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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.08.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189608162
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18960816
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18960816
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- unvollständig, S.5986 fehlt
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-16
- Monat1896-08
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.08.1896
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Brühere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Ziffern u» nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit d«, Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung 80.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end «AuSgabr: Vormittag» 10 Uhr Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4llhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeigen find stet» au die Expedition zu richten. Druck nnd Verlag von T. Bolz kn Leipzig ^-415. Sonntag den 16. August 1896. Sv. Jahrgang. Aus der Woche. Nock ist Näheres über dieEntdeckungenFri tbj ofNa nsen's nicht bekannt. Da er aber selbst seine Expedition als glück lich bezeichnet, so steht es außer Zweifel, daß durch ihn wie die menschliche Kühnheit so auck der menschliche Forschergeist Triumphe gefeiert bat und unserem Jahrhundert ein neuer Anspruch auf den Namen eines großen verlieben worden ist. Der des ewig widerspruchsvollen ist ihm längst gesichert, und auch Nansen's That bestätigt ihn. Während der Ultramontanis- mns, dessen Natur dem Fortschreiten menscklichen Erkennens feindlich ist, allüberall seine Herrschaft anzutreten und zu befestigen scheint, hat die Wissenschaft, die ihre Säfte aus der protestantischen Weltauffassung zieht, neue große Eroberungen zu verzeichnen — eine Gewähr, daß trotz alle dem und alledem Das, was „lebendig macht", nicht dem Ertödtenden unterliegen wird. Die öffentliche Erörterung der Krisenaerrichte ist, wenn auch nicht am Ziel, so doch an einem Ruhepuncte an gelangt. Nicht, wie versichert wurde, der Reichskanzler, und nicht, wie ebenfalls versichert wurde, der Finanzminister vr. Miguel haben demissionirt, sondern der Kriegsminister Bronsart von Schellendorf ist auf sein Gesuch vom Amte enthoben worden. Als die „Berliner N. N." meldeten, General von Bronsart habe sein Entlassungsgesuch eingereickt, weil gegen seinen ausdrücklichen Wunsch der Chef derCentralabtheilung im Kriegsministerium, General Ha Her ling, in die Front versetzt wurde, haben wir sogleich betont (vgl. die Abendausgabe vom.iO. August), daß unter solchen Um ständen eine Bronsart-Krisis unvermeidlich erscheine, und daß sowohl Negierung wie Reichstag dem Leiter der Militär verwaltung gegenüber viel freier wären als gegenüber dem Reichskanzler, dessen Demission angesichts der orientalischen Wirren zu einer Störung in der Führung der auswärtigen Geschäfte führen könne. Wir haben ferner im gestrigen Abendblatte ausführlich dargelegt, daß allen: Anscheine nach weniger die Frage der Militairstrafproceßreform als der Gegensatz zum Militaircabinet wegen bestimmter OrganisationSsragen Len General von Bronsart zur Demission bestimmt hätten. Obgleich der bisherige Kriegsminister oie Einreichung des Entlassungsgesuchs formell, wie üblich, mit seinem Gesundheitszustände begründet, halten wir an dieser Auffassung fest. Die Selbstständigkeit des Militaircabincts verträgt sich eben nicht mit der staatsrechtlichen Stellung des Kriegsministers, der für Angelegenheiten der mili- tairischen Verwaltung allein verantwortlich ist, und das führt naturgemäß zu Reibereien, die auf die Dauer nur durch das Ausscheiden des einen Factors aus dem Amte zu beseitigen sind. Herr v. Bronsart hat sich in letzter Zeit wiederholt Entschließungen des MilitaircabinetS gefallen lassen müssen, die seine Billigung nicht fanden — die Versetzung des Generals Haberling soll nur ein Fall unter einer Reihe ähnlicher Vorkommnisse sein. Daß aus solchem Anlaß ein Minister sich genölhigt sehen kann, den Staats dienst zu quittiren, ist bedauerlich, doppelt bedauerlich aber, wenn es sich um einen Mann wie Bronsart von Schellen dors bandelt, der nicht nur ein ausgezeichneter Verwalter des Kriegswesens war, sondern auch vor dem Reichstage die Sache der Regierung zugleich energisch und geschickt, besonders der Socialdemokratie gegenüber, geführt bat. Ob sich der neue Kricgsminister Generallieutenant v. Goßler (vgl. unten das Telegramm unseres O.bl.-Correspondenten. Red.) auf die Dausr mit dem Militaircabinet besser stehen wird als sein Vorgänger, bleibt abzuwarten. Ueber seine Stellung zur Militairstrafproceßreform ist uns zur Stunde nichts Con- cretes bekannt. Doch ist anzunebmen, daß seine Anschauungen in diesem Puncte deuen des Ministerpräsidenten, Les Fürsten Hohenlohe, conform sind, da ihm andernfalls der Eintritt in Las Ministerium nicht wohl möglich gewesen wäre. Dem Parlament ist General von Goßler nicht fremd, hat er doch u. A. die Kriegsminisler von Kaltenborn und Bronsart als stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrathe vertreten. Zu Beginn des Octobers wird in Berlin ein Delegirten- tagdernationalliberalen Partei stattsinden, und in der Presse beginnen vereinzelte Betrachtungen darüber aufzutauchen, welche Wege für die künftige Entwickelung der Delegirtentag vorzuzeichnen haben werde. Wenn die Jahreszeit weiter vor gerückt sein wird, dürste die Erörterung eine allgemeine werden, und wir versprechen uns eine gute Wirkung von ihr. Der jetzige Zeitpunkt erscheint noch etwas früh, und es würde sich erübrigen, eine Betrachtung der „National zeitung" über den Gegenstand zu erwähnen, wenn sie nicht in einem Puncte Jrrtbümer Hervorrufen könnte. Das Blatt unterscheidet zwischen Nationalliberalen, die zur Partei „ge hören", d. h. ein Recht auf die Mitgliedschaft baben, und solchen, die nicht dazu gehören. Die „National zeitung" unterliegt hierbei ihrer von Zeit zu Zeit auftreiendeu Wahnvorstellung, sie sei das Aichamt der »ationalliberalen Partei. Ein Rückblickauf Ereignisse der neuesten Zeit genügt, um sich zu vergewissern, daß das Blatt in dieser Eigenschaft innerhalb der Partei nirgends anerkannt wird. Es braucht sich deshalb auch in die Complimente, die ihm die Presse des Schutzverbandes gegen agrarische Ueber- griffe über die Excommunicalion von Mitgliedern der national liberalen Partei macht, mit Niemandem zu tüeilen. Die Meldung, daß der Zar sich bereit erklärt habe, bei seinem Aufenthalt in Paris die ausgezeichnetsten Franzosen zum Fußkuß zuzulassen, barrt noch der Bestätigung. Doch hofft man, er werde den Republikanern an der Seine diesen Gnadenbeweis nicht vorenthalten. Sie haben ihn verdient. Deutsches Reich. Berlin, 15. August. Daß der socialdemokratischen Presse jedes Mittel recht ist, welches dazu dienen kann, Haß gegen die Unternehmer bei den Arbeitern zu säen, ist längst bekannt. Dem „Vorwärts" aber war es Vorbehalten, auch die sommerliche Hitze für diesen Zweck zu verwertben. In Königsberg sind in Folge der dort bis vor Kurzem herrschenden Hitze über 40 Personen am Hitzschlag gestorben. Daß sich darunter auch Arbeiter befanden, wird einem ver nünftig denkenden Menschen schwerlich besonders abnorm er scheinen. Dem „Vorwärts" aber genügt diese Thatsache, um die Liste der an ven Folgen der übergroßen Hitze gestorbenen Arbeiter mit der Ueberschrift zu versehen: „Verlust-Liste vom Königsberger Prosit-Schauplatz", und die Behauptung aufzustellcn, die Arbeiter seien als Opfer des Königs Mammon, als Opfer der „Profitwuth" der Unternehmer gefallen. „Arbeite und stirb!" heiße es für den Arbeiter. Im Ganzen hat der „Vorwärts" 25 Fälle in seiner Liste vereinigt. Um dieselbe länger zu gestalten, hat er auch einige Kutscher und einen Commis hinzugenommen. Für das socialdemokratische Central organ genügt es, daß die von ihm Aufgezählten am Hitz- schlage gestorben sind; auf eine Untersuchung der näheren Umstände läßt sich daS Blatt nicht ein. Die übrigen Per sonen, die wahrscheinlich auch in Ausübung ihres Berufes den Folgen der Hitze erlegen sind, existiren für den „Vor wärts" gar nickt. Es sind höchst wahrscheinlich „nur Unter nehmer". Die Art und Weise, wie das Organ des Herrn Liebkncckt den durch eine abnorme Temperatur verursachten Tod einer Anzahl Arbeiter dem Unternebmerthum aus das Conto zu schreiben sucht, ist zu charakteristisch, als daß man sie übersehen dürste. Bildet Herr Liebknecht diese Methode in geschickter Weise aus, so wird er zweifellos noch häufig Gelegenheit haben, seinen Lesern die „mörderische Profitwuth" der Unternehmer mit blendenden Farben vorzumalen. * Berlin, 15. August. Die Zustimmung der Centrums- fraction zur obligatorischen Civilehe im Bürger lichen Gesetzbucke wird in einigen Centrumsblättern fort gesetzt bekrittelt. Wie der „Fränkische Courier" erzählt, hat die oppositionelle Haltung eines Theiles des Clerus in Sachen der Civilehe den Bischof von Ei chstätt', Frhrn. v. Leonrod, veranlaßt, Gutachten einzuholen. Eines dieser Gutachten sei dann für den Bischof von Eichstätt sehr maßgebend ge wesen: „Der Bischof batte nämlich den Bamberger Dompropst Or. Max Lingg um ein Gutachten über das Verhältniß der Vorschriften des kanonischen Rechtes zur bürgerlichen Eheschließung ersucht, vr. Max Lingg kam zu dem Ergebniß, daß das kanonische Recht mit der obligatorischen Civilehe leichter vereinbar sei als mit der fakultativen Civilehe. Letztere könne im Rahmen des kirch lichen Rechtes keinen Platz finden, würde vielmehr gerade durch die Ausnahnissalle mehr Anstoß erregen als die allgemeine gesetzliche Institution der obligatorischen Civilehe. Dieses Gutachten des Bamberger Dompropstes Lingg war Veranlassung, daß der bayerische Episkopat gegen die Bestimmung über die Civilehe im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht weiter Stellung nahm. Die Cenirums- leitung wurde hiervon verständigt. Das war die kirchliche Autorisirung, auf welche die Centrumspresje immer wieder hinwies, um die Haltung der Centrumsfraction im Reichstage zu Ver theidigen." Die „Germania" nimmt von dieser Auslassung Notiz und bemerkt dazu: „Man kannte die Anschauung des deutschen Episcopats, damit aber auch die Anschauungen der weiteren Facto ?n, denn die deutsch xnes-b den fich jeden ¬ falls nicht ohne Fühlung mit dem heiligen Stuhle. Ob für die einzelnen in Frage kommenden Factoren daS Gut achten vr. Lingg's maßgebend war, wissen wir nicht. So viel uns bekannt ist, liegen eine Reihe von Gutachten in dieser Angelegenheit vor." * Berlin, 15. August. Der „Reicksanzeiger" meldet: Der Kriegsminister Bronsart vonSchellendorff ist auf seinen Antrag vom Amte enthoben und General lieutenant von Goßler, bisher Commandeur der hessischen (25.) Division, zum Kriegsminister ernannt worden.*) (Walter Bronsart v. Schellendorff war geboren am 21. De- cember 1833 in Danzig, ward im Cadettencorps erzogen, trat 1851 in daS 1. Infanterieregiment, wurde 1852 Seconde- lieutenant, besuchte die Kriegsakademie und wurde zum topo graphischen Bureau commandirt. Seit 1860 Premierlieutenant, ward er 1862 zum Hauptmann befördert und in den Großen Generalstab versetzt, 1866 Major und Generalstabsossicier der 17. Division in Kiel, 1869 BataillonScommandeur im 87. Re giment in Mainz, 1870 Chef des GeneralstabS deS 9. Armee corps, 1871 Oberstlieutenant und Chef des Generalstabs des *) Wiederholt. 13. (württembergischen) ArmeecorpS, 1873 Oberst, 1875 Commandeur des 89. Regiments in Schwerin, 1879 Com mandeur der 34. Jnfanteriebrigade, 1880 Generalmajor, 1881 Chef des Generalstabs des 10. Armeecorps in Hannover, 1884 Commandeur der 17. Division und Generallieutenant und 1888 commandirender General des 3., 1890 des 10. Armee" corps. 1889 war er zum General der Infanterie befördert worden. Im Januar 1893 erhielt er den erbetenen Abschied und ward ü la 8uite des 89. Regiments gestellt. Im October desselben Jahres übernahm er das Kriegsministerium.) C> Berlin, 15. August. (Telegramm.) Der Kaiser hat an den General der Infanterie Bronsart von Schellen dorf anläßlich der Verabschiedung desselben aus dem Amte als Staats- und Kriegsminister nachstehendes Hand schreiben gerichtet: „Ich entspreche nunmehr der Ihnen in Meiner Ordre vom 9. dieses Monats zu erkennen ge gebenen Absicht, Ihrem Mir zugegangenen, durch Ihren Gesundheitszustand begründeten Gesuche vom 15. Juli dieses Jahres um Verabschiedung Folge zu geben, dadurch, daß Ich Sie, nachdem ich Sie in Meiner anderweiten Ordre vom heutigen Tage von der Stellung als Staats- und Kriegsminister entbunden habe, unter Belassung L la suite des Großherzoglich Mecklenburgischen Grenadier-Regiments Nr. 89 und unter Ernennung zu Meinem Generaladju tanten mit der gesetzlichen Pension zur Disposition stelle. Ich sprecke Ihnen zugleich gerne meine besonders warme An erkennung für die Verdienste aus, welche Sie sich in Ihrer fast dreijährigen Tbätigkeit in der bisherigen schweren und verantwortungsvollen Stellung erworben haben. Lebhaft bedauere Ich, Sie auS derselben scheiden zu sehen, hoffe aber, daß Ihr Gesundheitszustand es bald zulassen wird, Ihre bewährte militairische Kraft durch Ihre Heranziehung zuni Dienste als Mein Generaladjutant Mir und der Armee, in deren Anciennitätsliste Sie auch ferner geführt werden, noch weiter nutzbar zu machen. Wilhelmshöhe, den 14. August 1896. Wilhelm k." * Berlin, 15. August. (Privattelegramm.) Der neu ernannte Kriegsminister von Goßler ist am 27. Januar 1895 Generallieutcnant geworden. Er war vorher Director des allgemeinen Kriezsdepartements, Mitglied der Landes- vertheidigungs-Commission in Vertretung des Kriegsministers, stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrath und zwar unter Kriegsminister von Kaltenborn-Stackau und Bronsart, unter Letzterem N/i Jahr. Ende der achtziger Jabre war er unter Generallieutenant Blume, welcher das allgemeine Kriegsdepartement leitete, Cbef der ersten Abtheilung, (Armce-Abtheilung). Am 23. Juli 186l ist er Seconde- tieutenant geworden, am 9. Januar 1868 Premier, als solcher bat er den Feldzug mitgcmacht, in dem er das eiserne Kreuz 2. Classe erwarb. V. Berlin, 15. August. (Telegramm.) Das Kaiser paar kehrt am Montag Abend 6 Uhr nach dem Neuen Palais bei Potsdam zurück. (Wiederholt.) (-) Berlin, 15. August. (Telegramm.) Die„N. A.Z." schreibt: Die am 13. und 14. August erfolgte Durchfahrt der Feuilleton Uebungen Friedrich Wilhelm'- I. den Grund zu jener Manneszucht gelegt haben, die daS preußische Heer unbesieg- lich machte. Und nun war er König geworden und der erste schlesische Krieg war geschlagen. Sofort wandte sich seine Aufmerk samkeit der Friedensausbildung seines HeereS zu. Ihm ge nügte nicht mehr, was der Graf Lippe treffend „Heeres- hauShalts - Beschaulichkeiten und Exercirplatz - Freuden" genannt bat. Er wollte seine Truppenführer im Frieden für den Krieg ausgebildet sehen. „Was?" hat er später einmal gesagt, „man kann nicht Schuhmachermeister werden, ohne gelernt und lange Zeit Schuhe gemacht haben, und man macht Obersten und Generale, welche noch nie einen Flintenschuß al» auf der Jagd gehört haben!" Und so sehen wir denn an einem Septembertage des Jahres 1743 aus dem Brandenburger Tbore zu Potsdam mit klingendem Spiele Truppen inS Blachfeld hinauSzieben rum ersten preußischen Feldmanöver, — zum ersten Manöver, bei dem eine taktische Ausgabe nach Möglichkeit kriegsmäßig behandelt werden sollte. Marschirte da da- 1. Bataillon Garde, eine Leib- und Kerntruppe, das Grenadier- Bataillon von Kahlden, da- Jnfanterie-Regiment „Prinz Heinrich" und sechs EScadronS Husaren. Der König führte selbst. Er war mit Feuereifer bei der Sache. „Er ist sehr agil", hat ein späterer Beobachter erzählt, ein französischer Officier, „bald an der Tste, bald an den Schwenkungs- puncten." Die Aufgabe war damals, 1743, die Eroberung eines RetrauchementS. DaS ganze Manöver kennzeichnet sich al« ein Offensiv-Manövrr; e« spricht au- ihm da« Fridiri- cianische „den Feind schlagen, wo man ihn trifft." DaS Retranckement wurde erobert, der Feind angegriffen und zum Rückzüge gezwungen. Der König aber schrieb an den Herzog von Bevern: „Ew. Liebden sollen e« allen Ofsicieren sagen und begreiflich machen, wie für unS nichts bester noch nützlicher al« die Offensive ist, und diese das einzige Mittel, um was auszurickten." So beginnt mit diesem Schanzen kampf in der Umgebung von Potsdam, die seither ein classiscke« Manövergelände geworden ist, rin neuer bedeut samer Abschnitt in der Heere-grfchichte. Die Manöversignale werden von der KriegStrompete übertönt, der zweite schlesische Krieg bricht los. Al« der König und die Kaiserin, wie da- Volkslied singt, endlich Frieden geschloffen haben, kehrt Friedrich mit erneuter Auf merksamkeit zu den Feldmanövern und ihrer Entwickelung zurück. Im August 1747 finden wir Len Maßstab des Manöver in allen Tagen. Von C. Falkenberg. Nachdruck verboten. Welch' gewaltige Dimensionen haben in unseren Tagen die Manöver angenommen! Mächtige Truppenmassen werden concentrirt, Tausende reiten zum Angriff an, Alles wird nach Möglichkeit den wirklichen Bedingungen des Krieges angepaßt. Wenn so unsere heutigen Manöver ein Bild des unendlich kunstvollen Organismus unseres Heerwesens bieten, so zeigt ein Blick auf ihre Geschichte uns in einem Ausschnitte die allmähliche Entwickelung dieses riesigen und complicirten Körpers. Jener,,mile8 perMuus", den die Energie deS Großen Kurfürsten den widerwilligen „Herren Ständen" abrang, jenes erste stehende Heer Preußens war für eigentliche Manöver noch viel zu steif und ungelenk. Damals kannte man nur Revuen. Zu Crossen auf dem Felde z. B. traten 1686 vor daS Auge deS Krieg-Herrn 8000 Mann, die bestimmt waren, in Ungarland Lorbeeren zu ernten. Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, brachte in die- Stillleben Bewegung. Bisher hatten bei den „Special-Revuen" Commifsare den Zustand der Truppen in ökonomischer Hinsicht untersucht. Was Commissarc! Dieser König Ueberall wollte Alles selbst sehen, Alles selbst prüfen. Wenn Friedrich Wilhelm inspicirte, so begann er seine Prüfung von Mann zu Mann. Dabei stellte er dann die historisch gewordenen Fragen: „Wie beißt Du?" „Wie alt?" „Hast Du Alle« richtig bekommen?"— Fragen, die der deS Deutschen unkundige Pollack bekanntlich zur großen Verwunderung des Königs in falscher Reihen folge beantwortete. Dann erst begann die General-Revue. Dabei wurden, wie un« sein Sohn erzählt, „einige Evo lutionen" gemacht, sehr genau, sehr stramm, — aber etwas langsam, schien cS dem Thronerben, etwas zu sehr parade mäßig und zu wenig kriegsähnlich. Ja, zu wenig kriegs ähnlich, obwohl der König seine Freude am Schießen hatte, und daS Pulver bei solchen Gelegenheiten nicht sparte. „Meine Obren sind taub von der lärmenden Beredtsamkeit unserer Infanterie", meint wieder der Kronprinz. Er sah auf diesen „Feuereifer" seines königlichen Vater-, den Leopold von Dessau ganz und gar tbeilte, vielleicht mit einiger Ironie; aber er hat nie verkannt, daß die Revuen und Manöver- bereits erheblich vergrößert. An der Spitze der einen Partei stebt Prinz Heinrich, die andere commandirt der König selbst. Denn Friedrich hat scharfblickend den Werth de« Umstandes erkannt, daß der Krieg-Herr selbst daS Manöver leitet, und hat diese Einrichtung zu einem festen Bestandtheile unseres Manöverwesens gemacht. „Wenn diese Regimenter", sagt er, „nicht so ost unter den Augen deS KdiezSherrn versammelt würden und übten, so würde sich bald Alles vernachlässigen. Sie sind gewohnt, ihren König an ihrer Spitze zu seben, und man hüte sich wobl, diesen Ge brauch zu ändern." Und der König faßte diese« „an ter Spitze stehen" gar ernst auf; er drang auf seinen Bruder mit solchem Ungestüm ein, daß dieser die von ihm besetzten Höhen von Bornslädt räumen mußte. Wenn die „Gazetten" diese- Manöver eigenartiger Weise als die ,)Lustattacke von Born- städt" bezeichneten, so darf dieser auf eine Vergnügung hin deutende Ausdruck doch nur in sehr übertragenem Sinne acceptirt werden. In der FrirdenSzeit von 1746—1756 erfuhr das Manöver wesen eine ungemeine Ausdehnung und Ausbildung. Es wurden jetzt „jährlich in denen Provinzen Läger formirt und darinnen alle Occassion« gezeigt, die nur im Seriösen vorfallen mögen, — fast Alles, was bei Bataillen, Attaquen, Vorposten und Netranckements, Passagen über Ströme, Retraiten, Convien, Partdieen rc. vorfallen kann, von Sr. Kgl. Majestät Selbst angezeiget und unter Dero OrdreS exckutieret." Solche UebungSlager wurden u. A in Spandau und in Schlesien errichtet, die Zahl der an ihnen betbeiligten Truppen betrug zwischen 20 000 und 50 000. DaS 1753 hinter Spandau gebildete UebungSlager stellt da- erste Feld manöver im größeren Stile bar, da es bereit- 12 Tage dauerte. Der König nahm diese Uebung so streng, daß er die ganze Gegend mit Husarenposten umstellen ließ, um alle unberufenen Zuschauer fern zu halten. Um so heftiger brannte natürlich in den fremden Gesandten die Neugier, zu erfahren, was hinter Spandau vorgebe und welche Geheimnisse dort wohl geschmiedet würden. Al- der König «rfubr, wie viel Mühe sich die Herren gegeben hatten, ließ er vom Oberst lieutenant von Balbi eine anscheinend ernste, in Wahrheit ganz parodistische Beschreibung de» Manöver« herau-grben, die den ärgsten Unsinn rntbielt. Die Geschichte erzählt nicht, ob die Herren Ambassadeurs ihn gemerkt baden .... Die systematische Ausbildung de- modernen Manöver wesen- machte einen weiteren Schritt nach der Beendigung deS Siebenjährigen Kriege-, als eS Friedrich im höchsten Maße darauf ankam, die Schlagfertigkeit seiner Armee ungeschmälert zu erkalten. Damals erfolgte die definitive Scheidung von Frühjabrsrevuen und Herbstmanövern. Die Frühjahrs revuen dürfen im gewissen Sinne als die Nachkommen der alten „General-Revuen" bezeichnet werden. Friedrich wollte, sie sollten „die Ausbildung der Mannschaften überwachen"! Damals trat in da» Leben der preußischen Hauptstadt jenes glänzende Schauspiel ein, daS noch heute einen hervorragenden Platz in der Gunst der Bevölkerung behauptet. Schon 1773 schrieb ein militairiscker Beobachter aus dem Auslande, die Revuen in Berlin seien sehr glänzend; außer der Berliner Garnison wurden noch aus Spanbau Druppen berangezogen, so daß an die 60 000 Mann auf dem Felde standen. Dieser Ausländer, Graf Guibert, genoß auch die Vergünstigung, einigen preußischen Manövern und Uebungen beiwohnen zu dürfen. Bei einem Exerciren deS Kürassier-Regiment- von Roeder fand er „Präcision, Jnnebalten der Distanzen, Stille, Ordnung bewundernswerth." Ein Avanciermarsch der Infanterie, 800 Schritt ohne Halt über schwieriges Gelände, erschien ihm leicht, frei, Alignement von unglaublicher Voll kommenheit, die Salven vollkommen gleichmäßig. In die höchste Begeisterung aber versetzte ibn eine Attacke des Regiment-Seydlitz: „Seydlitz! Seydlitz!" ruft er. „Nie sah ich etwa-, was mich fo staunen machte!" So batten Friedrich'S Bemühungen um die Ausbildung der Manöver bervorragende Resultate gezeitigt. Und doch fällt bereit- über den Glanz dieser Vollkommenheit ein Schatten. Der Graf Guibert betont mehrfach, daß der Zweck, eine Kriegsoperation zur Anschauung zu bringen, bei den Manövern nicht immer gelungen sei. Langsam, langsam, ohne daß der alternde Monarch es gewahr wurde, verloren in der langen Zeit des Frieden- die Manöver ihre krieg«- mäßige Lebendigkeit, langsam wurden die Manöver mecha nischer, langsam und unvermerkt trat der Corporalstock und da« Gamasckenwcsen seine Herrschaft in der unüberwindlichen preußischen Armee an. Die Maschine arbeitete anscheinend tadellos weiter, alljährlich fanden die Manöver statt — auch als de- Königs Feuerauge nicht mehr auf ihnen ruhte, ganz nach seiner Weife, und als die Truppen anno 1806 in den Krieg auSzogen, sollen die Leute mit Stolz daraus hin gewiesen haben, daß noch jeder Knopf so au-sehe und sitze, wie unter König Friedrich bochselig. Jena erfolgte darauf, und damit ein gewaltiger Umschwung, der auch dem Manöver wesen der alten Tag« eia Ende bereitete.
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