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Dresdner Journal : 20.09.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-09-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190509203
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19050920
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19050920
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1905
- Monat1905-09
- Tag1905-09-20
- Monat1905-09
- Jahr1905
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- Dresdner Journal : 20.09.1905
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ve,»«sprrt«: Beim Bezüge d»rch di« i«,er-«c» Z>r„»e»» 2,50 M (einschl Zurraqung), durch die iw Deutschen Reiche L M. M-schlicßttch Bestellgeld) vierteljährlich. Einzelur Nummern 10 Pf Wird Z irücksenduna der für die Schr.slleitung bestimmten, aber von dieser nicht ein- geforderten Beitrüge bean- spiucht, so ist das Postgeld beizusügen. Dres-ner W ÄEMl. Herausgegeben von der König!. Expedition de- Dresdner Journals, Dresden, Große Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Erscheinen r Werktags nachm. 5 Uhr. — vriginalderichte und Mitteilungen dürfen nnr mit voller Quellenangabe nachgedruckt werden. Ankün-i-un-S-ebühre«: Die Zeile kleiner Schrift der 7 mal gespaltenen Ankündi- gu iuiS. Seite oder deren Raum 20 Pf. Bei Tabellen- und Ziffernsad 5 Pf. Ausschlag für die Zeile Unterm Re- daktion-strich (Eingesandt) di« Lextzeile mittler Schrift oder deren Raum SO Pf. Gebühren - Ermäßigung bet öfterer Wiederholung. Annahme der Anzeigen bis mittag» 12 Uhr für die nach mittag- erscheinende Nummer. 219 Mittwoch, den 2v. September nachmittags. 1905 Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben dem Oberbereiter Friedrich Wilhelm Ackermann bei seinem Übertritte in den Ruhestand das Prädikat „Königlicher Stall meister" beizulegen Allergnädigst geruht. Se Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Rittergutsförster Hultsch in Bieberstein das AlbrechtSkreuz zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der geh. Hofrat Prof. Kuehl in Dresden das ihm von Sr. Majestät dem Kaiser von Österreich verliehene Komturkreuz des Franz Joseph-OrdenS annehme und trage. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Kommerzienrat Sieg in Dresden das ihm von Sr. Majestät dem Kaiser von Österreich verliehene Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens anuehme und trage. Ernennungen, Versetzungen re. im öffent lichen Dienste. Im Geschäft-dereiche des Ministerium- der Hinanzen. Bei der Post-Verwaltung ist ernannt worden: Menzer, seither Postanwärter, als Postassistent im Lber-PostdirektionSbezirke Leipzig. Im Geschäftsbereiche deS Ministeriums de- Kultus und öffentlichen Unterrichts. Zur Vertretung eine- Lehrers in Nossen wird sür 1. Oktober ein Vikar gesucht. Einkommen nach dem jährlichen Gehalte von ibvo M Gesuche mit Zeugnissen sind baldigst beim Bezirk-- schulinspektor in Meißen einzureichen. — Zur Verwaltung einer stündigen Lehrerstelle wird vom 15. Oktober ab bis auf weiteres ein Vikar gesucht. Meldungen bis 7. Oktober an den Vezirksschulinspektor zu Löbau. «Bchördl. Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Teil. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften. Tas Zentralblatt der deutschen Arbeitgeber verbände, die „Deutsche Arbeitgeber-Zeitung" ist in den letzten Monaten in eine ziemlich lebhafte Er örterung über die Frage getreten, ob es nicht an der Zeit sei, daß mit der Taktik, in Streitfällen nur mit der eigenen Arbeiterschaft oder deren Ausschüssen zu verhandeln, gebrochen werde. Eine ganze Reihe von industriellen Arbeitgebern ist nämlich zu der Überzeugung gelangt, daß es praktisch nicht mehr recht durchführbar sei, die bestehenden und sich stetig kräftigenden Arbeiterorganisationen als Verhandlungs faktoren auszuschaltcn, da die Arbeiterschaft in dem eigenen Bestreben nur selten in der Lage sei, selbständig mit den Betriebsleitern Vereinbarungen über die Beendigung von Lohn- oder Arbeitsstreitig keiten zu treffen, sondern in den meisten Fällen über die Streitfragen die Entscheidung der betreffenden Organisationsleitungen einholten. Darum wird von der „Arbeitgeber-Zeitung" der Vorschlag gemacht, die Organisationen der Arbeitgeber sollten fortan in Streitfällen mit den Organisationen der Arbeiter verhandeln, die Arbeiterorganisationen also als gleich berechtigte Partner anerkennen. Dazu sei eS, so wird besonders hervorgehoben, in erster Linie er forderlich, daß die Zusammenfassung der Arbeitgeber verbände und deren Lückenlosigkeit zur Tatsache werde; denn bei den Verhandlungen mit den Arbeiter organisationen könne es sich nicht um die Erzielung eines Friedens, sondern nur eines Waffenstillstands handeln. Dieser Vorschlag ist von verschiedenen Seiten scharf angefochten worden. Besonder- wird dagegen eingewendet, daß die Anerkennung der Berufsvereine seitens der Arbeitgeber als die geordneten, ja alleinigen Vertretungen der Arbeiter alle bisher nicht organisierten Arbeiter in die Organisationen hineinzwingen würden und daß der Vorteil davon in allererster Linie den sozialdemokratischen Gewerk schaften zufallen müßte. Dieser Einwand scheint in der Tat berechtigt zu sein. Es ist etwas anderes, wenn den Berufsvereinen von reichSwegen die Rechts fähigkeit verliehen wird und wenn sie von den Arbeitgebern als Vertretung der deutschen Arbeiter schaft anerkannt werden. Die Arbeitgeber haben es bisher nicht bloß von ihrem wirtschaftlichen, sondern auch von ihrem Standpunkt als Staatsbürger für ihre Pflicht gehalten, die gewerkschaftliche Organi sation der Sozialdemokratie grundsätzlich zu bekämpfen und ihren Anspruch, als die alleinige Repräsentantin der Arbeiter angesehen zu werden, entgcgenzutreten. Eine ganze Reihe schwere Machtkämpfe haben die Gewerkschaften gerade deshalb geführt, um ihre An erkennung zu erzwingen. In den meisten Fällen haben sie ihre Absicht nicht durchsetzen können. Den immer mächtiger gewordenen Gewerkschaftsverbändcn hat sich die Macht der Arbeitgeberverbände gewachsen ge zeigt. Ein Aufgeben der bisherigen Taktik, eine Anerkennung deS Anspruchs der Gewerkschafts leitungen in die Fragen interner Betriebsangelegen heiten Hineinreden zu dürfen, ist also aus den bis herigen Vorgängen auf dem Gebiete der Streik- kaum als berechtigt anzusehen. Nun versprechen sich allerdings die Urheber des Planes der neuen Arbeitgebertaktik daraus gewisse und nicht zu unterschätzende Vorteile. Sie meinen, die öffentliche Meinung habe in manchen der letzten großen Streiks gerade aus dem Grunde gegen die Unternehmer Stellung genommen, weil diese es ab gelehnt hätten, mit den gewerkschaftlichen Streik komitees zu unterhandeln. Diese Annahme aber be ruht auf Irrtum. Zunächst ist der Begriff „öffent liche Meinung" ein außerordentlich unbestimmter, und gerade in Arbeiterfragen pflegt eine nicht allzu große Minorität sich als öffentliche Meinung auf zuspielen. Diese Elemente aber stehen ohnedies un besehen- auf der Seite der Arbeiterschaft, sie zu den Unternehmern hinüberzuziehen, dürfte ein ganz er folglose- Bestreben sein In den weiten Be völkerungskreisen, die in der Sozialdemokratie und ihren Organisationen staatsfeindliche Gebilde er blicken, wird der Kampf der Arbeitgeber gegen die Gewerkschaft noch immer mit großer Genugtuung verfolgt, wenn anders die Unternehmer sich geneigt zeigen, berechtigten Forderungen der Arbeiter ihrer Betriebe nach Vermögen entgegenzukommen. Bei ge werkschaftlichen Machtproben also werden die Arbeit geber die deutsche Bevölkerung in ihrer Mehrheit stet- auf ihrer Seite sehen. Einen weiteren Vorteil versprechen sich die Ver fechter dek^ieuen Unternehmertaktik von den Unter handlungen der Arbeitgeberzentrale mit der Arbeiter zentrale, daß alsdann, sobald Waffenstillstände ver einbart sein würden, der Guerillakrieg mit seinen fort währenden Beunruhigungen der Einzelbetriebe auf hören müßte. Diese Annahme ist aber ebenfalls irrig. Die Organe der Gewerkschaftsverbände haben ihr bereits sehr entschieden widersprochen und haben festgestellt, daß durch allgemeine Vereinbarungen die partiellen Streiks nicht ausgeschlossen sein würden. Einem letzten großen Irrtum aber geben sich die Freunde der Anerkennung der Gewerkschaften in der Beziehung hin, daß sie sich in der Hoffnung wiegen, durch diese Maßregel werde es gelingen, die Sozialdemokratie von den Gewerkschaften zurückzudränaen und die Ge werkschaften dahin zu bringen, daß sie von der Ver folgung politischer Ziele absehen und sich nur den wirtschaftlichen Aufgaben widmen würden. Schon oft sind solche Hoffnungen gehegt worden; aber sie haben sich bisher niemals erfüllt. Statt dessen hat man wahrnehmen müssen, daß die Beziehungen der Gewerkschaftsbewegung zur Sozialdemokratie nur immer inniger geworden sind. Gerade gegenwärtig und angesichts der Erörterungen über die Taktik änderung der Unternehmerverbände gehen die gewerk schaftliche und sozialdemokratische Organisation darauf aus, miteinander in feste organische Verbindung zu treten Ein entsprechender Antrag liegt dem Partei tage zu Jena vor. Diese Tatsache sollte doch als Warnung dienen, sich Hoffnungen hinzugeben, als ob es durch Entgegenkommen gelingen könnte, die Gewerkschaften umzubilden. Namens des Zentralverbands Deutscher In dustrieller hat sich dessen Generalsekretär Hr Bueck sehr entschieden gegen die Anerkennung der Gewerk schaften durch die Arbeitgeberverbände ausgesprochen. Mit der Ausführung des betreffenden Plaues wird es also wohl gute Wege haben. Außerdem dürfte der Umstand, daß das amtliche Gewerkschastsorgan über die schönen Aussichten, die in der „Arbeitgeber- zeitung" eröffnet worden sind, in höchsten Tönen frohlockt und sie der Macht der Gewerkschaftsorga nisationen zuschreibt, viel zu denken geben. Aus diesem gehobenen Machtbewußtsein wird vermutlich als nächste Folge eine Vermehrung und Ver schärfung der Streikbewegungen hervorgehen, weil die Gewerkschaftsleitung hofft, dadurch die Arbeitgeber verbände zur Zustimmung zu der neuen Taktik zwingen zu können. Man wird also die Ent wickelung dieser Angelegenheit aufmerksam verfolgen müssen, denn es handelt sich dabei offenbar um eine Frage, die noch der eingehendsten und sorgfältigsten Erwägungen bedarf und deren leichtherzige Lösung nicht allein für das Unternehmertum hinsichtlich der Gestaltung seiner Beziehungen zur Nichtorganisierten Arbeiterschaft, sondern auch für unser ganzes poli tisches Leben recht folgenschwer sein könnte. Ser Aufstand in Deutsch-Sii-wtstafrika. Generalleutnant v. Trotha meldet unter dem 16. Sep tember aus Chamis, daß der Feind in dem Gefecht bei Nubib am 13. September etwa 300 Köpfe stark war, darunter 200 Mann mit Gewehren, Hottentotten und auch Hereros unter Andreas. Während Major v. Uthmann mit der 7. Kompanie Regiments 1, Halb batterie NadrowSki, und einem Drittel der Maschinen- gcwehrabteilung 1 die Westausgänge der 2000—3000 m hohen Achabberge sperrte, griff Major Meister mit der 4 Kompanie des 2. Regiments, 2. Ersatzkompanie, Ersatz kompanie 1» und 6. Batterie die feindliche Stellung an. Der siegreiche Ausgang des Gefechts in der völlig unbekannten Gegend wurde nur durch die von langer Hand vorbereiteten persönlichen Erkundungen des MajorS Maercker ermöglicht. Der Feind floh unter Zurücklassung von (wie bereits gemeldet) 60 Toten und 50 gesattelten Pferden in kleinen Trupps in nordöstlicher Richtung. Die unmittelbare Verfolgung wird durch Major Meister fortgesetzt, während Ersatzkompanie 1» auf die Linie UniS- NomtsaS angesetzt ist und die 4. Etappenkompanie die Nauklufteingänge besetzt hält. Generalleutnant v. Trotha begibt sich über Bethanien zunächst nach KeetmanShoop. Er hat nunmehr den Süden des Schutzgebiets in folgende Bezirke eingeteilt: 1. Bezirk Nordbethanicn und Berseba unter Major Meister. Truppen: 2. Battl Regiments 2, 2. Er satzkompanie, 6. Batterie, Halbbatterie NadrowSki. 2. Bezirk Ostnamaland unter Major v. Estorffi Truppen: 1. Battl. Regiments 2, 7. und 8. Kompanie Regiments 2, 1. Ersatzkompanie, 1. Batterie (v. Winter feld), 3,5,7 Batterie und U Maschinengewehrabteilung 1. 3. Bezirk Süden unter Oberstleutnant vanSemmern Truppen: 2. Kompanie deS 1. und 9. Kompanie des 2. Regiments, 4 Battl. Regiments 2, 3 Ersatzkompanie, Ersatzkompanie 3a, 2, 8, 9. Batterie, Maschinengewehr abteilung 2. 4. Etappenbezirk zwischen dem 1. und 3 Bezirk zur Sicherung der Etappenlinie Lüderitzbucht—KcetmanS- hoop. Truppen: Ersatzkompanie la, 4. Ersatzkompanie, 1. und 5. Etappenkompanie. Tagesgtschichk. Dresden, 20. September. Sr. Majestät dem König wurde gestern abend auf Schloß Erdmauus- dorf von der Einwohnerschaft des Ortes ein Lampion zug mit Ständchen dargebracht. Heute vormittag wohnte Se. Majestät nochmals dem Manöver des XIX. Armeekorps bei und nach mittags kehrte Allerhöchstderselbe mit Sonderzug ab Waldkirchen nach Niedersedlitz und von da ins Königl. Hoslager Pillnitz zurück. — Ihre Majestät die Königin-Witwe wird morgen vormittag zu Wagen Nehefeld ver lassen und gegen mittag in der Königl. Villa Strehlen wieder eintreffen. Gelegentlich der Fahrt wird Allerhöchstdieselbe die Mustermolkerei des Hrn. Kommerzienrats Pfund bei Reinholdshain be sichtigen. Dresden, 20. September. Se. König! Hoheit der Prinz Johann Georg ist heilte nachmittag aus den Manövern bei Chemnitz zurückgekehrt Deutsches Reich. Berlin. Se. Majestät der Kaiser traf heute früh ^9 Uhr mit einem Sonderzug in Begleitung der Herren de« Hauptquartiers in Belzig ein und ritt vom Bahn hof durch die spalierbildenden Kriegervereine und Schulen in das Manövergelände des 3 KorpS, um dem Schluffe der Manöver dieses Korps beizuwohnen. Ihre Majestät die Kaiserin traf gestern abend gegen 8 Uhr aus der Wildparkstation ein, wo sie von der Prinzessin Viktoria Luise empfangen wurde. Die Kaiserin und die Prinzessin begaben Sich nach dem Neuen Palais. — Bei einem Festessen, das vorgestern abend zu Ehren des nach Paris übersiedelnden amerikanischen Generalkonsuls Mason in Berlin stattfand, führte der Botschafter der Vereinigten Staaten von Nordamerika Charlemagne Tower über die deutsch-amerikani, schen Handelsbeziehungen etwa folgendes aus: Die gegenwärtige Zeit ist äußerst günstig sür die deutsch- amerikanischen Handelsbeziehungen, da in Deutschland ein sehr starkes Interesse sür die Angelegenheiten der Vereinigten Staaten vorhanden ist, ein wachsendes und freundschaftliches Interesse, da- ununterbrochen auf gegenseitige Sympathie und gute Verständigung gerichtet ist. Die Amerikaner, die al- Reisende zu Tausenden hierher kommen, werden in allen Teilen des Reiches unverändert mit Liebenswürdigkeit und Zuvorkommenheit behandelt. Es war vor kurzem ein seltenes Beispiel von internationalem Wohlwollen, al- Se. Majestät der Deutsche Kaiser auf ihre Bitte die Abordnung von Mil» gliedern des Kongresse- der Bereinigten Staaten empfing, die an der parlamentarischen Konferenz in Brüssel teilgenommen hatte, und ihr persönliche Auszeichnungen zuteil werden ließ, die nur selten Ausländern zugedacht werden, die in nicht- offizieller Eigenschaft nach Deutschland kommen. Wenn ich selbst mich daran beteiligte, diese Audienz zustande zu bringen, so geschah e- darum, weil ich glaubte, daß der Empfang einer solchen Körperschaft von Amerikanern au- weit getrennten Sie bieten unseres Landes und der sich an den Empfang an schließende Gedankenaustausch ein Ergebnis haben würden, das der Freundschaft zwischen beiden Völkern dauernd zugute kommen werde. Wenn man alle- in Betracht zieht, so sind die Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika niemals so gut gewesen wie heute, und ich glaube zuversichtlich, daß die persönliche Berührung und die wechselseitige Verständigung die besten Mittel sind, die hohe Achtung zu erhallen, die zwischen den beiden Nationen besteht und die, wie ich hoffe, noch viele Jahre Kunst und Wissenschaft. Adolph Menzel und Minister v. Lindenau. Eine Plauderei. Mit Menzel war ich befreundet seit 1888. Sein Schwager war Krigar, ein in Berlin durchaus aner kannter und tüchtiger Musiker, der dem öffentlichen Musikleben näher stand als Menzel, also auch meinen jährlichen zehn bis zwölf Abonnementskonzerten sür klas sische Kammermusik, die ich in den sechziger bis siebziger Jahren in der Akademie gab. Ich erinnere mich noch, wie ich damals schon immer, wenn ich aufs Podium trat, nach den Plätzen von Krigar im Saale sah, ob auch Menzel zugegen sei. Oberflächliche Begegnungen ohne weitere Annäherungen hatten freilich schon damals stattgefunden. Jahre lagen dazwischen, die große Inter nationale Ausstellung in München 1888 gab mir erst Gelegenheit, ihn dort wiederzusehen Wir wohnten im selben Hotel fast nebeneinander, im alten guten Lein felder, und bildeten zusammen mit Lübcke, WildcnbruchS, Minister Goßler und anderen einen höchst unterhaltenden Kreis Menzel war von Kissingen nur der Ausstellung wegen nach München gekommen, wie er c« auch später Jahr für Jahr im September ausführte, ich von Inns bruck, wo ich mir auf dem schönsten Punkte der ganzen Umgebung ein stattliche» Hau», Villa Blanca genannt, nach den Plänen von Becker in Berlin auSgebaut hatte Da» Zusammensein mit Menzel war für mich plötzlich zu einer Art Lebensinhalt geworden, denn während ich rhm, von Bild zu Bild ihn geleitend und führend, die unerquickliche Mühe de« Nachschlagen» im Katalog ab nahm, äußerte er seine Ansichten über die Kunstwerke und deren Künstler meisten» in vertraulichster, unver hohlener Weise. Welcher Humor, der sich bi» zum Berliner Witz verflieg, und welche tiefinnige ernste Anerkennung und Entäußerung alles Selbstbewußtseins kamen dabet zum Vorschein, und welche Bereicherung meines Geschmacks uno Korrektur meines so lebhaften Interesses für Malerei mir, dem Laien, durch ihn wurde! Bei meiner Freude und dem hohen Genuß an den schönen Künsten hatte ich im Leben das Glück, mit einer ansehnlicheren Reihe von ersten und berühmten Bildhauern und Malern bekannt, sogar be freundet zu werden, als es sonst Musikern vergönnt wird. Anmut und Würde, Liebenswürdigkeit und jegliche Feinheit des Umgangs rühme ich den meisten dankbar nach; der Zauber, den Menzel jedoch mehr und mehr auf seine Umgebung auSübte, bestand in etwas anderen. Er war sogar als nicht liebenswürdig verschrien, aber was er sagte, trug stets den Ausdruck einer tiefen Bildung auf den verschiedenen Gebieten der Wissenschaften, der Geschichte, nie und in keiner Weise zeigte sich Genugtuung oder Befriedigung über sein« eigenen Leistungen und Erfolge, kaum eme Erinnerung an alle, geschweige an die früheren und frühesten Arbeiten Wie konnte er vergnügt werden, wenn ich an seine Illustra tionen erinnerte, z. B. an diejenigen zu einer langen Reihe von „Gedichten für artige Knaben und Mädchen" aus den dreißiger Jahren, wovon ein Exemplar im Dresdner Kupferstichkabinett und nur noch zwei notorisch bekannte Kopien in Berlin und London vorhanden sein sollen Er wollte e» kaum glauben, daß er diese Illustra tionen gemacht hatte Und dabei welche Meisterschaft und Genialität, aus denen dieser reizvollste aller Kinderträume hervorgegangen ist, vom Anfang bi» zum Ende! Während der Ausstellung kamen mit großer Reklame die ersten Holzbilder über Mumien, Porträts aus Ägypten nach Europa, auch nach München, und waren im Hofe der Residenz im Gipskabinett ausgestellt. Auch Menzel und ich gingen hin, e« war Mittagszeit und nur der eine Flügel der großen Doppeltür war ge öffnet, so daß zurzeit nur eine Person frei diese passieren konnte. Die zwei Stufen davor hatte Menzel bereits erstiegen, als er plötzlich stehen blieb und erst einen Herrn hcrauStreten ließ, so daß ich fragte: Wer war das, kannten Sie ihn? O ja, der hat schöne Sachen gemacht, das war Böcklin Schnell drehte ich mich um, um ihn noch von rückwärts zu sehen, nicht ahnend, daß ich ihn später in seiner Villa und Studio in Fiesole aufsuchen und seinen Manen bei der Totenfeier in Florenz den Trauermarsch von Beethoven weihen sollte Schließ lich nahte das Ende unseres fast vierwöchentlichen Bei sammenseins in München; die letzten zwei Tage aber wollte Menzel noch seinen Gottesdienst, wie er sagte, halten und mich davon ausschließen Seiner Gewohnheit gemäß, auch bei jedem späteren Besuch in München, der im September zu den Aus stellungen stet» ausgeführt wurde, bestand sein Gottesdienst in der Wiederbelebung der Eindrücke der alten Pinakothek. Ich nahm aber damals doch daran teil. Wortlos saß der große, geniale Künstler vor den Hauptbildern, als wenn er sie noch nie gesehen hätte, und ich bin der Nberzeuzuna, daß er viele aus seinem abnormen Gedächtnis hätte auf zeichnen können, wenn er gewollt. Diese Behauptung klänge paradox, könnte ich nicht folgendes kleines Vor kommnis anführen, da« an und für sich mir schon einen unauslöschlichen Eindruck und eine Art von Beklemmung verursacht hat — Menzel also wollte nach seinem Gottes dienst nach Berlin zurückkehren. Da das Wetter sich aber herrlich gestaltet hatte und da« von meiner in Innsbruck zurückgebliebenen Frau auch sür dort bestätigt wurde, machte ich ihm den Vorschlag, mich dorthin zu begleiten, in meiner Villa Blanca abzusteigen und kleinere, nicht ermüdende Partien mit un» zu machen So ge schah cs. Meine Frau natürlich war entzückt bei seiner Ankunft. Sie ist eme geborene Baroneß v. Herzeele und ihre Großmutter war die Schwester des Ministers Lindenau. DeS letzteren ziemlich großes Bild hing mit anderen Familienporträts an dem freistehenden Schirm um den Schreibtisch im Salon meiner Frau. Menzel hatte sich alle Bilder, große und kleine, schlechte und rechte meiner Sammlung in den verschiedenen Räumen angesehen, als er sich dem Schreibtische näherte und er staunt ausrief: Wie kommen Sie zu dem Bild, das ist ja Lindenau! Gewiß, woher kennen Sie ihn? fragte ich. Den Zeigefinger ausstreckend und mit der Hand wackelnd, wie er es oft zu tun pflegte, wenn er nicht oberflächliche Unterhaltung führte, entgegnete er langsam und sich be sinnend: „Ich habe Lindenau nur einmal in meinem Leben gesehen und gesprochen, 's war leider nur wäh rend emer bis anderthalb Stunden. Das sind dreißig, das sind vierzig, fünfundvierzig, nein eS sind neunundvierzrg Jahre her, als ich wegen meiner Friederiziana eine Ein führung an ihn von meinem damaligen Verleger Weber in Leipzig benutzte. Ich habe es diesem oft gedankt, denn einen ähnlich liebenswürdigen und unterrich teten Herrn habe ich kaum kennen gelernt; ich er reichte alle« von Lindenau, ja, mehr als ich gehofft. Und schön war er auch" Aber lieber Freund, erlaubte ich mir zu entgegnen, Sie haben doch wohl Bilder oder Photographien vom Großonkel manchmal ge sehen? „Nie," war seine schnelle Antwort Das Er staunen, da» meine Frau und ich ihm hierüber bezeigten, verband uns drei Menschen noch inniger. Menzel war die Liebenswürdigkeit selbst und dazu rin äußerst bequemer Gast. Sein Zimmer hieß später das Menzelzimmer, und bei unseren jährlich regelmäßigen Begegnungen in München zu den Ausstellungen bis vor zwei Jahren, erkundigte er sich stets zuerst nach seiner „lieben Frau Blanca." Sigismund Blumncr.
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