02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.01.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070123025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907012302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907012302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-23
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Slellea-Anzeigen, sowie An- and Verkäufe 20 Pf^ suuurzlelle Anzeigen 80 Ps„ für Juierate von ausivürt» SO Pf. Strklamen 7b Pf, au«wärt- 1 Mark. Beilage, gebühr 4 Mark p. Laufeno rxkl. Postgebühr, chefchäft-anzeigrn an bevorzugter Stelle im Preise rrdvht. Rabatt nach Larii. FürInserate vom Autlandr betonderrr Taris. Anzrtgrn.Aanadme Aug«ft«»»laU 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Anaourrn. tälveditioneu de« In- und Au«Iaade«. Für da« Lrlchrineu au beslimmteu Lagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen. Haupt-Filiale Berlin: LarlDuncker, Herzgl-Bapr^ofbachhaadlg, Lühowstraßr 10 iTelephoa Vl, Nr. 4S0S). Ailial-Srpeditiou: PresSea,Mari«»strL4. Mittwoch 23. Januar 1907. Nr. 23. 1V1. Jahrgang. Var Neueste vom Lage. , (Die nach Schluß der Redaktion eingegangenen Depesche» siedru auf der L. Seite des Hauvtblatte«.) Terndurg in Stuttgart. Der Leiter der Kolonialabteilung, Dernburg, der beute srüb 7 Uhr 20 Minuten von München nach Stuttgart abreiste, iraf dort, wie unS ein Prioal'eiegramm melvet. um '/r12llbr eia. Er wurde am Bahnhof vom preußischen Gesanven, iowie von einigen Herren des Komitees empfangen und stieg im Hotel Marquarvt ab. Er wirv beute nacht nach seinem Vortrag direkt nach Berlin zurückkekren. Russische HadcaSkorpuS-Aktc. Das russische Ministerium des Innern hat im Minister rate einen Gffetzeniwurf eingebracht über die Under letz- lichkeit der Perlon in der Wohnung und die Un verletzlichkeit des Briefwechsels. Als obersten Grund satz stellt der Gesetzentwurf auf, daß eine von der Polizei ohne richterlichen Befehl festgenommene Person innerhalb der ersten 24 Stunden ihrer Verhaftung entweder wieder freigelasfen oder ,vom Untersuchungsrichter vernommen werden muß. Nach Prüfung durch den Ministerrat wird der Gesetz entwurf der Duma vorgelegt werden. — Wenn nicht, wie in England, ein Volk dabinterskeht, das die Einhaltung und Durchführung freiheitlicher Errungenschaften erzwingt, sind die schönsten Gesetze nichts wert. Wir fürchte», daß auch künftig noch manche jahrelang in den Kasematten der Peter- Pauls-Festung schmachreu müssen, die „aus Versehen* ver kästet wurden. Wir möchten ferner auch weiterhin jedem »braten, feinen rulsischen Freunden Staatsgeheimnisse durch die Post zu übermitteln. Morgen kritischer Tag in Spanien. Der „Liberal* kündigte, wie berichtet, für Donnerstag oen Ausdruck einer Ministerkrisis an. Die übrigen Blätter siud weniger pessimistisch und äußern die Hoffnung, daß noch immer eine Verständigung möglich sein Werve. In politischen Kreisen heißt eS jedoch, die jetzige Lage erfordere, daß ein maßgebender Mann die Regierung über nehme. Man spricht ichon von einem Kabinett Weyler. — Das wäre gar nickt übel; denn der von den Hankees verschriene „Bluthund* von Cuba ist politisch durch aus liberal. Daß damals die Madrider Regierung ihren „Kitcheoer* dem Geschrei der ameritanischen Presse, oie ihn fort haben wollte, geopfert har, war eben CubaS und ihr Verhängnis. Sturmflut und Erdbeben. Ueber die Flutwelle in Atjeh wird noch aus Haag berichtet, daß die Hauptinsel Simenlualjvet fast ganz ver schwunden ist. Man glaubt, daß noch mehr als >500 Menschen umgekommen sind. Der Schaden ist fast un ermeßlich. Das ganze Küstengebiet der Insel Sumatra ist überschwemmt. Gleichzeitig mit der Flutwelle wurden mehrere Erdstöße beobachtet. Mr. Swettenham. Die britische Regierung ersuchte den Gouverneur von Jamaika telegraphisch um Mitteilung des Briefwechsels zwischen ihm und dem amerikanischen Acm-ral Davis. Die Antwort steht noch aus. — Auch Staatsiekrctär Root Hal in Ottawa in einer bedeutungsvollen Rede auf den Zwischenfall Swettenhavi angespielt. Es wird bericklel: Der amerika nische Staatssekretär Root nahm als Gast an einer fest lichen Veranstaltung deS Kanavianklubß teil, bei ter auch der Generalgouvrrneur von Kanava Earl of Grey, der Präsi dent des Geheimen Rats Sir Wilfriv Laurier und die meisten Mitglieder des Kabinetts zugegen waren. Staaisselrctär Root unv Präsident Laurier hielten herzliche Reken, in denen sie hervorhoben, daß Blut dicker sei als Wasser. Rool begann seine Ansprache mit der Verlesung eines Telegramms des Gouverneurs von Jamaika Swettenham, in dem dieser für die Hilfe des amerikanischen Geschwaders seinen Dank ausspricht. Root sagte weiter, die Einigkeit der Nationalitäten in Kanada fei von glücklicher Vorbedeutung für die Fortdaner der Entente cor- biale, die zwischen den beiden großen Völkern Europas erreicht sei, die für den Weltfrieden wirkten und zu dem wunderbaren Fortschritt Kanadas beigetragen hätten. Er bade hier große Beispiele jener aufbauenden Kraft wahr genommen, die der Welt des Westens ihre beispiellose Stellung m der Weltgeschichte eiugeräumt habe. D>e große Masse seiner Landsleute blicken aufKanada nicht mit dem Gefühl der Eifersucht, sondern mit dem der Bewunderung, Hoffnung und Befriedigung. Fabrik nirbergebrannt — 3wei Menschen umgrkommcii. Heute früh V»? Uhr ist die an der Göltzsck in Mylau gelegene große drei Stockwerk Hobe Kammgarnweberei von Gebrüder Chevalier bis auf die Umfassungsmauern nieder gebrannt. Ueber 200 Arbeiter sind dadurch brotlos geworden. Der sehr beträchtliche Schaden soll durch Versicherung gedeckt sein. Zu dem Brande der Mechanischen Kammgarnwcberei von Gebr. Chevalier wird ferner gemeldet, daß die Weberinnen Dtllner und Weitz in den Flammen umgckommcn seien. Ein Weber wurde schwer verletzt. Der Schaven soll sich auf eine halbe Million Mark belaufen. politisches. * Berlin uud Gmundeu. Mtt Bezugnahme auf die Mel dung hannoverscher Blätter aus Gmunden, Kaiser Wil helm habe, trotz aller Dementis, dem Herzog von Cumber land kondoliert und dieser habe dem Kaiser in einem längeren Telegramm gedankt, schreibt der „Hann. Cour." auf Grund authentischer Information: Die Nachricht beruht tatsächlich nicht auf Erfindung, sondern nur auf Irrtum eines Gmundener Redakteurs. Kaiser Wilhelm hat nicht dem Herzog von Cumberland, sondern dem Großherzog n nooer Großhe r z o gin von Mecklenburg nach Gmunden kondoliert. Tas längere Danktelegramm an den Kaiser ging daher auch nicht von dem Herzog von Cumbcr- lanb, sondern von dem Großherzog von Mecklenburg aus. * Der jranzösische und der spanische Botjchaster in Berlin haben gestern .m Auswärtigen Amr eine gleichlautende Mit teilung übergeben, worin die baldige Zurückziehung der französischen und spanischen KriegKichttfe^aus den marokka nischen Gewässern angekündigt wttd. Ztaatssekretär von Tschirichki bat die Mitteilung m.c dem Hinzufüger. zur Kenntnis genommen, die deutsche Regierung werde das ihre tun, die Einführung der Polizei zu beschleunigen. * Tie Reichotagswahlen und die Postverwaltung. Die Verkehrsämter sind bereits von den Ober-Pofidirektionen angewiesen worden, dem Nachgeordneten Personal die Aus übung des Wahlrechts bei den bevorstehenden Reichstags- wählen zu ermöglichen. Während der zu dem Zwecke nötigen Dienstbefreiunaen bleiben nach den geltenden Bestimmungen nicht nur die Bamtcn und Unterbeantteu, sondern auch die außerhalb des Bcamtenverhältnisses stehenden Perwnen ohne Ausnahme im unverkürzten Genuß ihres Tienftein- kommens. * Vorläufiges Ergebnis der letzten Viehzählung. Dem Preußischen Statistischen ^andesamte ist cs diesmal gelun gen, Vas vorläufige Ergebnis der außerordentlichen Vieh zählung vom 1. Dezember 1906 schon 14 Tage vor dem An fang Fchvuor fälligen Termine fertig zu stellen. Es wur den ermittelt: Pferde Rinder Schale Schweine 1. Dezember 1906 3 021 087 11630 672 5 426 851 15 334 762 I. Dezember 1904 2 964 408 11156 IW 5 660 529 12 563 899 Tas Ergebnis stellt sich demnach bei allen wer Viekgattun- qen außerordentlich günstig. Namentlich die Zunahme bei den Schweinen ist sehr hoch, deckt aber selbstverständlich bei weitem nicht das Kon'UnrbedürfniS. * Protestanten, Heiden und alles mögliche Gesindel! Die das Zentrum sich auch im Wahlkampf als die allerchrist lichste Partei und als Hort des konfessionellen Friedens auf- spielt, davon fei eine Probe gegeben ans dem im Regierungs bezirk Köln gelegenen Orte Lindlar, wo sich ein „Ober bergischer Volks-Verein" gebildet hatte, dem in einer Ver sammlung der Pfarrer Scholl und ein Pater unter anderem mit folgenden Worten entgegentraten: ' „Volle Gewissensfreiheit!" Katholische Männer und Jünglinge, könnt ihr eine solche Freiheit anerkennen, ohne gleichzeitig eine Gotteslästerung zu begehen? Wenn wir Gewissensfreiheit haben, dann ist alles zu tun er laubt. lZwischenruf des Paters: „So 'n« Sauerei!") Der erwähnte Pater führte unter anderem 'vlgendes aus: „Ich wohne in einer Gegend, wo nicht nur Katholiken, sondern auch Protestanten, Juden, Heiden, Hottentotten und alle? mögliche Gesindel sich befindet. Ter Katholik ist durch sein Gewissen verpflichtet, Zentrum u wählen. Ein Katholik muß zum Zentrum stehen. Und selbst der Kaiser hat seine Hoffnung aus das Zentrum gesetzt." * Der Humor in der Wahlbewegung. Tas Orsiadener Zentrumsorgan fördert angesichts der Wahlagitation der gegnerischen Parteien folgende Stilblüte zutage: „Wir schauen stillvergnügt dem Ringkamps der politi schen Athleten zu, die mit grimmigen Zeberus mienen und wurpiatzendem Gestus die verborbene Blutwurst jbrer ge- kirnlosen Zentrumsschimpserei in ihrem politischen Floh zirkus mit einer Hand stemmen!" * Die Friedenskonferenz. Die „Tribüne" veröffentlicht ein Interview mit dem französischen Minister des Aeußern, Pichon, über die Frage der allgemeinen Abrüstung, dl« au? der nächsten Haager Konferenz zur Beratung kommen wü Der Minister erklärte, daß alle europäischen Regierunzen «dem Abriistungsgedanken sympathisch gegrnüberstche.« müßten, angesichts der ungeheuren Lasten, die auf allen Nationen ruhen. Es sei daher eine praktische Prüfung d:r Fvaae auf der Konferenz zu erwarten. * Teftcrreichisches Abgeordnetenhaus. Nach Annahme der Dringlichkeit des Antrages Stojan auf sofortige Beratung der Konyruaooriagen wird die Debatte begonnen. Im Lause der Debatte erklären Schumcier, Choc und Tichan, es je: nicht Pflicht des Staates, sondern der Kirche, die reich ge nug sei, für die Ausbesserung der Bezüge des Seelsorgeklerus zu lorgen. Ter Kultusminister betont, der Staat, der in die Verhältnisse der Kirche oft in einschneidender Weise ein- greffe, habe dafür die Verpflichtung, für die standesgemäße materielle Lage des Seelsorgekierus einzutreten. Der Mi- noritälsantrag Seitz, der auf dem Standpunkte der Tren nung der Kirche vom Staate stehe, finde in der gegen wärtigen Gesetzgebung eine Begründung. Es entspreche nur der Billigkeit, auch eine Ausbesserung der ungenügenden Be- züge des evangelischen Seehorgeklerus durchzuführen, wofür die Regierung etappenweise im Budget oorzusoraen ent schlossen sei. lBeisall.) Hierauf wird die Verhandlung ab gebrochen und die Weiterberatung aus morgen vertagt. * Polonyi. Im Klub der Kossutbpartei hielt Franz Kossuth an die Mitglieder der Partei eine Aniprache, in der er ft« aufsorderte, an dem Justizminisler Polonyi als einem treuen, bewährten Mitglied? der Partei festzuhalten und den Partei beschluß zu respektieren. — Polonyi scheint Kossulhs böser Engel zu sein. Bezeichnend für die Situation ist. Laß in der gestrigen Adgeordnetenhaussttzun^ — was bisher nie der Fall gewesen war — das Iusuzdudget und das Bud get des Honvedministers ohne jede Debatte im Eilschritt er ledigt wurden. Aus politischen Kreisen wird gemeldet, daß die Berufung Polonyis aus den Grafen Andrassy, wonach dieser vorher von dem Briefwechsel Polonyis mtt der Ba ronin Schönberger-Wallenstein in Wien Kenntnis gehabt habe, die hauptsächlichste Veranlassung zu dem Umschwung der Stimmung gegeben habe. Die genannte Dame hat er wiesenermaßen sowohl in Pest wie in Wien zu den höchsten Kreisen die besten Beziehungen. Interessant ist, daß es den Bemühungen der Aerzte, die ihre Erkrankung für einen Nervenchok erklären, bisher nicht gelang, die Dame außer Gesahr zu bringen. — Ueber die Personalien der in die Polonyi-Assäre verwickelten Baronin Schönberger, welche bereits einen Selb st Mordversuch begangen haben soll, erfahren wir: Sie ist die Tochter eines Weinhändlers in Baja und hieß mit ihrem Mädchennamen Rosa Wallerstein. Ein öffentlicher Funktionär verging sich an ihr, und sie brachte die Affäre in die Ocssentlichkeit, was großen Skan dal berbeiführte. Später trat sie, «ine Frau von seltener Schönheit, in Beziehungen zu namhaften Persönlichkeiten, gelangte zu Reichtum und heiratete schließlich einen Ober leutnant Baron Bela Schönberger, von dem sie indessen seit längerer Zeit getrennt leben soll. Einige Jahre führte sie in Wien ein großes Haus und zählte zu ihren Freunden verschiedene angesehene Persönlichkeiten in Hohen Stellungen und stand in hoher Gun st bei Kaiser Franz Jo» s es. Im Frühjahr 1905 unterhielt sie einen eigenen Renn stall unter dem Namen „Miß Rose", mit dem sie gute Er- tolge erzielte. Nach einer Bester Meldung soll sie selbst gegen den Minister Polonni die polizeiliche Anzeige gemacht haben, daß er ihr das versprochene Honorar für Spionage ,n Wien, Feuilleton. öäit einem Pfennig Frohsinn vertreibt man ein Pfund Sorge. Speiwvvet. Vie ssröhlichkelt ist ein Affekt, welcher des Körpers kAacht ru handeln vermehrt und unterstlltzt; die Traurigkeit ist dagegen eia Affekt, welcher des Körper» öflacht ru handeln mindert oder hemmt; — folglich ist die Fröhlichkeit gerader» gut. - Spinor«. Und ein fröhliches Uerr lebt sm lüngsten. Stmkelpesce. Dem frohen Tag« folgt ein trüber. Doch alles wiegt ruletzt sich auf. ?>«I«n. Stendhalchrsnik. Von Friedrich von Oppeln-Bronikowski (Berlin). Zwei wertvolle Beiträge zur Entstehung der „Geschickte der italienischen Malerei" bringt Paul Ärhelet in der „Revue bleue" (vom 27. Oktober): „Standst»! a-r-il dadie L Xapolöon son stistoire de la keinturo?" und im „Mercure de France" (vom 15. November): „dornmant Stendbrd aarivit son bis toi re de In keirttnre". — Bekanntlich trägt die 2. Auslage dieses Werkes von 1859 die hochherzige Wid mung: „Seiner Majestät, Napoleon dem Großen, Kasier oer Franzosen, gefangen auf St. Helena". Und dieser Widmung folgt ein Bries an den Kaiser, ein Gemisch hoher Bewunde rung und freimütiger Vorwürfe über die Fehler seiner Politik, die seinen Sturz berbcinihrten. Diese Widmung wäre in der Reaktionszeit eine Kühnheit gewesen — tvenn sie gedruckt worden wäre . . . Tatsächlich trägt die 1. Aus lage von 1817 aber eine ganz andere, höchst rätselhafte De- dikation, die selbst ein so gewissenhafter Forscher wie Chuquet aus Napoleon bezogen hat. „Dem größten der lebenden Souveräne, dem gerechten Manne, der im Herzen liberal gewesen wäre, auch wenn die Politik ihm nicht a» iagt hätte, daß dies heute das einzige Regierunasprinzip ist." Auf den -Despoten" Napoleon konnte diese Widmung un möglich aozielen; Arbelet beweist nun unter Zuhilfenahme unveröffentlichter Auszeichnungen Beyles, daß sie, wiewohl absichtlich dunkel fso daß die Zeitgenossen sie nach Belieben auf Napoleon oder auch auf Ludwig XVIN. deuten konnten) auf — den Zaren Alexander s. gemünzt war, den Bezwinger Napoleons! Stendhal hatte kein reine» Gewissen in dieser Hinsicht. Er schrieb in dem Augenblick, wo sein Werk er schien. an Ervzet: „Wenn Du meinst, daß dies« Widmung wirklich niedrig und platt ist, so daß sie Dominique (S. h. ihn selbst) im Jahre 1826 schamrot machen würde, so unterdrücke sie . . . Itorn, prima panarv, deinde pbilo- sopbui-i" ...*) Des Rätsels Schlüssel liegt, wie Arbelet nach weist, darin, daß Stendhal in Geldnot war uno deshalb nichts weniger vor hatte, als Professor in Rußland zu werden (was er schon in einem Briete vom 15. November an Crozet offen ausspricht).**) Zu diesem Zwecke aber be durfte er eines aus ein Buch gestützten Rufes, und diesen Rui glaubte er dadurch zu verbessern, dgß er cs dem Zaren dedi zierte. Ein Begleitschreiben an den Herrscher aller Reußen, das nie zur Absendung gelangt ist, hat Arbelet ebenfalls auf gesundens'), desgleichen einen Brief an Crozet, worin cS rlipv und klar beißt: „Lobhudelei erscheint der angelobten Persönlichkeit nie als platt. Ik 1kc> bi8t:c>r.v i? bsd (nämlih die Geschickte der Malerei), so wird diese Widmung ihr keinen Abbruch tun, ist sie gut, so vergißt der Leser seine schlechte Laune (über die Widmung) nach den 40 Seiten der Einleitung. Und cs ist kür mich ein Mittel kor tba lkn?--i-i... Also arrangiere ich die Vorrede auf d>e schme'chelhaslest: Wc se kor stis nortbc-rn dkassstz" . . . Diese Absicht ist freilich nicht zur Ausführung gelangt. Beyle blieb in Mailand, und als er 1825 eine neue (Titcl-Muflaqe der „Malerei" veranstaltete, wurde diese recht wenig platonische Widmung, die sowohl den Franzosen, wie dem Zaren Alexander Sand in die Augen streuen und vor allem d?m. Autor Ruf und Geld hatte «inbringcn sollen, einfach be seitigt — ohne daß jene Widmung an Napoleon an ihre Stelle trat. Diese erschien erst auf dem Titelblatt der 2. Auslage, lange nach Stendhals und Napoleons Tode; ent standen ist sie dagegen jedenfalls nach Absassu-ng jener „Lobhudelei" und vor Napoleons Tobe (also zwischen 1811 und 1821). — Und wie der Herr so der Knecht. Nicht allein die Widmung, son-dern auch dies ganze erste Buch Stendhals ldie Briese über Haydn und Mozart sind bekanntttch ein Plagiat und Uebersetzung) ist aus einem ganz proiaisck)en Geldbedürfnis entstanden. Diesen traurigen Nachweis er bringt der zweite obengenannte Auffatz. Der erste Gedanke, eine Geschichte per Malerei in Italien zu schreiben, kam ihm in Mailand, nach seinem ersten hastigen Besuche in Nom und Florenz (8 Tage Rom, 2 Tage Florenz, wie ein moderner Ferienreisender) beim Studium von Lau,zis gleichnamigem Werke. Zuerst sollte es weiter nichts jein als sein erstes „Werk", nämlich eine Uebersetzung jenes gelehrten Buches zum bequemen Reisegebrauch für Franzosen. Drei Tage später schreibt er bereits (anscheinend an eine Reben- ticm), er habe die Geschichte der italienischen Malerei in zwei Stunden geschrieben, die aus dreijährigem Studium beruhte (sia!) und die er binnen Jahresfrist veröffentlichen würde. Vorsichtshalber fügt er noch hinzu, daß das Werk von Lamzi ihm „recht nützlich gewesen" sei! Don.» folgt ein selbstvertvßter Reklameartikel mit der Bitte um Aufnahme. *) Souvenir? d eqvtisme, S. 238, Bries an Cvo-zct vom 20. Oktober 1816. **) Ebenda, 311. s-j Bekanntlich hat auch Hein« den Zaren Nikolaus in ähnlicher Wris« in den „Reiseoildern" gepriesen. Kurz darauf beginnt er — nach einem Besuche der Brera (der Gemäldegalerie Mailands) sich ernstlich mit diesem Ge danken zu befassen: er kaust sich für 100 Franken die Werke von Lanzi und Bvisi, sowie den Nenaissance-Kunsthistvr k r Va'ari und in seinem Tagebuch heißt es: „Dieser G.-danke (d. h. seine Nusffihrung) wird eine Zeit losten . . . Aker ich erwerbe dadurch wirkliche Kenntnisse in der Malerei and probable uronez' sukkicient kor a seovnd tour trou b Italz- . . ." Nach Paris zurückgekchrt, nimmt er sich vor, aus dieser Uebersetzung ein Vademeium für eine künfli e Reise zu machen. Auch hoffte er dadurch seine Kenntnis des Italienischen zu verbessern, und beicheidentlich schreibt er auf einen Band eines „Unreinen": „Truduriouo di Vasari. Imnri e Asnx?, per i-orvn-e all (de!) via^i-io d ltdia." Bereits neun Mn-natc danach, als ei zum russischen Feldzug aufbricht, nimmt cr zwölf Bände Kompilation mit, zum Glück nur eine Kopie seines Urinanuikripts, denn sie gi.g.'n auf dem fluchtartigen Rückzüge verloren. Noch der Heim kehr ließ er eine abermalige Abschrift Herstellen, aber ver stimmt, wie er war, ließ er das angefangene Werk bis 18l4 liegen. Erst in Mailand, nach dem völligen Scheitern seiner ehrgeizigem Träume, nimmt er es wieder vor. „kiaz bappiuc-ss kor rne rvitbortt Trarail", schreibt er in einem der Bände: die Arbeit wird sein Trost. Aus dieser Zeit flammen auch die beiden .Hauptteile des Buches, in denen er mehr als Kompilation und Uebersetzung geboten hat. Damit war der Zweck, sich zu belehren und zu beschäftigen, erfüllt Wenn er es 1816 mit großer Hast ffir den Druck fertig machte, so tat er es auf Drängen seines Freundes Crozet, um ferne Verhältnisse aufzubessern und — wie gesagt — seinen Ruf als Professor in Rußland vorzubereiten. Seine Verlegen heit ist dem Buch gegenüber sogar nicht geringer als an gesichts der Widmung, er zeichnet es nicht mit feinem nom de- plume, sondern 8. L. A. A. (wahrscheinlich Ilen-i Ue.vdo, Aneien Auditeur) und bittet seinen Freund Maresie, um seine Autorschcfft „einen immer dichteren Schleier zu ziehen". Ja, er erklärt das Buch als eine niai<er!e und vcr- csieicht es mit einem Papierschiffchen, das ein Kind auf einen Rinnstein aussctzt.*) Und so versucht er diesen Handels artikel auch auf dem Weg schwungvoller Reklame ins Pubtt- kum zu treiben: er stellte eine Liste der Personen aus, an die es verschickt werden soll (270 Exemplar«) — und erlebt ein völliges Fiasko damit. Es wurden nur 89 Exemplare ver kauft und sein Fveumb Crozet muß in feine Börje greifen und 1770 Franken Dnuckkosten berahlen ... So mußte auch die Veröffentlichung weiterer Bände unterbleiben; erff Posthum erschienen noch zwei Studien über Raffael und Andrea del Sarto. DaS war ein äußeres Fiasko, das dem moralischen durchaus ebenbürtig war. Ein literarisches Ge schäft bei einem Manne, der alle Schliche der Literatur zu verschmähen sich brüstete, eine „Lobhudelei" an den Be zwinger Napoleons — und ein- Komplikation, di« er für ein Originalwerk auSgibt, ein Buch, auS zehn Büchern zu- fammenge-sckrieb««, »nd nur zum geringsten Teil aus lebendiger Anschauung der Kunstwerk« hervorgegnngen, e»ne Dvktordiffertation im schlimmsten Sinne — h«i einem Monn«, der stet» so aui die b-uchmochend« „Pedanten" *) Tbd. 264. -herabsah. Daß cr Lanzi uno Bafari benutzt Hot, war schon vorher bekannt (s. die in den Soirees du Ltendlu,'(Nub a-uf- gedeckten Parallelen), daß aber das ganze Buch Komvttatton mit einige» eingestreuten, freilich sehr geistvollen Original beiträgen war, gebt erst aus dieser Untersuchung hervor — nicht zur Freude von Stendhals Bewunderern. Sie erk än 'chlicßlich auch das Zusammengeftoppelte, Lückenhafte die-e» Werkes, das dadurch als wahrer Spiegel feines unsteten ungewissen Lebens in jenen Jahren erscheint. * vil-en-e Tonnst in Leipzig. (Kunst'alon Pietro Del Vecchio.) Erft feit einigen Jahren sine auch die modernen Holländer bei uns heimisch geworden. Männer wie Israels, Mesdag, Maris und Mauve haben »war in Deutschland seit langem Heimatreckit erworben, aber das starke Gros der fungcn bolläuoi'chen Knust hat eigentlich erst in dem Augenblick 0l^' Grenzen des eigenen Lanoes üoerscheciten können, als sick;y die deutsche Kunst der neuesten Zeil definitiv mtt o<e:i malerischen Errungenschaften vcn Junz-Paris auseinano er- gefekl kalte. Das hat seinen tieferen Grund. Einmal kl.hl Holland in der allgemeinen Entwicklung der modernen ^Welt noch immer als ein Eiland für sich im Rahmen d«s üb/riaen Europa, eigentliche >!ulturwerte hat cs seit den "Tagen Rembrandts der großen Außenwelt überhaupt kaurri mey: vermitteln können, andererseits aber ist speziell die rneuze t- lich-e holländische Kunst so durchaus bar jeder revolv'tionären Tendenzen, die ihr Tor und Tür hätten öffnen kchnnen, wi? es in der Tat bei den Impressionisten Frankreichs d«r Fall gewesen, daß schon ein gut Teil eigener Gefchmack.skuitur er forderlich ist, um dieser äußerlich anfpruchslos^ii, innerlich im rein Malerischen jedoch so starken Kunst vsollauf gerecht zu werden. Hollands Kunst des neunzehnten Jahr.Hunderts lutt eigentlich nie die Traditionen der Blütezeit vergessen. Ein Israels ist nicht ohne seinen Lehrmeister Renffbrcmot, Mesdaq nicht ohne van de Velde und Dubbels, I. llNaris kaum ohne Meister wie Hercules Soghers und Mein<dert Hobbema zu denken. Und auch die Jüngsten — nur Wincent van Gogh macht do eine Ausnahme — hängen noch *mit tausend Fasern an der alten Vergangenheit. ES ist qttwiß keine Hilflosig keit, die auS solchem engen Anschluß gya bewährte Vorbilder spricht. Tie alte holländische Kunst «ves siebzehnten Jahr hunderts — nur aus Rembrandt als d-^n einzigen universellen Geist trifft diese Behauptung in gan^ beschränktem Maß« zu — ist echte Heimatkunst durch und Aurch. Sie ist das Pro dukt die-ser eigenartigen, wundervollen Landschaft, ist die Widerspiegelung des alltäglichen ^Lebens und der Ausfluß jenes stark konservativen und im idealen Sinn« ambitions losen Volkes. Und man kann e^ getrost behaupten, wie die Landschaft sich ihr typisches V ild durch d-e Jahrhunderte hindurch erkalten, so bat sich,'der Menschenschlag »m Bei- .auf der Zeiten in Holland nwch kaum wesentlich verändert. L>o ist die nal»c Verwandtschaft der neuen holländischen Malerei mit derieiiigen des ^siebzehnten Jahrhunderts letzten Endes nichts weiter al» eir.te Tatsache, di« in den Verhält nissen selbst ibrr Erklärung ffndet,
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