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Dresdner Nachrichten : 13.11.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-193211135
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19321113
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19321113
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1932
- Monat1932-11
- Tag1932-11-13
- Monat1932-11
- Jahr1932
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 13.11.1932
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Vle ersten rage nach -em WaffenstMtan- ln Parts W- km ««KImimNv, brr NM« NrrssrMm Von nn»«r«n» Varlvor Lorr»»po»ä«»l» Die Erinnerungen, die von zwei ehemaligen Mit arbeitern -er mtlttärtschen und politischen Pressezensur in Pari», Verger und Allard, zum ersten Male verötfent- licht werden <ln der neuen linksgerichteten Wochenzeitschrift „Marianne" vom 0. Novembers, werden bei allen Nachdenk lichen in unserem immer noch politisch unglückselig zerris senen deutschen Volk nicht nur schmerzliche Erinnerungen wecken, sondern auch eine ernstliche Mahnung sein, ver- hängnlsvollste Kehler nicht zu wiederholen. In wortgetreuer Wiedergabe erzählen Li« beide» ge nannten Zensoren über die Vorgänge hinter den Kulissen des WassenftillftandeS das folgende: „Deutlich sehe ich noch vor mir, wie wir am 13. November 1V18 nachmittags die 121 Stufen emporstiegen zum 6. Stock im BürsengebäuLe. Dort unter dem Glasdach befanden sich seit 14 Monaten die Büros der Zensurbehörde. Wieviel atemraubende Stunden haben wir dort erlebt! Am Tage nach dem Waffenstillstand sind wir von dem über triebenen Ton der Zeitungen selbst begeistert. Dazu Glocken läuten und Kanonenschüsse. In den Strasten umarmen die Kranen die Soldaten. Feindliche Gewehre, Fahnen, Wage», Tanks und Militäranörüstungen sind ohne Ueberwachung am Jnvalidenpalast und auf dem Place de la Concorde aus gestellt. Die Polizei hat den Befehl bekommen, alles zu dul- den. Lächelnd stehen die Polizisten dabei, wie die seindlichen Beutestücke geplündert werden. Wieviel Drückeberger aus der Etappe haben jetzt di« Gelegenheit, sich mit einem Bochehelm zu versorgen, um dann zu tun als ob... In unserem Büro herrscht eine geradezu ausgelassene Stim mung. Man kommt nur pro torma. Unser schmutziges Zensurhandwerk, eine traurige Notwendigkeit -cs Krieges, bat kein Existenzrecht mehr. Schlust mit -er Militärzensuri Und mit der politischen Zensur! Wer will heute noch -en Tiger Cldmenceau angreifen? Er ist -er Sieger, also hatten seine Feinde unrecht. Die einzigen leichten Zusammen- flöße, di« es am Nachmittag des 12. November gab, waren zwischen Italienern und Jugoslawen. Aber alles in allem et» Tag -eS kar nionto. Uns ist alles wurst. Nur «In Kollege aus -cm Nebenbttro, -er Rumäne F., auf den ich zufällig stoste, ist nicht zufrieden. Der Krieg, so er klärt er, hat zu lange gedauert. Die einzigen Sieger werden die Russen sein, die Bolschewisten. Und Sie wissen so gut wie ich, -ast der Bolschewismus und nichtS anderes die deutsche Armee zertrümmert hat. Haben wir nicht alle in -en letzten Tagen strengste Instruktion be kommen, jeden Vergleich zwischen dem aufrührerischen deut schen Heer und den Truppen Lenins zu unterdrücken? Auch das Wort „Soviel" ist überall zu unterdrücken. Was nützt das? Ueberall, in Oesterreich, In Ungarn, ja selbst in -er Schweiz, -cm Musterland -er Ordnung und -er Bravheit, überall glimmt -er Funke. Ich verlasse F. und erkundige mich am nächsten Tag im Austenministerinm über die Schweiz. Man gibt mir zu, dast die Lage in der Schweiz sehr gefährlich ist, so dast selbst die Frage austauchte, ob wir nicht Truppen dorthin schicken sollen. Bei unseren Schweizer Nachbarn ist -er Generalstretk angekündigt. Man schlägt sich überall. Di« Soldaten schieben auf dl« Menge. In Zürich 210 Tote. Die eidgenössischen Stände tagen Tag und Nacht. Aber diese Bewegung in der Schweiz ist bald erstickt, w « n i g st e ns s ü r uns. All das verschwindet unter Blvat und Fansaren. Am Sonntag, dem 10. November, freilich spielen sich widerlich« Saturualten ans dem Place d« la Eoncord« ab. Kriegsverlebt« und Etappenschweine geraten hinter einander. Der Tochter eines KrlegSverletzten, Sie ihn führt, werden all« Kleider ausgezogen. Es gibt Schlägereien zwischen beiden. 18 Kriegsverlebte werden verwundet, ein Krüppel wird blind geschlagen. Das ist hätzltch, aber -er gute Geschmack und die Heiligkeit der Stunde zwingt uns, über diesen peinlichen Zwischenfall zu schwelgen. Das alles geht unter in Len LobeShnmncn, mit denen der Tiger, dir Generäle, -te Minister, die Verbündeten und sogar di« ein- fachen PoiluS überschüttet werden. „Matin" und „Echo de Paris" schlagen den Rekord in wnnderbaren Meldungen: «Der Kronprinz soeben erschossen" (schon zum zehnten Male); „Deutschland schuldet «nS die Kleinigkeit von 1000 Milliarde». «S wird uns jedes Jahr 62 Milliarden bezahlen." „Lloyd George verlangt die Aushebung der allgemeinen Militär pflicht in allen Ländern." Unsere Chefs brechen bet diesen Schauernachrichten in eine Lachsalve aus. Unser Oberzensor hat genug. Er hat eingercicht, um als BatalllonSkomman- deur zu den Bcsetzungstruppen am Rhein abkommandiert zu werden. Am 20. November zieht die 10. Armee in Metz ein. General Mangin hat P«ch. Er ist von seiner Stute ge fallen und bleibt zwölf Stunden lang ohnmächtig liegen. So kann er nicht, wie geplant, an der Spitze seiner Truppen glorreichen Einzug zu Pferde halten. Sobald er zu sich kommt, ist das erste, ivas er verlangt, -ast die Zeitungen über seine Ab- Wesenheit schwelgen oder vielmehr auf Einzelbeschreibung verzichten. Trotzdem meldet eine Zeitung „Mangin bleich und stolz auf seinem schwarzen Rost." Beinahe gleichzeitig marschieren andere Persönlichkeiten mit demselben Prunk in di« elsässischen Städte ein. Castelnau in Colmar, Hirschauer ln Mühlhausen. Aber der Teufel hat'S gesehen, -t« amerikanischen Truppe« ziehen als erste t« Straß, bürg ein. DaS ist ein Fehler. Die Telegraphenzensur erhält sofort Anweisung, das zu arrangieren. Der Befehl wird auS- gegeben: Foch zieht natürlich zuerst in Strastburg «in. Und der Groste amerikanische Gcncralstab ist höflich genug, dieser nachträglich gegebenen Darstellung nicht zu widersprechen. Alle Meldungen nach Amerika werden dementsprechend korri giert. Am 24. November ziehen der König und di« Königin von Belgien in ihre gute Stadt Brüssel wieder ein. Natür lich Szenen der Begeisterung in Brüssel, denen allerdings weniger erfreuliche andere Szenen vorhergegangen sind. Der loSgelassene Pöbel in Brüssel hat „feindliche ver, räter «nd, was noch schlimmer ist, „deutsche Verwun dete" niedergemetzelt. Die deutschen Verwundeten müssen vom Noten Kreuz in Schub genommen werden. Wir erhalten, wie am 10. Novem ber, -le Zensnranwcisung „keine näheren Angaben überdieZahlder deutschen Opfer in Brüssel". Paris in seiner Freude über den Waffenstillstand durfte von alledem nichts erfahren. toi . . A ftlinMr «enerallireik in «ras Gens, 11. Nov. Wider alles Erwarte« hat der unter dem Vorsitz von Nationalrat Rasselet versammelte Ausschuß des GewerkschastsverbandeS des Kantons Gens am Freitag, abend mit 87 gegen 88 Stimmen bei einigen Enthaltungen beschlossen, sür Sonnabend den Generalstreik z« erkläre«. Die Dauer des Streiks ist aus 24 Stunden beschränkt worden. Es scheint, daß die Befürworter des Streiks, die, wie es zuerst schien, in der Minderheit waren, im letzten Augenblick die Mehrheit gewannen und diesen Beschluß herbeiführten. Das eidgenössische MIlttärdepartement hat mit Rücksicht aus die Ereignisse in Gens verfügt, dast das Unter-Walltsche GebirgS-JnsanterlercgIment 6, das am 81. Oktober zum WicderholnngSkursns etngerückt war und morgen entlassen werden sollte, vorläufig nicht entlassen wird, sondern aus dem Korpssammclplatz Sitten und dessen Umgebung zur Ver fügung der Behörden weiterhin im Dienst verbleibt. Die Genfer Negierung hat die Kosten ssir die am Sonn abend stattfindende Beerdigung der Toten übernommen, jedoch haben dte Familien beantragt, Etnzelbestattungen vor nehmen zu dürfen. In Lausanne kam eS zu neuen Zusammenrottungen. Die Polizei wurde mit Lastkraftwagen schnell herangesuhrt und säuberte die Strasten. Dabet erfolgten mehrere Ver Haftungen. Ein Polizist wurde verletzt. Der Streik wird im großen «nd ganzen dnrchgesührt. Er hat sich nicht ausgedehnt aus die eidgenössischen Ge- meindebetricbe. Die Straßenbahnen verkehren normal. Die Buchdrucker streiken, doch haben dte Zeitungen Maßnahmen ergriffe«, «m erscheine« zu könne«. Arbritslosenunruhen in Pommerellen Warschau, 12. Nov. „Wie „Dzien Dobry" aus Bromberg meldet, kam es in Stargard (Pommcrellenf zu blutigen Zusammenstößen zwischen Arbeitslosen und der Polizei, wo bei 16 Personen verletzt wurden. 46 Arbeitslose sind ver haftet worden. Die Katastrophe aut Kuba Schreckensszene« «ährend der Sturmflut Lnmngnen, 11. Rov. Rach den letzten Mitteilungen, die Reisend« mit dem Zuge aus Santa Ern» del Sur machte«, find bisher 200 Leichen begraben worden. Biel« Hundert« soll«« noch in den Äeste« der Bäume und unter de» Trümmer« der Stadt liegen. Rnr wenige hnndert Personen find der Katastrophe entgangen. Die «eisten Einwohner der Stadt hatte« nicht Zeit ge sunden, dte Flucht z« ergreisen, «nd gewahrten die Gesahr erst durch de« Donner der Woge, die 70 Schisse im Hasen zertrümmerte. Sin Teil der Bevölkerung flüchtete in leer« Güterwagen ans dem Bahnhof, di» von dem Wasser «m, geworfen wurden, so baß ihre Insassen hilslos ertranken. Die Aerzte arbeiten seit Mittwoch sieberhast, die Nächte hindurch im Scheine von Kerzen. Andauernd treffe« weitere Flüchtlinge ein, die furchtbare Einzelheiten von der Kata, strophe berichten. Auch die Kayman« Inseln sind, wie ein Flugzeug berichtet, von dem Wirbelsturm heimgesucht worden. Der britische Dampfer „Balboa" (1888 Tonnens wnrde vernichtet; doch konnte die Mannschaft gerettet «erde«. Der «eugewShlte Bürgermeister von Santa Cruz del Sur, Antonio Martinez, erschoß sich a«S Ver zweiflung, nachdem er sestgestellt hatte, daß seine ganze Familie durch die Sturmflut «mgekommen «ar. Der Arbeitsminister erklärte nach der Rückkehr von Santa Cruz del Sur, das; sich die Zahl der Personen, die allein bet dem Orkan ums Leben kamen, aus über 1000 belaufe, und diejenige der Verletzten aus 700. Die ganze Stadt sei vernichtet worden. 's»««! ES kamen wett mehr Frauen und Kinder ums Leben als Männer, weil sie sich weniger leicht vor der Sturmflut retten konnten» die alles vor sich hcriegte. Einige Men schen begingen Selbstmord, so eine Mutter, als ihr die Fluten ihr Kind aus den Armen rissen und dieses ertrank. Arbeitsminister Onetti hat angeordnet, daß die Todes opfer der Sturmflutkatastrophe, die noch geborgen werden, gemeinsam verbrannt werden sotten. Ei« BorkSmM KS EWser SruWtumS «sterben vrobtmolcknng nnsorvr SorUnvr SobrUtloltnug Berlin, 12. Nov. Die im Reich lebenden Elsaß- Lothringer beklagen den Tod eines ihrer führenden Vertreter, des gestern in Stuttgart im 70. Lebensjahr ver storbenen früheren Leiters der Abteilung sür Elsaß-Loth» ringen im NcichSinnenininisterium, Ministerialdirektor a. D. Adolf Goetz. Goetz trat zur Jahrhundertwende füh rend in der liberalen Bewegung des Elsast hervor und wurbc 1000 in den elsaß-lothringischen Landesausschub ge wählt. Er kämpfte zeitlebens um eine bundes staat liche Autonomie, mar aber Sprecher der unbedingt deutschen Kreise der jüngeren elsässischen Generation und deshalb von den Franzosen bis aufs Mefser bekämpft. Durch die 1908 erfolgte Ernennung zum Direktor deS elsaß-lothringischen Steucrwesens schied er aus dem aktiven politischen Kampf aus und verlieb beim Ende des Krieges mit vielen angesehenen Landsleuten die Heimat. Als im Jahre 1010 aus Betreiben -er Vertrie benen im Neichsministerium -eS Innern eine Abteilung für Elsaß-Lothringen errichtet wurde, übertrug man ihm deren Leitung. Er führte sie bis zu ihrer 1924 erfolgten Auflösung als Ministerialdirektor. Seine innere Verbun denheit mit den Landsleuten im Reich bekundete er durch unermüdlich Arbeit in den landsmannschaft lichen Organisationen und in der Volkstums bewegung. Er war jahrelang Vorsitzender des Deutschen Schutzbundes und bis zu seinem Tobe Präsident der Stuttgarter Deutsch-Oe st erreichischen Arbeits gemeinschaft. Auf Grund seiner Verdienste wurde er 1922 zum Ehrendoktor der juristischen Fakultät der Frank furter Universität ernannt. jvüs SsSlekIrform ckas pssssncts Sssisii SrMsn-iroslllg «I Gerhart Hauptmann Zum 70. Geburtstag des Dichters am 18. November Von Gehelmrat Prof. Dr. Oskar walzet. Von« In dem einen der zwei Dramen Hauptmanns, bie auS der Umwelt spanischer Kämpfe um das neu entdeckte Mittel amerika stammen, in ,,J n d i p o h d t", tritt Pyrrha, dte Tochter Prosperos, aus. Als Jägerin erscheint sie, hoch geschürzt und den Speer in der Hand. Ihr rotes Haar gleicht einer schweren goldenen Last. Die Vierzehnjährige ist hoch gewachsen und von herber Schönheit und Anmut. Sie trägt den Köcher mit Pfeilen auf der Schulter. Die Artemis von Versailles also in gegensätzlichster toltektschrr Umgebung, sichtlich nicht dem Leben abgelauscht, sondern Wunschbild eines Dichters. Hauptmanns Schönheitsideal verwirklicht in „Jndtpohdi" sich aus Kosten der Farbentreue und der Farbcnechthett. Anders macht er eS als aller Klassizismus. Er verlegt nicht einen gründlich unantlken Stoss ins Antike, drängt diesem Stoff nicht eine Gestaltung auf, die ihm widerstrebt. Hauptmann wahrt in »Hndtpohdt" sonst und in starkem Gegensatz zu PyrrhaS und OrmannS Erscheinung mit Witten das schier Groteske, mindesten ungemein Befremdende früher mittelamerikanifcher Kultur. Doch gerade so wird sein Wunsch fühlbar, diesem Grotesken die reine Schönheit der griechischen Antike entgegenzuhalten. Vernehmlich genug tönt aus „Judipohdi", aber auch au- anderen Werken Hauptmanns sein LebenSgefühl. ES ist von starkem ästhetischen Bedürfnis beseelt, von unstillbarer Sehnsucht nach sinnebeglückcnbem Schönen. Erscheint nicht als unlöslicher Widersoruch, baß gerade Hauptmann das naturalistische Drama aus seine Höhe hin- aufgcflthrt hat? Der Weg der Kunst des 19. Jahrhundert- senkt sich in fast ununterbrochener Folge herab tnS Häßliche. Klassische deutsche Kunstlchre läßt dem Häßlichen wenig Raum. Lessings „Laokoon" duldet eS zur Not tn der Dich tung, duldet es kaum in der bildenden Kunst. Der junge Goethe und noch mehr der junge Schiller gewähren dem Häßlichen mehr Raum, kehren aber bald zu Lessing» Ansicht zurück. Kleist bleibt dem Schönen getreu, wird ihm fort« schreitend immer treuer. „Penthesilea" taucht Gräßliche» tn Schönheit. Grabbe macht dann mit dem Häßlichen im Drama Ernst. Wichtig ist, daß er e» nicht bloß im komischen Sinne bringt. Dem Naturalismus schien eS notwendig, beim Häßlichen zu verweilen, weil es bisher »u kurz ge kommen war. Schasste damals Wissenschaft den Begriff des Schönen ab und ersetzte ihn durch den Begriff des «esthetischen, der auch Häßliches etnbe-og, so forderte die Der siebzigjährige Gerhart Hauptmann Kunstlehre de» Naturalismus, ästhetische Leistung in den Dienst des Häßlichen zu stellen, da sie lange genug und bis zum Ueberbruß dem Schönen gefront habe, und zwar auf Kosten der Wahrheit. Hauptmann erfüllte solche Wünsche des Naturalismus tn seinen Anfängen unbedenklich; seine ersten Stege dankte er auch dem weite» Raum, de» Set ihm das Häßlich« ein nahm. Nur versteckt meldete sich, zunächst in„Hannele", Sehnsucht nach einer schöneren Welt an. Die „Ver- sunkene Glocke" galt dann schon seinen Gegnern als willkommenes Zeugnis, daß er sich eines Bessern belehrt habe und zu vornaturalistischer Kunst zürttckkehre — zu einer Kunst, dte dem Schönen zustrebt. Echt germanische Sehnsucht nach dem sonneveglänzten Süden führte Hauptmann nach Griechenland. Im Jahre 1008 bot fein „Griechischer Frühling" die Eindrücke und dte Erkenntnisse, die sich ihm ergeben hatten. Nun huldigte auch dieser Deutsche dem Geist alten Griechentums; nun entdeckte Hauptmann seine Zugehörigkeit zu Goethes Glaubensbekenntnis: unter allen Völkerschaften hätten die Griechen den Traum des Lebens am schönsten geträumt. Unbedingter aber als Goethe verband fortan Haupt mann Griechisches mit Germanischem. DaS war ihm der beste Gewinn des griechischen Frühlings. In den ger manischen Völkern der Gegenwart sah er die wahren Nach fahren der alten Griechen. So hätten dte Gestalten der griechischen Sage auSgesehen wie jetzt die Schönsten unter den Germanen: Helena und Achill goldblond, schlank und kräftig. So zeichnet er Pyrrha und Ormann. Diese Nicht germanen malt er mit den Farben, die ihm seine deutsche Heimat wies. Im „Festspiel" von 1018 schuf er bann die Göttin Athene-Deutschland; sie hat das letzte und ent scheidende Wort zu sprechen. ES verknüpft antikes Lebens ziel mit deutschem. Unmittelbar auf das „Festspiel" folgte Hauptmanns erster und bisher einziger Versuch, antike Sage tn ein Drama zu wandeln. Auf Goethes Spuren wird Haupt mann diesmal ganz unaoethisch, viel ungoethtscher als in der „Versunkenen Glocke . Das Drama von der Heimkehr des Odysseus bezeugt, wie wett Hauptmann antike» Griechentum mit der nächsten Gegenwart verknüpft empfindet, so eng verknüpft, daß es ins Unantike sich ver liert. DaS wirkt mehrfach kostümwibrtg, nicht zuletzt, weil es der alten Ueberlteserung im einzelnen getreu folgt. Allerdings darf Hauptmann sagen, er zeichne die Sage und ihren Helden, wie sie wirklich gewesen sein müssen. Daß jedoch auch die Antike sich selbst anders gesehen hat, als Hauptmann sie sieht, ergibt sich schon au» einem efltaen Vergleich zwischen dem Drama Hauptmann» und der Odyssee. Und weil hier trotz der Formel Athene-Deutsch- land und trotz aller zugestanbenen Uebereinstimmung mit GotztbeS Griechentum Hauptmann etwas ebenso UnanttkeS wie UngoethtscheS schasst, enthüllt sich am „Bogen des Odysseus" klarer als an anderen Werken Hauptmanns sein eigentlicher und gan-eigener Besitz, «flhltllt sich -a- Wese» seiner ästhetische» Weftscharr.
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