit des Agrariertums glaubt, das selbst noch nicht an einer Agrarpolitik Podbielskis Genüge hat, dem ist nicht zu helfen. ' Reichsgesctzliche Regelung des Apothrkerwesens. In Apothekerkreifen entnimmt man aus Verhandlungen, die jüngst in der bayerischen Abgeordnetenkammer über das dortige Apothekerkonzessionswesen stattgofunden haben, daß demnächst mit einer reichsgesetzlichen Rege lung des Apothekerwesens gerechnet werden muß. Die Grundlage, auf der die Neuregelung aufgcbaut wird, soll die Personalkonzession sein. Die Ablösung der gegen wärtig noch vorhandenen Betriebsrechtswerte soll so ge dacht sein, daß die Konzession einer Betricbsabgabe unterworfen wird, deren Erträgnisse zum allmählichen Aufkauf der veräußerlichen Apotheken verwandt werden sollen. In den ausgeschriebenen preußischen Kon zessionen wird der Vorbehalt, die Konzessionen gegebenen- falls einer derartigen Betriebsabgabe zu unterwerfen, schon seit einiger Zeit ständig gemacht. * Steigerung der Fleischpreise. Aus allen Teilen des Reiches laufen Meldungen ein, wonach die Viehpreise während der letzten Märkte uni 5 bis 6 gestiegen sind. Speziell in Süddeutschland macht sich, wie die „Deutsche Fleischer-Zeitung" meldet, ein großer Viehmangel be merkbar, so daß sich Münck>cner Fleischer-Innungen gezwungen sehen, aufs neue bei der Negierung vorstellig zu werden Dementsprechend wurde für den kommen-1 den Dienstag eine Ausschußsitzung einberufen, um die! Fleischpreise den Viehvreisen entsprechend zu erhöhen. I Auch in Berlin und Leipzig sind die Preise uni etwa 8 pro Zentner gestiegen. * Zur „Immunität" der Abgeordneten. Die „Freu Zeitung" berichtet: „In Sachen Götz und Gen. ist der Abg. Kopsch nunmehr am Sonnabend von dem Unter suchungsrichter Landgcrichtsrat Schmidt als Zeuge ver nommen worden. Abg. Kopsch erklärte gleich zu Beginn der Vernehmung in Uebercinstimmung mit den Aus führungen in seinem Schreiben, daß er es ablehnen müsse, Aussagen in Angelegenheiten zu machen, die mit der Ausübung des parlamentarischen Mandats im Zu sammenhang stehen, und zwar unter Berufung auf die verfassungsmäßig geschützte Immunität des Reichstages und seiner Mitglieder. Ferner erklärte er, daß er es auch als einen Vertrauensbruch eines Abgeordneten ansehen würde, wenn er über Material, welches ihm von irgend jemand vertrauensvoll zur Benutzung bei seiner parla mentarischen Tätigkeit gegeben werde, und über dessen Quelle Zeugnis ablege. Er sei bereit, nur insoweit an ihn gestellte Fragen zu beantworten, als dieselben nach seiner Ansicht mit der Immunität der Abgeordneten nicht in Widerspruch stehen, was denn auch geschah." * Kleine politische Nachrichten. Der Reichskanzler soll beabsichtigen, in der ersten Hälfte des September einige Zeit in Hamburg zu verbringen; dabei werde er im Schloß Wohnung nehmen. — Ueber das Verhältnis der Firma Woermann zur Kolonialabteilung stellt die „Zukunft" die Fragen: „Wie ist's mit der Firma Woermann, deren Status der Krieg so wesentlich verbessert hat? Gab es nicht für alle Fälle der Mobilmachung Verträge, die den Nord deutschen Lloyd verpflichteten, Truppen und Material zu bestimmten Preissätzen zu befördern? Weshalb wurde diese VertrazSpflicht nicht länger geltend gemacht?" Auslanck. Oesterreich-Ungarn. * Kaisers Geburtstag. Aus Marienbad wird gemeldet: Bei dem vom König von England veranstalteten Festdiner brachte der Köni^ folgenden Trinkspruch aus: Wir feiern 'heute das Geburtsseft unseres lieben Kaisers; ich erhebe mein Glas auf das Wohl Seiner Majestät des Kaisers Fran- Josef mit dem Wunsche, daß Seine Majestät noch recht viele Jahre in voller Gesundheit regieren möge zum Glücke und Wohle seines großen Reiches. — In Triest gab aus Anlaß des Geburtstages des Kaisers der Statthalter Prinz zu Hohenlohe an Bord des Lloybbampfers „Kleopatra" ein Fest diner, welchem außer den Spitzen der Behörden der Kom mandant des englischen Geschwaders Laimbton beiwohnte. Prinz Hohenlohe betonte in einem Trinkspruch auf den Kaiser, daß die Feier diesmal besonders verherrlicht werde durch die Anwesenheit eines so willkommenen Gastes wie die englische Flotte. Hierdurch werde auch das Freundschafts verhältnis bekräftigt, welches zwischen den Herrschern und den Völkern Englands und Oesterreich-Ungarns bestehe. Bei dem auf den Kaiser ausgobrachten Hoch gaben das öster reichische Stationsschiff und die englischen Kriegsschiffe Salutschüsse ab. England. * Die Regierungskreise sollen von der Entrevue de- friedigt sein. Zur Entrevue in Friedrichshof wird aus Marienbad berichtet: Von unterrichteter Seit« ver- lautet mit Bestimmtheit, daß König Eduard sich zu einer Persönlichkeit seiner Umgebung sehr befriedigt über seine Zusammenkunft mit den: Kaiser Wilhelm geäußert und ganz besonders hervorgehoben habe, daß sie für die Erhal» tung Les Weltfriedens von nicht zu unterschätzender Be deutung sei. König Eduard habe der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß nunmehr zwischen England und Deutschland ein bauerndes freundschaftliches Verhältnis sich entwickeln werde. In gleichem Sinne äußerte sich der englische Premierminister einem Diplomaten gegenüber, und man Hal allen Grund zur Annahme, daß das gegenwärtige liberale Kabinett in England für sich das Haiwtverdienst an dem Zustandekommen der Entrevue in Friedrichshof und der Besserung des Verhältnisses zwischen Deutschland und Eng land in Anspruch nehmen dürfe. Türkei. * Die griechische» Flüchtlinge aus Bulgarien. Ter griechische Dampfer „Mykali" brachte ungefähr 3M griechische Flüchtlinge aus Varna, Burgas und Anchialo nach Stambul. Ein Teil wurde an Land gesetzt, während die übrigen sich nach Griechenland begeben. — Das Qeku- menischc Patriarchal richtete an alle Kirchengemeinden des Erzbistums Konstantinopel ein Zirkularschrelben, in dem ein Requiem für die verbrannien Glaubensbrüder am nächsten Sonntag angesetzt, und alle Gläubigen amgeiorderl werden, für die Toten zu beten, sich aber ruhig zu verhallen. Rußland. * Neue Bluturteile. Das Kronstädter Kriegsgericht ver- urteilte 10 Teilnehmer an dem bewaffneten Ausstand ^um Tode und 122 zu Zwangsarbeit; 15 Angeklagte wurden tret- gesprochen. * Keine Diktatur. Gegenüber den immer wieder von den Zeitungen verzeichneten Gerüchten von der Möglichkeit der Einsetzung einer Militärdiktatur in Rußland erklärt die Petersburger Tclegraphen-Agentur, sie sei ermächtigt worden, diese Gerüchte auf das entschiedenste kür unbegrün det zu erklären. China. ipe. Revolution in China in Sicht. Der bekannte japa nische Schriftsteller Tokutomi, der zurzeit eines der größten japanischen Blätter redigiert, ist von einer ausgedehnten Reise durch das Reich der Mitte zurückgekehrt. Er be hauptet, daß eine ungeheure Gärung durch die Massen des chinesischen Volkes gehe, die sich unfehlbar in Aufständen ernster Natur äußern würde. Er glaubt, daß es zunächst zu Unruhen gegen die Fremdenniederlassungen kommen wird, daß jedoch der Kampf gegen da? Mandarinentum nicht lang aus sich warten lassen wird. Im allgemeinen hat er in allen Volksschichten die Auffassung angetroffen, daß die jetzige hilflose Lage Chinas nur auf die Herrschaft der un- tahl-en und korrupten Burecmkratie surück-ukührea sei.
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