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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.07.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070719011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907071901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907071901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-19
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Morgen-Ausgabe b. DezugS-Prei» Anzeigen Preis aWgerIMdlM und Handelszeitung Amtsblatt des Rates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig Nr. 188 Freitag 19. Juli 1907 181. Jahrgang Haupt Filiale Berlin Carl Dunck: . H^rzogi. Baqr. Hosbuch. Handlung, Lützowstrabc 10. (Telephon VI, Nr. 4603). für Leipzig und Vororte durch unsere Träger und Spediteure in» Hau» gebracht: Nut gabe t (nur morgen») vierteljährlich 3 M., monatlich I M.; Nuigabe » (morgen« und abend») vierteljährlich 4.50 M„ monallich 1.50 M. Durch die Poft bezogen (0 mal täglich) innerhalb Deutschland« u der deutschen Kolonien vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1,75 M. au«schl. Postbestellgeld, sür Oesterreich 9 K 66 k, Ungarn 8 L vierteljährlich. Abonnement-Annahme: Vuguftuäplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briesträgern, Die einzelne Nummer kostet HO Vedakttoi» und Expedition- Johannirgasse 8. Telephon Nr. I4SS2, Nr. 14693 Nr. I4S94. Berliner Nedaktiva« Bureau Berlin 7. Prinz Loui« Ferdinand- Straße 1. Telephon!, Sir. 0Ä5. sür Inserate au« Leipzig und Umgebung die 6gelpaltene Pctitzeile 25 Ps., stnanzielle Anzeigen 30 Ps., Reklamen I M.; von autwärt« 30 Ps., Reklamen 1.20 M., vom Autland 5l>Ps,, ftnanz. An zeigen 75 Ps.. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil 40 Pi Beilagegcbübr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. (üeichaltSanzeigen an bevorzugter -teile im Preise erhöht. Rabatt nach Tara. Festcrtcilte Auiträge können nicht zurück gezogen werden, ssür das Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Augustuäplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen des In- und Auslandes. Das wichtigste vonr Tage. * Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen bat sich in das schlesische Hochwassergebiet begeben. (S. Neues a. a. W.) * Die Nachricht von einer bevorstehenden Ehescheidung des Großfürsten Kyrill von seiner Gemahlin, der ehemaligen Groß herzogin von Hessen, wird dementiert. * Die staatswissenschaftliche Fakultät der Universität München bat den Staatssekretär Frhrn. v. Stengel anläßlich seines 70. Ge burtstages zum Ehrendoktor ernannt. * Freiherr v. Aehrenthal wird heute vom Kaiser in Ischl empfangen, um Bericht über die Verhandlungen mit Italien ab- zuslatten. * Freiherr v. Beck hat im Reichsrat Erklärungen über die staatsrechtlichen Verhältnisse Kroatiens und Bosniens ab gegeben. (S. Ausl.) * Es ist jetzt festgestellt, daß das jüngste Bombenattentat in Stamb ul dem Thronsorderer Georg Christ iö gegolten hat. (S. Ausl.) * Eine weitere Beschränkung der Souveränität Koreas steht bevor. (S. Ausl.) Der Honigmond des Reichsrats. Ohne den „ersten Streit" sind also die Flitterwochen des ersten öfter- reichischen Voltsparlaments nicht vorübergegangen. Und es war kein Zerwürfnis, welches dem Ueberschwang der Liebe entsprungen wäre. Es war ein recht handgreiflicher Beweis, daß die alte Feindschaft noch in einem sehr starken Bodensatz zurückgeblieben ist in der „Vernunftehe" der Völker. Nein! Viel richtiger sagen wir, daß die Ursache des Streites eben die war, daß die Vernunft leider noch immer nicht in die Köpfe ihren Einzug gehalten hat. Natürlich waren es wieder einmal die Tschechen, die anfingen. Diese Nation wird im neuen Parlament schon darum noch schwieriger zu be- handeln sein, denn ehedem, weil sie es in ihrer Par teizersplitterung jetzt glücklich ebenso weit gebracht hat, als die veihaßten Deutschen. Zwar nehmen wir ja an, daß im Grunde Herr v. Beck recht hat, wenn er in der Schaffung politisch-sozialer Parteiverbände das verheißungsvolle Morgenrot einer schöneren Zukunft, ja den einzigen Ausweg aus Oesterreichs der zeitiger Misere erblickt. Aber der gegenwärtige Uebergangszustand birgt die Gefahr einer Verkuppelung aller dem politisch-sozialen Parteigetriebe anhaftenden Gebrechen mit denen der Sonderung nach nationalen Ge sichtspunkten. Auch jene von der heutigen Regierung erstrebte lieber- leitung in eine Periode politisch-sozialer Kämpfe wird natürlich von ihr nur herbeigesehnt nach dem staatsmännischen Grundsätze, das Schlimme durch das Minderschlimme zu befehden; keineswegs weil der öster reichische Staatsleiter in dem kolsmos Heraklits das allerhöchste Gut erblickte. Die Tschechen haben aus dem österreichischen Parlamentarismus herausgeschlagen, was herauszuschlagen war. Nachdem sie im Jahre 1879 sich ihren Wiedereintritt in den Reichsrat mit dem Taaffeschen Spracherlaß bezahlen ließen, haben sie allerdings niemals, soweit unser Erinnerungsvermögen reicht, mit einem neuen Exodus gedroht. Aber inzwischen war das herrliche Kampfmittel der Obstruktion erfunden. Zwar ist es — Rabbi den Akiba hat wieder einmal recht! — keine Er findung der Neuzeit: schon Cato Uticensis hat es gegen Cäsars Politik anzuwenden versucht, allerdings ohne Erfolg gegen den größten Ver- ächler der Legalität in allen Zeiten. — Die moderne Obstruktionstaktik dürfte von den Iren des englischen Parlaments ausgeklügelt sein. Es ist ihr aber gegangen, wie der Lehre Buddhas, die bekanntlich aus ihrer jüdischen Heimat ausgetrieben wurde. Der irischen Obstruktion ist durch Gladstones elvtmvs bill die Lebeasatmosphäre weggenommen. Es war nicht immer die Obstruktion selbst in ihrer ganzen Ton leiter bis zum Klappern mit Pultdeckeln hinauf, durch die Bruder Böhm seine Erfolge gewann. Zuweilen hat auch die bloße Drohung hingereicht, um die Negierung zum Abkauf des Schreckmittels zu nötigen. Je ernster die Minister es mit ihrem Amte nahmen, je schmerzlicher sie die wahr haft himmelschreiende gesetzgeberische Unfruchtbarkeit der Sessionen emp fanden, um so mürber war der Widerstand gegen ihre Dränger. Auch dieses Mal wäre es um ein Haar dahin gekommen. Und mau hätte nicht einmal sagen können, daß ein wichtiges Ding geopfert wäre, wenn man die stenographische Protokollierung der tschechischen Reden be willig» hätte. Man hätte einfach mit der Aufsagung des Alphabets sorlgefahren, dessen „a" längst gesprochen war. Daß tschechische Reden im Reichsrat gehalten werden dürfen, ist der springende Punkt: ihre Protokollierung ist eine einfache logische Konsequenz — wenn man will, sogar eine Forderung der Billigkeit. Zu welchen Ungeheuerlichkeiten aber die schon so unendlich lange eingerissene Zulassung nichtdeutscher Reden führen muß, davon gab vor einigen Tagen jener Ruthene eine Probe, der sich unterstand, in einer auf Oesterreichs Boden überhaupt nirgends landesüblichen Sprache, nämlich der großrussischen, zu sprechen. Nun wird wohl bald ein Zionist mit einer stundenlangen Vorlesung aus dem Talmud aufwarten, um die Komödie vom Turmbau zn Babel auch in linguistischer Beziehung möglichst naturwahr auf die Bühne zu bringen. Der Konflikt ist dieses Mal nicht zum Austrag gekommen. Da die Tschechen, alle Fraktionen zusammengerechnet, stark genug sind, um eine Reform der Geschäftsordnung zur Verhinderung der Obstruktion eben durch die Obstruktion zu vereiteln, so ist ein Ende der alten Misere noch lange nicht abzusehen. Wir müssen offen gestehen, daß wir dem Fort wursteln mit „nationalen" Konzessionen zum Abkauf einer Obstruktion, dieses Kampfmittels, das, genau genommen, unter den Strafgesetzbuch- Paragraphen der Nötigung fällt, im Grunde eine recht häufige Anwendung des für Oesterreich vorderhand unentbehrlichen 8 14 durchaus vorziehen. Jener grobe Unfug, jene jämmerliche Schwäche der österreichischen Ne- gierungen, darf nicht wieder vorkommen. Und eS steht, wie gesagt, leider so, daß eine Reform der Geschäftsordnung dauernd aussichtslos ist. Daran ändert auch die ausgesprochene Bereitwilligkeit der Sozial demokraten nichts, zu einer solchen Abänderung mitwirken zu »vollen. DaS Auftreten der Sozialdemokratie bildet die bemerkenswerteste Erscheinung der Sommertagung. Zunächst, daß man von einer sozial- demokratischen Partei heute noch gar nicht sprechen darf. Der Triumph der Sozialisten war gewaltig, als sie bei der Mai-Wahl den reichs deutschen Rekord von 1903 geschlagen hatten. Allein sogar diese wellbür- gerlichste Richtung vermochte sich in dem national zerklüfteten Oesterreich nicht zusammenzufinden! Der tschechische Bruchteil blieb als nationale Gruppe außen stehen! Und die deutsch-österreichischen Sozialdemokraten! Sic versprechen, zur Reform der Geschäftsordnung mitzuwirken, sie stehen schon an der Schwelle zur Budgetbewilligung, sie haben die Thron rede angehört und sind beim Kaiserhoch aufgestanden! Sie wollen der Negierung im Kampf gegen Ungarn den Nacken stärken. Ihre italienischen Gesinnungsgenossen sind in Rom den Demonstranten vor der österreichischen Botschaft bei der Garibaldi-Feier in den Rücken ge fallen und haben Hochs auf Oesterreich ansgebracht. Es geschehen wirk lich Zeichen und Wunder! Diese extrem-demokratische Partei dankt dem Kaiser für das Geschenk des Wahlrechts! Dieser Kaiser ist in seinem hohen Alter ein Zauberer geworden: eine Eigenschaft, welche sonst das Vorrecht der Jugend ist! Nachdem auch der eine Weile etwas rauh sich gebärdende Böhme wieder eingelullt ist, dürfte die einschmeichelnde Musik dieses Sommer- nachtstraumes ohne weitere Störung zu Ende gespielt werden. Schade, daß dem schönen Traume des österreichischen Völker- und Parteien friedens — oder sage man bloß Waffenstillstandes! — gewiß in der Voll, session ein rauhes Erwachen folgen, daß die Leidenschaften wieder aus leben, daß die Ois-moU-Weise von schrillen Dissonanzen unterbrochen werden wird! Zwar steht im Augenblick kaum ein dunkles Wölkchen am Himmel. Auch von Racconigi akkompagnieren die Friedensschal meien. Gegen Ungarn aber formiert sich der Reichsrat in geschlossenen Sturmkolonnen an seinem Leitha-Ufer. Möge er die Wacht des Bäch leins, welches zwei Welten unter einer Krone Dach staatsrechtlich scheidet, standhaft verteidigen und fest zu seiner ehrlich sreisinnigen Re gierung stehen! Ganz besonders muß er durch einmütige und rückhaltlose Genehmigung der so dringend notwendigen und doch schon so lange ver schobenen Wehrvorlagen der Cis-Regierung diejenige Machtfülle und Sicherheit zur Basis geben, deren sie gegenüber den widerhaarigen und illoyal an ihren Zusagen deutelnden und feilschenden Transleithaniern auf alle Fälle benötigt sein wird! Wie von parlamentarischer Seite mitgeteilt wird, wird Dienstag, den 23. d. Mts., die letzte Sitzung des Abgeordnetenhauses vor den Sommerferien stattfinden. Die Wiedereinberufung soll für Dienstag den 7. Oktober erfolgen. Am 11. September würden die Landtage zu einer dreiwöchigen Tätigkeit einberufcn werden, und die Delegationen werden, wie nunmehr bestimmt ist, erst in der ersten Hälfte des Novern- der m Wien zusammentreten. In der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 23 d. MtS wird die definitive Wabl des Präsidium? vorgrnommen werden. Wie wir ferner erfahren, wird die Publikation der kaiserlichen Ver- opdnung über die Quotenbestimmung erst nach der Vertagung des Reichsrates erfolgen, da auch in Ungarn der Reichstag vertagt ist und die Notifizierung der kaiserlichen Verordnung sonst nur einseitig im österreichischen Reichsrat erfolgen könnte. Die Quote wird, in der gleichen Höhe wie bisher, sür die Dauer eines halben Jahres fest gesetzt werden. Der neue „Nauticus". Das unter dem Namen „Nauticus" in allen politischen Kreisen Deutschlands wohlbekannte „Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen" sVerlag von E. S. Mittler L Sohn, Berlin) hat sich in den neun Jahren seines Bestehens bei allen, die sich aus irgend einem Grunde mit Marinefragen zu beschäftigen haben, ein großes und im allgemeinen auch durchaus berechtigtes Anlehen zu erringen gewußt, wenn es auch zuweit gehen würde, diese zweifellos außerordentlich ge schickt redigierte, gewiß ermaßen halbamtliche Publikation als in jeder Beziehung unantastbar und autoritativ hinzustellen. Den Anspruch auf Unfehlbarkeit hat der „Nauticus" nie erhoben, wird er auch aus ganz bestimmten und durchaus zu billigenden politischen Gründen niemals zu erbeben suchen. Wohl aber gibt er in durchaus verständlicher Form ein gehende, ost sogar fast erschöpfende Aufklärungen über wichtige marine technische Fragen, orientiert übersichtlich über die Fortschritte in der deutschen und in fremden Kriegsmarinen, bietet sehr dankenswerte und lehrreiche weltwirtschaftliche Betrachtungen im Anschluß an die Ent wicklung aller irgendwie in Betracht kommenden Handelsmarinen und trägt endlich ein ausgezeichnetes, auf das gesamte Seewesen bezügliches statistisches Material zusammen, das Anspruch auf einen hohen Grad von Zuverlässigkeit erheben darf. Aus diesen Gründen kann der „Nau ticus wohl stets als die wichtigste Jahrespublikation auf dem Gebiete der Marineliteratur angesehen werden. Jetzt liegt das Jahrbuch für 1907 in dem stattlichen Umfange von mehr als 600 Seiten vor; es zeigt dieselbe Einteilung und Ausstattung wie seine Vorgänger, und doch spricht ein anderer Geist aus diesem Bande. Wir batten in den letzten Jahren wiederholt Gelegenheit und Ur sache, auf scharfe Widersprüche hinzuweisen, die sich zwischen der offiziellen Haltung der Regierung in Marinefragen und zwischen den halbosfiziellen Ausführungen des „Nauticus" ergaben. Diese unzweifelhaft vor handenen Widersprüche mußten stutzig machen, verwirren, ja. sie be- günstigten geradezu eine Opposition gegen jede Marinepolltik, da sowohl die Vorwärtsdrängenden, als auch die jede Weiterentwicklung Hemmen den auf diese höchst auffallende Erscheinung hinwiesen. Von dieser fatalen Zwiespältigkeit ist der Jahrgang 1907 vollkommen frei; die amtliche Haltung und die Erörterungen des Mauticus" stehen in völligem Einklang zueinander. Die Gründe hierfür, soweit sie unmittelbar die Marinepolitik betreffen, liegen auf der Hand. Neue Ideen haben bei uns in amtlichen Kreisen lange »egen altgewohnte Anschauungen zu kämpfen gehabt. Nach dem russisch-javanischen Ringen ist dann die Zeit der Klärung gefolgt, die zu- nächst noch ein Auf- und Abwogen der Anschauungen, dann aber das feste, klare Ziel brachte, auf das nun von allen Seiten gleichmäßig der Kurs gerichtet ist. Und diese erfreuliche Gleichmäßigkeit kommt im „Nauticus" von 1907 voll zum Ausdruck. Aber noch eine andere erfreulime Erscheinung zeichnet ihn vor seinen Vorgängern aus: er ist in allen wichtigen militärischen Dingen weniger mitteilsam. Das ist ein außerordentlich be- deutungsvoller Fortschritt in einer Zeit, in der die Nationen sich unter Aufbietung von Riesensummen in der Vergrößerung der Kampfkraft gegenseitig zu überbieten suchen, wo darum jede Nation bestrebt sein muß, den von ihr unter hohen Opfern errungenen Borsprung so lange als möglich den argwöhnischen Blicken eines Rivalen zu entziehen. Wrr dürfen diese diplomatische Schweigsamkeit den Engländern danken, denen wir hierin gefolgt sind. Gewiß wird hiergegen von mancher Seite ge murrt werden, man wird gegen diese „Geheimniskrämerei mit scharfen Worten zu Felde ziehen. Hoffentlich wird sich niemand dadurch beirren lasten. Was hier verheimlicht wird, daS sind rein militärische An gelegenheiten, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesverteidigung liegt; für den Durchschnittsleser, selbst für den Marinepolitiker, wurde ihre Kenntnis keinen Wert haben, einen um so größeren dagegen für jeden Rivalen. Unseren politischen Bedürfnissen genügen die gegebenen allgemein gehaltenen Andeutungen vollständig; denn sie zeigen genügend die Richtung, in welcher die Entwicklung unserer Wehrkraft zur See sich bewegen soll. Ein interessanter, fesselnd geschriebener politischer Rückblick und Ausblick gibt gewissermaßen die allgemeinpolitische Grundlage des ganzen Buches ab. Der Artikel ist sehr geschickt abgefaßt und gibt ein gutes Bild der allgemeinen Weltlage, wie sie sich im Mai d. I. zeigte,-wenn wir auch bedauern, daß hier und dort der Versuch einer kleinen Schön färberei gemacht wurde, so bei der Beurteilung unserer Marokko-„Er- solge", so auch bei der Bewertung des britisch-spanischen Abkommens, die uns — gelinde gesagt — sophistisch erscheint, selbst wenn wir gern das Wort des „Nauticus" unterschreiben wollen: ,,Für jeden, der nicht über bessere Nachrichten als der Leiter der Politik eines Staates verfügt, kann eine Kritik nur auf einer andern Auffassung der Bedürfnisse und der allgemeinen, offen erkennbaren Lage beruhen." Im übrigen gibt auch dieser Artikel die von jedem Deutschen durchaus ernst genommenen fried lichen Versicherungen unserer Politik, fordert aber ebenso natürlich, daß uns niemand in unserer natürlichen Entwicklung und in der Ausgestal tung des Schuyes unserer Lebensinteresten willkürlich hemmen dürfe. Warnend weist der Aussatz darauf hin, daß allem Anschein nach die Höhe unseres wirtschaftlichen Aufschwunges überschritten sei, daß man mit einem starken Fallen der Umsatzziffer rechnen müsse, gleichzeitig aber der Hinblick aus unsere Zukunft noch große Opfer von dem deutschen Volke fordere, die unbedingt gebracht werden mühten, wenn nicht unsere Nach kommen den Schaden von unserer Kurzsichtigkeit haben sollten. Nie mand, der die Weltlage kennt, wird sich der Wahrheit dieser Worte ver schließen können, wenn sie auch nicht gerade erfreulich klingen. Die Politik des „abrüstungslnsterncn" Großbritannien, deren Erfolge tref fend in diesem Rückblick gezeichnet sind, zwingt unS, nicht in dem Schutze unserer Lebensinteressen zu erlahmen. Aber diese Arbeit hat nichts Be drohliches für andere Nationen. „Deutschlands Politik liegt offen vor aller Welt. Wir bedrohen niemand und wünschen, mit aller Welt in Frieden zu leben, um arbeiten und schaffen zu können. Welches Maß von Rüstung notwendig ist, um unser Reich zu schützen, darüber haben wir allein zu bestimme n." Das ist ehrlich nnd selbst bewußt, also gut und erfreulich! Die in letzter Zeit vielfach in der Presse ventilierte Frage, in welcher Richtung sich die beschlossene Fortentwicklung unserer Wehrkraft zur See bewegen werde, dürfen wir aus den vorher angedeuteten Gründen nichr unmittelbar im jüngsten „Nauticus" beantwortet haben wollen, wie auch die hier und da in der Presse austauchenden „bestimmten" Angaben über künftige Größen- und Ärmierungsverhältniste durchaus keinen Anspruch auf Zuverlässigkeit machen dürfen. Wer etwas wissen will, muß zwischen den Zeilen zu lesen verstehen, der muß besonders beachten, wohin die Entwicklung der führenden Seemächte geht und darf dann beruhigt sein, daß Deutschland jetzt nicht mehr hinter anderen Mächten zurückzu- bleiben gedenkt, sondern gründlich mit veralteten An schauungen gebrochen hat. Wohin treibt die Entwicklung der großen fremden Marinen ? Uebcrall ist aus den Erfahrungen des russisch-iapanischen Krieges als erste praktische Folgerung die möglichste Vergrößerung des Gcschützkalibers und Vermehrung der schweren Geschütze eingetreten. England, Frankreich, Italien, Oesterreich-Ungarn, die Vereinigten Staaten, Japan, alle haben für ihre neuen Lmienlchiffe das 30,5- Zentimeter-Geschütz, England und Japan haben es auch für ihre Panzerkreuzer angenommen. Mit Einführung dieses Geschützes, in dem englische Artilleristen noch nicht die Grenze erkennen wollen, sondern an dessen weiterer Ausbildung eifrig gearbeitet wird, muß auch das Deplacement der Schlachtschiffe und Panzerkreuzer sich enorm st e i g e r n ' denn einesteils erfordert dies die Schwer.- der Geschütze und ihrer Munition, andernteils müssen auch die T-- fensivmittel des Schiffes (die Panzerung) und die Schiffsmaschin--: gewaltiger werden. So sehen wir denn in England die Fortbildung ' > „Treadnouaht"-Typs zum mehr als 19 000-Tonnen-Schifs, während ^ - pan Linienschiffe von 21000 Tonnen, die Vereinigten Staaten solche t - 22 400 Tonnen bauen wollen. Eine Grenze ist vorläufigna h gar nichtabzusehen, wenn sie auch vorläufig wohl nicht mehr c - zu hoch hinaufaeschoben werden wird. Demgegenüber sollen die iür r' protektierten deutschen Linienschiffe („Ersatz Württemberg", „Eri. Baden") ^e l w a" 18 000 Tonnen haben; über ihre Artillerie wird nichi > gesagt. Wir geben der sicheren Erwartung Ausdruck, daß sich Hinte diesem diplomatischen „etwa" und dem Verschweigen der Armierung w große militärische Ueberraschuna verbergen möge, die uns nach ihre. Enthüllung in den Besitz von Linienschiffen setzt, welche jedem Gegner mindestens ebenbürtig sind. Wir glauben, nachdem sich die Ver hältnisse in der Entwicklung der Seekriegswaffen so wesentlich geklärt haben, und nachdem unsere Marinebehörde infolgedessen ihre frühere Haltung völlig geändert hat, ihr das Vertrauen schuldig zu sein, daß sie auch gegen das Geschrei kurzsichtiger Flottengegner Deutschland nicht weiter anderen Seemächten gegen- über mit seinen Seekriegsmitteln im Rückstände lassen, sondern daß sie diese zur höchsten modernen Vollendung führen wird. Das Volk wird sicher lieber einige Millionen mehr für in jeder Beziehung erstklassige Kampfschiffc bewilligen, als einige Millionen sparen und dafür Schiffsmaterial erhalten, das nicht in der Lage ist, jedem Gegner mit Aussicht auf Erfolg die Stirn zu bieten. Kurz sei noch darauf hingewiesen, daß das Jahrbuch u. a noch sehr lehrreiche Abhandlungen über Schießübungen, Schießerfahrungen und Artilleriearmicrung, über die neueste Entwicklung der Torpedowaffe und über die so wichtige Ausbildunasfrage bringt. Betreffs der letzteren sei bemerkt, daß das von aller Ruhmredigkeit völlig freie Buch doch mit berechtigtem Stolz hervorheben kann, wie die seemännische Aus- bildung unserer Marine „sich bereits allgemeiner Anerkennung erfreut". Sehr wahr! Aber sicher ist auch: fügen wir zu diesem hervorragen- den Menschenmaterial gleichwertige Schiffe in genügender Zahl, so haben wir ohne die fortgesetzten Beunruhigungen, die das Volk nervös machen, das, was wir zum Leben unbedingt brauchen: frei die See! Deutsches Neich. Leipzig, 19. Juli. * Tie Lftmarkenvorlagc. Die „B. P. N." schreiben: An den jetzt wieder hervortretenden Erörterungen der Presse über die angebliche Ge stalt ter schon in der Thronrede bei der Eröffnung der letzten Lanvtags- tagung angekündigten weiteren Vorlage zum Schutze des Deutschtums in den Ostmarken ist soviel richtig, daß von den zuständigen Behörden in den zweisprachigen Landesteilen im Interesse wirksamer Fortführung der AnsredelungSpolitik die Gewährung eines erweiterten Enteignungs rechts für die Ausgaben der Ansiedclungskommission besürwortet worden ist. Ueber diese Anregung sind einflußreiche Politiker der verschiedensten Richtungen in beiden Häusern des Landtages sondiert worden. Das Ergebnis der Ermittelungen war den Absichten der erwähnten Be hörden in den Ostmarken nicht günstig. Es ist daher nicht nur von der Einbringung der zuerst in Aussicht genommen:« Vorlage sür die nächste Taguna Abstand genommen, es ist auch die Wahl eines anderen Weges zur Förderung der Landpolitik der Regierung als der der Verstärkung des EnteignungSrechtS, wie er von der Ansied- lungskommission angeregt worden, in Aussicht genommen. Die recht lichen und praktischen Schwierigkeiten, die mit der Wayl einer solchen anderen Sachbebandlung nolwendiH verknüpft sind, haben nach einer Mitteilung des LandwirtschastSmimsterS in der Budgetkommstsion deS Abgeordnetenhauses auch den Ausschlag zur Verschiebung der Vorlage bis zur nächsten Tagung gegeben. So liegen die Dinge. Es ist daher lein ausreichender Grund vorhanden, sich, wie es in einem Teile der Presse geschieht, jetzt wegen der in der nächsten Tagung zu gewärtigenden
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