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Der sächsische Erzähler : 07.05.1938
- Erscheinungsdatum
- 1938-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-193805070
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19380507
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19380507
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer sächsische Erzähler
- Jahr1938
- Monat1938-05
- Tag1938-05-07
- Monat1938-05
- Jahr1938
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 07.05.1938
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— E »-«-« ZU «r. 10G des ^»«chflschm Lr^hi«.- L«« §«««<«« / Lerche und Mensch Sich im Reigen LichtwärtS schwingen — Solche- ist der Lerche LoS — Ist eS wenig? Ist es groß? Ringend schweigen. Schweigend ringen, Erdkraft zeigen, Selbstbezwtngen — Solches ist deS Menschen Los — Ist eS wenig? Ist eS groß? Hell wie «eigen Bebend klingen. Stumm sich neigen Im vollbringen — LerchenloS und MenschenloS: Beide« heilig! Beide-groß! Heinrich Anacker Oie Hand im Kreuz Werkei-ählung von OS la r Belgien Unser Bau hat seine Gesetzmäßigkeit, die jedem, der hier seine Arbeit tut, in Fleisch und Blut gegangen ist. Jeder ist auch den alten und richtigen Weg gegangen, ehe er da stand, wo er heute steht: Dom Aschenjungen zum Ofenmann und weiter. Wenn sie noch vor dem Ofen standen, zeigten sich schon die besonderen Anlagen. Und danach wurde jeder ein gesetzt: Harter, Maßprüfer und Härteprüfer. — O ja, unser Betrieb war trotz seines einseitigen Namens Feuerbetrieb recht vielseitig, und der Alte hatte schon ein Auge für Kerle und ein Geschick, den richtigen Mann an den richtigen Platz zu stellen. Wenn da einmal einer aus der Reihe tanzt, dann gibt's zumindest lange Gesichter und manch grobes Wort. Manchmal mögen sie recht haben. Es ist wirklich kein Spatz: Man ist durch alle Prüfungen und Feuertaufen hin durchgegangen und steht nun endlich auf einem vernünftigen Arbeitsplatz, und dann geschieht es trotzdem, daß einem so ein Grünschnabel vor die Nase gesetzt wird! Der soll sich seine Sporen erst verdienen, wie wir eS alle getan. Da mußte ich dem alten Thomas schon recht geben, wenn er sich das nicht so ohne weiteres gefallen ließ. Der windige Fant, den sie ihm da vorgesetzt, war kaum ein Jahr im Bau. Er hat auch nie im Aschenloch gestanden und nie in der Glut der Oefen. Was dem Chef da nur eingefallen sein mochte? Zugegeben — der Junge war nicht übel! Wenn andere sich nach Feierabend auf den Sofas herumräkelten, wenn sie beim Biere saßen oder beim nachbarlichen Schwatz, dann hockte der Junge hin ter Büchern. Dann rechnete er, und schrieb oder besuchte die Abendkurse der DAF. WaS zum Teufel aber hatte das mit unserem Werk zn tun? Deshalb brauchte der Chef ihn noch lang? nicht alten, tüchtigen Kerlen vor die Nase zu setzen! ES schwatzte sich auch bald herum im Bäu: „Der Grün schnabel hat eine starke Hand im Kreuz! Irgendwo da oben sitzt einer, der ihm die Steine, daran wir unS stoßen, fein säuberlich aus dem Wege räumt!" Versteht sich, der Junge hatte keinen leichten Stand! Wenn er einmal aus sich herausgehen wollte, um vielleicht dem einen oder anderen ein wenig näher zu kommen, trieben sie ihn immer wieder zurück. Mit einem solchen Sch . . . kerl wollte niemand-was gemein Haven. Der Thomas sah das ja nun alles ein wenig anders. Im Anfang hatte ihn die herzerfrischende, lebendige Art des Jun gen erfrischt. An dem starken Wüllen und der unermüdlichen Lebendigkeit wurde er selbst wieder jung und hatte nur den einen Wunsch, noch einmal wie jener von vorn anzufangen. DaS war ja nun längst zu spät. Aber was an reifer Erfah rung und gutem starken Können in ihm wurzelte, das schenkte er nun dem Jungen, gleichsam wie eine reife Frucht. Und hatte seine Helle Freude daran, wie der es aufnahm und in sich verarbeitete... Bis er dann das hämische Gerede der anderen nicht län ger mehr überhören konnte. Sie ließen ihm nun auch keine Ruhe mehr und bearbeiteten ihn so lange, vis er eins mit ihnen war. Ja, ja, so einer ist das also: so ein Dreckiger, Hinterhältiger! — Und so wie Thomas sich erst an den Jungen gleichsam verschenkte, so haßte er ihn nun; haßte ihn wie einer, den sie um sein bißchen Sonne betrogen. Der Junge stand dem zuerst fassungslos gegenüber. Ein mal fragte er ihn: „Was hast du, Thomas? Wir sind doch immer gut ausgekommen miteinander." Der Alte lachte nur, kurz und spöttisch: „Du hast ja eine gute Hand im Kreuz — was brauchst du mich!" — Eine Freude aber hatten sie alle miteinander. „Wenn der Junge eine Stufe höher geht — fällt er, muß er fällen! WaS weiß er denn schon vom Werk? Was vom Material? WaS von der Behandlung des Materials? Da nützt ihm auch die stärkste Hand im Kreuz nichts mehr: Wenn er Vor- arbeit« wird, muß er was können!" So und ähnlich ging eS um. Oh, und unser Betrieb ist eine Hexenküche mit tausend Geheimnissen. Da werfen sie so einen Flansch in den Ofen — fein sauber sieht er aus, avgedreht und blitzeblank. Rot glühend kommt er wieder heraus — kommt in Oel-, Wasser-, Salz- oder Bleibäder, kurzum, wird eben gehärtet. Wie geht das? Wie ist das? Warum? Wozu? Ja, daran mußte der Neue sich den HalS brechen. ES überraschte sie dann auch wirklich nicht, als es cineS TageS wahr wird. Die Hand im Kreuz wird Vorarbeiter und damit auch Vorgesetzter des alten Thomas. Sie murren — aber eS bleibt ja die heimliche Freude: Er fällt — muß fal ¬ len! Den Alten wurmt es tief. Dreißig Jahre steht er nun schon im Bau und gilt als einer der besten, zuverlässigsten Maßprüfer. Er hat zwar auch nie weiter gedacht. Aber nun überkommt es ihn — neben dem andern — plötzlich wie Scham: Da hättest du bereits vor zwanzig Jahren stehen müssen! Und nun kommt so ein Grünschnabel und macht dir wa» vor. DaS sagte er sich selbst, und daS mugper Won den anderen Wohl hundertmal einstecken. Einer gibt ihm auch noch einen „guten" Rat dabei: „Mach's kurz spiel ihm einen Streich — dann ist's anS mit der Herrlichkeit!" Dafür ist der Alte jedoch zu anständig. Aber er will jetzt seine Kenntnisse für sich behalten. Der Junge ist ja trotz allem noch daran gewöhnt, in schwierigen Fällen ihn um Rat zu fragen. 'Nun aber wird Thoma» ihm die kalte Schulter -eigen. ES geht einige Wochen so. Sie warten alle auf den gro ben Knall. Sie sind gleichsam wie Zuschauer im Theater, die genau wissen, datz im letzten Akt ein Schuß fallen mutz. Mag der zweite Akt auch noch so herrlich und prunkend wir ken—einmal fällt der Schutz, kommt daS Ende mit Schrecken! Sie warten lange — und bekommen allmählich lange Gesichter. Die Jungen unter ihnen horchen schon verwun dert auf: „Oho, noch ist eS nicht zu spät! Was kann der " Der Neue aber setzt sich über alle Schwierigkeiten hinweg und arbeitet sich durch. Er steht — und das müssen alle zugeben: Er ist in Ordnung! Eines TageS wird er plötzlich krank. Der Chef läß dar auf den Thomas rufen. Der zeigt sich höchst unwillig dar über. „Jetzt soll ich den Notstopfen spielen. Gr kann mich mal!" Nachher tut er eS aber doch. Ich Weitz nicht warum. Vielleicht lag daS so an seiner gutmütigen Art. Wir bekom men eS aber bald heraus: Es liegt dem Thomas nicht. Er ist Wohl ein überaus tüchtiger Arbieter an seinem Prüfstand, jetzt aber, wo so vieles auf ihn eindringt, so vieles zu ordnen, einzuteilen und zu regulieren ist, schlägt ihm das alles über dem Kopf zusammen. Wir machen ihm alles so leicht wie nur möglich. Er soll den Jungen auSstechen, daS wollen wir. Der Thoma» aber weiß bald nicht mehr aus noch ein. Er ist doch Wohl schon zu alt, um noch einmal umzulernen. „Donnerkeil!" sagt er ein mal. „Wenn er doch erst wieder da wäre." Eines TageS kommt der Neue auf einen Sprung herein. Er ist zwar noch krank, hatte aber schon AuSgang. „Ich muß doch mal sehen, wie der Thomas fertig wird", sagt er. Einer spottet darauf gleich wieder: ,Last du Angst um deinen Posten?" Der aber hört kaum hin. Er geht zu Tho mas, und nun zeigt eS sich, daß der Thomas viel von dem Jungen lernen känn. Nicht was die Arbeit selbst betrifft, aber WaS so zu einem Vorarbeiter gehört. Den Blick sozu sagen für alles, auch für das, was nÄensächlich erscheint. DaS macht es dem Thomas ein wenig leichter, wir mer ken es. Er ist auch nachher wieder gut Freund mit ihm. Und jetzt ist im Bau gar mancher, der sich die Sache ein we nig durch den Kopf gehen lätzt und den. Michael — so heißt er nämlich — mit anderen Augen anfieht. Denn der hat so wenig eine Hand iw Kreuz wie wir. Er hat uns nur voraus, ein wenig geweckter und wendiger zu sein. Dabei ist er kein schlechter Kerl — kurzum, wir Haven allen Grund, mit ihm zufrieden zu sein. Und damit schlägt die Stimmung mächtig um! Oie Festung der Mädchen Pfändungsgeschichten, mit zwei lachende« Ange» erzählt Bon Richard Brunotte Auf eine recht eigenartige Weise hat sich der Pariser Schriftsteller Leon GavroiS von seinen Schulden befreit. Bis vor kurzem war der Gerichtsvolhieher bei ihm häufiger Gast. Der arme Dichter mochte soviel schreiben, wie er wollte — die Zeitungen, an die er sich mit Vorliebe wandte, schickten ihm nahezu alles wieder zurück, die Gedichte, die Stimmungsbil der, die Kurzgeschichten. Die kümmerlichen Honorare reich ten nur zu einem Überaus bescheidenen Leben, und die 108 Pfändungsprotokolle, die im Läufe eines JahreS Lei dem hoffnungslosen Schuldner ausgenommen wurden, zeitigten auch nicht daS geringste Ergebnis. Da brachte der immer wachsende Haufen dieser unerfreulichen Akten den Dichter nuf einen originellen Gedanken: Er benutzte das Papier, um darauf einen Roman niederzuschreiben. Es muß Wohl eine recht unterhaltsame Lektüre gewesen sein, die „Festung der Mädchen". Sie hielt sicher, WaS der Titel versprach. Jeden falls wurde es ein solcher Erfolg, datz der Dichter mit einem Schlage alle seine Schulden bezahlen konnte. Er hatte natür lich dafür gesorgt, datz die seltsame Entstehungsgeschichte des Romans bekannt wurde. Und so haben die Pfändungsproto- kolle zweifellos zu dem Erfolge beigetragen ... Der Vollziehungsbeamte, der zuvor so häufig bei Leon zn Gast war, gehörte sicher zu den rücksichtsvollen und mit fühlenden Seelen, wie sie heute erfreulicherweise keine Selten heit mehr sind. Heute dürften sie in unserem Vaterlande, wo das Wort von der Volksgemeinschaft gilt, weitaus die Mehr heit bilden. Aber früher war das vielfach ganz, ganz anders. Und so kann man es zwar nicht billigen, aber dennoch ver stehen, wenn so ein allzu hartnäckiger und gar zu rücksichts loser Beamter von dem bedrängten Schuldner einmal hinters Licht geführt wurde. Die Geschichte, die sich da vor Jahren in Frankfurt am Main ereignet hat, wurde von einem Juri sten erzählt, darf also auf Glaubwürdigkeit Anspruch er heben ... Der Eifer der Gläubiger war in jenem Falle etwas weit gegangen. Der gehetzte Schuldner mußte feststellen, daß sein Haus während deS größten Teiles deS Tages von scharfen Augen bewacht wurde. Und einem dieser hartnäckigen Wäch ter widerfuhr das Glück, daß er eines Abends um sechs Uhr sah, wie man vor der Tür deS Schuldners einen Wagen voller Weinflaschen ablud. ES ist zu begreifen, daß diese Feststel lung erhebliches Mißfallen erregte. Der Gläubiger zögerte nicht, spornstreichs die Pfändung der Spirituosen zu veran- lassen. MS der BollzugSbeamte den Weinkeller deS Schuld ners versiegelte, legte allerdings der Betroffene geharnischte Verwahrung ein: „Ich mache Sie auf die Folgen aufmerk sam! Ich will mit der Sache nicht» zu tun haben." AVer daS machte gar keinen Eindruck. Die Versteigerung fand statt. Und da die Etiketten auf den Flaschen die erlesensten Genüsse versprachen, so waren sie im Nu an den Mann gebracht. Die Käufer erlebten jedoch eine böse Enttäuschung. Das Naß, daS ihnen durch die Kehle rann, war — Essig, mit Was ser verdünnter Essig! Entrüstet wandte man sich an den Mann, aus dessen Keller die Flaschen stammten. Aber der Schuldner zuckte die Achseln: „Ich habe gdgeNdie Pfändung Verwahrung eingelegt. Niemand kann mir einen Vorwurf machen. Darf ich mit meinen Weinflaschen nicht tun, wa» icki will?" ES wird berichtet, datz die Käufer daS Sssigwaffer be halten muhten, und angeblich wurde den Gläubigern der Er lös der Versteigerung auf ihre Forderungen angerechnet... Anderseits kann es nicht Wundernehmen, datz die Boll- ziehungSbeamten beispielsweise in der guten Stadt Wien ganz besonders gemütvolle Menschen sind. Da» hat sich vor einigen Jahren auf eine überaus drollige Weise gezeigt. Da hatte der Angestellte eines Rechtsanwalts gemeinsam mit einem BollzugSbeamten einen Kaufmann aufgesucht, der 2400 Schilling schuldete. Die Männer fanden eine ärmliche, kleine Wohnung: Vorraum, Küche und Schlafzimmer mit den dürftigsten Möbeln. Und dann stellten die unerwünsch ten Besucher fest, baß die offensichtlich so bedauernswerte Fa milie noch Zuwachs erwartete. Die Frau war so nervös, daß sich die beiden Manner schleunigst wieder davon machten. Das Schicksal des Schuldners ging ihnen so nahe, daß sie bei Bekannten und sonstigen mildtätigen Leuten eine kleine Summe zusammenbrachten, die sie den in Not geratenen Leu ten übermitteln wollten, als die Taufe des neuen Erden bürgers stattfand. Diesmal aber wurden die beiden ganz anders empfan gen. Eine Flügeltür öffnete sich vor ihnen. Ein großes, prunkvolles Zimmer nahm sie auf. Eine Auswahl delikater Speisen breitete sich auf dem blendend Weißen Damast deS lang auSgezogenen Tisches. Als der Hausherr die neuen — ihm gänzlich unbekannten — Gäste lächelnd begrüßte, mußte er allerdings eine Enttäuschung erleben. Der Vollziehungs beamte und sein Begleiter dachten nun nicht mehr daran, daS Taufgeschenk zu überreichen. Sie staunten zwar gebüh rend über die Geschicklichkeit, mit der man ihnen vierzehn Tage zuvor eine kleine ärmliche Wohnung vorgcgaukelt hatte. Dann wiesen sie den VollstreckungSvefchl vor. Der Herr deS Hauses verlor trotzdem die Fassung nicht. Verbindlich lächelnd überreichte er ihnen die 2400 Schillinge, die er schuldig war. Dann bat er die Herren inständig, ihm doch an diesem fest lichen Tage ebenfalls die Ehre zu schenken und die Küche sei ner lieben Frau ja nicht zu verschmähen . .. Oer Hellseher Von Heinrich Riedel Wd^rsager und Hellseher können meist nicht hellsehen, aber sie sind — durch Veranlagung und Erfahrung — oft sehr gute Menschenkenner und in hiesem Sinn tatsächlich „Heller" als ihre Mitmenschen. Da lebt zum Beispiel in der Mark Brandenburg auf sei nem Gut Herr v. Kökerplitz — übrigens ein Nachfahr jenes uralten Geschlechts, das manchen braven Kreuz-, später aller dings auch manchen Raubritter gestellt hat, die der bekannte eiserne Kurfürst bann leider hatte hängen lassen müssen. Auf dem Gut war in letzter Zeit nach und nach ein Teil deS alten, kostbaren Tafelsilbers gestohlen worden. Als Täter kam nur jemand von der Dienerschaft in Betracht. Alle Nach forschungen jedoch blieben erfolglos. Es mußte ein äußerst geriebener Bursche sein. Herr v. Kökerplitz hatte schon einmal einen Privatdetektiv gehabt, der in der Rolle eines Kammerdieners vier Wochen lang auf der Lauer lag, aber nichts herausbrachte. Der tem peramentvolle Schloßherr sagte ihm beim Abschied, er sei das Essen nicht wert gewesen, das er bekommen habe. Schließlich ließ er sich — mehr aus Galgenhumor als in der Hoffnung, daß es wirklich was nütze — aus der nahen Stadt einen dort ziemlich bekannten Hellseher kommen, der schon manches aufgeklärt haben sollte, was dem gewöhnlichen Menschenverstand verborgen blieb. Der Hellseher, Herr Ben Aridna, kam und ließ den gro ßen Speisesaal für den Abend auf besondere Weise Herrichten. Alle Fenster wurden dick verhangen, und auf der langm Tafel stellte man eine Anzahl Kerzen auf. Abends wurde die ganze Dienerschaft in diesem Raum versammelt und um den Tisch gesetzt, die Kerzen wurden an gezündet und der Hellseher nahm in einem violetten, mit sonderbaren Zeichen bestickten Gewand auf einem erhöhten Sessel Platz. Vor sich hatte er eine Räucherpfanne stehen, der ein süß licher, beklemmender Duft entstieg. Er starrte lange schwei gend in den schwelenden Rauch, als ob er in unendliche Fer nen sähe. ..Die Anwesenden lachten heimlich über den ganzen Hokuspokus. Ben Aridna ließ sich aber dadurch nicht im geringsten irre machen, sondern begann unerwartet, unverständliche Sätze in einer unbekannten Sprache zu murmeln. Es klang wie eine Beschwörung. Auf einmal brach er ab und eS herrschte wieder Totenstille. Die flackernden Kerzenflämmchen tauchten alles in ein geisterhaftes Licht. ' Mit einer plötzlichen Bewegung holte der Hellseher eine Anzahl Strohhalme aus seiner Tasche, legte sic vor sich hin und begann wieder zu sprechen, jetzt auf Deutsch, langsam und mit monotoner Stimme: „In der Natur gibt es Kräfte, die nur Auserlesenen zu Gebote stehen. Diese Kräfte sind unsichtbar und für gewöhn lich UNfühlbar; aber sie können zu solcher Gewalt anwachsen, daß sie jedem, der sie erlebt, die Haare sträuben und daS Mark der Gebeine erschauern machen. Und schon manchen:, der vom rechten Weg abwich, haben diese Kräfte da» Haupt in den Nacken gedreht." Die Gesichter ringS um den Tisch wurden merklich ernster. Der Magier aber redete in derselben Art noch eine ganze Weile weiter. Unaufhaltsam floß ihm der Redestrom über die Lippen, mit einer NeVeiqeugungSkraft, die jeden Zweifel auS- schloß. Und seine Stimme, die zuerst so sanft und ruhig ge klungen, wurde stärker, drohender. Keiner mehr konnte sich dem Einfluß seiner Worte entziehen. Sie waren wie in einem Bann. Alles, WaS sie je gehört hatten von Gespenstern und Dämonen, wurde in ihnen schreckhaft lebendig. „Ich habe hier", schloß der Mann im violetten Gewand, während die Kerzen inzwischen fast -eruntergebranut waren, „neun Strohhalme, ave von der gleichen Länge. Mit ihnen werde ich den einen Unehrlichen unter euch, der da» Silber gestohlen hat, entdecken. — Jeder nehme einen Halm zur Sandl" Die Anwesenden leisteten stumm Folge. „Sobald die letzte Kerze verlöscht, wird ein starker Knall ertönen. Darauf steckt jeder von euch seinen Strohhalm in .-v' Hi!s
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