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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 21.10.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-188110219
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-18811021
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-18811021
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFrankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-10
- Tag1881-10-21
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— In Bodenbach, der durch so regen Verkehr mit Sachsen verbundenen Grenzstadt, ist vorigen Don nerstag, dem 100jährigen Gedächtnistage des Toleranz« ediktes Kaiser Josefs II., der Grundstein zu einer protestantischen Kirche gelegt worden. Zu diesem Kirchenbau hat die kleine evangelische Gemeinde Boden bachs aus eigenen Mitteln 84 000 M. aufgebracht, ohne von außen her unterstützt worden zu sein, doch hat das königl. sächs. Finanzministerium der in Bodenbach befind lichen sächsischen Eisenbahn- und Zollbeamtengemeinde an jenem festlichen Tage 3000 M. übergehen, damit sie mit dieser Summe den auch ihr zu gute kommenden Kirchen bau fördern helfe. Desgleichen wurde vom Dresdner Gustav-Adolf-Verein am Festtage ein Beitrag von 300 M. zu dem Baufonds überreicht. Konsistorialrat vr. Löber aus Dresden hielt die Weihrede zur Grundsteinlegung. Der Bauplatz wurde geschenkt vom Fabrikbesitzer und Bürgermeister Jordan in Bodenbach, der überhaupt durch seine großartige Freigebigkeit, Energie und Umsicht den Kirchenbau wesentlich gefördert und dadurch viele zu ähnlicher Freigebigkeit angeregt hat. Die katholische Be völkerung Bodenbachs brachte durch Flaggenschmuck und persönliche Anwesenheit dem Feste ein überaus wohlwol lendes Interesse entgegen. Der Vertreter der österrei chischen Staatsbehörde, der Statthaltereirat und Bezirks hauptmann zu Tetschen, Ritter v. Bechler, nahm an der schönen Feier von Anfang bis zu Ende lebhaft Anteil und brachte bei dem dem Festakte folgenden Festmahl einen mit Begeisterung aufgenommenen Trinkfpruch auf König Albert aus. — Bei der am Dienstag erfolgten Wahl eines Landtagsabgeordneten für den 22. städtischen Wahl kreis an Stelle des verstorbenen Grimm-Reichenhain ist nach einer vorläufigen Zusammenstellung des Er gebnisses der konservative Kandidat Rechtsanwalt und Rittergutsbesitzer Opitz-Treue» mit 697 Stimmen ge wählt worden. Sein liberaler Gegenkandidat Fabrikbes. Uebel-Netzschkau erhielt 629, ein sozialistischer Kandidat 67 Stimmen. — Neben dem langjährigen bisherigen Vertreter Vizebrgrmstr. a. D. vr. Stephani und dem neuerlich in Vorschlag gebrachten „Gewerbeparteiler" Baurat vr. Mothes wird in Leipzig jetzt noch von fortschrittlicher Seite Prof. Virchow als Reichstagskandidat aufgestellt und so auch hier, wie in Dresden, dem sozialdemokra tischen Kandidaten Bebel, der in Leipzig bei der letzten Wahl über 5000 Stimmen erhielt, das Spiel erleichtert. Im 23. Wahlkreise, Plauen, den bisher der national- lwerale Superintendent Landmann in Plauen vertrat, soll diesem neben dem konservativen Staatsanwalt vr. Hartmann noch der Führer der Fortschrittspartei, Eugen Richter, entgegengestellt werden. Leipzig, 19. Oktober. In der gestrigen Sitzung gingen die Verhandlungen im Hochverratsprozeß vor dem Reichsgericht zu Ende und es steht nunmehr nur noch die Verkündung des Urteiles aus, zu dessen Festsetzung der Gerichtshof heute und morgen eine Pause hat ein treten lassen, sodaß die Schlußsitzung, in der das Urteil publiziert wird, für nächsten Freitag Mittag 12 Uhr an beraumt ist. Die gestrige Sitzung bot noch mancherlei Interessantes dar, vor allem die wirkungsvolle Rede, mit welcher der Oberreichsanwalt Freiherr v. Seckendorfs, ein in den juristischen Kreisen überaus angesehener Beam ter, auf die Darlegungen der Verteidiger erwiderte. Herr v. Seckendorfs wies zuvörderst nach, daß die Hand lungen der Angeklagten allerdings vollständig nach dem Gesetz geeignet seien, unter den ß 86 des Strafgesetz buchs — hochverräterische Unternehmungen betreffend — gestellt zu werden und er kam sodann auf die Vorwürfe zu sprechen, welche seitens der Verteidigung gegen die Mittel und Wege, die die Polizeibehörden und der Un tersuchungsrichter behufs Entdeckung der Angeklagten und Erbringung der Beweise für ihr Schuldigsein angewen det hatten, erhoben worden. Hr. v. Seckendorff be merkte in dieser Beziehung, das Pflichtgefühl werde die betreffenden Beamten über die gegen sie geschleuderten Anklagen hinwegsetzen und wenn wirklich Dinge vorge kommen seien, die man vielleicht nicht ganz billigen könne, so müsse man doch bedenken, daß der Staat und seine Organe sich im Zustande der Notwehr befunden hätten. Solle die Polizei, der die Aufgabe übertragen sei, für die Sicherheit im Staate zu sorgen, etwa ruhig warten, bis die Brandfackeln und die Dynamitpatronen ausge worfen, bis der Straßenkampf, der heute von ungeregel ten fanatisierten Haufen mit Hilfe der entsetzlichen neue ren Sprengstoffe viel leichter zu inszenieren sei, ausge brochen wäre? Dem Angeklagten Davs, entschieden der hervorragendste der Angeklagten, machte der Oberreichs anwalt bemerklich, daß die Schulerziehung in Deutsch- I land derart beschaffen sei, daß auch die Kinder der un- I bemittelten Klassen, wenn sie besondere Fähigkeiten an I den Tag legen, die höheren Schulen besuchen können. I Daß die Reichsanwaltschaft gegen sämtliche Angeklagte auf Zuchthausstrafe angetragen, hat seinen Grund, wie Hr. v. Seckendorff betonte, darin, daß nach ihrer Auf fassung die Mittel, welche die Angeklagten zur Errei- s — IVL0 — chung ihrer Zwecke anwendeten und noch ferner anzu wenden gedachten, außerordentlich niedrige find. Die Angeklagten hielten sämtlich noch mehr oder minder lange Reden, in denen sie aufs neue beteuerten, sie hät ten keine hochverräterischen Unternehmungen geplant. I Nur der Angeklagte Davö verzichtete auf das Wort, weil sein Antrag, die Schlußrede in französischer Sprache halten zu können, mit Rücksicht darauf, daß er während der ganzen Verhandlung genügende Kenntnis der deut schen Sprache an den Tag gelegt, vom Gerichtshof ab gelehnt wurde. — Die gestern aus Chemnitz gemeldete Verhaftung des sozialdemokratischen Agitators Kayser ist erfolgt, nachdem das Reichsgericht am Sonngbend die Revisions beschwerde verworfen hat, welche Kayser und zwei Mit angeklagte gegen ein Erkenntnis des Dresdner Landge richts erhoben hatten, durch das sie wegen Verbreitung verbotener sozialdemokratischer Schriften zu 2 Monaten, ! bez. 6 und 4 Wochen Gefängnis verurteilt worden sind. — In welch kolossaler Menge die Wahlaufrufe für Bebel in Dresden verbreitet worden sind, beweist die Nachricht, daß am 17. d. bereits über 40000 Stück von der Polizei konfisziert waren. — Dem Dresdner Krankenkassenverband, welchem 30 dortige Krankenkassenvereine mit über 10000 Mit gliedern zngehören, wurde in einer seiner letzten, all monatlich stattfindenden Verwaltungsratssitzungen die Zu- .sage von sämtlichen Dresdner Apothekern gemacht, daß einem jeden Vercinsmitgliede, bei Vorzeigen seiner Le gitimation, in Berechnung entnommener Medikamente stets 20 pCt. Rabatt gewährt werden solle. — In voriger Woche nachts stürzte ein Giebel und ein Seitenteil des von Gebrüder Heller in Dresden in der dasigen Rosenstraße zuletzt erbauten großen Getreide speichers unter fürchterlichem Krachen zufolge Ucberla- stung des Dachbodens ein. Ein großes Glück, daß der Einsturz des nur aus Fachwerk zu leicht für die großen Getreidelasten erbauten Speichers nachts erfolgte, am -Tage wären nicht nur Menschenleben, sondern auch die dort täglich haltenden Kohlengeschirre in größte Gefahr gekommen. Der Anblick des zusammengestürzten Ge bäudes und der auf den Fahrweg dadurch herausge drängten Tausende von Zentnern Weizen war ein gräß licher. — In Deuben bei Dresden wurde vor ungefähr 6 Wochen ein 20—22 Jahre altes Frauenzimmmer auf gegriffen , welches taubstumm ist und nicht die geringste Nachricht über ihre Herkunft geben kann; die Unglückliche, welche die feinsten wie gewöhnlichsten Handarbeiten mit Geschick und Ausdauer ausführt, kann leider weder lesen noch schreiben, und ist es bisher der dortigen Ortsbe hörde noch nicht gelungen, irgend einen Anhalt über die Herkunft dieses Frauenzimmers zu bekommen. — Einem konditionslosen Kellner in Leipzig, der seit etwa 4 Jahren ein Verhältnis mit einer in Reud nitz wohnenden Blumenmacherin unterhalten hatte, er klärte diese neuerdings, daß es wohl besser sein werde, das Verhältnis ganz aufzulösen, ein Vorschlag, mit wel chem auch der Kellner anscheinend zufrieden gewesen war. Montag Abend lud er das Mädchen ein, mit ihm in eine Wirtschaft zu gehen, um die weiteren Schritte zu beraten, was auch geschah. Beim Nachhausegehen aber legte der junge Mann plötzlich einen Revolver auf seine Geliebte an, wurde jedoch an dem Abfeuern desselben durch eine Begleiterin des Mädchens verhindert. Der Mensch fiel in Krämpfe, wurde aber später verhaftet. — Die Stelle des Stadtmusikdirektors zu Zittau, zu der sich nicht weniger als 61 Bewerber gefunden hat ten, ist dem bisherigen Direktor der Leipziger Schützen hauskapelle, Georg Huber, übertragen worden. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. — Der Reichstag soll, wie die „f-Ztg." ver nimmt, am 17. Novbr. einberufen werden, dafern die Neuwahlen bis dahin erledigt sind. — Das konservative Zentralkomitee in Berlin hatte am 18. d. zur Feier des 20jährigen Krönungstages des Kaisers, des 50. Geburtstages des Kronprinzen und des 68jährigen Gedenktages der Schlacht bei Leipzig große Festlichkeiten arrangiert, die unter zahlreicher Beteili gung in 58 auf die einzelnen Reichstagswahlbezirke ver teilten Lokalen stattfandcn. — Die bevorstehenden Reichstagswahlen in Elsaß- Lothringen beschäftigen die französische Presse sehr; der Pariser „Temps" widmet ihr bereits dreispaltenlange Betrachtungen und der „Figaro" hat einen Spezial korrespondenten nach Straßburg geschickt, der seine Ein drücke und Erlebnisse erzählt. Die beiden Blätter , be handeln hauptsächlich die Mission des Feldmarschalls v. Manteuffel, sie betrachten die bevorstehende Wahl als eine Probe auf seine Verwaltung und prophezeien ihm einen eklatanten Mißerfolg. — Die Bernstein-Ausbeute an der deutschen Ostsee küste betrug im Jahre 1880 3130 Zentner, welche einen Wert von 838 000 M. repräsentieren, so daß das Pfund roher Bernstein nahezu 4 M. kostete. Ungefähr 1500 Personen fanden bei der Gewinnung des Bernsteins Be schäftigung. — Die Ausstellung zu Frankfurt a. M. schließt gleich der zu Halle mit einem Defizit ab, das auf 450000 M. beziffert wird. — Württemberg. An Stelle des so plötzlich verstorbenen Ministers v. Sick ist der bisherige liberale Präsident der Abgeordnetenkammer, v. Hölder, zum Minister des Innern ernannt worden. Oesterreich - Ungarn. — Ueber die Landwehr-Aushebung in Dalmatien hegt man die Hoffnung, daß die Formierung der Land wehrkörper in Süd - Dalmatien ohne die in letzter Zeit so sehr befürchteten Folgen sich vollziehen dürfte. Der Statthalter hat von Wien den Auftrag erhalten, ohne weitere Verhandlungen die gesetzmäßige Aushebungs- Kommission tagen zu lassen und die zur Stellung Er scheinenden wie die Nichterscheinenden einfach nach den Normen des Gesetzes zu behandeln. — Die Wiener „Deutsche Zeitung" hat einen Preis von 100 Dukaten für den Text des besten sangbaren Nationalliedes ausgeschrieben, welches die Deutschen Oester reichs in der Verteidigung ihres Volkstums zu bestärken geeignet ist. 2 Nebenpreise von 10 Dukaten sollen den Dank für die nächsten glücklichen Mitbewerber bilden. England. — Die Situation in Irland wird immer ernster. Die Agrarliga fordert die Pächter auf, bis zur Wieder- I freilassung der Führer der Liga keinerlei Pachtgeld zu bezahlen. In Dublin wurde am 18. d. eine Proklama tion veröffentlicht, in welcher alle loyalen und friedlichen Bürger aufgefordert wurden, bis zum Erlaß einer neuen Ordre nach Sonnenuntergang zu Hause zu bleiben; wenn sie ihre Wohnungen verließen, wurden sie es auf ihre eigene Gefahr thun. Am selben Abend haben neue Ruhe störungen stattgesunden. Der Pöbel zertrümmerte Later nen und Schaufenster und beraubte Läden. Der Scha den wird auf 2000 Pfd. Sterl, veranschlagt. Die Poli zei zerstreute schließlich die Ruhestörer. Rustland. — Nach Moskauer und Petersburger Meldungen steht die Krönung des Zaren für. den Monat April 1882 in Aussicht. Zu diesem Termin ist von dem Hofmini sterium ein goldener Galawagen und entsprechendes Pferdegeschirr im Werte von mehreren hunderttausend Rubeln bestellt worden. Die Mitglieder der Krönungs kommission sind bereits ernannt und haben sich zeitweise in Moskau aufgehalten, um an Ort und Stelle die Anordnungen zu treffen. — Ueber russische Zustände erzählt ein ehemaliger preußischer Gardeoffizier, welcher vor kurzem aus Ruß land nach Berlin zurückgekehrt ist, folgende charakte ristische Geschichte aus seinen eigenen Erfahrungen: Als Kaiser Alexander II. vor mehreren Jahren in Berlin sich aufhieli, war dieser Offizier zur Dienstleistung bei demselben kommandiert worden und hatte sich bei dieser Gelegenheit derart in die Gunst des Kaisers gesetzt, daß. dieser ihn ausforderte, in russische Dienste zu treten.. Unabhängig, wie der Offizier war, nahm er das ver lockende Anerbieten an, sodaß er bald darauf in Peters burg mit bedeutendem Vorteil und unter wesentlicher Beförderung in ein hocharistokratisches Garderegiment eingestellt ward. Aber bald erkannte der Offizier, daß. er trotz aller ihm von höchster Stelle aus gebotenen Zu schüsse doch unter den überreichen russischen Fürstensöh- ncn seine Stellung schlecht wahren konnte und demzufolge fortwährend in drückende pekuniäre Verlegenheiten geriet. Als dieses Verhältnis endlich unerträglich wurde, begab er sich zu seinem Chef, der gleichzeitig General-Adjutant des Kaisers war, diesem vertrauensvoll seine Lage er öffnend und um Hilfe bittend. Da ward ihm solche bereitwillig versprochen und bald darauf erhielt er ein Kommando an die österreichisch-russische Grenze zur In spizierung der dort angestellten Zollbeamten. Der Of fizier trat dort ein und fand die allerschrecklichsten Un ordnungen vor. Als er nun gegen diese seinen in Preu ßen gewonnenen Anschauungen über Pflichtgefühl und Gewissenhaftigkeit gemäß einzuschreiten begann, versuchte man von feiten der Beamten ganz ohne jeden Rückhalt ihm bedeutende Summen teils direkt zu übergeben, teils unter irgendeiner Form ihm zuzusenden. Natürlich, ward unser Offizier auf das äußerste entrüstet und mel dete sogleich nicht nur alle vorgefundenen Unordnungen, sondern auch die nichtswürdigen Bestechungsversuche an die ihm vorgesetzte Behörde in Petersburg. Ja aber dort kam er schön an. — Sofort ward er abgerufen und bei seiner Rückkehr mit den heftigsten Vorwürfen empfangen, weil er gar nicht bemerkt habe, wie wohl man ihm gewollt und weil er die günstige Gelegenheit, sich aus allen pekuniären Verlegenheiten herauszuwickeln, — so überaus schlecht benutzt habe. — Dem Manne freilich war nicht zu helfen!
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