01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.06.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070628019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907062801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907062801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-28
- Monat1907-06
- Jahr1907
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezuqs-PreiS Anzeigen-PreiS für Leivzia »ud Lorortr Anny aaler« Trüg« und Spediteu« cuS -au» ,«brockt: ÄuS- ,:ade L. nur morgens) oteneljäbrttch 3 mo»atüch t. M., inSaade ck .morgeuS und abends) vierteljährlich 4.50 monatlich t 50 M. Lurch die Pos« uezogru (I mal itglich) inuervalb Deutschlands uud der deutschen Kolonien vierteljährlich 3 M, niouatlich 1 M. auSschl. Postbestellgeld, für Oesterreich-Ungar» vierteljährlich 5 L 45 d. Äbonuemeot-Auuah»«: dlugustuSplaK 8. bet unseren Träger». Filiale», Spediteuren und Auuahiuestell«, sowie Postämtern und Briefträger». Die einzelne Nummer tostet LV Pf». Redaktion und Expedition: IohmwiSgast« 8. Teleph. Sir. 14632. Rr. 14693, Nr. 14694. Berliner Nedattions--Vurean: Berlin bstV. 7, Prinz O'ouiS Ferdinand- Straße 1. Telephon 1. Nr. 9275. Morgen-Ausgabe 8. MpMer TagMait Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Rolizeiamtes der Stadt Leipzig. für Inserate aus Leipzig u. Umgebung die 6gespaltene Petitzeile 25 Pf, stnanzieüe An- zeigen 30 Pj, Sieklamen 75Pj.; vou auswärts 30 Pf.. Reklamen 1 M.; vom Ausland 50 Pf., sinanz Anzeigen75 Pf, Reklamen 1.50 M. Inserate v-Behörüen im amtlichen Teil 40Pj. Beilagegebühr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. Geschäftsanzrigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarn Fefterteilte Aufträge können nicht zurück- gezogen werben. Für baS Ericheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: AugustuSplatz 8, bet sämtlichen Filialen u. allen Annoucen- Expeditiouen des In- und Auslandes. Haapt-Filiale Berlin. CarlDuncker.tzerzgl.Bayr.Hosbuchhandlg.. Lützowstraste 10 (Tel. Vl. 4603!. Nr. 177. Freitag 28. Juni 1907. 101. Jahrgang. Vas Aicbtigste vom Oagr. Köniz Friedrich August setzte gestern seine Reise im Erzgebirge vom Fichtelberg aus fort und kehrte abends gegen 7 Uhr nach Wachwitz zurück. (S. d. des. Art.) * Anfang Juli werden neue Verhandlungen mit den süddeutschen Regierungen in Baden-Baden wegen der Schifsahrtsabgaben statlfiuden. * Im Petersprozeß kam es gestern bei der Ver nehmung des Abg. Bebel zu erregten Auftritten. (S. GerichtSsaal.) * Prinzregent Luitpold ernannte Mottl zum Königlich bayrischen Hosoperndirektor uud übertrug ihm damit die gesamte Leitung der Münchner Hofoper auf künst lerischem Gebiet. * Ministerpräsident Frhr v. Beck bekannte sich in einer ReichSratSrede als warmherzigen Anhänger einer Sozialreform, ('s. AuSl.) * Das französische Unterseeboot „Siräne" erlitt im Hasen von Cherbourg bei einem Zusammenstoß mit dem Panzerschiff »Henri IV schwere Beschädigungen. * Die Pforte hat die Erhebung des erhöhten Ein- fuhrzolles von 11 v. H. infolge Protestes der Botschafter bis auf weiteres sistiert. * Gestern begann das vom Leipziger Sportklub veranstaltete zehnte internationale Lawn- Tennis-Turnier. (S. Sport.) * In dem gestern abend ftattgefundenen Stich kämpf zwischen Heinrich Eberle und Antonitzsch siegte Eberle in zusammen 57 Min. 55 Sek. (S. Letzte Lok.- Nachr.) „Inferiorität" unä „Parität". Eine der gangbarsten, wenn auch abgegriffensten Münzen aus der Münze des politischen Katholizis mus, die ruhelos wie der ewige Jude durch die deutschen Parlamente und die Spalten der Zentrumspressc wandert, laust bekanntlich unter dem Namen der Paritätsklage. Die Anstellungsverhältuissc sämtlicher Staats- und Gemeinde beamten, vom Nachtwächter und Polizcidiener bis zum Minister hinauf, werden dabei einer rein konfessionellen Betrachtungsweise unterworfen. ÜZon den Behörden wird verlangt, daß sic die Auswahl nicht so sehr nach den Fähig- keiten und der Bildungsstufe der Anwärter treffen als nach dem Gesichtspunkt einer überall herzustellcndcn mecha nischen Gleichstellung der Konfessionen. Es hat ja denn auch eine Zeit gegeben, und sie liegt noch gar nicht weit zurück, daß der Staat diesem ultramontanen Paritäts geschrei beunruhigend große Konzessionen gemacht hat, der art, daß mit Recht die Rede aufkam, das katholische Tauf zeugnis verbürge am besten eine gute Laufbahn. Abgescl-en aber von dieser Periode hat sich der Staat im ganzen red lich bemüht, die verfassungsmäßige Gleichberechtigung der Glaubensbekenntnisse nach den Grundsätzen ausglcichender Gerechtigkeit und unabl-ängig vom Glaubensbekenntnis zu wahren. Wenn cs dann trotzdem kommt, daß die Pro testanten zu einem weit größeren Prozentsatz, als der Be- völkerungsziffcr entspricht, im staatlichen oder öffentlichen Gemeindedicnst Verwendung finden, die Katholiken aber unter dem Prozentsatz bleiben, der nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkcrung auf sic kommt, so liegt die Schuld nicht an einem Uebelwollcn der die Stellen besetzenden Obcrbehörden, sondern, wie längst statistisch nachgcwicscn ist, an dem geringeren Angebot von katholischen Anwärtern und an der geringeren Anteilnahme der Katholiken überhaupt am geistigen und wirtschaftlichen Wettkampf der Nation. Von diesen „Tatsachen" nun end lich auch für die katholische Welt den Schleier weggczogcn zu haben, ist das Verdienst eines Artikels, der unter der Spitzmarkc „Die Katholiken im Kultur- und Wirtschafts leben der Gegenwart" in der Nr. 510 der „Köln. Nolksztg." 114. Juni) nachgclescn werden kann. Dort beantwortet Dr. Hans Rost sAugSburg) die beiden entscheidenden Fragen, wie es mit dem Reichtum der Katholiken steht und in welcher Weis« sic sich am Studium beteiligen, in einer gründlichen statistischen Aufmachung. Er kommt in bezug auf den ersten Punkt zu dem Resultat, daß die Katholiken von den drei Konfessionsgruppeu neben den Protestanten und Juden der ärmste Vvlksteil sind. Im ganzen Groß herzogtum Baden fallen z. B. im Jahre 1905 auf den Kopf des Protestanten 11982 .< Kapital, auf den Kopf des Ka- tholiken nur 477,2 ^l. Einen Anhaltspunkt für die Erkenntnis des höheren Reichtums einzelner Konfessionen bilden neben den steuerlichen Nachweisungen die Sparkassenbücher, die 'n ihrer Häufigkeit einen Beweis besserer Einkommensver hältnisse und von Spürsinn darstellen. So entfallen in den preußischen Regierungsbezirken Sparkassenbücher aus 100 Einwohner in Aachen 26,2, Oppeln 10,3, Münster 20,7, Köln 21,4, Trier 102, Posen 10,6, Koblenz 12.9, Bromberg 10,1, Düsseldorf 22,1, Marienwerder 10,7, Osnabrück 28,4, Danzig 16,1. Diese Bezirke haben all eine überwiegend katholische Bevölkerung. In den fol genden überwiegend protestantischen Bezirken ist die Volkssparsamkcit viel größer. Die gleichen Zohlen lauten in Breslau 27,2, Wiesbaden 27,0, Erfurt 33,9, Königs berg 13,4. Liegnitz 44,2, Kassel 24,1, Hildesheim 37,6, Berlin 37,3. Hannover 37,9, Potsdam 26,3, Magdeburg 38,6, Frankfurt 38,2, Merseburg 43,1. Lüneburg 35,9, Stade 30,1, Köslin 24,5, Stralsund 272, Stettin 25,1, Schleswig 33,9, Gumbinnen 6,6. Dr. Rost führt dann aus, daß „eine Folge des ge-l ringeren Reichtum« die ost aufqerollte -Frage der soac-I nannten Inferiorität der Katholiken im Wirt'chaitsbetriede sei". Er spricht offen von einem „Biloungsdesizst der Ka- thoSLen jm mittleren Studmm (Gymnasien, Real- Dem Bevölkerungsanteil der Konfessionen ent- sprechend waren die Katholiken in Preußen Ostern 1905 im Vergleich mit den protestantischen Abiturienten an den Gymnasien um 21 Studierende zu viel, an den Realgymnasien um 294 zu wenig, an den Oberreal schulen um 183 zu wenig, im ganzen um 456 Studierende zu wenig beteiligt. In Elsaß-Lothringen waren die Katholiken von 1890—1900 an den Reifeprüfungen um 31,4 Prozent zu gering, die Protestanten um 26,5 Pro zent, die Juden um 5,3 Prozent zu stark, im Vergleich zu ihrer Volkszahl vertreten. In Baden zeigen die Ka tholiken an den Mittelschulen eine um 19 Prozent zu schwache, di« Protestanten eine um 8H Prozent zu starke Beteiligung. In Bayern sind die Katholiken cm den Gymnasien am stärksten vertreten, wo sie ihrer Bevölkerungsziffcr so gut wie gleich kommen. Den wissenschaftlichen Laien berufen gehen aber viele Kräfte durch das Studium der Theologie verloren, indem z. B. im Jahre 1905 die Zahl der Theologiestudierenden der katholischen Miturienten 28,99 Prozent betrug. Hervorstechend ist das Ueber- gewicht der Protestanten und Israeliten an den Real- gymnasien, ferner an den Progymnasien und Latein schulen. — Und so fort! Damit ist von einwandssreier katholischer Seite ziffernmäßig bewiesen, daß die katholische Bevölkerung im voraus bei den Bewerbungen um öffentliche Aemter ein an Zahl weit geringeres Anwärtermaterial aufbringt als dis protestantische. Den Staat kann keine Schuld treffen, wenn er sich gezwungen sieht, diesen Tatsachen Rechnung zu tragen. Wer nun aber meint, Dr. Hans Rost und mit ihm die „Kölnische Volkszeitung" zöge denselben logischen Schluß, der kennt die aalglatte Geschmeidigkeit nicht, mit der sich die Zentrumspublizistik an unbequemen 'Dingen vorbei drückt. Der Hauptgrund für die zugegcbene und statistisch belegte Inferiorität der Katholiken" soll nach wie vor in den „antikatholischen Tendenzen" zu suchen sein, die in Preußen und Bayern (!) im Laufe des verflossenen Jahr hunderts bis auf den heutigen Tag geherrscht haben. Mit anderen Worten, weil der Staat keine künstliche Korrektur an den wirklichen Verhältnissen vornimmt und sich nicht entschließen kann, die protestantischen Anwärter ihrer Kon fession wegen gegen die Katholiken zurückzusetzen und letztere offen zu bevorzugen, im schärfsten Widerspruch mit der Verfassung, darum trägt er in erster Linie die Ver antwortung für die geringere Anteilnahme der Katholiken am Studium. Dr. Rost schreibt wörtlich: „Erst das Ein treten der Zentrumspressc habe dem Geist der antikatho lischen Tendenzen in den maßgebenden Kreisen einiger maßen den Riegel vorgeschoben." Wie anders malt sich doch in diesem Kopf die Welt? Nur ganz zaghaft wagt er zur Erklärung der von ihm nachgewiescnen „sogenannten Inferiorität der Katholiken" auch die „katholische Welt anschauung", das religiöse Moment, heranzuziehen. Er gibt zu, das? das katholische Volk den „Wert von Wissen schaft und Reichtum für die Kultur unterschätzt". Wenn der katholische Bauer oder Handwerker seinen Sohn zum Studium schickt, so geschieht dies im wesent lichen im Hinblick auf den geistlichen Stand. Der Katholik verlegt den Schwerpunkt des Lebens mehr ins Jenseits als ins Diesseits. Darum hat dos katholische Volk auch einen bedeutend größeren Anteil an den Kul- tusstiftungen, als an den Wohlfahrtsftiftungen, welche mehr Diesseitszwecke verfolgen. Obwohl die Katholiken in Preußen (1889 bis 1898) nur 34 Prozent der Gesamt bevölkerung ausmachen, haben sic in diesem Zeitraum etwa 8P Millionen Mark für Kultuszwecke mehr ausge bracht, als die 64 Prozent Protestanten in Preußen. Dann aber erklärt er, daß diese „Opferwilligkeit für die tote Hand" doch nur wieder ,^um allcrgcringfügigsten Teil" das wirtschaftliche und wissenschaftliche Streben der Katholiken hemme und unterbinde. Wir könnten eine ganze Reihe namhafter katholischer Gelehrter und Partei männer anfübren, wie Dr. Schell, Kardinal Manning, Freiherr von Hertling u. a., die dem Gesamtproblem denn doch tiefer auf den Grund gekommen sind und die katho lische Weltanschauung mit ihrer Unterschätzung des wissen schaftlichen Fortschritts nicht bloß so nebenbei für die „Inferiorität" der Katholiken verantwortlich gemacht haben. Und wem dos noch nicht genügt, Der mag die Annalen der Klöster durchblättern. Das alte Lied von der Kirche gutem Magen klingt darin bis heute fort. Manch' schönes Stück ländlichen Wohlstands liegt in den Kassen der Klöster vergraben, manch' bäuerliches Gut ist der toten Hand zutcftiert worden: die „Katholiken" wurden arm und die Klöster — reich, wenn man's auch auf Seiten der Ultramontanen nicht wahr haben will. Vie freisinnige vsllrrpanei «na Sie sächsischen canaiagsivablen. Für die kommenden sächsischen Landtagswahlen handelt es sich um die eine große Entscheidung: konservativ oder liberal. Daraus ergibt sich ganz von selbst, daß die drei liberalen Parteien, die wir in Sachsen haben: die nationallibcrale, die Freisinnige Volkspartci und die Frei sinnige Vereinigung, die Front ihrer Kampfesreihe nicht von vornherein gegeneinander nehmen dürfen, vielmehr Be- rübrung miteinander suchen sollten; dort aber, wo cs zu einer Einigung zwischen ihr nicht kommen will, im Wahlkampf immer bedenken müssen, daß, weil ihr gemeinsames Ziel die Ucbcrwindung der konservativen Mehrheit im Landtag zu sein hat, eine gegenseitige Bekämpfung der liberalen Parteien auch ans das äußerste Maß einznschränken ist. Es ist darum erfreulich, daß der Wahlaufruf der Freisinnigen Volkspartei, der soeben erschienen ist, ganz ausdrücklich die Konservativen als die Gegner bezeichnet, deren Macht gebrochen werden muß. In diesem Zusammenhang wird dann auch treffend auf die besondere Gefahr hingewicstn, die ein weiteres lieber- gewicht der Konservativen für eine Wahlrechtsänderung be deuten würde. Es beißt da: „Wollte doch die Mehrheit der Konservativen ain 28. April 1904 auch noch die geheime Ab stimmung beseitigen. Durch die Ocfsentlichkest der Ab stimmung wollte sie die Beamten, Lebrer, Gcwerbtreibenden uiw. völlig unter ihr Joch zwingen. Wenn ein solcher Plan gelingt, dann ist es bei der Wahl nur noch wen,gen möglich, ohne schwer« Schädigung ihrer Ueberzeugung Ausdruck zu verleihen, Heuchelei und Strebertum würden geradezu ge züchtet werden. Demgegenüber tritt die Freisinnige Volks partei ein für das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht, zum mindesten aber für die Rückkehr zum 1868er Wahlrecht, unter Einführung von Stichwahlen und Sicherung der Wahlfreihcit; auch verlangt sie eine gerechtere Einteilung der Wahlkreise unter Fortfall des Unterschiedes -wischen Stadt und Land, Vollziehung der Wahlen am Sonntag; sie ist für Beseitigung der Ersten Kammer, mindestens aber, so lange sie fortbesteht, für eine zeitgemäße Reform der Ersten Kammer, und zwar in der Weise, daß in derselben neben der Landwirtschaft auch eine ihrer Bedeutung und der Ge rechtigkeit entsprechende Vertretung der anderen Berufe ein geführt werde." Die an den Konservativen geübte Kritik unterschreiben wir Wort für Wort. Eine Wahlreform, die nicht unter liberalen Forderungen steht, wird von konservativer Seite aus immer in dem am 28. April 1904 geäußerten Sinn versucht werden, d. h. in einer noch weiteren Verschlechterung unseres schon unerträglichen Wahlgesetzes. Zeigen sich die Konservativen jetzt vielfach anders, als in jenem Bekenntnis vom Jahre 1904, so ist das ausschließlich Frucht liberaler Einflüsse in Verbindung mit der durch die Wahlrechtsänderung von ^896 herooraerusenen Verbitterung im Volk. Hält nun die Freisinnige Volkspartei dem fetzigen Wahl recht als erstrebenswertes Ziel die Einführung des Reichs tagswahlrechts als sächsisches Landtaoswahlrecht entgegen, io darf sie dabei auch der Zustimmung jedes wirklich liberalen Mannes gewiß sein, der einer der beiden anderen liberalen Parteien angchört. Eine andere Frage aber ist es nur, ob Aussicht vorhanden ist, Regierung und Erste Kammer zu einer derartigen Umwälzung des Wahlrechts zu bringen und ob unsere derzeitigen politischen Verhältnisse in Sachsen dies möglich machen, ohne daß wir Gefahr laufen, aus der Scylla der gegenwärtigen konservativen Landtagsmchrheit in die Eharvbdis einer sozialdemokratischen Maiorität zu geraten, d. b. eine Klassenherrschaft mit der anderen zu vertauschen. Ließen sich die beiden ersten Bedenken noch überwinden, indem man e-3 auf einen Kampf ankommen lassen will, so bleibt das dritte in ernstlicher Weste bestehen. Wir werden darauf noch in anderem Zusammenhang zurückkommen. Der praktisch gegebene Weg zur Klärung über die Wahlrechtsreform scheint uns einstweilen immer noch, den Regierungsentwurf abzu warten, ibn von liberalem Standpunkt aus zu prüfen und an ibm eventuell die Abänderungsvorschläge zu machen, die sich von diesem Standpunkt ans ergeben, um uns wieder ein Wahlrecht ^u verschallen, das von den Schlacken der 1896er Wahlrechtsänderung befreit ist. Im übrigen berühren sich die PrPvwmmfvrderungen der Freisinnigen Volkspartei in weitaus oen meisten Punkten mit denen der nationalliberalen Partei. Die Differenzen, die hier »nd dort vorhanden sind, z. B. in der Stellung zur Be triebsgemeinschaft der deutschen Eisenbabnen, brauchen nicht zu einem Bruderkampf zweier liberaler Parteien miteinander führen, dessen Früchte frohlockend Konservative oder Anti- semiten Heimtragen. Wir lassen zur Orientierung diese Forderungen des freisinnigen Wahlaufrufs folgen: „Bezüglich der zu erwartenden Gemei n'd'e -Steuer reform fordert die Freisinige Volkspartci Wahrung der Selbständigkeit der Gemeinden. Keine Condersteuern. keine Stenern, die geeignet sind, einseitig Handel und Gewerbe, die durch die neuen Reichssteuern sowieso überstark belastet und belästigt worden sind, noch weiter zu bedrucken. Die Frei sinnige Volkspartei fordert einjährige Finanz perioden, jährliche Steuerbewilligung. Nach den jetzigen Veriassungsbestimmungen tritt der Landtag aller zwei Jahre zusammen und verabschiedet den Staatshaushaltsetat für die dem Zusammentritt folgenden zwei Kalenderjahre. Ein solcher Zu stand ist bei den gesteigerten Staatsbedürs- nissen nicht mehr zeitgemäß; es liegt im allgemeinen Interesse, diese längst veraltete Verfassungsbestimmung zu beseitigen. Die außerordentliche Steigerung der Preise aller Lebens mittel und sonstigen Produkte hat es mit sich gebracht, daß die Kaufkraft des Geldes wesentlich gesunken ist, eine Tat sache, unter der die minderbemittelten Bevölkerungs klassen, insbesondere hart die Beamten- und Lehrerschaft, die Arbeiter und kleineren Gewerbetreibenden zu leiden haben. Es ist eine Forderung der ausglcichendcn Gerechtigkeit, daß der Staat hier helfend eingreift und möglichst bald die in Aussicht genommene Erhöhung der Gehälter ins Werk setzt. Die Freisinnige Volkspartci fordert im Interesse von Handwerk und Gewerbe Verbesserung und zweckmäßigere Gestaltung des Submissionswesens, Einschrän kung der Militärwerkstättten; Beseitigung der durch die Ge- fäuqnisarbeit dem freien Gewerbe entstehenden Schäden, den weiteren Ausbau und die Hebung der Fachschulen, Aus bildung von Handwerksmeistern zu praktischen Lehrern für Fortbildunos- rind Fachschulen. Fortbildung der Meister und Gesellen durch Veranstaltung von Ausstellungen kleingewcrb- licher Motoren, Maschinen und Werkzeuge, durch Vorführung bewährter Arbeitsmethoden und technischer Fortschritte des Kleingewerbes in Lehrkursen, Vermehrung und weiteren Aus bau der Mcisterkursc, Erleichterung de-5 Besuches dieser Kurse durch Gewährung von Stipendien usw. Von grundlegender Bedeutung für das Wohl und den Fortschritt des gesamten Volkes ist ein gutes Scbulwcscn. War das Königreich Sachsen anfangs der siebziger Jabre des vorigen Jahrhunderts, namentlich durch den Einfluß des Liberalismus, vorbildlich auf diesem Gebiete geworden, so steht heute fest, daß unser Vaterland zurzeit von anderen Staaten überholt worden ist. Am auffälligsten zeigt sich das auf dem Gebiete des Volksschulwesens. Hier ist dringend eine Reform der Lehrerbildung nötig. Die Wünsche, die aus Fachkreisen aus modernem Geiste heraus hervorgcqanyen sind, verdienen die ernsthafteste Be rücksichtigung der Regierung und des Landtages. Auch dierechtliche Stellung der Lehrerschaft muß von manchem Zopf alter patriarchalischer Zeit befreit und daS Verlangen der Lehrer nach fachmännischer Aufsicht und Beseitigung der geistlichen Ortsschulaufsicht, sowie eine Re form des Disziplinargcsetzes in freiheitlichem Sinne im Interesse einer gestindcn Entwicklung unseres Volksschul wesens mit allem Nachdruck unterstützt werden. Gegenüber den ans eine Betriebsgemein, schaftderdcntschen Eisenbahnen unter Preußens Leitung abzielcnden Bestrebungen hält die Freisinnige Volks partei an der Selbständigkeit der sächsischen Eisenbabnen fest. Die Freisinnige Volkspartei ist der Ueberzeugung, daß nur dadurch eine weitere wirtschaftliche Erschließung unseres Lande?- durch Eilenbahlibanten und die Erfüllung berechtigter Eiienbabuwüniche in zweckdienlicher Weist am beste'' gewähr leistet werden. Die Freisinnige Volksportei erstrebt im Interesse des Verkehrs und der Allgemeinheit eine Verbilli gung der Personen, und Gütertarif« «nd sie tritt ein für ein« Bctriebsmittelgemeinschaft, wenn dadurch eine Vereinfachung und Hebung des Verkehrs auf unseren Eisenbahnen ermög- licht werden kann. Die Freisinnige Volkspartei hätt im Interesse der gesamten Bevölkerung Sachsens den A usba n des Wasserstraßen netzes durch den Bau leistungs fähiger Kanäle innerhalb Sachsens für dringend notwend!« und wird für eine gesunde Verkehrspolitik auch nach dieser Richtung bin cintretcn. Im Interesse der Erhaltung unserer i n d u st r i c l l c u und gewerblichen Leistungsfähigkeit bekämpft die Freisinnige Volkspartei die unter anderem auch von dein Vorsitzenden der sächsischen Mittelstandsvereinigung emp fohlene Einführung von Schiffahrtsabgaben auf der Elbe. Gerade die Interessen des gewerblichen und bäuer lichen Mittelstandes erfordern die Beibehaltung der Schiss- fabrtsabgabensreiheit. Die Freisinnige Volksvartei ist für die Sicherung unt Verallgemeinerung der Koalitionsfreiheit, sonst, für alle Einrichtungen, welche dem friedlichen Aus- gleich der zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor kommenden Interessengegensätzen dienen. Die Freisinnige Volkspartei tritt ein für den Schutz der freien Meinungsäußerung in Wort und Schrift, für die Gleichheit vor dem Gesetz ohne Ansehen des Standes, der Person und des Glaubens. Keine Bevor zugungen im öffentlichen Dienste. d!nr ans freiheitlicher Grundlage kann sich ein Staatswesen gedeihlich entwickeln: nur ein freies Volt wird seine wirtschaftlichen Angelegenheiten aufs beite ordnen. Dorum erstreben wir ein freies, selbstbewußtes Bürgertum, das auf Grund seiner Erfahrungen und Kenntnisse mit- arbeitet an der Leitung seiner Geschicke. Der Bürger muß wieder zu dem Einfluß gelangen, der ibm auf Grund seiner Bedeutung für das Staatslcben gebührt." csnaeslmnaiicde ssrrcvungen aes siolonialamies. Im Laufe dieser Woche werden die Herren Dr. Fritz Jäger und Eduard Oehler von ihrer . geogra phischen Forschungsreise heimkehren, die sie im Auftrag der vom Reichskolonialamr eingesetzten „Kommission für die landeskundliche Erforschung der Schutzgebiete" in unserem ostafrikanischen Schutzgebiet ausgeführt haben. Die unter Leitung des Herrn Dr. Fritz Jäger stehende Expedition war im Mai 1906 von Tcmtschland ausgebrochen und hat innerhalb eines Jahres die zwischen dem Kili mandscharo und Viktoriasee sich erstreckenden Landstriche durchforscht die eine Fülle höchst interessanter geologischer, klimatologischer, pflanzen- und ticrgeographstcher, sowie ethnographischer Probleme bergen und als Durchgangs» aebiet einer von der deutschen Küste zum Viktoria:»« führenden kürzesten Eisenbahn einmal von großer Bedeu tung für unsere Kvlonialwirtschaft werden können. Daß Herr Jäger als Geograph von Fach das Land auch karto graphisch ausgenommen hat, versteht sich von selbst; ebenso, daß von beiden Herren geologische, botanische, ethno graphische und andere naturwissenschaftliche Sammlungen angelegt worden sind. Soweit die bisher von Herrn Dr. Jäger cingesandten Berichte, die regelmäßig in den von Freihcrrn von Danckel- man herausgegebencn amtlichen „Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten" vcrösscntlicht worden , sind, er kennen lassen, hat die Expedition ihre wissenschaftlichen Zwecke durchaus erfüllt. Ausführliche Mitteilungen sind bald nach der Heimkehr der Reisenden zu erwarten. Wie bekannt, war gleichzeitig mit der Dr. Jägerschen Expedition Herr Dr. Karl Weule, Universitäts professor in Leipzig und Direktor des dortigen städtischen Museums für Völkerkunde, zu einer speziell ethnologischen Forschungsreise nach dem Endosten Deutsch-Ostafrikas ausgebrochen: und wie ebenfalls bekannt, ist dieser ausgc- zeichnete Ethnolog Ende Januar 1907 mit einer außer- ordentlich reichen und interessanten ethnographischen Sammlung und mit zahlreichen Auszeichnungen über den geistigen und materiellen Besitz der Völker am unteren Novuuia und auf den benachbarten Hochplateaus, sowie mit einer großen Menge wvhlgelungener photographischer, kinematoqrapbischcr und phonographischcr Ausnahmen nack Deutschland zurückgckebrt.. Ein die Hauptergebnisse zu- sammenfasscnoer Reisebericht Professor WculcS wird eines der nächsten Hefte von Danckelmans „Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten" füllen, während die eibno- graphischen Sammlungen zum größten Teil im Berliner Museum für Völkerkunde Aufstellung finden werden. Ist durch diese beiden Expeditionen des Etais- jahres 1906/1907 die geographische und ethnographische Erforschung unseres ostafrikanischen Schutzgebietes be deutend gefördert worden, so werden zwei weitere Expe ditionen, die für Las Jahr 19(77/1908 bereits von der Landeskundlichen Kommission des Kolvnialamtcs vor bereitet sind, sich einesteils nach Kamerun, andernteils nacy dem Bismarck-Archipel wenden. Die Kamerun - Expedition wird geführt von Herrn Professor Dr. Kurt Hassert, der vormals als Pro- scssor der Geographie an der Universität Tübingen wirkte, letzt in gleicher Eigenschaft an der Handelshochschule in Köln tätig ist und eine vielseitige europäische und außer- europäische Reisecrsahrunq besitzt Er wird begleitet von Herrn Professor Dr. Thorbccke, dem Mitherausgeber der Hettnerschen „Geographischen Zeitschrift". Die Haupt aufgabe dieser Expedition ist die gründliche landeskundliche Erforschung des Kamerun-Gebirges, von dem wir merk würdigerweise immer noch keine wissenschaftliche Gesamt darstellung und keine vollständige Karte haben, obwohl cS in der Nähe des Meeres liegt und auf seiner Südseite die ausgedehntesten und blühendsten Plantagen deS ganzen Schutzgebietes trägt. Im Aschluß an daS Kamerun-Gebirge hat dann die Erpedition das große Gebiet des „w c st a fr i ka n i s ch c n Grabens" und seiner Nachbarschaft zu untersuchen, das als größte tektonische Störunaszonc Westoirikas nament lich in geophysischer und vulkanologischer Beziehung die interessantesten Ausschlüsse envartcn läßt. Die Expedition soll in dieser Richtung so weit Vordringen, wie es ihr inner halb eines Jabrcs bei sachgemäßer geologischer, klimato logischer, pflanzen- und ti«rgeograpbiichcr, ethnographischer und wirtschaftlicher Erkundung mög'ich ist. und überdies ihre besondere Aufmerksamkeit der Erforschung des namcnt- lich ctbnograpbisch bedeutungsvollen Gebietes zwischen Gaschaka, Bamum und Banno widmen. Der Ausbruch der Expedition von Deutschland wird Eud^ August statlnnde- Mit Herrn Kartographen Mar Moiiel. dem bekannten Mitbcarbciter des „Großen Deutschen Kolonialatlas", der ungefähr zur selben Zeit zu speziell topographische» Zwecke« »ach de« nordwestlich«, Kamern« «rforech«, wird, und
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht