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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.07.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190207139
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020713
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020713
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-13
- Monat1902-07
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.07.1902
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BezugS-Preis in der Hauptexpeditiou oder den im Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Aus» gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4. SO, — zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus.<4 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich für die übrigen Länder laut Zeitung-Preisliste. , »^»<» Lrdaction und Erpedition: Ivhannisgaffe 8. Fernsprecher 153 und 222. Filtalr»pedttt««r>r r AlftedHahn, Buchhandlg., Universitätsstr.3, L. Lösche, Kathariueustr. 14, u. KönigSpl. 7. - - - Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraße 6. Ferusprecher Amt I Nr. 1713. Haupt-Filiale Serlin: Aöuiggrätzerstraße IIS. Fernsprecher Amt VI Nr. 3393. MpMrr. Tage- l all Anzeiger. ÄrntsLlatt -es Königlichen Land- nn- Amtsgerichtes Leipzig, -es Ruthes nn- Volizei-Äintes -er Ltn-t Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reclamen unter dem RedactionSstrich (-gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offcrtenanuahme 25 H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderung -ck 60—, mit Postbesörderung ./L 70.—.. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 331. Sonntag den 13. Juli 1902. 98. Jahrgang. Aus der Woche. Victor Emanuel III. von Italien, der sich den Höfen noch nicht als König vorgestellt hat, holt da- Ver- säumniß jetzt nach. Er besucht zuerst den einfach befreundeten Zar und dann erst den deutschen Kaiser, den ibm daS eben erneute Dreibundsverhältniß naher stehend erscheinen läßt. Darüber große Genuqthuung und angestrengte Schlußfolgeret in der französischen Presse, die findet oder gefunden zu haben vorgiebt, die vom italienischen König gewählte conLocutio itinerum beweise, daß in Rom — d. h. im Quirinal, vom Vatikan versteht eS sich von selbst — der Zweibuud Trumph und eigentlich durch Italien» thatsächlrche Zugehörigkeit der europäische Dreibund sei, während die so benannte Gruppirung eben nur ein „deS Gerede» wegen" nicht von der Tafel getragenes Schaugericht sei, eine Scheinehe; Frankreich und Italien hingegen führten mit Rußland eine die Nach kommenschaft großer politischer Ereignisse versprechende wönags ö. trois. Dem Vergnügen, die Dinge so darzustellen, wie sie ihnen am besten gefallen würden, hatte man auf deutscher Seite die Franzosen ohne jede Bemerkung sich hingeben lassen sollen. Es ist sestgestellt worden, daß der König von Italien zuerst nach Berlin reisen wollte, aber durch bereit» vorher festgesetzte Reisepläne de» Kaiser» Wilhelm zu einer Ver schiebung de» Besuches in der deutschen ReichShaupt- stadt veranlaßt wurde, dabei aber — wegen vorauS- zusehender familiärer Verhältnisse am Petersburger Hofe — nicht im Stande ist, die Rußlandreise im Anschluß an den Berliner Aufenthalt zu unternehmen. An der einfachen Darstellung dieses Sachverhalt» konnte man sich in Deutschland genügen lassen und brauchte ihn nicht, wie ein Theil unserer Presse gethan und thut, der französischen »öffentlichen Meinung", die doch keine Notiz davon nimmt, in nicht gerade selbstbewußter Weise täglich aufgewärmt vorzusetzen. Die ganze „Termin"-Geschichte ist nicht der Rede Werth. Sehr viel ander» verhält e» sich mit der aufgetauchten Meldung, der Zar werde im nächsten Jahre den Besuch Victor EmanuestS in Rom erwidern. Bestätigt sich diese Ankündigung, so würde hier allerdings «ine auffällige unterschiedliche Behandlung Deutschlands gegeben fern. Nicolaus II. ist zwar seit seinem Regierungsantritt schon oft in Deutschland, aber noch niemals in Berlin, oder wa» man annähernd gleichbedeutend ansehen dürfte, in Potsdam gewesen. In der letztgenannten Stadt wurde er einmal erwartet und es wurde bekanntlich deswegen ein dort garnisonirendcs Regiment, das aber zu jener Zeit am Manöver in der Provinz theilnahm, über Nackt nach Potsdam beordert. Es mußte jedoch wieder in» UebungSfeld reiten, ohne dem russischen Kaiser Ehrendienst geleistet zu haben — der Zar kam nicht. Nun hat aber die Wahl de» BesuchS- orteS hei derartigen Zusammenkünften immer eine Rolle gespielt, und gerade in diesem Augenblicke wird diese über da» Etikettenmäßige immerhin hinauSgebende Be deutung wieder vor Aller Augen geführt. Und zwar durch die Frage, wo die Zusammenkunft zwischen Kaiser Franz Josef und dem König von Italien, die jetzt so eifrig erwartet wird, stattfinde» wird, da nach italienischer Auffassung der Besuch de» befreundeten Monarchen in einer italienischen Provinzialstadt einem Aufenthalt in Rom, der Hauptstadt, als nicht gleichwerthig zu erachten ist. Die Frage ist so alt wie der Dreibund und sie hat daS Bündniß nie mals ernstlich gestört. Sie wurde doch, namentlich auch vom Fürsten Bismarck, als Unbequemlichkeit gefunden. Aber man würdigte und würdigt heute noch den Beweggrund des strengkatholischen Kaisers Franz Josef, der Rom nicht be treten zu sollen glaubt, ohne dem Papst zu huldigen, bei einem Besuche aber, der dem König von Italien gilt, auf einen Empfang im Valican nicht rechnen kann. Diesem Grunde versagt — die lange Dauer und die abermalige Er neuerung deS Dreibundes beweisen «S — auch das osficielle Italien die Berücksichtigung nicht, aber mit einem Sur rogat wollen sich anscheinend König Victor Emanuel und seine Regierung nicht begnügen. Wenn das Land, daS doch in der That nicht mächtiger ist als daS deutsche Reich, trotz des Verständnisse" für die Erwägungen des Kaisers Franz Josef in einer Förmlichkeit, die daS nationale monarchische Selbstbewußtsein berührt, sich nicht auf ein Com- promiß einläßt, so sollte man hoffen dürfen, die repräsentative Stelle in Deutschland werde von den gleichen Gesichtspunkten ausgeben. An sich ist das auch vielleicht keine Cardinalfrage. Aber da» Verhalten Italiens verstärkt den durch mancherlei Vorkommnisse erzeugten und genährten Wunsch, e» möchten von deutscher Seile nur solche inter nationale Aufmerksamkeiten, deren lückenloser Erwiderung man mit Bestimmtheit entgegensetzen kann, erwiesen werden. In dem viel projectirenden Frhrn. von Zedlitz und Neukirch ist nun auch der Ehrgeiz, der Hannibal Fischer für den deutschostafrikanischen Colonial besitz zu werden, erwacht. Man solle eS loSschlagen — „verkümmeln" wie Bruder Studio sagt — und eS natür' lich zunächst England anbieten. Nun hat die .Post", da» Organ der Reichspartei, der Frhr. v. Zedlitz angehört, die Anregung sofort mit aller wünschenSwerthen Entschiedenheit, mit .Entrüstung", zurückgewiesen, und die Stelle, die e» zu erst angeht, hat den Freiherr» energisch abgeschüttelt — wenigsten» hat sie so erklären lassen. Immerhin hat der Mann auch -Fühlung" und wenn er, wie sich iu der Canalsache gezeigt, auch nicht davor zurückscheut, oppo sitionell zu wirken, so kann und muß e» ihm bei seiner Sonderstellung erwünscht sein, neben Unwillen auch Beifall zu ernten. Ein Weg zu letzterem Ziele ist zu allen Zeiten die Empfehlung von Plänen gewesen, die hochge stellte Herrschaften für ihre Person noch nicht offenbaren zu dürfen glauben. ES ist möglich, daß der Frhr. v. Zedlitz mehr al- eine eigene Eingebung an die Zeitung-glocke ge hängt hat. Die vor einiger Zeit aufgetanchte Behauptung, ein hoher Beamter habe prophezeit, ostafrikaniscke Besitzungen seien lediglich Compensatione», ist in einer Weise dementirt, die die Glaubwürdigkeit der Behauptung »icht «de« stark erschüttert. ES liege» auch andere Anzeichen vor, die ver- muthen lassen, die britische Parole „Voa Kairo bis zum Cap" errege und zwar in ihrer Verbreitertesten Form, an manchen Berliner officiellen Stellen da» Gegeotheil von Mißbehagen. Gewiß ist, daß Be fürchtungen dieser Art zu den Hindernissen gehören, die sich dem Bau von Eisenbahnen in Deulschostafrika entgegen stellen. Auch schlägt die »Post" bei der Abweisung de» VerschleißungSplaneS Töne an, die die Bermuthung nahe legen, daö Blatt denke an gefährlichere Gegner der Festhaltung unseres Colonialbesitze», als der Frhr. v. Zedlitz jemals werden könnte. Man begegnet da u. A. der Frage: „Wozu soll schließlich unsere starke Flotte dienen, wenn wir so leicht herzig werthvolle Colonien aufzugeben bereit wären?" Aber trotz alledem, wie schon gleich nach dem Auftauchen deS lieb lichen Plane» gesagt, glauben wir nicht an eine ernsthafte Gefahr. Gleichzeitig mit Deutsch-Ostasrika bietet Frhr. v. Zedlitz daS Iesuitengesetz auS. Auch die» solle man verkaufen, um e» nicht verschenken zu müssen. Auch in diesem Falle ruft „der große Handelsmann" viel leicht nicht ohne Kenntniß bestehender Plane, in diesem Falle gereifter Pläne, zum Geschäft. Nach der .Germania" wäre die« sogar gewiß. DaS Blatt erwidert dem Freiherrn, wenn das Centrum sich auf einen solchen „Kuhhandel" hätte ein lassen wollen, so wäre das Iesuitengesetz wohl längst auf gehoben; an Angebote» dazu habe eS auch vor dem jetzigen Vorschlag des Frhrn. v. Zedlitz nicht gefehlt. Wenn die „Germania" nicht die Namen der „Anbieter" nennt, wird e» mit dieser Behauptung gehen wie mit der Versicherung, dem verstorbenen vr. Lieber sei ein hohes Amt vergebens an getragen worden. Berichtet das klerikale Blatt wahrheits getreu von Angeboten, an die Zurückweisung würden wir unbedenklich glauben. Denn die Beseitigung deS Iesuiten- gesetzeS hat für den UltramontaniSmus nur einen sehr gering fügigen materiellen Werth, dagegen sein Fortbestehen einen hohen AgitationSwerth. Der sür die nationalliberale Partei glückliche AuSgang der Bayreuther Reichstagswahl giedt Gelegenheit, diese zum größten Theil unerquicklichen Betracktungen mit der Erwähnung einer erfreuliche» Thatsache zu beschließen. Deutsches Reich. Berlin, 12. Juli. (Steuerpolitische Hetze.) Dem socialdemokrattschen Centralblatt ist die Kritik, die seinen steuerpolitischen Hetzereien zu Theil geworden ist, sehr unbequem, und es versucht mit mehr Eifer als Erfolg, deren Wirkung abzuschwächen. Dabei passirt ihm zunächst das Mißgeschick, die Vermögenssteuer als für den Umfang -cs ganzen Reiches geltend anzusehen, während sie doch nur in Preußen besteht und demzufolge auch ihr Ertrag nur mit den anderen Posten des preußischen Staatshaushalts etats in Vergleich gestellt werden kann. Sodann aber glaubt das Blatt einen Haupttrumpf damit auszuspielen, daß cs hervorhcbt, in England fließe ungefähr ein Fünftel des ganzen Staatscinkommens aus -er Einkommensteuer, während in Deutschland der Ertrag der direkten Steuern nur den 15. Theil der Staatseinkünfte ausmache. Das ist ein Taschenspielerkunststück der primitivsten Art; denn die Einkünfte der deutschen Bundesstaaten und dieicnigcn Großbritanniens sind so verschieden gestaltet, daß sic in -cm Sinne, wie das socialdcmokratische Organ cs thut, gar nicht vergleichbar erscheinen. Zunächst siguriren in den deutschen Budgets in Folge des Verhältnisses zum Reiche als Einnahmen Uebcrwetsungen im Betrage von 544 Millionen Mark, welche aber im vollen Betrage in Form von Matrikularumlagen an das Reich wieder zurückfließen, mithin lediglich durchlaufende Posten bilden. Viele bundesstaatliche Etats weisen aber auch noch andere durchlaufende Posten im höheren Betrage auf, wie der preußische Etat die Einuahmen und Ausgaben des Hinter legungsfonds und den bekannten durchlaufenden Posten im Staatsschuldenetat. Außerdem kommt in Betracht, daß bei allen deutschen Staaten die Einnahmen aus den Staats vermögen eine sehr beträchtliche Rolle spielen, während in Großbritannien der Schwerpunkt der Staatseinnahmen in den Steuern ruht. Die staatlichen Betriebe erfordern aber bekanntlich zur Erzielung ihrer Ueberschüsse sehr be trächtliche Ausgaben, welche einen großen Theil der Bruttoeinnahmen verzehren. So verschlingen die Be triebsausgaben der preußisch-hessischen Staatsbahnen un gefähr 60 Procent der Betriebseinnahmen. Ist Sachsen beträgt der Betriebscoöfficient sogar 78 Procent. Auch der zur Erzielung des Ueberschusses von den Einnahmen nothwendige Theil bildet sonach nur einen durchlaufenden Posten und man gelangt zu völlig verkehrten Ergebnissen, wenn man die Einnahmen steuerlicher Natur mit den Bruttoeinnahmen aus den Vermögensverwaltungen zu- sammenwtrft. Will man wissen, welche Bedeutung in Wirklichkeit die Einnahmen aus den dirccten Steuern für die preußischen Staatsftnanzen und für die Deckung deS wtrthschaftlichen Staatsbedarfs haben, so muß man den Nettoetat in die Hand nehmen, wie er seit einer Reihe von Jahren regelmäßig dem nach dem Bruttosystem aufge stellten Entwurf des Staatshaushalts beigegebcn wird. In diesem Nettoetat figuriren auf der einen Seite die Ueberschüsse, welche die sogenannten Ueberschutzverwal- tungen nach Abzug ihrer eigenen Ausgaben an die Staats- cafse liefern, auf der anderen Sette die Zuschüsse, welche nach Abzug der eigenen Einnahmen der betreffenden Ver waltungen die Zuschußverwaltungen, also die Allgemeine Staatsverwaltung, Dotationen und Staatsschuld, erfor dern. Nach dem Nettoctat für 1902 beträgt im laufenden Jahre der Gcsammtbedarf an Zuschüssen 493 Millionen Mark. Zur Deckung dieser Zuschüsse liefern die dtrecten Steuern ihren Ueberschuß von 197 Millionen Mark, mithin rund um 10 Millionen Mark mehr, als Eisenbahn-, Berg. werkS- und Hüttenverwaltnng zusammen zur Deckung dieses Bedarfs beitragen. Wenn nun der „Vorwärts" mit besonderem Nachdruck hervorhebt, daß Großbritannien >/» feines Staatsbedarf- au» der Einkommensteuer deckt, wird er aus diesen Daten ersehen können, daß in Preußen rund 2/» dieses Deckungsbedarfs aus den direkten Steuern, also der Einkommen- und Vermögenssteuer, entnommen werden, daß mithin im preußischen Staatshaushalt die dtrecten Steuern noch eine ungleich größere Rolle spielen, als in dem britischen. So ist denn auch dieser zweite Ver such, noch etwas von der steuerpolitischen Hetzeampagne zu retten, völlig mißlungen. L. Berlin, 12. Juli. (Autorität.) Der Berner Philosoph Ludwig Stein veröffentlicht im neuesten Heft von Schmoller's „Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft" eine sehr gehaltvolle Untersuchung über das Thema „Autorität". Von Steins Aus führungen verdient der Abschnitt, der mit den Grenzen der Autorität sich beschäftigt, sowohl wegen des Rückblicks auf die Vergangenheit, als auch wegen der Art, wie die Gegenwart darin beurtheilt wird, besondere Beachtung, so daß es sich verlohnt, diesen Gcdankengüngcn zusammen fassend zu folgen. Den Ausgangspunkt Stein's bildet dabei die zweifellos richtige Ucberzeugung, daß die Ueberspannung des Autoritätsbcgriffcs ebenso große Nebel nach sich ziehen kann, wie die völlige Preis- gebung aller Autorität; in letzterem Falle geht die Ge sellschaft unfehlbar der Auflösung entgegen, im ersteren läuft sie Gefahr, die Persönlichkeit zu ersticken und das Volksthum aus Mangel an Individualitäten zu seelen loser Starrheit herabzudrücken. Tie geschichtlichen Bei spiele von Egvpten, Byzanz und Spanien, wo die höchsten Autoritäten unumschränkt herrschten, und statt der Blüthe den Ruin ihrer Volker herbeiführten, reden in dieser Be ziehung eine deutliche Sprache. Die egyptische Despotie endete mit der Vormundschaft des germanisch-protestan tischen England, die byzantinische mit der Beugung des Kreuzes unter den Halbmond, die spanische mit Entner- vung und Verlust der Colonien an die Union, die fran zösische Ludwig's XIV. mit der großen Revolution. Da gegen läßt sich an der Entwickelung der germanischen Völker, die mit der Wahrung des Autoritätenprincipcs ein hohes Maß individueller Freiheit zu verbinden wissen, -en Beweis erbringen, daß in der germanischen Ver söhnung von Autorität und Freiheit die Lösung des Problems liegt. Die Germanen sind nicht, wie die Semiten, von der Autorität erzogen, sondern von der Geschichte erst allmählich zur Autorität erzogen. Erst die Berührung mit Rom läßt den Staatsgedanken in ihnen reifen, nachdem der germanische Individualismus vom römischen Universalismus zunächst besiegt worden ist. Der Urgegensatz zwischen Romanen und Germanen kommt, wie auf dem politischen, so auch auf religiösem Gebiete zum schärfsten Ausdruck. Der Katholicismus ist nur die reli giöse Formel für romanischen Universalismus, sein Lebensprincip ist Autorität, und zwar absolute Autorität. Alle Eigenart, jeder Persönlichkcitsdrang wird erstickt durch die das Einzellebcn aufsaugende Allmacht der kirchlichen Autorität. Als nach tausendjähriger Erziehung durch römischen Universalismus der alte teutonische Freiheits drang ungestüm erwacht und eine besondere germanische Cultur im Herzen der angelsächsischen Rasse und in Deutschland sich ausbildet, da werden die Fesseln des uner träglich gewordenen römischen Universalismus gesprengt; die Reformation ist ein Protest gegen den, alles Eigenleben lähmenden, kirchlichen Universalismus. Der Kampf wird auf allen Linien ausgenommen; deutsche und niederlän dische Knnst rcvoltiren gegen die ausschließlich kirchliche Roms, die englische Philosophie bricht das Joch der scho lastischen Denkweise, die deutsche Wissenschaft zertrümmert mit Copcrnikus, Tycho de Brahe und Kepler das ganze mittelalterliche Weltbild. Daher geht der mittelalterlich kirchliche Autoritätenbcgrisf in die Brüche, ein neuer Autoritätsbegriff wird vom Germanenthum construirt und die beiden Grenzpfähle desselben heißen: ver nünftige Einsicht und öffentliches Wohl. Diesen Autoritätsbegriff hat Niemand so scharf umgrenzt und so tief dem Volke cingcgrabcn, wie Friedrich der Große. Seiner Absicht nach der erste Diener des Staates, war er nach seiner Wirkung der erste Lehrer seines und des deutschen Volkes. Seit der Einführnng der allgemeinen Dienstpflicht bildet sich die Ver antwortlichkeit Aller am Wohle und Wehe der Nation immer mehr heraus. Wollen Alle an der Freiheit Theil haben, so müssen Alle ihren Tribut in der Form der all gemeinen Dienstpflicht zollen. Di e n a ti o n a l e A rm c e ist der Typus des modernen Autoritäts begriffes, Leitung und Disciplin beruhen in ihr auf vernünftiger Einsicht, und ihr Zweck ist kein anderer, als die Aufrechterhaltung der nationalen Wohlfahrt. Daö ganze Volk bildet die Basis, der oberste Kriegsherr die Spitze der Pyramide. Die oberste Autorität wurzelt im Volke selbst, das Verfassung und Fürsten respectirt, nicht, weil mau diesen Respect von oben herab befiehlt, sondern man bringt ihn von unten hinauf freiwillig cntgegeu. „Es ist deshalb", schließt Stein wörtlich, „nur eine Tbcil- wahrheit, daß wir den Respect von Autoritäten einzubüßcn im Begriffe stehen. JnWirklichkcitwarEuropa. Dank der allgemeinen Dienstpflicht, nie mals besser disciplin irt. als heute. Nur die patriarchalische Begründung der Autorität hat in Folge der technischen und VcrkehrSumwälzungcn der letzten Jahrzehnte an Wirksamkeit und Gewicht verloren. Hat auch die Autorität von oben herab, die patriarchalisch be griffene, von kirchlichen oder weltlichen Souveränen die tirte, an Intensität abgenommcn, so ist dies weder für die Souveräne, noch für das Volk eiy Unsegen. Denn nur antiquirte Formen der Autorität überleben sich, während d i e Autorität bleibt, so lange es eine Cultur giebt. .. --- Berlin, l2. Juli. (Pech.) Zu den deutschen Schirm» Herren der Polen gehören selbstverständlick die welfisch en „Rechtsparteiler". Sie haben sich auch beeilt, die be kannte Kundgebung polnischer Adliger an den Oberpräsidenteu von Posen in ihrem Organ mit ihrem Beifall zu begleite». Der ganze Inhalt dieser Kmrdgrbuog soll „würdig" gehalten sein, da- Auf treten der Demonstranten wird als das Zeugniß einer vornehmen, loyalen (!) Gesinnung gepriesen u. s. w. Mit welcher Sachkenntnis das hannoversche Welfenblatt die preußische Polenpolitik behandelt, zeigt sich bei dieser Ge legenheit iu überaus charakteristischer Weise; denn es schreibt wörtlich: „Die Unterzeichner stellen sich auf den Rechts- standpunct und protesliren gegen Maßregelungen, die, wenn mau sie auch durch einzelne Ausschreitungen der Hakatisten zu rechtfertigen sucht, doch den Polen gegenüber, welche ihre Pflichten als Staatsbürger bisher treu erfüllten, äußerst bart, ja verwerflich erscheinen." — Wie man sieht, unter scheidet das hannoversche Welfenblatt zwischen den Polen, die ihre Pflichten als Staatsbürger treu erfüllen und zwischen solchen Polen, die sich Ausschreitungen zu Schulden kommen lassen. Die letzlere Art wird von dem Welfenorgan als — Halatisten bezeichnet! Welche ungeheure Unkenntniß der öst lichen Verhältnisse muß dieser Verwechselung zu Grunde liegen! Und Leute, die den Vorwurf so weitgehender Un kenntniß schlechterdings nicht von sich abwälzen können, nehmen den Mund voll über die preußische Poleopolitik — vom Rechlsstandpuncte auS! (D Berlin, 12. Juli. (Telegramm.) Ueber die Kaiferrcise wird heute gemeldet: O dde, 12. Juli. (Telegramm.) Tie „Hohenzollrrn" mit dem Kaiser an Bord ist heute Vormittag nach Bergen in See gegangen. T Berlin, 12. Juli. (Telegramm.) Der „Reich-anzeiger" schreibt: Dem Geheimen Commerzienrath Ludwig May Gold berger und dem Fabrikbesitzer Karl v. Siemens, beide in Berlin, wurde der Kronen «Orden 2. Classe verliehen. — Die Preußische Gesetzesammlung veröffentlicht das Gesetz betr. die AnSsÜhrung des Schlachtvieh- mid AleischbcschaugesclzeS vom 28. Juli 1902, sowie das Gesetz betr. die Maßnahmen zur Stärkung des Teutschlhums in den Provinzen Westpreußen und Posen vom 1. Juli 1902. — Der Reichskanzler wird seine Reise nach Norderney erst im Lause der nächste» Woche antreten. — Gegen den Berliner Apothekcn-Boycott haben die Apothekergehilfen Stellung genommen. Der Ver band preußischer Apothekenconcessionsanwärter faßte in seiner Hauptversammlung in Berlin folgende Resolution: „Die älteren Apothekergchilfen sehen sich durch den Verlauf des Boycotls, der zur Zeit in Berlin besteht und voraussicht lich nicht ohne Rückwirkung auf das ganze Königreich bleiben wird, schwer bedroht einerseits in de» Erwerbs verhältnissen ihrer derzeitigen Conditionszeit, anderer seits in ihren Aussichten auf Selbstständigkeit, da die noth wendige Vermehrung der Apotheken durch den Boycott hintan gehalten wird." Außerdem wurde der Vorstand beauftragt, durch Rücksprache mir verschiedenen Landtazsabgeordnelen zu erwirke», daß der Minister veranlaßt werde, die concession- verleihenden Behörden anzuweisen, das AnciennitätSprincip und die andauernde Thätigkeit iu einer Apotheke als Haupt bedingung für die Verleihung einer Cvncession anzusehen. — EineGcsammt-Organisationderdeut- s cki c n I u d e n soll, wie Berliner Blätter schreiben, anstatt des allseitig abgelchnrcn Judcutages, ins Leben gerufen werden. Ter vorbereitende Ausschuß har eine Umfrage über die Norh- wcndigkcir einer solchen Organisation unter den jüdischen Ge meinden, wie unter den Rabbinern Veranstalter. 227 Ge meinden, darunter Berlin, Posen, Danzig, Leipzig u. s. w. haben unbedingt dem Plane zugeslimmi. Doch fehlt es dem Projekte auch nick» an Gegnern. So erklärte die große Juden gemeinde Frankfurt a. M. sich entschieden gegen den Plan mir dem Bemerken: „Soweit politische Interessen im engeren Sinne in Betracht kommen, erachten wir eine Organisation der Juden nicht für empfehlenswert!), sondern für schädlich." Von 219 Rabbinern haben sich 92, darunter die Rabbiner der größten dcutsclwn Cultusgcmeinden, unter Anderem auch Ber lins, sür die Schaffung einer solchen Organisation ausge sprochen. Ein großer Theil der 1553 dem Deutsch-Israelitischen Gcmcindcbnndc angeschlosscncn Gemeinden hat überhaupt noch zu der Frage keine Stellung genommen. Ter Ausschuß leitet inzwischen eine lebhafte Agitation ein, um die Gemeinden, ohne Unterschied ihrer Mirgliedcrzahl, ihrer Bundessraalszugehörig- keit und ihrer religiösen Richtung, zur Befürwortung des Organisationsprojects zu bewegen. — Im Fall Schmoller-Woth hatte Landrichter vr. Mittel stadt in der „D. Juristenztg." Len Inhalt des „Rescrats" des Stu denten so getchildert: Professor Schmoller habe geäußert, der Streit um den Zolltarif habe wenig Sinn, da die Regierung gar nicht daran Lenke, Len Taris Gesetz werden zu lassen, sonder» ihn, wie Schmoller aus persönlichen Aeußerunge» bekannt sei, nur al-s Mittel zur Erreichung günstiger Handelsverträge gebrauche. In dieser Mit theilung soll das Gericht eine Verletzung des Urheberrechts gesunden haben, und, wie der Versager eingehend aussührt, mit Unrecht. — In der Zeitschrift „Das Recht" stellt jetzt einer, der an dem Urtheil mitgcwirkt hat, fest, das; das Gericht nickt dieje Recktsansicht vertreten hat. Es sei — Las ginge ans der Veikundigunq der Urtheil-grnnde klar hervor — überhaupt nicht von der Aeußerung Schmoller's die Rede gewesen, die nach dem Verfasser das Gericht als schutz- sähig angesehen Haden solle, sondern als strafbar sei bezeichnet worden die nahezu wörtliche Wiedergabe desjenigen Theils der Cchmollcr'scben Vorlesung, der von der neuen Zollvorlage handelte und den Schmoller seinen Zuhörern in das Colleghest dictirt habe. Deswegen und nicht — oder doch nicht nur — wegen Wiedergabe der erwähnten Aeußerung hätte auch Prof. Schmoller den Strafantrag gestellt. (.) Glücksburg, 12. Juli. (Telegramm.) Die ?)acht „Iduna" mit der Kaiserin und den Prinzen an Bord ankerte am 9. und lO. Juli im Alsensund, am l l. Juli vor dem Höruper Hass und am >2. Juli vor Glücksburg, wo Prinz Adalbert an Bord kam. Das Wetter ist stürmisch. (-) Tanzig, >2. Juli. (Telegramm.) Aus der Schiff- bauwerfl F. Schichau in Danzig fand heute Vormittag in Anwesenheit deS Geheimraths Ziese von der Firma F. Sckichau, GeneraldirectorS Ur. Wiegand und Ur. Jordan von» Nord deutschen Lloyd, sowie des OfsicirrcorpS des Branden burgischen Hllsaren-NegimentS Nr. 3 v. Zieten, der Spitzen der Behörden uud unter großer Bethriiigung der Bevölkerung der Stape.llauf de- auf der Werft sür den
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