Deutsche allgemeine Zeitung : 26.07.1855

Donnerstag. Nr. >72 2S. Juli L8SS EeiPjiA. Die Z-ituog erscheint nnt Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags -1 Uhr auS- gcgeben. DtnWc MgemkiU Zeitung. Preis für das Viertel jahr 1'/, Thlr.; jede ein zelne Nnmmer 2 Ngr. -Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz I» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). BnfertionSgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deuts chland. Preußen. ^Berlin, 24. Juli. Wenn das so ganz unerwartete und rasche Einbringen der österreichischen Vorlage am Bunde sogar in diplomatischen Kreisen äußerst überrascht hat, so kann es wol nicht Wunder nehmen, wenn dies in der journalistischen Welt in noch höhcrm Grade der Fall gewesen. Es findet dies jetzt seinen besten Ausdruck in einzelnen Correspondenzen von officiöser und darum sonst nicht ununterrich- tetcr Seite, in welcher man eine Begründung der hier zuerst von der Na tional.Zeitung gemeldeten Thatsache sogar für höchst unwahrscheinlich halt. Unter solchen Umständen kann cS auf der andern Seite auch nicht über- raschen, wenn man in einzelnen Andeutungen über-die mit dem betreffen den Vorgänge im Zusammenhang stehenden oder denselben veranlassenden Momente noch manchem Unrichtigen begegnet. Zu diesem Unrichtigen gehört auch wol die Angabe, daß der proponirte BundeSbcschluß vorher auch mit dem bairischen Bundestagsgesandten vereinbart worden sei; denn wäre dies geschehen, hätte der bairische Gesandte seine Zustimmung bereits vorher dazu gegeben, so hätte selbstredend auch wol nicht die Rede davon sein kön- nen, daß derselbe wegen Fehlens der Instruction in der Bundestagssitzung selbst nicht sofort hätte beistimmen können. Indem wir auf diesen Wider- spruch aufmerksam machen, verweisen wir in Betreff des eigentlichen Sach verhalts sowie der sonstigen mit der ganzen Angelegenheit in Verbindung stehenden Punkte lediglich auf unser gestriges Schreiben. t Berlin, 24. Juli. Bezüglich der zwischen Preußen und Oester reich erfolgten Einigung wird von mehren Blättern darauf hingcwicsen, daß bei der Erklärung Oesterreichs, die einmal anerkannte Grundlage des Friedens unwiderruflich aufrechterhalten zu wollen, und bei der ausdrück- lichen Rückäußerung Preußens, daß eine unter allen Umständen zu erzie lende Durchführung der als untrennbares Ganzes gedachten vier Punkte über den Bundesbeschluß vom 9. Dec. v. I. weit hinausgehen würde, schwer zu begreifen sei, worin die erfolgte Einigung bestehen solle. Der scheinbare Widerspruch löst sich durch die Hervorhebung, daß Oesterreich sich mit der Aufrechthaltung der BundeSbcschlüssc, welche die vier Punkte als eine ge eignete Friedensgrundlage erklären und dieselben moralisch unterstützen, zu begnügen scheint. In den hiesigen höher» Kreisen wird mit Bestimmtheit versichert, daß das diesseitige Cabinet von seiner Anschauung nicht abgcwi- chen sei, daß für Deutschland keine Verpflichtung vorlicge, die vier Punkte als unwiderrufliche Friedensgrundlage aufrechtzucrhaltcn, indem cs nur bc- schloffen habe,, die beiden ersten Punkte sich anzueignen und festzuhalten. Was die vom wiener Cabinet in der vielbesprochenen vertraulichen Vorlage verlangte Billigung seiner Politik anbctrifft, so hören wir in gleicher Weise, daß Preußen bei seiner Auffassung: daß eine ausdrückliche Billigung des Vcrtragsverhältnisses Oesterreichs mit den Westmächten, das ungeachtet der augenblicklichen Divergenz über eine Frage der Ausführung als seinem Zwecke nach ausdrücklich fortbestehend bezeichnet werde, mit der bisher von Preußen beobachteten Haltung unverträglich sei, stehen geblieben sei. Es möchte daraus hervorgehen, daß Oesterreich sich mit der Anerkennung Preu ßens und Deutschlands: daß es durch seine jüngste, die Gefahr des Kriegs von Oesterreich und damit auch von Deutschland abwcndende Haltung nach Kräften im Interesse des Friedens und im deutschen Interesse gewirkt habe, gegenwärtig befriedigt habe, um der sonst unvermeidlichen Federung Preu ßens und Deutschlands: daß Oesterreich die von Preußen uno Deutschland von ihrem Standpunkt aus conscquent verfolgte Politik auch ausdrücklich billige, aus dem Wege zu gehen. Bekanntlich hatte das diesseitige Cabinet in seiner Depesche vom 5. Juli noch besonders hervorgehoben, daß selbst eine solche nachträgliche gegenseitige Billigung, bei Rekapitulation der That. fachen, die Divergenzen der Vergangenheit in vielleicht unerwünschter Weise hervortreten lassen würde, und dem kaiserlichen Cabinet daher anheimzuge- bcn sei, ob es nicht vorzuziehen wäre, auf dieselbe im Interesse der ange stellten Einigung beiderseits zu verzichten. Diese Bemerkung Preußens scheint in Wien gewürdigt worden zu sein und die Verständigung der beiden deut schen Großmächte beschleunigt zu haben. — Der preußische Gesandte am hannoverschen Hofe, General v. Nostitz, befindet sich gegenwärtig hier. Der Entwickelung der VerfassungSangelcgenheil im Königreich Hannover wird hier fortwährend die regste Aufmerksamkeit in den hervorragenden Krei sen geschenkt. Erdmannsdorf, 23. Juli. Der König hatte gestern keine weitere Ficberanrcgung, nahm Vortrag an und machte eine kleine Promenade, da da« Wetter einen größern Ausflug nicht zuließ; die Nacht war sehr SUt- (Pr. St.-A.) — Die National. Zeitung schreibt aus Berlin vom 23. Juli: „Es ist wie- derum ein schweres Verbrechen verübt worden. Der Weber Dietrich hat heute früh seinen 15 Jahre alten leiblichen Sohn mit einer Holzaxt erschlagen. Der Mörder flüchtete sich nach der That in die Jungfcrnhalde, wurde indessen dorthin verfolgt und verhaftet. Polizeibeamte und der Un tersuchungsrichter sind bereits in Thätigkcit. Das Motiv der That ist noch nicht bekannt." Der Polizeibcricht meldet darüber Folgendes: „Als am Sonntag früh 6 Uhr die verehelichte Weber Dietrich, Gartenstraße Nr. 40 wohnhaft, sich mit ihrer Tochter in der zu ihrer Wohnung gehörenden Küche befand, hör ten Beide i» der Stube heftige Schläge fällen. Die Tochter sprang so gleich herein und sah ihren Vater, den Weber Dietrich, 53 Jahre alt, auf ihren im Bett noch schlafenden 15 Jahre alten Bruder mit einer Axt los- schlagcn. Bei dem Eintritt der Tochter wendete sich der Mörder sogleich gegen dieselbe und versuchte auch ihr einen Schlag mit der Axt zu ver setzen. Diese aber entriß ihm die Axt und Dietrich entfloh sogleich ohne Rock, Weste und Kopfbedeckung und barfuß die Treppe hinunter, die Gar tenstraße entlang nach dem Wedding zu. Der Knabe lag, als Mutter und Schwester hinzueilten, tobt, mit zerschlagenem Hirnschädel in dem Bett. Der Mörder wurde sogleich verfolgt und in dem Hause Müllerstraße Nr. 150 ergriffen und demnächst verhaftet. Er ist der That geständig und gibt als Grund derselben an, daß er schon seit einiger Zeit einen großen Drang zur Tödtung eines Menschen in sich verspürt und daß er geglaubt habe, er würde mit seiner Familie verhungern. Er habe eigentlich nicht gewußt, was er thue, und daß er sich erst später nach der That überlegte, daß,er etwas Unrechtes gelhan habe. Seine Familie will seit einigen Tagen eine geistige Gestörtheit an ihm wahrgcnommen haben. Die Leute lebten biSjetzt still und ordentlich, sind zwar arm, hatten jedoch nicht gerade mit Nahrungssorgcn zu kämpfen." — Ucbcr das Verbot der Eisenausfuhr aus England enthält die Ostsee-Zeitung abermals eine Mittheilüng, indem ihr auf die frühere Mit» theilung, welche das von den Hh. W. Bird u. Como, in London avi- sirtc Ausfuhrverbot von England für alle Gattungen Eisen nach der Nord- und Ostsee bezweifelte und auf ein bloßes Gerücht zurückzuführen suchte, jetzt von Hrn. James Bird in Berlin folgende Entgegnung zugegangen ist: „Dies kann nicht Wunder nehmen, da die erwähnte Maßregel allerdings sehr überraschend sein mußte; ich erlaube mir daher das sein sollende Gerücht als eine Thatsache hiermit ausdrücklich zu bestätigen. Das Ausfuhrverbot ist seit dem 16. Juli wirklich erlassen gewesen, doch auf gemachte Gegen vorstellungen über dessen plötzliches Erscheinen nicht veröffentlicht, und am 20. Juli vorläufig reponirt worden. Dieser von mir angegebene Hergang der für den Eisenhandel so außerordentlich wichtigen Sache wird auch be reits von Liverpool von höchst achtbarer Seite bekräftigt, und werden ohne Zweifel Veröffentlichungen zur Bestätigung meiner Einsendung seitens gut- untcrrichteter Häuser stattfinden." — Aus Königsberg vom 21. Juli schreibt man der Kölnischen Zeitung: „Zwei Referendare des hiesigen Appcllationsgcrichts, welche wegen Be- theiligung an der Freien Gemeinde und politischer Antccedcntien durch Mi- nisterialrcscript aus dem Justizdienst entfernt wurden, haben bürgerliche Ge werbe ergriffen; der eine ist nach überstandener Lehrzeit und Prüfung Mau rergeselle geworden, der andere hat nach Erlernung der Handlung hiersclbst ein eigenes Geschäft begründet. — Der frühere Redactcur des Danziger Dampfboot, Denecke, welcher wegen Beleidigung des Vorstehers derBür- gerrcssourcc zu Elbing, C. v. Polcntz, in eine Geldstrafe von 20 Thlrn. vcrurtheilt war, ist durch Cabinetsordre begnadigt worden." ^Danzig, 21.Juli. Dem Vernehmen nach finden jetzt zwischen Preu ßen und Rußland Unterhandlungen wegen der Transitozölle auf der Weichsel statt. Diese Gelegenheit wird die preußische Regierung hoffent lich benutzen, um Rußland zu Handclscrleichterungen überhaupt zu bewe gen. Zwar ist die Weichsel ein beiden Ländern gemeinsamer Strom und die Preußen beschissen ihn ebenso wie die Russen. Allein den meisten Nutzen von nieder« Transitozöllen hat immer Rußland, weil es die Weichsel auf einem viel größern Striche befährt. Denn von dem Laufe der Weichsel kommen Dreiviertel auf Rußland und nur ein Viertel auf Preußen. Die ser Strom ist die Pulsader Polens. Dennoch ist sein letzter Lauf und seine Mündung auf preußischem Gebiet. Mit Danzig kann dies die Weich sel und damit den Haupthandel Polens sperren; daher Polen auch so ungern diese Stadt abtrat und sie selbst dann noch behielt, als es West preußen und Pommerellcn bereits abgetreten hatte. Auch Rußland wider setzte sich damals lange der Erwerbung Danzigs durch Preußen. Jetzt ist diese Acquisition eine vollendete Thatsache. Der Handel Polen« hängt von dem guten Willen Preußens ab. Wollte dies Gleiches mit Gleichem ver gelten «der nach dem Princip der Gegenseitigkeit mit Rußland verfahren, so müßte eS ihm die Weichsel ebenso hermetisch durch exorbitante Zölle schließen, wie Rußland seine ganze Grenze gegen uns sperrt. Könnte irgend-