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Dresdner Journal : 20.05.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190505200
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19050520
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19050520
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1905
- Monat1905-05
- Tag1905-05-20
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- Dresdner Journal : 20.05.1905
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^11« vej«,»Preis: Beim Bezüge durch die cheschtfltSeue t»er-«r» Z>re»veu» 2,»o M (ernschl Zulragung), durch die stksst im Deul,chcu Reiche » M. (ausschließlich Bestellgeld) vrerteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf Wird Zurücksendung der für die Schriftleitung bestimmte«, aber von dieser nicht ein» geforderten Beiträge bean- sprucht, so ist das Postgeld beizufügen. DreMcr Journal Herausgegeben von der König!. Expeditton de- Dresdner Journals, Dresden, Große Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Erscheinen r Werktag« nachm S Uhr. — Originalberichte und Mitteilungen dürfen nur mit voller Quellenangabe nachgedruckt werden. Sonnabend, den 20. Mai nachmittags. «aküntzignussgehühretl: Die Zeil« kleiner Schrift der 7 mal gespaltenen Ankündi gung«.Seite oder deren Raum 20 Pf Bei Tabellen- und Zisfernsatz L Pf. Ausschlag für die Zeile. Unterm Re» daktion-strich (Eingesandt) die Lextzeile mittler Schnst oder deren Raum so Pf. Gebühren»Ermäßigung bet öfterer Wiederholung. Annahme der Anzeigen bis mittags 12 Uhr für du nach mittags erscheinende Nummer- 1905. Amtlicher Teil. Dresden, 20. Mai. Se. Majestät der König sind heute vormittag 10 Uhr 19 Min. nach Sibyllen- ort in Schlesien gereist. Se Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, den Ober-Briefträgern Aßmann und Ulbricht in Dresden sowie Thomas in Pließkowitz bei ihrem Übertritt in den Ruhestand das Allgemeine Ehren zeichen zu verleihen Verordnung, eine Abänderung in der Begrenzung und in der Bezeichnung von Bestandteilen der Land tagswahlkreise betreffend. Das Verzeichnis der den einzelnen Wahlkreisen für die Wahlen zur II. Kammer der Stände versammlung zugehörigen Orte und Ortsteile in der Beilage 8 der Ausführungsverordnung vom 10. Oktober 1896 (G. u. V.-Bl. von 1896 S. 152 flg.) wird in folgendem Punkte abgeändert: Die Landgemeinde Richzenhain scheidet infolge Vereinigung zu einem Teile mit der Stadt Wald heim zum andern Teile mit der Stadt Hartha aus dem 28. Wahlkreise des platten Landes auS und tritt zum Teil dem 9. und zum Teil dem 11. städtischen Wahlkreise hinzu Dresden, den 17. Mai 1905. Ministerium des Innern. v. Metzsch. »22» Ernennungen, Versetzungen re. im öffent lichen Dienste. Im «eschäftSberclche des Ministeriums -er Finanzen. Bei der Berg- und Hüttenverwaltung ist ernannt worden: Or. pkil. Wilski als außerordentlicher Professor sür Markscheidekunde und Geodäsie bei der Berg akademie Freiberg. Bei der staatlichen Straßen- und Wasserbauver waltung sind ernannt, worden: Krüger, seither Straßen- bauausseher, als AmtSstraßenmeister, zunächst ohne besonderen Dienstbezirk, bei der Straßen- und Wasserbauinspektion Anna berg. Ho topp, Oberfahnenschmicd bei der König!. Militär- Reitanstalt Dresden, als Straßenbauaussrher. Im tSeschäftSV,reiche de» Miuisteriums deS ttultuS u. öffentl. Unterrichts. Zu besetzen: eine Hilsslehrerstelle in Freiberg Kollator: der Sladtrat. Ein kommen 1S00 M. einschl. WohnungS- und Heizungsentschädi gung Gesucht wahlfähiger Bewerber mit Zeugnissen bis l Juni an den Koll fvehSrdl Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) nichtamtlicher Teil. Vie auswärtige Politik der Woche. Seitdem Se. Majestät der Kaiser auf deutschen Boden zurückgekehrt ist, warten unsere französischen Nachbarn gespannt auf eine Kundgebung, die, wäre sie entgegenkommend oder ablehnend, doch die öffent liche Meinung Frankreichs vom Alpdruck der Un gewißheit erlösen würde, die als natürliche Folge diplomatischer Verfehlungen gegen nns über der weiteren Entwickelung der deutsch-französischen Beziehungen schwebt. Nun ist der Aufenthalt des Reichsoberhaupts in Elsaß-Lothringen beendet, und alles hat sich ganz anders abgespielt als in Paris halb gewünscht, halb gefürchtet wurde. Das Macht ¬ wort, das nach der Lieblingsvorstellung vieler fran zösischer und einiger deutscher Träumer den Reichs kanzler von einer energischen Weiterverfolgung unserer Marokko Politik in die Bahn zarter Rück sichtnahme auf französisch-englische Empfindlichkeit zurückrufen sollte, ist nicht gesprochen worden. Anderseits blieb die große militärpolitische Erklärung aus, deren mutmaßlich gegen Frankreich gerichteten Inhalt englische Zeitungen bereits in den letzten Tagen des April vorher anzukündigen wußten. Die Hoffnung, auS der Hand des Kaisers selbst den Schlüssel einer durch frühere Schachzüge Frankreichs verfahrene Lage zu erhalten, schlug fehl, und den Versuchen, nicht-öffentliche Urteile des Monarchen über ernste Lehren des russisch-japanischen Krieges in gröblicher Entstellung zu politischen Angebereien in St. Petersburg, Tokio und Washington zu miß brauchen, wurde durch die maßgebendsten deutschen Personen selbst rasch ein Ende gemacht. So sind die elsaß-lothringischen Kaisertage dahingegangen, ohne daß unseren Widersachern die kleinste Handhabe geboten wurde, um, sei es in der marokkanischen, sei es in der ostasiatischen Frage die feste Stellung der deutschen Politik zu verschieben. Dagegen hat sich in Lothringens alter Hauptstadt mit der feierlichen Überreichung der Ordens vom Heiligen Grabe an den Kaiser ein Vorgang abgespielt, der als Zeugnis für das in der Person des Herrschers verkörperte Ansehen Deutsch lands in der orientalischen Christenheit vom natio nalen Standpunkt ohne konfessionelle oder sonder politische Hintergedanken willkommen zu heißen ist. Die Ordensverleihung bildet nur den sinnfälligen Ausdruck eines inneren Wandels, der sich gegenüber Deutschlands Aufgaben im Heiligen Lande in den leitenden Kreisen der römischen Kirche unter dem nachhaltigen Eindruck der Reise Sr. Majestät des Kaisers nach dem Morgenlande und seiner fortgesetzt bekundeten Wachsamkeit für die Interessen des Christentums an den heiligen Stätten allmählich vollzogen hat. Als im Sinne dieser kaiserlichen Politik das Deutsche Reich den selbständigen Schutz seiner Angehörigen im Orient an Stelle der dort von Frankreich über die Katholiken aller Länder beanspruchten Obergewalt durchzuführen be gann, und zwar nach Art eines unveräußerlichen Hoheitsrechts, ohne erst irgendwelche Genehmigung, sei es der Türkei, sei es Frankreichs, sei es des Vatikans einzuholen, verhielt sich die römische Kurie zu dieser Anwendung des Nationalitätsprinzips auS Rücksicht für Frankreich, wenn auch nicht unfreund lich, doch nicht gerade entgegenkommend und fand sich nur zögernd darein, dem protestantischen Deutschen Kaiser einen Platz eiunehmen zu sehen, den die älteste Tochter der Kirche von Jahrzehnt zu Jahrzehnt vernachlässigt hatte. In mehr als einem Falle kam es dazu, daß auch nicht deutsche Katholiken, italienische, ja sogar französische Mönche unserer Botschaft in Konstantinopel oder den deutschen Konsularbehörden bei berechtigten Be schwerden eine Unterstützung zu verdanken hatten, die zu beschaffen Frankreichs diplomatische Vertretung nicht den Willen oder nicht den Einsluß hatte. Doch handelte es sich dabei um eine nicht beabsichtigte Nebenerscheinung der deutschen Schutztätigkeit. Denn der Gedanke, in die von Frankreich niemals verwirk lichte, wenn auch immer als Vorrecht verlangte Gönnerstellung über alle orientalischen Christen ein zurücken, ist der deutschen Politik stets fremd ge blieben. Sie begnügt sich damit, der Frage des Christenschutzes eine nationale Lösung gegeben zu haben, und ihr Beispiel hat auf andere Mächte, z B. Italien und England, vorbildlich gewirkt. Seitdem ist es in der Pariser Presse stiller geworden von den „altüberlieferten Rechten" der Republik und von dem „Protektorat der Jahrhunderte", kraft dessen Frankreich in der Levante an der Spitze der ge samten Christenheit marschiere. Auf diese durch Deutschland herbeigeführte Wandlung hat nunmehr durch die Verleihung der Orden- vom Heiligen Grabe an Se. Majestät den Kaiser die Kirche das Siegel ihrer amtlichen Anerkennung gedrückt und damit zugleich eine persönliche Huldigung für die den gesamtchristlichen Interessen gewidmete Fürsorge des Monarchen verbunden, die den deutschen Namen in den Ländern der Morgensonne zu hohen Ehren gebracht hat. Für die europäische Politik, wo nach englischer und französischer Rechnung Machtverschicbungen zu unseren Ungunsten eintreten sollen, haben die Vor gänge der letzten Zeit wieder einmal Klarheit darüber geschaffen, daß Italien nach wie vor mit Deutsch land und Österreich-Ungarn zusammenhält, wie diese untereinander, daß hinter mancherlei Gewölk die Umrisse des Dreibunds fest bleiben und daß der Augenblick für westmächtliche Neubildungen, wie man sie in Paris wünscht, auf sich warten läßt Die Aufwendungen Italiens für seine Stellung als Seemacht erklären sich vor allem aus dein Bedürfnis, in Mittelmeerfragcn nicht zwischen Frankreich und England, wenn auch noch so freundschaftlich, ein geengt zu werden und gegenüber ihrem herzlichen Einvernehmen sich als gleichberechtigt behaupten zu können. Die von der römischen Kammer nachdrücklich gebilligten und in Berlin wie in Wien mit voller Anerkennung begrüßten Erklärungen des Ministers Tittoni über Tripolis und Albanien sind angesichts gewisser Versuchungen, die an Italien herantreten konnten, ein wahres Muster staatsmännischer Be sonnenheit und haben alle unruhigen Köpfe darüber belehrt, daß die Regierang König Victor Emanuels weder im Mittelmeer, noch auf dem Balkan, noch geschweige an den europäischen Grenzen des König reichs sich in Abenteuer verwickeln lassen wird. Graf Goluchowski konnte den 16. Mai, an dem fei*? Amtsführung ein volles Jahrzehnt erreicht hat, mit gesichertem Ausblick auf die Zukunft der Orient frage, wie der österreichisch-italienischen Beziehungen feiern und für seinen Anteil an der im großen und ganzen ruhigen Entwickelung Südosteuropas ver diente Glückwünsche entgegennehmen. In einem „Tanger, Neapel, Venedig" überschriebenen Leit artikel zieht der „Figaro" die Summe der letzten Wochen und muß, wenn auch wider Willen, zugebcn, daß Frankreichs neue Europa-Politik für diesmal das Spiel verloren hat, weil Deutschlands An ziehungskraft aus seine Verbündeten sich als die stärkere Kraft erwies Im Gegensatz zu dem „Temps", der sich im ersten Arger zu unfreundlichen Be merkungen gegen die italienische Politik fortreißen ließ, ist der „Figaro" besonnen genug, die zwischen Wien und Rom neu besiegelte Verständigung nicht abzuschwächen Aus der Festigkeit der Er klärungen Tittonis schließt das Blatt sogar auf ein besonderes italienisch-österreichisches Einvernehmen in den Balkanfragen, und zweifellos hat nicht bloß die albanesische Seite der makedonischen Frage für die beiden Dreibundmächte neuerdinas jeden Stein des Anstoßes verloren, sondern auch in der Behandlung der kürzlich der Pforte überreichten Finanzvorschlägc gibt es zwischen der österreichisch ungarischen und der italienischen Diplomatie in Konstantinopel keine Meinungsverschiedenheiten mehr. Auch Deutschland entspricht einem Wunsche Italiens, wenn es in die neu zü errichtende internationale Kommission zur Überwachung der macedonischen Finanzverwaltung einen Vertreter entsendet. Wir haben an dieser Mitbeteiligung auch ein eigenes Interesse, da der Finanzplan für den Fall eines Ausfalls in den Einnahmen der europäischen Wilajets zur Bestreitung der Verwaltungskosten Macedoniens die allgemeinen Zolleinkünfte des Osmanischen Reiches heranziehen will, deren sachgemäße Ver wendung wir mit Rücksicht auf unsere wirtschaft lichen Unternehmungen in der Türkei dem deutschen Einfluß nicht entziehen lassen können. Das Ein treten aller Großmächte für den Inhalt der durch eine Kollektivnote festgclegten Finanzforderungen zeigt eine Geschlossenheit, gegen die von der Pforte kein erfolgreicher Widerstand geleistet werden kann Sie hat sich nm eine Milderung der Bedingungen an Deutschland und Italien gewandt, aber gerade der Umstand, daß diese beiden Mächte mit unter zeichnet haben, und zwar auf Grund längerer Ver handlungen, sollte der Regierung des Sultans nahe legen, daß es sich um eine Reform handelt, die auch unverdächtige Freunde zum eigenen Besten der Türkei für geboten halten. Zwischen der Türkei und Rumänien hat sich letzthin ein Streitfall ereignet, der noch der Regelung harrt und bereits zu einem Unterbrechen der diplo matischen Beziehungen zwischen beiden Staaten den Anlaß gegeben hat. Die Sache war davon auS- gegangen, daß zwei rumänische Schulinspektorcn in einem türkischen Orte in der Nähe von Janina, weil sie angeblich die dortige kutzowalachische Bevölkerung aufgehetzt und dadurch Tätlichkeiten provoziert hätten, durch den Wali von Janina Osman Pascha ver haftet worden waren. Die rumänische Gesandtschaft erhob Einspruch, und die Verhafteten wurden schließ lich freigelassen. Rumänischerseits fand man aber die Art und Weise entwürdigend und beleidigend, wie die türkischen Behörden die beiden Rumänen behandelt hätten. Nach einer anderen Darstellung war der ganze Kutzowalachische Kirchcnvorstand in dem erwähnten Orte neben sechs anderen Kutzo- walachen verhaftet worden Der Wali wollte die Beglaubigung der beiden Schulinspektoren seitens des Großwesiers nicht anerkennen und mißachtete das Dazwischcntreten des rumänischen Konsuls, ließ sogar das Konsulat polizeilich überwachen. Soweit sich inzwischen die Großmächte für die Angelegenheit interessieren, findet Rumänien für den größten Teil seiner, den Zwischenfall unmittelbar angehenden Forderungen bei anderen Mächten Unterstützung Denn es hat den Anschein, als sei der türkische Wali von Janina in einer Weise vorgegangen, die von der Türkei selbst nicht anerkannt wird Jeden falls wird die Beilegung des Streitfalls selbst keinen besonderen Schwierigkeiten begegnen. Etwas anderes ist es um das rumänische Verlangen, daß die Türkei die Kutzowalachcn als selbständige Nation in Macedonien bestätigen soll. Rumänien wünscht eine entsprechende schriftliche Erklärung, mit deren Ab gabe die Pforte zögert. Immerhin dürste diese mehr der allgemeinen Balkanpolitik angehörcnde Seite des Zwischenfalls sich so rasch, wie man es in Bukarest zu wünschen scheint, wohl nicht regeln lassen. Zur marokkanischen Frage ist die Nachricht von Wichtigkeit, daß der in Fez angekommene Führer der deutschen Sondergesandtschaft Graf Tattenbach sehr bald »ach seinem Eintreffen in feierlicher Audienz vom Sultan von Marokko em pfangen wurde Graf Tattenbach drückte hierbei den Dank des Deutschen Kaisers für den glänzenden Empfang des Monarchen in Tanger aus, betonte, Kunst und Wissenschaft. Die Juristische Fakultät der Universität Leipzig hat die Herreu Geh. Rat Bruno Victor Jahn, Ministerialdirektor im Königl. Sächs Ministerium der Justiz, und August Julius Lößnitzer, Präsident des Königl. Sächs. Oberlandesgerichts, zu Doktoren donoris cau8» promoviert, die Theologische Fakultät die Herren Pastor Albert Hofstätter, Lehrer am Leimiger Missions haus (jetzt Dekan in Uffenheim), und Pfarrer Alfred Jeremias in Leipzig zu Inesntiati tbeoloxiae konons Rcfidenztheater. — Am 1S. d. M.: „Der Herrgottschnitzer von Ammergau". Volksstück mit Gesang und Tanz in fünf Akten von Ganghofer und Neuert. Nachdem die Schlierseer Bauernkünstler nunmehr zu den Werken zurückgrkehrt sind, in deren Darstellung sie uns vertraut und lieb geworden sind, kann man ihren Leistungen mit Worten ehrlichen Lobe« begegnen Im vielgesehenen und dennoch noch immer lebenskräftigen „Herrgottschnitzer" vereinten sich gestern alle Kräfte zu einem höchst vortrefflichen Zusammenspiel, wie nicht minder die Sinzelleistungen Zaver Terofal» (Der alt' Pechner- lehnl), Marie Ehrhardt'» (Loni) und Josef Mrth'« (Pauli) reich an frischem Leb«, und dramatischer Be wegung warm; war man beim Anblick der Posse „In der 3ommersrffch'n" geneigt, an einm Niedergang der bäuerlichen Darstrllung«kunst zu denken, so ergab der gestrige Abend die erfreuliche Wahrnehmung, daß die Baucrnkllnstler innerhalb der Grenzen ihrer Eigenart noch heute so unmittelbar Auge und Ohr, Herz und Sinne zu ergötzen und unterhalten vermögen, wie in der Zeit, da sie zuerst aus ihren Bergen der Großstadtkultur gegen- übertcatm. W. DgS. Der Vater -er deutschen Literaturgeschichte. (Zum 100. Geburtslage von Georg Gottfried Gervinus, 20. Mai 1S0S.) Es ist ein merkwürdiger Zufall in der an Zufällig keiten reichen GcisteSgeschichte des deutschen Volkes, daß uns die erste Gesamtdarstellung deutscher Dichtung nicht von einem ästhetisch-feinfühligen, liebevoll all dem Schönen unserer Poesie hingegebcnen Gelehrten geschenkt wurde, wie deren so manche in der Zeit der Romantik aufwuchsen, sondern daß eine durchaus unkünstlerische, nur dem politischen Leben zuacwandte, eigenwillig doktrinäre 'Natur uns die erste Geschichte der deutschen Nationalliteratur bescherte. Und cs ist seltsam, daß der Mann, der sie schrieb, eigentlich nur zufällig auf diesen Stoff kam, im Grunde ganz andere Ziele und Tendenzen hatte, und nun, während seine Taten al« Staatsmann, seine politisch historischen Werke längst vergessen sind, nur durch dieses Werk sich Unsterblichkeit gesichert hat. Gervinus, der da meinte, die Geschicke seines Volke« zu lenken und als Erzieher al« Geschichtsschreiber der Deutschen ewige Spuren seine« Wirten« zu hinterlassen, ihm bleibt heute nur noch der beschcidme, aber stojzc Ruhm, der Be gründer der modernen deutschen Literaturgeschichte geworden zu sein. Und noch sonderbarer berührt e«, daß diese« reiche Buch, da« in fünf starken Bänden so Wundervolle« enthüllte, einen so tiefen und seelenvollen Spiegel de« deutschen Volkdgeistc« darbot, von seinem Verfasser eigentjich geschrieben worden ist, um die Deutschen vom Dichten adzuschrecken, ein unmögliche« Beginnen freilich, da in un« allen innerlich «in poetisches Wollen und Schaffen sich regt. Gervinus aber hielt diese« Bedürfnis, Das ist das Leitmotiv, das in dieser dort nicht versagte. „Geschichte der deutschen Dichtung" immer wieder aus dem stillen Poetenwinkel, dem träumerischen Sinnen hin wegruft in das laute Lärmen de« Markte« und auf den das dem „Volke der Dichter" zu tief innewohnt, für schädlich; er wollte Nachweisen, daß Deutschland literarisch erschöpft sei und fortan sich der Politik, dem öffent lichen Leben zuwenden müsse. Was nach unserer klassischen Periode, nach Lessing und Schiller, noch gedichtet worden sei, sei ja gänzlich wertlos, und im letzten Band ward der Romantik, ja auch dem alten Goethe eine verächtliche Abkanzlung zuteil, die wir heute nicht mehr ohne Ent rüstung lesen können Die bewußte Absicht von Gervinus war cs, wie er selbst sagt, „den übungsbedürftigen und schafflustigen Geist des Volkes aus den Regionen der Ideen und Ideale auf das praktische, politische Leben hinzuführen; durch große innere Beschäftigungen, die das Volk in Masse in Anspruch nehmen, der geistigen Bildung ein Gegengewicht zu erwecken im Staat und Staatsleben, in Gemeingcist und Vaterlandsliebe; ein anderes, ein größere« Interesse an die Stelle der literarischen Interessen zu schieben". Er jammert, daß diese Nation, die in Kunst, m Religion, in Wissenschaft da« höchste vermocht hat, im Staate gar nichts vermochte. „Der Kampf der Kunst ist vollendet; jetzt sollen wir uns da» andere Ziel stecken, ob uns auch da Apollon den Ruhm gewährt, den er uns Kampfplatz de« politischen Wcltgetriebe« Und sein Ruf ve,ballte nicht ungehört. Seinem Buche bleibt neben dem wiffenschaftlichcn Wert, au« dem Tausende Nahrung und Begeisterung geschöpft haben, da« gewaltige historische Verdienst, di« Prosessoren und Dozenten von ihren Kathedern und au« ihren Hörsälen in di« öffentlich« Arena gerufen, überhaupt dem Geiste*gange der deutschen Entwickelung neue Ziele, realen Inhalt geliehen zu haben Da« geringschätzige Wort Napoleon« von den deutschen Ideologen war unwahr geworden, al« die deutschen Ge lehrten in der Paulskirchc über das Geschick ihres Landes berieten Und Gervinus hat auch schon den „Staatsmann" geahnt, er ist der Vorläufer jenes „Großen", der dann in Bismarck erschien, „der uns das deutsche Staats leben aus Schlaf und Apathie erwecken sollte, der den Staat und die Wirksamkeit im Staate über alles setzte und dadurch, falls cs ihm gelänge, uns zu überreden, uns den dunklen Dünkel über unser sogenanntes geistiges Leben verleidete, unsere Geister ermutigte." So ist Ger- vinus ein getreuer Vorkämpfer der kommenden politischen Größe Deutschlands geworden, der aus den ästhetisieren den Schwärmereien der Romantik und den artistischen Genüssen der Restauration fort zur Tat und zum lebendigen Wirken rief. Und er durfte am ehesten solche Forderungen stellen, die uns heute wieder als kulturlos und barbarisch erscheinen würden, da rr selbst fest und sicher in den geistigen Idealen der Wissenschaft und Kunst wurzelte und zugleich mit dem lodernden Feuer seiner politischen Überzeugung die mildere und freund lichere Flamme der deutschen Poesie darreichte Seine „Geschichte der poetischen Nationalliteratur", die zuerst zu Leipzig in den Jahren 18.15 bi« 1842 erschien und deren fünfte Auflage er 1870 noch mit einer Einleitung versehen konnte, erregte bei ihrem Er scheinen ein ungeheures Aussehen Es war em Werk, das eine Umwälzung hervorrief in den Anschauungen und Geistern, wie kein» seit Lessing« Literaturbriesen und Herders Fragmenten Die ganze Entwickelung de« deutschen Wesen« ward hur aufgerollt; ein gewaltiger Riesenbau, ein Pantheon der Nation mit erstaunlichem Fleiß, mit ungeheurer Gelehrsamkeit errichtet Und da« alle« belebt durch den hc,ßcn Atem der Gegenwart, durch da« kraftvolle, leidenschaftlich« und ungeduldige Temperament eine« Manne«, der sich al« Prophet und Führer fühlte, der sich « nicht genug sein ließ in der Darlegung d«s dichterischen Verlauf«, sondern, der »er-
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