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Dresdner Journal : 14.12.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188712143
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871214
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871214
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1887
- Monat1887-12
- Tag1887-12-14
- Monat1887-12
- Jahr1887
- Titel
- Dresdner Journal : 14.12.1887
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Mittwoch, den 14. Dezember, abends. M289. l» x»»« : lUcrllvür.... 18 M»r^. jLkrtieb: 4 ^lcrlr SO kk. lciu»Ll„» Hommoro: 10 kk. Los—rv»ldck»»ck«ot»vb«» Nsiek« tritt kost- unck Ltompoliosoblnz tüoio Li>KNi><1!ik»»x»x«dklire» r b'ür üso k»um sissr ^v»p»It«oeo 2«il2 ^locoor Sodritt SO?t. Vvtsr „icill^«»>Loüt" äiv ^ell« SO l'k. tj«i 1»b«Usu- uoci 2iü«rll»»tr «otspr. ^ukscvtkc^. Lrseksiuour H^liod wit Lau»»tuns ävr 8oua- rmä koiortng« »doucko. b'«ro«proob^L>cbiu»»: Ur. 1iVS Dres-nerImmml. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Dtto Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte. 1887. »„»Nm« vo« »,,vkrt», I^>p«lU! F> Lrr»»<tK«tt«r, LommismovLr «tos Oroockoor ^oaro»!»; «omvvss «orU» Vto» Lotpilp-Zosol-Nr—t»» «roovlort ». N.: ttaasonst«» L ^o-i«r,' I«rU» Vt,»-S»»,dvA- ?r»U-L«tpiiU rnmktvrt ». ». Luck kort» Loocks» - IsrU» - «roo^tott » » IloUG»rl «t t^»., »srllo^ Vurxck»ck<ucka-»t/ OvrUt»: ts. Ltckllor« L»»»»r»r: t) Se^cksstor,- Nolls ». 4.1 F. -» Oo U » r » « » » « >»» r r Tvoi«l. L»p«1itioo 6«s Oroockoor sounutt», I)r«»<tsQ. ILviosssrstr»«« SO. ko^osproob-ALsollla« Kr. 17SS. Amtlicher Teil. Dresden, 12. Dezember. Se. Majestät der König haben dem Landgerichtsdirektor Karl Gustav Iustus von Weber in Dresden den Titel und Rang eines Oberjustizrath« in der Hl. Klasse der Hofrangordnung beizulegen Allergnädigst geruht. Se. Majestät der König haben dem Amtsstraßen meister Julius Kadner in Wilsdruff das Albrecht», kreuz Allergnädigst zu verleihen geruht. Nichtamtlicher Teil. AekegvaphifcHe WacHrncHLen. Leipzig, 14. Dezember. (Tel. d. DreSdn Journ.) Heute wurde die Beweisaufnahme mit der Ver nehmung der Sachverständigen fortgesetzt. Oberst v. Goßler und Major Kliff sagten üdereinstim- mend aus, daß die VerwaltungSberichte einer fremden Regierung geheimgehalten werden müßten, weil sie fortlaufend ein Bild der gesamten Ver hältnisse, auch der militärischen Maßnahmen, ent- rollen, deren Kenntnis namentlich der französischen Regierung größtes Interesse bot. Dasselbe gelte von anderen Verfügungen deS BezirküpräsidiumS Straßburgs. Berlin, 14. Dezember. (Tel. d Dresdn. Journ. Reichstag. Abstimmung über den Zollsatz für Hafer. Der Antrag Helldorf (4 M.) ward mit 145 gegen 129 Stimmen abgelehnt, der Zoll satz der Regierunqövorlage (3 M.) mit großer Majorität angenommen, nachdem Minister v. Lucius gebeten, nicht über den Zollsatz der Re gierung hinauSzugehen. Wien, 14. Dezember. (Tel. d. Dresdn. Journ.) DaS offiziöse „Kremdenblatt" sagt, die optimistische Auffassung in der inländische^ und auswärtigen Presse über die Verhältnisse Österreich - Ungarns zu Rußland scheine auf einer vollständigen Ver wechselung der militärischen und politischen Lage ^u beruhen. Die diplomatischen Beziehungen zu Rußland seien andauernd durchaus freundlicher Natur; die militärische Lage anlangend, habe sich nichts geändert, oder gebessert. Wenn auch in letzter Zeit nichts erschwerendes hinzuaekommen, so sei doch zweifellos eine militärische Machtver- schiebung an der Grenze im Zuge, welche schon jetzt die ernsteste Wachsamkeit hrrausfordere und, wenn fortgesetzt, eine allmähliche Erhöhung der Österreich - ungarischen Streitmacht zur Erhalt ung deS militärischen Gleichgewichts erheischen würde. Die Absichten der österreichischen Politik seien andauernd friedliebend. Die franzöfischer- seitS verbreitete Nachricht, alS ob die deutsche Regierung und dir deutsche Presse durch den AriegSlärm die Militärvorlage durchdringen wollten, sei eine ganz alberne Fabel. Am Schlüsse heißt es: „Wir glauben, die Regierung handelt ganz entsprechend den Interessen der Monarchie, wenn sie alles aufbietet, um rin günstiges poli- tischeS Verhältnis zu Rußland zu erhalten, wenn sie alles vermeidet, was eine friedliche und freund liche Auseinandersetzung hindern könnte, dabei jedoch stets sorgsamst wacht, daß im Kalle deS Scheiterns dieser Bemühungen die militärische Lage der Monarchie nicht von vornherein eine ungünstigere geworden sei. Die Äußerungen der parlamentarischen Körper berechtigen zu der Zu versicht, daß die gesamte Bevölkerung bei aller Friedensliebe und allem KriedenSbedürfniS jeder zeit bereit ist, für die Sicherheit deS Reiches mit ihrer ganzen und vollen Kraft einzutreten." Feuilleton. Frieda. Grzshlmlg von B. Mereitor. (Fortsetzung.) Aber ich will Deinem menschenfreundlichen Herzen ein kleine- Trostpflästerchen legen, armer Professor! Sieh, da in Schulzimmer Klasse In, da sitzen neun jugendliche Musen auf den dem großen Füllofen am nächsten benachbarten Pulte. (Wer sitzt wohl in der Pause auf einer Bank?!) Sie stecken die Köpfe zu sammen und tuscheln und reden, so bedächtig, so eifrig, so hochwichtig, so betrüblich, ach Gott, gewiß nicht leichtsinnig! Und wieder ist eins Deiner Enkeltöchterlein da bei! Da sitzt sie, Deine schlanke Paula, den Kopf mit dem dichten blaufchwarzen Haar vorgebeugt, die Hände über den Knien verschlungen, das ganze un regelmäßige unfertige Gesicht verklärt, durchglüht von dem Feuer, das aus den großen, dunklen Augen sprüht. Welchem Oiakelspruch lauscht sie denn so seltsam be wegt? Ja, was Hermine Stegmann, die Oberste der I», sagt, mag wohl delphische Weisheit genannt werden. Denn Hermine ist nicht nur die älteste (fast achtzehn Jahre!), sondern auch die weltersahrenste Schülerin der unter Frau Pastorin WeilertS Leitung stehenden Lehranstalt I Hermine ist in Amerika geboren, ist die jüngste von fünf Schwestern, hat vier Berlobungen mit durchgemacht und besitzt einen Bruder, der schon zehnmal „auf dem Sprunge war, sich zu verlobe»-. Dresden, 14. Dezember , Zur Weltlage. Den vielen KriegSbefürchtungen in der öffentlichen Presse gegenüber teilt sich unser deutsche» Publikum in Pessimisten und Optimisten, welche die tiefe Er- regung nach beiden Seiten hin leicht zu weit führt. Eine gesammelte Betrachtung der Thatsachen, welche soeben die „Weserzeitung" anstellt, zeigt, daß die Lage allerdings eine ernste ist, eS aber keineswegs an ent schieden beruhigenden Aussichten auf Frieden und bleibende Ordnung gebricht. Es fehlt unserer Meinung nach nicht an festen Punkten zur Beurteilung der Lage. Nicht, als ob sie auSreichten, um die kommenden Ereignisse schon heute als wahrscheinlich zu bezeichnen. Dazu hängt die Entscheidung viel zu sehr von den Entschlüssen eine» einzelnen Menschen, des Zaren, ab. Aber die erwähn ten festen Punkte gestatten doch, den politischen Hori zont deutlicher auszumessen und an ihnen sich ein Ur teil über die Masse der kleineren Ereignisse zu bilden, die oft trotz sensationellen Auftreten» nur ein EintagS- dasein haben oder aber auch al» vorausgehende Schatten großer Ereignisse erkannt werden können. Der eine dieser festen Punkte ist die Gewißheit, daß Frankreich sich sofort in einen Kampf auf Tod und Leben stürzen würde, wenn Deutschland im Osten angegriffen würde. Selbst innere französische Wirr nisse würden daran nichts ändern, vielmehr würde sich Alles dem ersten besten General unterwerfen; denn daß mit der Besiegung Rußlands durch Deutschland alle Revanchehoffnungen auf unabsehbare Zeit vertagt werden müßten, sieht jeder ein. Frankreich kann ebenso wenig Zuschauer bleiben, wenn sein einziger Bundesgenosse in Lebensgefahr ist, wie Deutschland, wenn die Existenz Österreich» bedroht wird. Als zweiten unveränderlichen Punkt hat man festzuhalten, daß in Rußland die einzige thätige Partei, die überhaupt vorhanden ist, die Pan- flawisten, Deutschland mit furchtbarer Erbitterung betrachten, weil es dem russischen Reiche eine Ent- Wickelung nach der Balkanhalbinsel und Konstantinopel unmöglich mache. Diplomaten, hohe Beamte, Generäle, Großfürsten gehören diefer Partei an, und der Zar ist mindesten- sehr tief in ihre Gedankenwelt eingedrungen. Daß sie den Krieg will, steht wohl nicht fest; dann steht auch jene Partei unter dem Eindruck, daß die Sache fehlschlagen könnte. Wenn sie nicht die Mög lichkeit der Niederlage vor Augen hätte, so hätte sie das Unternehmen wahrscheinlich schon lange über» Knie gebrochen. Daß aber oft genug der Haß mit dem unterjochten Verstände durchgeht, können die Un terlegenen fast aller Kriege, die die Weltgeschichte kennt, erzählen. Genug, die Thatsache, daß eine einfluß reiche Gesellschaft Rußlands über die Orientpolltik höchst unzufrieden ist und Deutschland haßt, steht fest; wie sie sich entscheiden wird, ist freilich eine der Fragen, die man nicht weiß und über welche Klarheit zu be kommen gerade der Zweck der Beobachtungen und Er örterungen ist. Glücklicherweise steht diesen unerfreulichen That sachen eine dritte gegenüber, deren Gewicht stark für die Erhaltung des Frieden» in die Wagfchale fällt: Rußland hat kein Geld und keine Repetiergewehre. Kaum im stände, seinen Haushalt durch auswärtige Anleihen in Ordnung zu halten, müßte ihm die Be schaffung der Mittel zu einer längeren Kriegführung die größte Mühe machen. Die auswärtigen Geld märkte scheinen wenig Neigung zu neuen Vorschüssen zu haben, selbst das befreundete Frankreich hält die Taschen zu; denn der Held der Pariser Boulevards ist für seine Privatkasse ein merkwürdig vorsich tiger und wirtschaftlicher Herr. Nun follen ja Ja, was Hermine sagt, da» muß Hand und Fuß haben, und Hermine sagt soeben: „Ich bleib« dabei, sie hat eine unglückliche Liebe, wa» ich Euch sage, Kinder, da» hat sie!" „Aber, Hermine, sie war doch so lustig neulich auf der Schlittenpartie, und die Ehokolade bei Konditor Stein hat ihr ganz gut geschmeckt und der Kuchen auch," wirst ein halbblonder runder Backfisch ein. „Ach Du, warum auch nicht? Sollen dem armen, süßen Wesen denn nicht einmal ein paar Stunden de» Vergessen» beschieden sein? Ich sage Euch, sie hat eine unglückliche Liebe, ich kenne da». Wa» brauchte sse sonst rot zu werden, al» wir sie neulich um Gei bels Minnelied baten? WaS braucht sie in der Hand arbeitsstunde ost so gedankenverloren dazusitzen und immer wieder seinen Namen zu hauchen?" „Seinen Namen? Da» hab' ich doch noch nie gehört! Wie heißt er denn?" „Zu hören und zu verstehen ist er auch gar nicht, und zu sehen ist e» auch kaum, sogar für einen fo er- fahrenen Blick, wie ich ihn habe. Aber e» ist einfach Thatsache! Verlaßt Euch drauf! Und wie sie manch mal in die Klasse kommt, so tieftraurig, so still er- geben, ach, Kinder, ich begreife doch nicht, wie ihr auch dafür habt blind sein können, z. B. heute mor gen noch." „Sie hat die ganze Nacht Ohrenschmerzen gehabt." „Natürlich, einen Grund muß man immer angeben, Louise!" „Aber sie lügt doch nicht, »ein!" rast Pastor» Paula entrüstet. „Gott bewahre, nein! Ohrweh wird sie auch wohl gehabt haben, doch da» Schlimmste siud die Gedanken angeblich der russischen Regierung auS Pari» 250 Millionen Rubel angeboten sein, welche diese je doch wegen der zu nachteiligen Bedingungen abge lehnt habe. ES ist aber sehr fraglich, ob die Sache wahr ist; vielleicht sind auch die „Bedingungen" derart wucherisch gewesen, daß die russischen Staats männer zwischen leihen können und nicht leihen können nur einen sehr geringen Unterschied gesunden haben. Genug, noch haben die Russen kein fremdes Geld, und waS sie bei sich zu Hause finden, ist ungewiß. Ob sie den Versuch machen könnten, einen Krieg ge wissermaßen auS der Naturalwirtschaft des Volkes zu bestreuen, Geld und Vorräte zu nehmen, wo sie sie finden? Wir haben keine Antwort auf diese Frage. Aber wir meinen, die finanziellen Verlegenheiten Ruß lands sind ein Grund mehr für den Frieden, und andererfeit» müßte man die Gefahr als gewachsen be zeichnen, wenn Hrn. Wyjchnegradski ein großes An lehen im Ausland« gelänge; aber wohl gemerkt: ein großes. Wenn man diese Hauptmerkmale zur politischen Orientirung festhält und weiter berücksichtigt, daß die Friedensliebe des deutsch-österreichisch-italienischeu Bun des mindesten- ebenso feststeht, wie die Revanchelust Frankreichs, so ergiebt sich unsere stets verfochtene Ansicht, daß die Entscheidung über Krieg und Frieden beim Zaren liegt, als richtig. Man darf hoffen, daß bei einem einzelnen, für sein Volk die volle Verant wortung tragenden Mann gute Gründe ein starkes Ge wicht haben; man darf hoffen, daß er erkenne, wie da» Friedensbedürfnis gerade für sein Volk die größte Nothwendigkeit tst und wie die Aussichten auf eine Besiegung des Dreibundes nur gering sind. Aber eine Gewißheit kann man sich natürlich da durch nicht verschaffen, daß man seine eigenen Argu mentationen in den Geist eines Anderen hineinträgt. An Stelle einer solchen Schlußfolgerung können wir indes ein Zeichen beobachten, welches viel untrüglicher ist. DaS Zeichen ist noch nicht da, aber viele politische Fernrohre sind dahin gerichtet, um es zu entdecken: bleibt eS aus, so stehen die Sachen günstig; kommt er, so nehmen sie eine Wendung zum Schlimmen. Wir meinen die russischen Truppentransporte nach Polen. Wa» geschehen ist, mag beachtenswert sein, ist aber noch nicht beängstigend. Wenn sie fortdauern, deuten sie an, daß der Zar sich für nächste» Frühjahr auf Krieg einrichtet. Für den Frieden haben sie keinen Sinn. Für den Krieg muß Rußland sehen, die ungeheure Schwierigkeit emes Auf marsches seiner Armee im Westen zu überwinden. Nur wenige Schienenstränge führen au- dem gewaltigen Reiche nach Polen; mit rollendem Eisenbahnmaterial ist es in Rußland schwach bestellt. In der Leichtigkeit des Aufmarsches haben Österreich und namentlich Deutsch land einen riesigen Vorsprung vor Rußland. Sollte letzteres jetzt stetig Truppen nach dem Westen schieben, so müßte man annehmen, daß es in dem Winterhalbjahr den Vorsprung einholen wollte, um im Frühjahr mit seiner marschfertigen Armee impo sant dazustehen. Unterläßt es dies, so deuten wir das günstig für den Frieden. Auf Truppenverschieb ungen hat man also mit äußerster Sorgfalt zu achten. Auch bei dieser Gelegenheit hat man Anlaß zum Ver trauen auf unsere Heeresverwaltung; auch sie würde nicht ruhig zusehen, wenn ein Feind sich ein halbes Jahr lang unverkennbar auf Krieg einrichtete; noch fehlt e» an bedrohlichen Truppenverschiebungen in Rußland. In dem Eintritt oder Ausbleiben der letz teren haben wir jedenfalls die besten Symptome der Lage Tagesgeschichte. * Dresden, 14. Dezember. Unser Berichterstatter schreibt unS: Bei der gestern 8 Uhr 50 Min. abends erfolgten Ankunft Ihrer Königl. Hoheit der Pr in an ihn, — waS ich Euch sage, Kinder, sie hat eine unglückliche Liebel" „Der dumme Mensch! Ich begreife so was nicht! Wenn ich ein Mann wäre, ich heiratete sie auf d«r Stelle! Auf der Stelle!" Und Paula springt mit einem Satz vom Pult herunter, denn der Gegenstand ihrer Begeisterung, Fräulein Frieda v. Alten, seit acht Monaten Lehrerin an Frau Pastorin WeilertS Töch terschule, betrat soeben das Klassenzimmer. Zu gleicher Zeit ertönte draußen die Glocke, und die schöne Frei viertelstunde war wieder einmal vorbei. Frieda v. Alten hatte nicht- um und an sich, waS ihre Lehrerinnenwürde verriet Wenn auch über dem feinem Oval ihre- rosigen und weißen Gesichtchens ein zart beschattender Hauch leidender Müdigkeit lag, so konnte derselbe doch schwerlich der Anfang jener trau rigen Verbitterung sein, die sich leider ost in den Zügen alternder Lehrerinnen auSprägt, denn um solch einen Anfang zu bewirken, dazu waren Friedas Be rufSerfahrungen doch allzu jung und zu freundlich! Seit acht Monaten hatte sie erst die Stellung an der Weilertschen Töchterschule inne. Sie wohnte im Hause der Vorsteherin. Frau Pastorin war ihr in der That bald mehr mütterliche Freundin als gestrenge Borgesetzte geworden, und die Herzen der Schülerinnen flogen der jungen, sanften Lehrerin nur fo entgegen. Weilerts Schule „schwärmte" unisono für Fräulein von Alten. „Schwärmen!" Köstlicher Zustand! Nur wer ihn durchlebt, kann da» Wort würdigen! Freilich, Frieda» Leistungen und Erfolge auf anderem al» Herzen»boden, ach, die entlockten sogar der ruhigen Frau Pastorin oft ein bedenkliche» Kopsschütteln und verursachte« Friedchen selbst bittre» Herzweh. E» zessin Wilhelm waren auf dem Böhmischen Bahn hof zur Begrüßung anwesend: Se. Königl. Hoheit Prinz Christian und Ihre Durchlaucht die Prinzessinnen Amalie und Luise Sophie von Schleswig-Holstein nebst dem Hofmarschall Freiherrn v. Buddenbrock. Se. Majestät der König Christian von Däne mark ist heute auf der Rückreise von Wien 8 Uhr 15 Min. Vormittags hier angekommen und hat im Hotel de Saxe Absteigequartier genommen. Die Weiter fahrt nach Kopenhagen über Leipzig findet morgen um dieselbe Zett statt. * Berlin, 13. Dezember. Se. Maj. der Kaiser nahm heute Vormittag zunächst den Vortrag des Grafen Perponcher und fodann die Meldungen zahlreicher hoher Militärperfonen entgegen. Mittags arbeilete der Monarch mit dem Chef des Militärkabinetts, kon- ferirte mit dem Chef der Admiralität und unternahm vor dem Diner eine Spazierfahrt. Se. Hoheit der Erbprinz und Ihre k. Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen haben gestern Abend ihre Reise nach San Remo angetreten, woselbst Beide längere Zeit bei den kronprinzlichen Herrschaften zum Besuch verbleiben werden. Die Besserung in dem Befinden Sr Durchlaucht des Reichskanzlers Fürsten v. Bismarck hält in erfreulicher Weise an. Die offiziösen „Berl. Pol. Nachr." schreiben: Wenn schon die Herabsetzung der Zollsätze der Regierungs vorlage für Weizen und Roggen im Jnteiesse der Land wirtschaft zu bedauern wäre, so würden die Interessen der letz teren noch in ungleich höherem Matze geschädigt werben, wenn der zu nach dem KommissionsvorschlagcAnnahme sande Daß die Zollerhöhung von I8»b der Landwirtschaft nicht den erhoff ten Schutz gebracht, ist zu einem guten Teile die Wirkung der Zulassung der aus alten Kontrakten beruhend» n Getreidejen- dungen zu dem Zollsätze von 1 M. zuzujchreiben. Die infolge dessen zu dem niedrigeren Zollsätze eingejührten groben Mengen an Getreide hemmten die Wirkung der Zollerhöhung a»s das Äuherstc. Die Wirkungen der Wiederholung des damals ge machten Fehlers würden jetzt aber noch ungleich bedenklicher sein. Denn neben den aus reellen Abmachungen beruhenden Lieserungen würde der niedrige Zollsatz auch solchen Lieserungen zu Bute kommen, welche auf lediglich zur Ausnutzung einer derartigen Zollvergünsligung bestimmten, für den Fall der Ver werfung gegenstandsloser Verträge beruhen. So ist, wie glaub haft berichtet wird, u. a. einer großen Anzahl von Verträgen, welche in Wahrheit nur Differenzgeschäfte bezwecken, die Klausel der Lieferung effektiver Warr beigesügt, um dadurch die Mög lichkeit sich zu sichern von einer etwaigen Zollvergünstigung zu profitieren. Die- gielt insbesondere auch von Lieferungs- Verträgen zwischen russischen und deutschen Häusern, von welchen sür da» Frühjahr eine, grotzr Baissespekulation inszeniert wird. E» handelt sich in diesen Fällen um hundetttaujenbe von Mispeln Roggen, welche eine St. Petersburger Firma mit Unterstützung der hiesigen Spekulation auf solche Art „konti ält lich gemacht hat. Die Erfolge von 188S haben die Spekulation offenbar ermuntert, diesmal in fo großem Stile zu arbeiten, daß sie den Markt sür Jahre hinaus mit dem russischen Roggen zu ersticken vermöchte Eine solche Spekulation würde durch die Übersührung des deutschen Markles mit minderverzolltem Getreide aus Grund jener Klausel sehr wirksam unterstützt wer den. Aber auch andere Manöver ähnlicher Art werden signa lisiert. Die Gesahr, daß wiederum der erhöhte Schutzzoll der Landwirtschaft keinen Schutz gewährt, ist daher dringend; die Freunde der Landwirtschaft werden sich daher hüten muffen, den 188b gemachten Fehler jetzt in schlimmerer Weise zu wieder holen. Das einzig Zutreffende schlägt die Regierungsvorlage vor; mindestens aber müßte doch die Zollvergünstigung aus solche Sendungen aus vor dem 2« November abgeschlossenen Kontrakten beschränkt werden, welche zu dem gleichen Termin auch bereits abgesandt, d. h. unterwegs waren. Sonst wird der Landwirtschaft aus lange Zeit hin keine wirksame Hilfe zu teil werden, und es wäre in dec That besser, die Vorlage über haupt abzulehnen, als ihr die jedwede günstige Wirkung der erhöhten Zölle paralysierende Klausel anzuhängen. Der Preußische Volkswirtfchaftsrat trat heute wieder zu einer Plenarsitzung zusammen, welcher dem Ausschuß die von ihm beschlossenen Abänderungen der Grundzüge für die Alter»- und Invalidenversicherung zur Annahme unterbreitete. Mit dem Punkt t der Grundzüge kam zunächst die Frage deS VersicherungSumsanges zur Erörterung und wurde dabei die im Ausschuß beschlossene Ausdehnung der Bersichcrungspflicht aus diejenigen Arbeitgeber, welche regelmäßig nur einen Ar- war auch geradezu fürchterlich, französische oder eng lische Regeln, die einem selbst so unsagbar unsym- vathisch waren, den Mädchen erklären, Rechenaufgaben, die einen selbst wie dunkle Rätsel anschauten, nach allen Regeln der Kunst schriftlich oder mündlich lösen zu sollen! Wie segnete Friedchen die „Schlüssel" aller Art! Wie freute sie sich nach mancher Marterstunde auf jede Lektion in ihren Lieblingsfächern: Religion, Handarbeit, Zeichnen, Gesang: Und Zeichnen war die Stunde, zu der sie jetzt die Klasse betrat. Sie hatte die Erlaubnis gegeben, daß, während die Schülerinnen ihre Stifte und leider auch gar reichlich die Gummistäbchen handhabten, ein leises Gespräch geführt werden durfte; auch faß die Lehrerin nicht, wie die» sonst üblich, auf dem Katheder, mit einer Handarbeit beschäftigt, die sie nur hinldigte, wenn eine zu verbessernde oder zu zensierende Zeich nung ihr gebracht wurde, nein, Friedchen ging ab und zu durch die Klasse, hier nachhelfend, dort lobend, drüben leise bittend: ,Fache, sei doch fleißig!" oder: „Emma, Du darfst wirklich nicht fo arg auf den Stift drücken!" Jedes der Mädchen hatte sich nach Be lieben Landschaften, Blumen, Köpfe und Ornamente wählen dürfen, dies war ja die Oberklasse, und Frau Pastorin hatte die neue Methode lächelnd bewilligt. „Sieht eine, daß sie'- nicht fertig bringt, wird ihr's schon deswegen leid und thut'S nicht wieder, hat also etwas gelernt, und zu Hause wird keine klagen über eine selbstgewählte Vorlage." (Fortsetzung folgt.»
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