Redigirt unter Verantwortlichkeit des Verlegers Friedrich May. 1846 Sonnabend, den S Qctober Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich 1 Mal und zwar jeden Sonnabend ein Bogen in 4. — Bestellungen' nehmen alle resp. Postämter und Buchhandlungen Sachsens an. — Pränumerations-Preis vierteljährlich 7 Ngr. 5 Pf. Wittheilungen werden unter der Adresse: „An die Verlags-Erpedition des Sächsischen Erzählers in Bischofswerda" erbeten. — Annoncen werden die gespaltene Zeile mit 6 Pf. berechnet und kostet eine einzelne Nummer 8 Pf. — Ter alte Wildmeister war ein Mann, der, wenn er ein Paar Jahrhunderte später gelebt hatte, wahrscheinlich einer der berühmtesten europäischen Diplomaten geworden wäre, denn er verstand es meisterhaft, den Zwist zwischen dem Bischof von Meißen, seinem Herrn, und dem streitsüchtigen Adel des churfürstlichen Hofes eben sowohl zu sei nem eigenen Vortheil zu benutzen, als mit beiden Parteien in gutem Einverständnis! zu bleiben, und wenn cs einen Mann gab, vor welchem er sich mehr fürchtete, als vor dem Bischof und vor dem Churfürsten, so war dies der Bürgermeister von Bischofswerda, Bernhard Tanner, der in zweifacher Beziehung dem alten Jäger nicht viel weiter traute, als er ihn sah, erstens wegen der zweideutigen Nachrichten, die von Zeit zu Zeit über die Besuche der churfiirstlichen Ritter im Forsthause bei Weickersdorf an den Rath von Bischofswerda berichtet wurden, und zweitens wegen des Wild meisters Sohn, eines kecken und stattlichen Burschen von 22 Jahren, der von Seiten des Bischofs, dem er auf der Jagd das Leben gerettet, die Zusicherung in Händen hatte, einst an seines Vaters Statt bischöflicher Wildmeister zu werden, und der mit der Tochter des stolzen Bürgermeisters in einem zärtlichen Verhältnisse stand, welchem der alte Tan- ner auf das Heftigste entgegen wax. Es war in den letzten Tagen des November Churfür^lich und Bischöflich. Eine Erzählung aus der Vorzeit Bischofswerdas. (Fortsetzung.) Da wo jetzt die Straße von Stolpen nach Bi schofswerda bei Weickersdorf vorüber führt, stand, von ununterbrochener Waldung umgeben, zu der Zeit, welcher diese Erzählung entnommen ist, ein Forsthaus, dem Bischof von Meißen gehörig, in welchem ein alter Jäger mit seinem Sohne sich auf hielt. Häufig pflegten die bischöflichen Räthe auf ihrem Wege von Stolpen nach Bischofswerda hier anzuhalten und beim Wildmeister Lindner immer einen guten Imbiß findend, mit dem alten Jäger ein Stündchen zu verplaudern; eben so häu fig aber kehrten apch des Bischofs Feinde hier ein, und die Bauern von Weickersdorf sahen oft die Knechte der Herren von Carlowitz, Gersdorf und Schleinitz mit den Pferden ihrer Ritter im Hofe des Jagdhauses halten, welcher dicht an das Ge hölz sich anschloß, und denselben eiligst verlassen, während vor dem Forsthause auf offener Straße die Rathsherren von Stolpen oder Bischofswerda mit ihrem Gefolge bei Aegidius Lindner anhiclten und dann in die geräumige Wohnstube tretend, auf denselben Sesseln Platz nahmen, auf welchen vielleicht wenige Minuten vorher ihre gefürchtetsten Feinde gesessen. Erster Jahrgang. Bischofswerda, Stolpen und Umgegend Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände.