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Dresdner Journal : 27.09.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190509273
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19050927
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19050927
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1905
- Monat1905-09
- Tag1905-09-27
- Monat1905-09
- Jahr1905
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- Dresdner Journal : 27.09.1905
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vein«»»ret«: Beim Bezüge durch die chrlchästrkeue t««ery«t> Prttden» 2,80 M. (rrmchl. ZutragungX durch die im Deutschen Reiche 8 M. (ausschließlich Bestellgeld) vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Wird Zurücksenduna der für die Lchristleitung bestimmleu, aber von dieser nicht cin- gesorderten Beiträge bean» spracht, so ist das Postgeld beizufügen. DrrMer Homnal Herausgegeben von der Königl. Expeditton des Dresdner Journals, Dresden, Große Zwingerstraße 20. — Fernspr.»Anschluß Nr. 1295. Erscheinen r Werktag- nachm 5 Uhr. — Originalderichte und Mitteilungen dürfen nur mit voller Quellenangabe nachgedruckt werden. «akündiguag-gebühre«: Die Zeile kleiner Schrift der 7 mal gespaltenen Ankündt- giu^s-seite oder deren Raum 20 Pf. Bei Tabellen, und Ziffernsatz 8 Pf. Aufschlag für die Zeile. Unterm Re. daktton-strich (Eingesandt) die Textzeile mittier Schrift oder deren Raum SO Pf. Gebühren. Ermäßigung bei öfterer Wiederholung. Annahme der Anzeigen bis mittags 12 Uhr für die nach- mittags erscheinende Nummer. Mittwoch, den 27. September nachmittags. 1905. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Prokuristen Beyer in Leipzig-Reudnitz das Ritterkreuz 2. Klasse vom Albrcchtsorden zu verleihen. Sehördl. Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) nichtamtlicher Teil. 0er Parteitag -er Sozialrevolutionäre. Der sozialdemokratische Parteitag zu Jena hat zu verschiedenen Überraschungen geführt. Der so genannte Literatenstreik ist durch einen einfachen Kunstgriff beiseite geschoben worden, das Organisations statut ist, ohne daß es zu Auseinandersetzungen ge kommen ist, einstimmig und nur mit der Einfügung eines Protestes süddeutscher Delegierten in das Pro tokoll angenommen worden, und die Aussprache über die Differenzen der Partei mit den Gewerkschaften ist ziemlich ruhig verlaufen und hat die glatte Unter werfung der Gewerkschaften zur Folge gehabt. Das Bemerkenswerteste aber an den Jenaer Verhandlungen war die Erörterung des politischen Massenstreiks, die dank einer außerordentlichen Hetz- und Brandrede Bebels in eine Verherrlichung der blutigen Revolu tion ausartete. Der ganze Verlauf des diesjährigen sozialdemokratischen Parteitags war eine Bestätigung dafür, daß die Sozialdemokratie vollständig in den Händen der radikalen, revolutionären Richtung sich befindet, und daß die sogenannten Revisionisten, auf die noch immer von manchen Seiten mit „Mause rungs-Hoffnungen geblickt wurde, in der Partei vollkommen bedeutungs- und einflußlos geworden sind Die Macht Bebels über die sozialdemokratische Partei ist seit dem Trianontage nur noch gewachsen; sie ist jetzt stärker, als sie jemals war. So ist es denn auch Bebel gewesen, der den Jenaer Parteitag ganz nach seinem Willen gelenkt hat. Seinem entschiedenen Eingreifen war es zu verdanken, daß die Streitangelegenheit mit Mehring in der Öffentlichkeit nicht verhandelt, sondern in einer besonderen Kommission zugunsten des Redakteurs der „Leipziger Volkszeitung" entschieden wurde. Ein Wort von ihm hat genügt, dem „Vorwärts" den so stark bedrohten Charakter als Zentralorgan der Partei zu erhalten, und er war es, der auch den Organisationsentwurf der Parteileitung durch Über weisung an eine Kommission vor Fährlichkeiten rettete und ihm die debattelose ea Kloo-Annahme sicherte. Bebels Auftreten in Jena war das eines fanatischen Volkstribuns. Noch niemals ist der große und ge fährliche Einfluß dieses leidenschaftlichen Redners auf die Massen so deutlich hervorgetretcn wie auf dem letzten Parteitage. Schon bei der Eröffnungssitzung ließ es sich der sozialdemokratische Führer angelegen sein, die Zu stande in unserem Vaterlande auf das schlimmste herabzusetzen und in den Delegierten eine unversöhn liche Kampfstimmung zu schüren. Es war zu einem großen Teile Widersinn, zum anderen Teile ein Ge misch von Verdrehungen und Verdächtigungen, mit dem er operierte; aber er machte damit einen starken Eindruck und gab den Parteitagsverhandlungen Tendenz und Richtung an. Mit besonderer Weit schweifigkeit verbreitete sich Bebel auf unsere aus wärtige Politik, obwohl er schon oft genug zu seinem Schaden die Erfahrung hat machen müssen, daß er auf diesem Gebiete ein stümperhafter Dilettant ist. Seltsamerweise wird aber der sozialdemokratische Führer auch in dieser Hinsicht als eine Autorität von den „Genossen" angesehen, und darum konnte eS nicht wundernehmen, daß seine Ankündigung, er werde sich über die von ihm hervorgehobenen auS wärtigen Fragen im Reichstage mit dem Fürsten Bülow „unterhalten", mit stürmischem Jubel aus genommen worden ist, obwohl bisher noch jede solche „Unterhaltung" mit einer schmählichen Niederlage Bebels geendet hat. Nach dieser „Ouvertüre" hatte Bebel den Partei tag auf seiner Seite, und gegen ihn fielen alle übrigen Redner bedeutend ab. Die Debatten, die sich an die Berichte der Parteileitung und der Reichstagsfraktion knüpften, waren ganz unwesentlich, und auch die Maifeierdebatte verlief so eintönig, daß bereits in den Berichten über unerträgliche Lange weile geklagt wurde. Als aber Bebel sein Referat über den politischen Massenstreik begann, änderte sich das Bild Der sozialdemokratische Diktator hat in diesem, fast vier Stunden dauernden Referat mit einer bis jetzt unübertroffenen Leidenschaftlichkeit gesprochen und im Parteitage eine fast rasende Revolutions begeisterung hervorgerufen Nach dem Schluß der Debatte meinte zwar der Redner harmlos, er habe weder vermutet noch beabsichtigt, daß eine so von Revolution und Blut strotzende, ihm noch niemals vorgekommene Diskussion an seine Ausführungen sich schließen sollte; aber an diese Harmlosigkeit zu glauben, kann niemandem zugemutet werden. War cs doch Bebel, der dem Parteitage zurief, die „Herrschenden" blickten mit Bangen auf die russische Revolution und hätten Angst, daß der Funke von dort zu uns herüberspringe, der ferner behauptete, in unserem Heere beständen ganze Regimenter aus Sozialdemokraten und die Reserve sei durchweg sozialdemokratisch, und der schließlich aufforderte, nach der Staatsgewalt zu trachten und „diesen" Staat nicht in Frieden zu lassen. Solche Auf reizungen konnten keine andere als eine „bluttriefende" Diskussion zur Folge haben. Wenn also beispiels weise die „Genossin" Luxemburg ausrief, die Zeit sei gekommen, wo die Evolution sich in die Revolution verwandle, und wenn sie wiederholt die Sozial demokratie ausforderte, vou der glorreichen russischen Revolution zu lernen, so schloß sich das nur logisch an die Bebelsche Brandrede an. Den Sozial demokraten ist der Dreimillionensieg zu Kopfe ge stiegen, sie wollen, daß eine Partei, die über einen so starken Anhang verfügt, auch ihre Macht beweise. Die Mitläufer, die der Sozialdemokratie zu einer so starken Stimmenzahl verholfen, können aus den Jenaer Vorgängen sehen, wie frivol sie gegen die nationalen Interessen gehandelt haben Die Resolution Bebels, in der zum „Studium" des Massenstreiks für den Fall, daß die herrschenden Klassen ein Attentat auf das allgemeine, gleiche, ge heime und direkte Wahlrecht unternähmen, auf gefordert wird, und in der gesagt ist, zur Vorbereitung des Massenstreiks sei die größte Aus dehnung der sozialdemokratischen und gewerkschaft lichen Organisation erforderlich, wurde gegen un gefähr 12 Stimmen angenommen. Einige Gewerk schaftsführer stimmten, wie der „Vorwärts" erklärt, aus formalen Gründen dagegen. Im Grunde ge nommen aber haben sich entsprechend der vorerwähnten Singerschen Versicherung die Gewerkschaftsvertreter auch in der Massenstreikfrage mit der Sozialdemo kratie solidarisch erklärt. Ist ihnen diese Stellung nahme dadurch erleichtert worden, daß die Resolution die Anwendung des Massenausstands nur für einen bestimmten Fall in Aussicht nimmt, so kann man gemäß dem Inhalt der Debatte und der Bebelschen Schlußrede nicht daran zweifeln, daß die Sozial demokratie nicht zögern würde, den Generalstreik auch behufs Erkämpfung neuer politischer Rechte zu proklamieren, sobald sie annehmen könnte, für ein solches Unternehmen genügend gerüstet zu sein In Jena wurde gesagt, die Parteitagscrgebnisse be deuteten einen historischen Wendepunkt Wir würden eine große Genugtuung empfinden, wenn sich dieses Wort insofern bewahrheitete, als die Jenaer Ver handlungen denjenigen Volkskreisen über die sozial demokratische Gemeingcfahr die Augen öffneten, die noch immer gleichgültig oder mißvergnügt bei dem Kampfe gegen die Umsturzpartei beiseite stehen. Der sozialdemokratische Parteitag hat, ohne den Arbeitern auch nur das Geringste zu bieten, seine Aufgabe in dem Bestreben erblickt, die Reihen der sozialdemo kratischen Kämpfer zu vermehren und fester zusam- mcnzuschließen, die sozialdemokratischen Rüstungen zu verstärken und die Revolution vorzubereiten. Er hat gezeigt, daß die Sozialdemokratie in sich und mit den Gewerkschaften trotz schwerer, persönlicher Differenzen einig ist, wenn es sich um den Kampf gegen das Bestehende handelt; denn das Band, das die Sozialrevolutionäre einigt, ist nicht Bruderliebe, sonderu Haß und Mißgunst gegen die bestehende Ordnung und deren Stützen. Möchten die Lehren, die den bürgerlichen Parteien durch die Jenaer Vorgänge gegeben worden sind, gebührend beachtet werden! Zur Lage in Deutsch-Ostafrika. Die „Köln. Ztg" schreibt: Die bisher vorliegenden Nachrichten lasten leider keinen Zweifel darüber, daß der südliche Teil der Kolonie, vom Rufidschi an, mehr oder weniger im Aufstande ist. Aber die aufständische Bewegung flackert doch immer nur hier und da örtlich auf, ohne daß bisher ein wirk licher Zusammenhang zwischen den Aufständischen oder gar eine Verabredung zum Aufstande festgestellt worden wäre. Große Stämme wie die Wayao und die Wahehe, der ganze Küstenstrich, der hervorragendste Sultan der Mahenge und sein Anhang sind noch treu geblieben u W werden hoffentlich, da von irgendwelchen Erfolgen der Aufständischen sunserer Truppe gegenüber nicht die Rede sein kann, auch treu bleiben. Der Aufstand ist unerwartet gekommen, so unvermutet, daß unter den alten zurzeit in Deutschland weilenden „Ostafrikanern" die Meinungen über die Ursachen weit auseinandergehen Es liegt natürlich sehr nahe, eine Ursache des Auf standes in der Art der Durchführung der Hüttensteuer zu suchen. Aber hierbei ist doch zu bedenken, daß gerade die Küstenbezirke, die einzigen, in denen von einer wirk lichen Durchführung der Hüttensteuer gesprochen werden kann, nicht aufständisch geworden sind. Im Innern ist man mit der Hüttensteuer bisher durchaus nicht streng vorgegangcn; besonders in den Militärbezirken hat man sie sehr milde gehandhabt. So ist für den Bezirk Tabora, unter Zugrundelegung der von jdem dortigen Stationschef angenommenen Kopfzahl der Bevölke- zung und des Betrags der eingegangenen Hüttensteucr, berechnet werden, daß im Durch schnitt nur etwa die vierzigste Hütte Steuer be zahlt. Auch ist zu bedenken, daß nunmehr der größte Teil der Arbeit, den früher die Bezirksämter umsonst von den Eingeborenen verlangten, jetzt aus den Erträgnissen der Steuer bezahlt oder auf die Steuer angercchnet wird. Die Erhebung der Hüttensteucr wird in dem jetzigen Aufstandsgebiete jedenfalls noch nicht strenger durch geführt worden sem als in dem Bezirke Tabora Dann hat man gesagt, die Anhaltung der Eingeborenen zur Anlage von Baumwollkulturen habe deren Mißfallen erregt. Es mögen hierbei ja Mißgriffe vorgckommen sein; so soll z. B das Bezirksamt Kilwa den für die Baumwolle versprochenen Preis mit Rücksicht aus die ge- Lnnst und Wissenschaft. Der 77. Deutsche Naturforscher- und Aerztetag. Am gestrigen Verhandlungstage des 77 Deutschen Naturforscher- und Ärztetags in Meran wurden in den verschiedenen Abteilungen zahlreiche Vortrüge gehalten, von denen wir nachstehend einige hervorheben. In der Abteilung für gerichtliche Medizin hielt Prof. K ratter-Graz einen interessanten Vortrag über das aktuelle Thema „Tod durch Elektrizität". Er stützt sich hierbei vorwiegend auf seine eigenen, jahre langen Beobachtungen und experimentellen Forschungen. Der Tod durch Elektrizität hat eine große aktuelle Be deutung erlangt durch die ungeheure Ausbreitung der elektrischen Industrie, die mit meist lebensgefährlichen Starkströmen arbeitet. Die Zahl der elektrischen Ver unglückungen ist daher im steten Steigen begriffen. Ta« Wesen des Todes durch Elektrizität sieht Kratter in einer zentralen Atmungslähmung, also in einer be sonderen Art innerer Erstickung. Die zugrunde liegenden Veränderungen sind im zentralen Nervensystem gelegen. Die Gefahrengröße bei Berührung eines Starkstrom führenden Leiters hängt neben der elektromotorischen Kraft (Spannung) hauptsächlich vom Körperwider stande ab, der innerhalb sehr weiter Grenzen schwankt. Er kann mehrere hunderttausend Einheiten be tragen, aber auch bis auf wenige tausend Ohm herabsinken. Gehen 160 Milliampere durch den mensch lichen Körper hindurch, so ist dies eine lebensgefährliche, oft schon tödliche Einwirkung. Mit jeder weiteren Steigerung wächst die Gefahr Durch die großen Schwankungen de« KörperwidcrstandS erklärt es sich, daß Menschen auch schon durch Ströme von wenig über 100 Volt Spannung getötet wurden, andere hingegen, die mitStrömen von mehreren 1600 Volt in Berührung kamen, am Leben blieben. Die Erkennung der etetlnschen Todesfälle als eine Erstickung hat das segensreiche praktische Ergebnis gehabt, daß durch Einleitung der künstlichen Atmung wie bei einem in gewöhnlicher Er stickungsgefahr befindlichen Menschen das Leben gerettet werden kann In der Abteilung für innere Medizin sprach Hofrat vr. Voll and-Davos über die Behandlung der an Lungenentzündung Erkrankten. Der letztgenannte Arzt gab als Normen für die Behandlung folgendes an: Die Schmerzen sind zu lindern, der Auswurf und Husten zu erleichtern, das Herz im möglichsten Kräftezustand zu erhalten, die Fieberhitze zu kühlen und für passende Er nährung zu sorgen. Dem allen kann aber in ruhiger Rückenlage völlig ausreichend Genüge geschehen Nach Vollands Erfahrungen ist der Verlauf der Lungen entzündung bei solchem Verhalten durchaus günstig. Mit der Vorführung ganzer Serien von antiken chirurgischen Instrumenten überraschte Prof. Ritter v. Töply die Versammlung. Auch Jnstrumentalbchält- niffe zeigte er im Original oder in guten Nachbildungen vor. Er bewies damit, daß man die Antike auch auf diesem Gebiete auflcben lassen kann Die meisten der aus Grabrelies« bekannten Jnstrumcntenkästchen haben nach Ansicht des Vortragenden geburtshilflichen Zwecken gedient. Etui« wurden nicht vorgesunden. Auch Zahn- instrumcntenetuiS kannte die Antike anscheinend nicht, obgleich Zahnzangcn in den ältesten Zeiten schon im Ge brauch waren Die Form dieser Zangen konnte Töply an je einem Exemplar au« den Museen in Neapel und Budapest Nachweisen. In der Abteilung für Neurologie und Psychiatrie behandelte Dozent vr. E Raimann-Wien das Thema: Die pathologische Alkohol-Reaktion, und zwar speziell mit Individuen, die in berauschtem Zustande wie geistes gestört sich benehmen, bei denen aber nach Ablauf des Rausches keine Geistesstörung nachgewiesen werden konnte. Die Fülle haben eine große forensische Bedeutung wegen der vielfachen Gewalttaten, die aus solchen Zuständen zu erklären sind. Unser Strafgesetz erklärt einen Vollberauschten für unzurechnungsfähig. Die Psychiatrie ist noch weniger imstande, Abhilfe zu schaffen, denn wenn der Rausch auSgcschlafen ist, so muß der nunmehr wieder Geistesklare entlassen werden. Redner schlug vor, die Trunkenheit selbst mit Gefängnis zu ahnden und staat liche Arbeitshäuser anzustreben Fünfter Deutscher Archivtag. * Aus Bamberg wird uns geschrieben: Das lieb liche Bamberg steht augenblicklich unter dem Zeichen der „Gelehrten Woche", wie der Volksmund eine Gruppe wissenschaftlicher Versammlungen nennt, die aus dem Schoße der Hauptversammlung des Gesamtvereins der deutschen GeschichtS- und Atertumsvereine, hervorgegangen im engen Anschluffe an letztere, tagen. Den Reigen eröffnete der sechste Tag für Denkmals pflege, der seine diesjährigen Sitzungen am 22. und 23. d. M abhielt. Mit Befriedigung ist fcstzustcllcn, daß die Tagung allgemein den besten Eindruck hinter laßen und vielseitige Anregung gewährt hat. Dasselbe gilt vom fünften Deutschen Archivtag. Etwa 70 Archivare au« allen Teilen Deutschlands hatten sich in den schönen Räumen de« erst vor wenigen Monaten der Benutzung übergebenen Bamberger KreiüarchivS zu sammengefunden, um eine Reihe allgemein interessanter Fachfragen zu behandeln Geh Archivrat Grotcfend- Schwenn als ältestes Mitglied de« Ausschusses und Bürgermeister Lutz begrüßten die Anwesenden; zum Vor sitzenden wurde RelchSarchivdirektor vr Baumann- München gewählt. Der erste Punkt der Tagesordnung war der Bericht fallencn Baumwollkurse später nicht gezahlt haben Aber der Umfang der Baumwollpflanzungcn ist verhältnis mäßig so gering gewesen, daß es nicht haltbar erscheint, in diesen Pflanzungen einen der wesentlichen Gründe zum Ausstand zu suchen Weil zufällig die ersten Opfer des Aufstands den Missionen angehörten, wollen die jenigen, die geneigt sind, in dem Verhalten der Mis sionare den Eingeborenen unserer Schutzgebiete gegen über eine Gefahr für die Verwaltung zu sehen, dem Auftreten der Missionare die Hauptschuld deimessen Das erscheint uns nicht zutreffend, weil die katholische Mission, deren Angehörigen nun von den grausamen Händen der Aufrührer ihr Friedenswcrk mit blutigem Tode gelohnt ward, im allgemeinen bei den Eingeborenen recht beliebt war und mit besonderem Geschick ihr Missionswerk be trieben hat. Allerdings sind in letzter Zeit auch Klagen darüber laut geworden, daß die Bcnediktinermission gegen die eingewurzelten Laster der Eingeborenen, wie Viel weiberei, zu strenge vorgehe. Wir würden cs dann mit derselben Unvorsichtigkeit zu tun haben, die den An gehörigen der katholischen Mission in den Bainingbergen Ncupommerns vor einem Jahre das Leben gekostet hat. Endlich hat man auf die Händler und das Kreditgeben an Eingeborene hingcwiesen. Daß das Auftreten der Händler bei sehr vielen Unruhen, die sich in unseren Schutzgebieten ereignen, eine Hauptursache bildet, daß besonders die Viehhändler, allerdings mehr im Norden Deutsche O stafrikas, sich in dieser Beziehung auf das unrühmlichste hervorgetan haben, daß auch die immerwährenden Unruhen in Kamerun zum großen Teil auf das Händlcrunwesen, das auch in Südwestafrika eine verhängnisvolle Nolle gespielt hat, zurückzuführen sind, unterliegt für uns keinem Zweifel. Auch hat sich bisher noch in allen unseren Kolonien das ausgedehnte Kredit geben an Eingeborene, wie es auch im Süden Deutsch- Ostafrikas geübt wurde, als ein Krebsschaden für die ruhige Weitercntwictelung der politischen und wirtschaft lichen Verhältnisse herausgestellt. Es sind durchaus leine Burcaukratcn, sondem vielfach die erfahrensten kolonialen Kaufleute, die rundweg das Verbot der Kreditgewährung an Eingeborene verlangen. Aber der Ort, wo die auf ständische Bewegung begonnen hat, die Matumbibcrge, spricht diesmal eigentlich wenig dafür, daß Händler «nd Händlerunwesen als Aufstandsgrund besonders in Betracht kommen. In den Matumbibergen ist nicht viel zu holen, und der Handel mit den Eingeborenen hat dort sicher noch keinen großen Umfang gehabt. Aber die Matumbiberge sind immer eine Stätte von Eingebore^enunruhen gewesen und haben schon seit Jahren der Verwaltung Schwierigkeiten gemacht. Die wilden Be wohner dieses Gebirgsstrichs haben sich der Mission ebenso wie der Verwaltung gegenüber sehr unzugänglich gezeigt. Dort üben der alteingesessene Jumbe und der Zauberer, wenn ihnen nicht wegen irgendwelcher Missetaten die Verwaltung auf den Hals kam, noch eine ziemlich unumschränkte Gewalt aus Aber Jumben und Zauberer — von einem Schlangenkultus oder überhaupt einer wirklichen Religion kann übrigens bei diesen Leuten nicht die Rede sein — fühlen deutlich den immer stärker werdenden Druck der europäischen Kultur und Ver waltung im Matumbigebiet ebenso wie in andern Teilen des Schutzgebiets, und in dieser alten einheimischen Herrscherkaste bildet sich ein tiefer Haß aus gegen die fremden, ihren Händen die Gewalt entringenden Macht haber, ein Haß, der sich im gegebenen Augenblick gewalt sam Luft zu machen sucht. Eine gute Ernte, reichlicher Pombegenuß mag leicht, wie cs jetzt im Matumbi gebirge der Fall gewesen zu sein scheint, von Jumben und Zauberern ausgcnutzt werden, um die durch gute Nahrung und übermäßigen Pombegenuß tatkräftiger ge machten Stammesgenofsen zum Ausstand gegen die ihren Führern verhaßte Euwpäerherrschaft zu bewegen. Die Bewegung im Matumbigcbirge war der benachbarten Station nicht entgangen Die auf dem Marsche be findliche Reisegesellschaft der Mission versuchte man, jeider vergeblich, von der Weiterreise abzuhalten. Fünf Europäer wurden erschlagen, und fünfzehn Mauser- gewchre und Patronen fielen in die Hände der Watumbi. Nicht diesen allein wird die Überrumpelung von Euro päern als ein Sieg erschienen sein: die Nachricht wird eines un vorigen Jahre gevitvelen, aus Archivrat vr. Bär-Danzig, Oberregierungsrat vr. Ermisch-Dresden, Reichsarchivaffeffor vr. Knapp-München und Archiv- dircktor Vr. Wolfram-Metz bestehenden Ausschusses über die Frage des Schutzes kleinerer Archive; der Be richterstatter Wolfram hatte die Ergebnisse der Aus- schußvcrhandlung in fünf Resolutionen zusammmgefaßt, die unter möglichster Schonung der in verschiedenen Teilen Deutschlands bestehenden besonderen Verhältnisse dahin zielten, die kleineren, nicht unter staatlicher Verwaltung stehenden Archive der Oberaufsicht der Staatsarchive zu unterstellen An den Bericht schloß sich eine lebhafte Debatte. Reichsarchivdirektor vr. Sicher - Kopenhagen entwarf im Verlaufe derselben ein übersichtliches Bild der in Schweden und Norwegen, besonders aber in Däne mark bestehenden Verhältnisse, das bewies, daß der Staat dort sehr viel weitergehendc archivalische Befugnisse in Anspruch nimmt als irgendwo in Deutschland Es sprachen ferner die Archivdirektorcn Wiegand-Straßburg, Schenk zu Schweinsberg-Darmstadt und Reichsarchivrat vr. Glasschrötcr-München; den Äußerungen des letzteren war zu entnehmen, daß in Bayern die Frage in nächster Zeit gesetzlich geregelt werden wird. Die fünf Resolutionen wurden schließlich mit geringen Änderungen einstimmig angenommen und werden den deutschen StaatS- regierungen mitgeteilt werden. Sodann hielt der Vorstand des Bamberger Archivs Reichsarchivrat Sebert einen inhaltsreichen und form vollendeten Vortrag über die Gefchichtc und Zusammen setzung des Bamberger Kreisarchivs und den in den Jahren 1902 bis 1905 entstandenen prächtigen Neu bau und begründete namentlich, daß letzterer nicht nach dem jetzt meist bevorzugten Magazin-, sondern nach dem Kabinettsystem ausgeführt worden sei Ein Rundgang durch die Räume überzeugte wohl alle Teilnehmer von den Vorzügen des letzteren, denen nur ein freilich oft
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