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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.07.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140724019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914072401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914072401
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1914
- Monat1914-07
- Tag1914-07-24
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Scue2. Nr. 371. Morgen«Nusosvr Leipziger Tageblatt. Freitag, 24. Juli 1914. Land« ihm einen entscheidenden Einfluß in der sozialpolitischen Bewegung sichern. — Bezeichnet man, nach Tschrrnischew, auf der Karte de» europäischen Rußlands di« industri«llen Gouverne ments. die 11 Proz. und mehr Arb«tt«rbevölkerung haben, und die ackerbautreibenden Gouvernements mit 09 Proz. Feldarbeitern, so bilden di« letzteren «inen Ring in der Mitte, um den sich die Industrie gouvernements gruppieren. Man kommt beinah« zum gleichen Resultat, wenn man auf der Kart« die Gouvernements mit 27,7 Proz. Arbetterbevölkerung im Verhältnis rur Bauernbevölkerung bezeichnet. Es zeigt sich, da» die Bauerndistrikte mit einem Kranz von Arbetterdistrikten umgeben sind, in dem sich Gouvernements mit der größten Anzahl von Proletariern befinden." Solche geographische Verteilung braucht auf den Verlauf revolutionärer Aktionen nicht von derselben entscheidenden Bedeutung zu sein, wie das Verhalten der die großen Städte um gebenden Bauernbevölkerung, die an der revo lutionären Bewegung einen weniger tätigen Anteil genommen hat, als oie von den Indu striezentren entfernter wohnende. Aber Kul- czyckr, der diesen Gesichtspunkt betont, stellt nicht in Abrede, daß jene geographische Verteilung für die Verbreitung revolutionärer Ideen wichtig ist. In kritischen Zeiten kann gerade die weite Verbreitung revolutionärer Gedanken für die innere Festigkeit des russischen Staates verhängnisvoll werden. Deutsches Reich. * Reichstagsersatzwahl in Heidelberg-Eberbach. Für die in Hcidelberg-Eberbach durch Beförderung des Reichstagsabgeorvncten Beck notwendig ge wordene Reichstagsersatzwahl wird die nationallibe rale Partei den basischen Parteiführer Landgerichts direktor Dr. Obkirchcr als Kandidaten aufstellen. * Die Erörterungen über einen Zigaretten- Monopolplan haben in der Zigarcttenindustrie einige Unruhe hervorgcrufcn. Eine größere Dresdner Zigarettenfabrik hatte, wie unser Dresdner l>-Mitarbeiter erfährt, zwei Aufträge über angeblich zusammen 7 Millionen Mark in Aussicht, die am Donnerstag perfekt werden sollten. Beide Aufträge sollen aber im letzten Augenblick unter Bezugnahme auf die Monopolpläne nicht zustande gekommen sein, da die Besteller augenblicklich keine Beifügungen treffen wollten. (Wir geben diese Meldung nur mit Vorbehalt wieder. D. Red.) * Ablehnung einer Spende zum Geburtstage des Königs Ludwig. Abermals hat eine bayrische Stadtaemeinde abg'clehnt, dem König zu seinem 7h. Geburtstag ein Geburtstagsgeschenk darzubringen. Das Gemeinvckollegium der Stadt Pfaffen hofen a. Zlm hat einstimmig abgelehnt, bei der fortgesetzten Vermehrung der Staats st euer n weitere persönliche Ab gaben für den Königsgeburtstag der stadtgemeinde aufzulegen. Es handelte sich um einen geforderten Beitrag von nur 75 ./L Ausland. Gesterrekch-Ungarn. * Im Abgeordnetenhaus« wurde, wie aus Pest gemeldet wird, der Abg. Lümegi wegen Renitenz von zehn Sitzungen ausgeschlossen. Er weigerte sich den Saal zu verlassen und mußte von der Par - lamcntsgarde entfernt werden. Der größte Teil der Oppositionellen hatte schon vorher den Sitzungssaal verlassen zum Zeichen, daß sie mit Sümegi nicht einverstanden sind. Nachher wurde die Debatte unter Teilnahme der Opposition ruhig fortgesetzt. * Lei den Zusammenstößen in Marienberg bei Troppau wurden am Mittwoch sechs Per sonen, die sich an den Ausschreitungen beteiligten, verletzt, darunter zwei schwer. Zwei Gendarmen wur den durch Stei'lwürsc verletzt. Neun Personen wur den verhaftet. England. * Die Homerule-Konfereuz ist am Donnerstag um 11 Uhr 30 Min. vormittags wieder zu einer Sitzung zusammengctretcn. Die Sitzung dauerte zwei stun den. Anschließend hatte Asquith eine Audienz beim König. Sulgarien. * König Ferdinand von Bulgarien hat seinen Be such in Bayreuth mit Rücksicht aus die politischen Verhältnisse abgesagt. Türkei. * Die Abreise des Großwesirs. Aus Konstan tinopel wird gemeldet: D'e Abreise des Groß- wesirs nach Brüssel zur Zusammenkunft mit dem griechischen Ministerpräsidenten Venizclos erfolgt am Sonnabend. — Die Verhandlungen mit der Stan dard Oil Company wegen der Pc troleu ni- groben in Anatolien sind weit vorgerückt: d'e Re gierung erteilte ihr die Erlaubnis, an 23 Stellen Bohroersuche oorzunehmen. krchl una SeriAl. Königliches Landgericht. Leipzig, 23. Juli. Z Unter der Anklage der Urkundenfälschung hatte sich der 55jährige Möbelhändler Wilhelm Max Scherz vor der Ferienstrafkammer 0 zu verant worten. Der Angeklagte Scherz, der gelernter Tape zierer rst, gründete im Jahre 1887 in Plagwitz ein eigenes Gescyäft, das in den ersten Jahren auch ganz gut gegangen ist. Scherz brachte sich zu Ansehen, würbe Mitglied verschiedener Körperhaften, so unter anderem Vorstandsmitglied der Schutz gemeinschaft für Handel und Gewerbe, auch ist er zum Armenpfleger in seinem Distrikt er nannt worden. Sein Geschäft ist später mehr und mehr zurückgegangen. In der heutigen Verhandlung behauptete er. daß er große Verluste gehabt habe: so habe er an einen Schuldner, der in Konkurs ge raten sei, eine Forderung von 18 000 gehabt und s.ch mit 20 Prozent begnügen müssen, so daß er einen Schaden von 14 400./L gehabt habe, auch habe sein Schwiegersohn schuld an dem Niedergange seines Unternehmens. Trotz seiner redlichen Anstrengungen habe er >ein Geschäft nicht wieder hochbringen können, und er ser dann nach der Schweiz gegangen. Scherz hat nach dort 25W./L mitgenommen und sich in Luzern niedergelassen, wo er es mit einem Trans portgeschäfte versuchte. Wegen Betrugs, bei dem es sich um 1500 Fr. handelte, ist er vom Schweizer Gericht zu 5 Monaten Arbeitshaus verurteilt worden. In dem Hause seines Schwiegersohnes, bei dem Scherz wohnte, machte er nämlich die Bekanntschaft einer Dame, die ein derartiges Vertrauen zu ihm faßte, daß sie ihm ihre Wertpapiere übergab nut dem Auftrage, daß er dieselben gut für sie anlegen solle. Sre ist erst mißtrauisch geworden, als sie die fälligen Zinsen nicht zu sehen betam. Der Sohn der Dame hat angegeben, Scherz habe seiner Mutter ihr Vermögen von 10000 ./L abgeschwindelt und auch noch die 5iX) Zinsen in die Tasche ge steckt. Scherz selbst bestreitet das alles und be hauptet, er habe die Papiere ganz so angelegt, wie er es mit der Dame verabredet gehabr habe, ohne sein Verschulden sei allerdings der Frau ein Verlust von 8000 Fr. entstanden. Scherz ist dann nach Deutsch land zurllckgekommcn, nachdem er die ihm zuerkannte fünfmonatige Strafe verbüßt hatte. Am 13. Dezember vergangenen Jahres wurde er unter dem Verdachte, sich umfangreicher Wechielschwindeleien schuldig ge macht zu haben, in Untersuchungshaft genommen, lieber sein Vermögen ist schon im Jahre 1905 der Konkurs verhängt worden, die Gläubiger haben sich mit sechs Prozent begnügen müßen. Der Angeklagte erklärte dazu, daß er noch große Außenstände gehabt habe. Die jetzige Anklage stehe in Verbindung mit dem Rückgänge des Geschäfts des Angeklagten in Plagwitz. Der Eröffnungsbeschluß besagt, daß Scherz sich in achtzehn Fällen der Wechselfälschung schuldig gemacht hat. Unter Vorspiegelung falscher TaOachen soll Scherz sich von seinen Schuldnern Blankoakzepte verschafft haben, die er mit seinem Rainen als Aussteuer versah und ohne den Willen und das Wissen der Schuldner in den Verkehr brachte, wobei er die Summen jedesmal auch noch höher einjetzte, als sie durch das Schuldkonto der Akzep tanten gerechtfertigt waren. So hat er nach der Anklage einen Wechsel, der das Akzept eines Schuldners trug, auf 887,25 Mark ausgestellt, wäh rend die Schuld nur 300 Mark betrug, einen anderen Wechsel wieder belastete er mit 178 .//, trotzdem daß ihm der Akzeptant nur 45.40 VL schuldete, und so weiter. Der Staatsanwalt führte aus, daß der Angeklagte Scherz noch viel mehr Wechsel gefälscht habe, als die in der Anklage auf geführten Akzepte, und der Konkursverwalter hat erklärt, daß die Akzeptanten durch die betrügerischen Manipulationen des Scherz sehr schwer geschädigt worden seien, einzelne seien direkt ruiniert worden. 2m großen ganzen gab der Angeklagte zu, sich der ihm zur Last gelegten Straftaten schuldig gemacht zu haben. Wegen be trügerischen Bankerotts wird Scherz sich auch noch vor dem Schwurgerichte zu verantworten haben: es wird ihm nämlich vorgeworfen, Laß die 2509 die er mit nach der Schweiz genommen hat, mit zur Konkursmasse gehörten, er die Summe also nicht für sich verbrauchen durfte, und daß dem nach seine Gläubiger um diesen Betrag ge schädigt worden sind. Die heutige Verhandlung ergab die Schuld des Angeklagten Scherz in vollem Umfange, und der Gerichtshof erkannte gegen ihn unter Anrechnung von fünf Monaten der erlittenen Untersuchungshaft auf eine Gefängnisstrafe von einem Jahre und sechs Monaten, die bürgerlichen Ehrenrechte wurden dem Angeklagten auf die weitere Dauer von drei Jahren aberkannt. Königliches Schöffengericht. Leipzig, 23. Juli. L Beleidigung eines Telephonfräuleins. Wenn man am Telephon steht und auf den Anschluß warten muß, dann kann das unter Umständen recht un angenehm sein und die Warterei kann einen ärgern. Aber nian tut nicht gut, diesen Aerger an dem Telephonfräulein auszulassen, denn gar leicht kann eine Beleidigung dabei herausspringen und man hat sich nachher vor Gericht zu verantworten. Diese Erfahrung hat jetzt auch der Brauereivertreter Christian T. machen müssen, der eines Tages auf eine tele phonische Verbindung warten mußte und dann, als das Amt sich meldete, der Telephonistin zurief: „Fräulein, haben Sie schon ausgeschlafen?" Die Oberpostdirettion stellte wegen dieser be leidigenden Aeußerung Strafantrag gegen T.. das Schöffengericht war der Meinung, daß die Frage geeignet gewesen ist, die Telephonistin in ihrer Ehre zu verletzen, und das Urteil lautete auf eine Geld st rase von,wanzrg Mark. durch ihr Gewissen gezwungen, das der Kirche zu» gedachte Geschenk dieser auch zukommen zu lassen, zumal der Verstorbene ihm ausdrücklich erklärt habe, er hätte mit seiner Frau und seinen Kindern bereits alles vereinbart und die Abtretung der Grundstücke würde ohne Anstand erfolgen. Der letzte Wille eines Verstorbenen müsse geachtet werden: von dieser Verpflichtung könne nur durch den Papst ein Dispens erfolgen. Da sich aber die Witwe und ihre Kinder auch jetzt noch weigerten, in die Grundabtretuna einzuwilligen, schrieb der Pfarrer einen neuen Brief, in dem er erklärte, sie und ihre Kinder würden weder von ihm noch von einem andern Geistlichen je wieder zur Beichte zugelassen werden. — Daraufhin stellte die Witwe Hassel Klage, die auch wegen versuchter Erpressung gegen Pfarrer Gailer erhoben wurde. — Der Angeklagte bestritt in der Verhandlung jede Absicht, eine Erpressung ver bucht zu haben: nach seiner festen Ueberzeuguna >ei die Witwe Hassel zur Abtretung verpflichtet. Auch die versteckte Drohung in dem zweiten Briefe, daß die Witwe Hassel bei der Vergebung dec Schuttabfuhrarbeiten beim Kirchenbau nichts ver dienen und so zum Gespött ihrer Bekannten werden würde, will er für durchaus berechtigt angesehen haben: dem Umstand, daß auch der Sohn und eine Tochter Hassels nichts von der angeblich beabsichtigten Schenkung ihres Vaters wußten, maß der Angeklagte keine groge Bedeutung bei. Ein als Sachverständiger vernommener Pfarrer aus Mannheim erklärte zwar, theoretisch habe das Verlangen des Angeklagten nicht gegen die kirchliche Moral verstoßen, aber mit der Art und Weise, wie Pfarrer Gailer den Willen des Verstorbenen zur Schenkung feststellte, könne er nicht gutheißen. Rach dem Antrag des Staatsanwalts wurde der Angeklagte zu acht Tagen Gefängnis verurteilt. Nachrichten vom Lage. Das Nnwetter in Augsburg. Im Lause des Donnerstags ließ sich der kata strophale Umfang des am Mittwoch abend über Augsburg niedergegangenen Unwetters un gefähr absehen. Am Vormittag bot die Stadt ein vollständig winterliches Bild. Der Hagel lag stellenweise einen, ja sogar zwei Meter hoch. Die sämtlichen Anlagen, Lhausseebäume und Gär. ten wurden bis aus das letzte Blatt verwüstet. Hunderte von Singvögeln wurden erschlagen. Zahllose Fensterscheiben gingen durch den Hagelschlag in Trümmer. Bäume wurden ent wurzelt, und in den benachbarten Dörfern wur den an verschiedenen Häusern die Dächer abge deckt. Der angerichtete Schaden ist ganz un übersehbar. Lin Pfarrer wegen Erpressung verurteilt. Heidelberg, 23. Juli. Mit einem seltenen Falle hatte sich die Straf, kammer des hiesigen Landgerichts zu befassen, vor der sich der 58jährige katholische Pfarrer Heinrich Gailer von Mühlhausen wegen Erpressung zu ver antworten hatte. Der Anklage lag folgender Tatbestand zu Grunde: Ein Oekonom namens Hassel, der in der Pfarrgemeinde des An geklagten wohnte, war Eigentümer eines an das Kirchengut grenzenden Grundstückes. Es sollte nun ivwohl -er-tDBrchmidair-latz ^«rgröhert und der Weg zwischen Pfarrhaus und Kirche ver breitert werden, und dazu wurde ein kleiner Teil des Hasselichen Grundbesitzes benötigt. Der in zwischen verstorbene Hassel soll nun nach Ansicht des Pfarrers das bindende Versprechen gegeben haben — und zwar in Gegenwart von Zeugen und außerdem mit Handschlag auf dem Sterbebette — die benötigten Grundstücksstreifcn schcnkweisc zu überlassen. Nach dem Tode Hassels weigerten sich nun dessen Witwe ivwie seine Kinder, die Keländestreifen herauszugeben, denn Hassel habe ein derartiges Versprechen niemals gegeben. Pfarrer Gailer schrieb nun an die Witwe einen Brief, in welchem er erklärte, vor dem Gesetz seien zwar die fraglichen Wegstreifen ihr bzw. ihrer Kinder unbestreitbares Eigentum, aber sie seien * Ueber die Schießerei in Osterweddingen bei Magdeburg, die wir bereits im gestrigen Abendblatt . meldeten, werden von unterrichteter Seite folgende neue Angaben gemacht: Am Mittwoch morgen hatte Vas Deutschtum in Spanien. Von August H. Hofer (Barcelona). II. Die Schulgemeinden in Madrid und Barcelona besitzen eigene Schulgebäude auf eigenem Grund und Boden, beide Schulen sind Realschulen und besitzen die Berechtigung zum Einjährig - Frciwilligendicnst. Es wäre dann noch die deutsch-spanische Schule in Palma (Insel Mallorca) zu erwähnen, welche deut sches Lehrpcrsonal hat. Ferner ist die protestantische Missionsschule des Pastors Fliedner in Madrid zu nennen, welche den Lehrplan eines deutschen Gym nasiums hat, aber mehr als protestantische spanische Schule und weniger als eine deutsche Schule anzu sehen ist. Weitere Schulen existieren meines Wissens in Spanien nicht, doch möchte ich hier darauf Hin weisen, daß Mittelschulen in Bilbao, Valencia und Malaga nötig sind, und das Auswärtige Amt in Berlin würde sich außerordentlich verdient machen durch eine offizielle Anregung zur Gründung dieser für die Erhaltung des Deutschtums in diesen Städten dringend nötigen Schulen, da dis jetzt die Eltern in diesen Orten gezwungen waren, ihre Kinder in spanische oder französische Schulen zu geben, wo durch jedes Jahr eine Anzahl deutscher Kinder dem Deutschtum verloren geht. An sonstigen Humanitären Anstalten wäre dann noch zu nennen das Humboldt- Sanatorium auf Tenerife (Kanarische Inseln), ein deutsches Unternehmen, welches in den letzten Jahren sehr um seine Existenz zu kämpfen hatte und cs wohl verdient, daß sich wohlhabende Leute in Deutsch land, die sich in dem gleichmäßigen milden Klima der Kanarischen Inseln für einige Zeit erholen wollen, entschließen, das Humboldt-Sanatorium als Aufenthaltsort zu wählen, wobei sie gleichzeitig eine interessante und abwechslungsreiche Seereise auf deut, schcn Dampfern oder auf den modernen Dampfern der Companla transatlnntica von Barcelona aus genießen können. An sonstigen Großunternehmungen baden wir noch die Deutsche Uebersecbank (Banco Alemon Transatlantico) in Barcelona und Madrid, welche sich eines großen und steigenden Ansehens unter der geschickten Leitung ihres rührigen Direktors Welsch erfreut, ferner sind unsere großen Schiffahrts gesellschaften zu nennen, in erster Linie der Nord deutsche Lloyd, die Hamburg-Amerika-Linie, die Kos- morlinie, die Slomanlinie (diese in spanischen Hän den), die blühende Korkindustrie in San Feliu de Guixol» und in Palamos (Bender, und Vincke K Meyer), Pablo Hartmann, Fabrik pharmazeutischer und chirurgischer Artikel, Kortina in Madrid und Barcelona, di« Schriftgießerei Neufvill« in Barcelona und Madrid (Filiale der Bauerschen Gießerei, Frank- ßurt a. Main), die Uhrenfabrik Maurer, Barcelona, die Elberfelder Farbenfabriken Bayer mit dem Hauptsitz in Barcelona (auch teilweise Fabrikation): die Höchster Farbwerke und die Badische Anilin- und Sodafavrik baden spanische Vertreter, ferner die Näh- maschinensaorik Wertheim (Stammhaus in Frank furt a. Main), die Puppemabrik Lehmann, Barce lona. Orenstein L Koppel, Madrid, ebendaselbst Ahles L Komp., die sich mit dem Vertrieb landwirt schaftlicher Maschinen befassen, R. Wolf-Magdeburg mit dem Sitz in Madrid und Filialen in Barcelona, Valencia. Bilbao, Sevilla, die bekannte Waffenfabrik Ludwig Loewe K, Co., Berlin, vertreten in Madrid. Weiterhin die Sicmens-Schuckert-Wcrke, die in Cor nelia bei Barcelona eine Zwci^fabrik und viele Ver- kaufsfilialcn in den größeren «tädten besitzen, dann die Allgemeine Elektrizitätsgcsellschaft (A. E. G.) Berlin, welche zahlreiche Zweigniederlassungen in ganz Spanien unterhält, mit dem Hauptsitz in Madrid, und in hervorragendem Maße an der Lie ferung für die bestehenden und an der Einrichtung zu gründender Elektrizitätswerke beteiligt ist. Bei dieser Gelegenheit möchte 'ch bemerken, wie sehr cs seinerzeit in deutschen und spanischen Kreisen bedauert wurde, daß die deutschen Anteile an der Companla Barcelonesa de Electricidad (des städtischen Elektri zitätswerkes non Barcelona) an eine kanadisch amerikanische Gesellschaft unter der Leitung des be kannten Finanzmannes Dr. Pearson verkauft wur den, wodurch das Deutschtum in Barcelona einen empfindlichen Schaden erlitten und die deutsche Elek trizitätsindustrie viele bedeutende Aufträge verloren hat und noch verlieren wird. Viele deutsche bewährte Direktoren und Beamte dieses Barcelonaer Elektri zitätswerkes wurden natürlich nach und nach durch Amerikaner ersetzt, und aus Rordamerika sahen wir eine förmliche Einwanderung nach Barcelona statt finden. Es soll nicht geleugnet werden, daß sich die deutschen interessierten Kreise in einer Zwangslage befanden, weil die Amerikaner Wasserkräfte in den Pyrenäen ausgekauft hatten und durch Einrichtung einer lleberlondzentale (die inzwischen auch gebaut worden ist) in den Pyrenäen drohten, dem städtischen Elektrizitätswerk eine empfindliche Konkurrenz zu machen. Da diese Wasserkräfte aber vorher schon ein mal in deutschen Händen waren, so war es auf alle Fälle sehr kurzsichtig, sich diese Naturkräfte nicht ge sichert zu haben, wodurch im anderen Falle die ameri kanische Invasion vermieden worden wäre. In allen weiteren obengenannten Städten befindet sich eine Reihe Vertreter, viele davon seit Jahrzehn ten ansässig, welche teilweise als selbständige Impor teure, teilweise als Kommisstonsvertretcr deutsche Jn- -ustrieerzeugnisse in Spanien absetzen: ferner muffen hier die deutschen Exporteure von ipaniichen Weinen und Früchten^ welche ihren Sitz hauptsächlich in Valencia, Castellon und Malaga haben, genannt werden. Weiter sind zu erwähnen die Erzgruben im Rordq» Spanien», bei welchen Krupp in erster Linie beteiligt ist, und die Bergwerke Kataloniens, die u. a. auch durch Vie Stollbcrger Werke ausgebeutet werden. Unsere großen deutschen Waffen- und Muni tionsfabriken haben ihreVcrtrcter in Madrid, dem Sitz der spanischen Militärbehörden. Die deutsche Papier industrie ist nur in geringem Maße am Import be teiligt, weil hohe Importzölle den regen Absatz er schweren zugunsten der einheimischen Papierindustrie, doch dürfte eine deutsche Filialfabrik, welche sich der Fabrikation von feinen Druckpapieren, sogenannten Kunstdruckpapieren, widmen würde, einen lohnenden Absatz bei den Verlagshandlungen und Druckereien finden, da die einheimische Fabrikation den heutigen modernen Ansprüchen in keiner Weise genügt. Im Buchgewerbe Spaniens herrscht sonst die deutsche In dustrie und man gibt den deutschen Druckmaschinen, Schriften (Lettern), Farben usw. den Vorzug. Das Zeitungswesen steht im allgemeinen noch auf einer niederen Stufe, nur in Madrid und Barcelona existieren einige Tageszeitungen von wirklicher Be deutung, jedoch macht sich sehr zum Schaden des Deutschtums in Spanien die gänzliche Abhängigkeit der spanischen Presse von den französischen und englischen Telegraphenagenturen Havas und Reuter in auffallender Weise bemerkbar. Die Bestrebungen in Deutschland, ein großzügiges deutsches, auf nationaler Grundlage beruhendes Nachrichtenbureau zu gründen, welches den deutschfeindlichen oben genannten Telegraphenagenturen entgegenarbeiten soll, dehnen sich hoffentlich auch auf Spanien aus, denn Deutschland und die Deutschen besitzen in Spanien in fast allen Kreisen der Bevölkerung bis in die höchsten Kreise der Regierung hinein große Sympathie, während Frankreich wenig beliebt ist und der Spanier dem Engländer gegenüber indifferent bleibt, lediglich in Madrid macht sich ein gewisser englischer Einfluß bemerkbar, begründet durch die Be ziehungen der deutsch-englischen Königin zu England. Eine deutsche Handelskammer in Barcelona (England und Frankreich besitzen schon seit einer Reihe von Jahren ihre Handelskammern in Barcelona) ist nach meiner Ansicht zur Hebung des deutschen Imports und des Deutschtums im allgemeinen dringend notwendig, aber vorläufig stehen die deutschen kaufmännischen Kreise Barcelonas dieser Frage noch kühl gegenüber, weil sie fürchten, daß durch die Arbeit der deutschen Handelskammer nur eine unliebsame Konkurrenz nach Spanien gezogen würde. Meine dahingehenden Be strebungen, welche ich im Jahre 1909 unternahm, fanden keinen Widerhall, obgleich da» hiesige deutsche Generalkonsulat mich seinerzeit warm unterstützte. Nur kurzsichtige Leute vermögen zu glauben, daß sie den Fortschritt aufhalten können. Diejenige Firma in Deutschland, welche nach Spanien arbeiten will, kommt früher oder später doch nach Spanien, gleich viel, ob ein in Spanien bereit» ansässiger deutscher Vertreter schon die gleiche Ware importiert oder nicht. Hier gilt das freie Spiel der Kräfte, und wenn schon in irgendeinem Erzeugnis ein größerer Absatz in Spanien zu erzielen ist, dann ist es doch besser, dasselbe kommt aus Deutschland als aus irgendeinem anderen Lande. Durch das Nichtbestehen einer deutschen Handelskammer geht aber dem Deutschtum in Spanien und der deutschen Industrie ganz be stimmt viel verloren, denn eine Handelskammer hat sich doch auch mit Verbesserungen und Erleichterungen des Imports, mit Handels- und Zollverträgen, mit den Schiffahrtslinien und Abgaben derselben, mit Kollektiv-Jmportausstellungen neben der informatori schen Tätigkeit zu beschäftigen, sie muß die deutschen industriellen Kreise auch auf Absatzmöglichkeiten in Spanien aufmerksam machen, welche noch nicht durch die in Spanien ansässigen Deutschen verfolgt wurden, sie muß suchen, den Import anderer Länder zurück zudrängen und den deutschen Import auf der ganzen Linie zu heben. Auch die Gründung einer deutschen Zeitung, vor läufig als Wochenblatt, wäre sehr zu wünschen, und zwar als zweisprachige Zeitung (den gleichen Text in deutscher und spanischer Sprache), damit auch weitere deutschfreundliche spanische Kreise immer mehr und mehr dem Deutschtum gewonnen werden: gleich zeitig würde die Zeitung der spanischen Presie als Zeitungskorrespondenz dienen können, aus welcher sie alle wichtigeren Nachrichten ohne besondere Um stände in ihre eigenen spanischen Zeitungen über nehmen könnte, da ja der Text in spanischer Sprache bereits vorhanden ist. Auf die politische Stellung Spaniens will ich hier nicht näher eingehen, sie ist auch genügend bekannt, und jedermann weiß, daß England politisch die Haupt rolle spielt, Spanien gegen England nichts unter nehmen kann, und nur bei einem engeren Verhältnis Deutschlands zu England wäre auch an eine engere politische Verbindung Deutschlands mit Spanien zu denken, und wohl aus diesem Grunde fanden die spanischen Annäherungsversuche seinerzeit bei Deutsch land keine Gegenliebe, d. h. sie mutzten leider ab lehnend behandelt werden. Wirtschaftspolitisch ist dagegen in Spanien noch manches zu tun, wie ich oben ausgeführt habe, und es wäre freudig zu begrüßen, wenn in Deutschland sich ein Deutsch-Spanischer Wirtschaftsverein bilden würde, ähnlich wie der Deutsch-Argentinische Wirt schaftsverein, um die gegenseitigen guten wirtschaft lichen Beziehungen zu erweitern und zu überwachen. In einer derartigen Vereinigung könnten alle An regungen geprüft und durch geeignete Kräfte zur Ausführung empfohlen bzw. Mittel und Wege gesucht und gefunden werden, um die einmal gefaßten Be schlüsse in die Praxis umzusetzen zum Wohle des Deutschtum» in Spanien und unseres großen, schönen Vaterland««,
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