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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 08.05.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-190705080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19070508
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19070508
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFrankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
- Jahr1907
- Monat1907-05
- Tag1907-05-08
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liberaler Vertrauensmänner aus dem 32. ländlichen Landtags« Wahlkreis (Amtsgerichtsbezirke Frankenberg und Augustusburg) w«Äe al- Kandidat für die Landtagswahlen Fabrikbesitzer Trust Stephan Clauß in Plaue bei Flöha nominiert. Bon . konservativer Seite wird der bisherige langjährige Vertreter de» Wahlkreise», Seh. Oekonomierat Schubart-Euba, wieder aufgestellt werden. Bei dm letzten Wahlen, am 11. Oktober 1901, nahm« an der Wahl des Abgeordneten von 87 Wahl» männern 86 teil; die Stimmenverteilung war wie folgt: Geh. Oekonomierat Schubart-Euba 76, Lagerhalter Lorenz-Chemnitz (Soz.) 10 und Fabrikbesitzer Clauß-Plaue 1 Stimme. — Eine am Sonntag in Chemnitz tagmde Versammlung von Vertrauensmännern nationalliberaler und konservativer Rich tung aus den verschiedenen Ortschaften des 31. ländlichen Wahlkreises beschloß einstimmig, das Abkommen zwischen den Borständm des Vereins der Deutschfreisinnigen Volkspartei und deS Nationalliberalen Vereins zu Chemnitz zur deutsch- freisinnigen Kandidatur Baumann sn für sie in keiner Weise bindend. Die Versammlung beschloß ferner, die deutsch-frei- innige Kandidatur als dm Interessen des Wahlkreises wider- prechend zu bekämpfm und einen Ausschuß zu wählen, der ich mit der Aufstellung einer eigenen Kandidatur befaßt. f Kurse für Kortbildungsschsllehrer. Das Mi nisterium deS Kultus und öffentlichen Unterrichts hat be schloss«, im laufmdm Jahre zwei vicrwöchentliche Kurse für Fortbildungsschullehrer zu veranstalten. Diese sollen den Zweck haben, dm Lehrern sowohl an einfachen, wie an be ruflich gegliederten Fortbildungsschulen eine weitere Ver tiefung in dm Lehrstoff und die Unterrichtsmethode in den wichtigsten Gebieten der Berufskunde zu ermöglichen. Der , esste dieser Kurse, der für Lehrer an Fortbildungsschulen be stimmt ist, deren Schüler vorwiegend im Gewerbe ihre Be schäftigung suchen, soll — wie schon erwähnt — vom 24. Juni bis 20. Juli in Chemnitz unter Leitung des Be- zirkSschulinspektorS Bach aus Löbau und unter Mitwirkung d«S BezirkSschulinspektors Oberschulrat Schütze in Bautzen abgehalten werden. Die Zahl der Teilnehmer soll für jeden der beiden Kurse auf 32 beschränkt werden. Bei der Aus wahl, die sich das Ministerium vorbehält, sollen für den Kursus in Chemnitz vorwiegend Lehrer aus den Kreishaupt- mannschasten Chemnitz, Leipzig und Zwickau, und für den Kursus in Bautzen vorwiegend Lehrer aus den Kreishaupt- mannschaften Bautzen und Dresdm Berücksichtigung finden. Die Teilnahme am Kursus ist unentgeltlich. Für Fortkommen und Unterhalt habm die Lehrer selbst zu sorgen. DaS Mi nisterium stellt dm Teilnehmern an diesen Kursen die Ge währung einer Beihilfe von 100 M. in Aussicht. Dabei wird aber vorausgesetzt, daß für die Stellvertretung in ihren Schulen gesorgt ist und daß die Deckung der eventuellen Ber« tretungSkosten von den Schulgemeinden übernommen wird. Die Lehrer, die sich an einem dieser Kurse beteiligen wollen, habm nach Einholung der Zustimmung ihres Schulvorstands oder Schulausschusses ihre Gesuche um Zulassung bis zum 26. Mm bei dem Schulinspektor ihres Bezirks einzureichen. fx. An» her Papierbrauche! Der Verein deutscher Briefumschlagfabrikanten, dem alle maßgebenden Fabriken an- gehörm, gibt bekannt, daß infolge Erhöhung von Material, Arbeitslöhnen und Betriebsspesen mit dem 1. Mai die Preise für fertige Briefumschläge gleichfalls eine Erhöhung von 16 Prozent erfahren mußten. f II. Lotterie für das Bölkerschlacht-Rationaldenk- Mal. Am 1. Ziehungstag sind an größeren Gewinnen ge zogen worden (ohne Gewähr!): 193506 mit 200 Mk., 70064 mit 100 Mk., 76824 mit 300 Mk., 64675 mit 100 Mk., 83306 mit 100 Mk., 194841 mit 500 Mk., 166656 mit 100 Mk., 67084 mit 100 Mk., 5952 mit 100 Mk., 18007 mit 200 Mk., 12415 mit 100 Mk., 108979 mit 1000 Mk., 57173 mit 100 Mk., 141899 mit 100 Mk., 69861 mit 100 Ml. s Pfiugstverkehr bet der Post. Vom 12. bis einschl. 19. Mai muß zu jedem Paket nach dem Inland eine beson dere Bcgleitadresse ausgefertigt werden. Mit Rücksicht auf die vor dem Feste ein tretende starke Berkehrssteigerung em pfiehlt es sich, auch bei Auslandspaketen für jede einzelne Smdung eine besondere Begleitadresse auszustellen. sr». Ebersdorf. Nächsten Sonntag, 12. Mai, gedenkt der MsfiouSzwetßverei« Fraukeubera »ud Umgeb««-, der die Kirchgemeinden Frankenberg, Ebersdorf mit Lichten walde, Wiesa, Euba, Flöha, Sachsenburg und Lichtenau um faßt, sein Jahresfest in Ebersdorf zu feiern. Nachmittags um V,3 Uhr findet in hiesiger Stiftskirche Festgottesdienst statt, für den Herr Pfarrer v. Feilitzsch aus AuerSwalde die Predigt übernommen hat. Nach diesem Festgottesdienst, etwa um 5 Uhr, wird im Gasthof zur Bretmühle eine Nachver sammlung abgehalten werd«. Für diese haben der Leiter der von unserer Landeskirche getriebenen evangelisch-luthe rischen Heidenmission, Herr Missionsdirektor v. v. Schwartz aus Leipzig, sowie die Herren Superintendent Fischer aus Chemnitz, Oberpfarrer Ehmer aus Frankenberg und Pfarrer Truöl au« Oberwiesa Ansprachen zugesagt. Der Eintritt zu dieser Nachversammlung ist selbstverständlich für jedermann frei. Beim Gottesdienst wie bei der Nachversammlung werden freiwillige Liebesgaben für die Mission eingcsammelt werden. Möge der Tag durch gutes Wetter begünstigt sein und eine zahlreiche Schar von Missionsfreunden aus Ebersdorf« Lichtenwalde und den umliegenden Orten zu diesen Veran staltungen sich einfinden! fr. Ober- und Niederwiesa. Zu der Affäre Str«nz- Medler erfahren wir auf Grund von Erkundigungen an unterrichteter Stelle, daß zurzeit die Höhe der lausenden Wechsel noch nicht festgestellt werden kann, daß die Summe aber jedenfalls 200000 Mk. übersteigt!! Seit vielen Jahren ist Wechselreiterei getrieben worden und bei den beiden Flüch tigen seit zwei bez. vier Jahren alles lebende und tote In ventar verpfändet. In Mitleidenschaft gezogen durch den Krach sind hauptsächlich mehrere Bankinstitute (in der Haupt sache wohl Chemnitzer?), selbstverständlich auch zahlreiche Privatpersonen hier, ferner in Chemnitz, Hilbersdorf, Ebers dorf, Flöha, Euba usw.; ebenso sollen in Frankenberg „Leid tragende" der beiden Ausreißer wohnen. Es wird uns ferner mitgeteilt, daß Fälschungen bez. falsche Akzepte zwar noch nicht einwandfrei nachweisbar sind, der Steckbrief wegen be trügerischen Bankerotts aber bereits unterwegs ist. Wie weiter angegeben wird, ist es nicht ausgeschlossen, daß die zwei Konkursverfahren noch weitere veranlassen können. Strunz wie Fiedler haben am Mittag des 29. April eine „Geschäftsreise" — angeblich nach Leipzig — angetreten und ihren Familien gesagt, daß, wenn sie bis Dienstag abend nicht zurück seien, „diese Reise sich auf etwa eine Woche erstrecken werde". Mim wartet noch heute auf sie. Strunz ist verheiratet und hat vier Kinder, die zum Teil kaum schulpflichtig geworden sind, zurückgelassen. Fiedlers Verschwinden betrauert außer seiner Gattin noch ein 16jähriger Sohn. Beide galten, wie schon kürzlich erwähnt, als gut situierte Leute — Strunz z. B. gehörte hier zu den Höchst besteuerten — und genossen, trotzdem manche ihrer geschäft lichen Unternehmungen fehlschlugen, in unserem Orte allge meines Vertrauen. Darum erregte die Katastrophe (man darf diesen Ausdruck schon wählen), gerade weil sie überraschend hereinbrach, so tiefgehende Aufregung. — Ehemuttz. Dem Zimmerlehrling Aurich hier ist für die mit Mut und Entschlossenheit bewirkte Errettung eines 8jährigen Knabens vom Tode des Ertrinkens eine Etliches loh«««- bewilligt worden. — Pirna. Das von dem Fabrikbesitzer Greif zugunsten der Stadt errichtete Testament, bei dem eine Wertsumme von 800000 Mk. in Betracht kommt, war bekanntlich von einem Neffen des Verblichenen, dem Dekorateur Greif in Bernburg, unter der Begründung angefochten worden, daß der Erblasser bei Errichtung des Testaments nicht im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten gewesen sei. Dem in dieser Angelegen heit gemachten Vergleichsvorschlag, wonach die Stadt Pirna den nächsten Verwandten des verstorbenen Greif eine lebens längliche Rente von je 2000 Mk. zahlen wollte, haben nun die Greifschen Verwandten einen Eegeuvorschlag ge macht, nach dem die Stadt eine um 28000 Mk. höhere Ab findungssumme zahlen soll. Der Rat konnte sich jedoch zu einem weiteren Entgegenkommen nicht entschließen. — Rosse«. Im benachbarten Starbach starb der 12- jährige Sohn des Maurers Schlenz an Eeuickstarre. — Rochlitz. Der 4'/,jährige Knabe des Maurers Mutter lose ertrank im hiesigen Mühlgraben. Das Kind war auf eine Wäschespülbank gestiegen, hat ein Stück Holz erhaschen wollen, und ist dabei ins Wasser gefallen. Wiederbelebungs versuche waren erfolglos. — Leipzig. DaS hiesige Schöffengericht verurteilte gestern den sozialistischen Rckaftmr Schöpflin von der „Muldent. Volksz." »ege« Velei-i-»«ß des ReichStagSabg. General v. Liebert zu 400 Mk. Geldstrafe und Zahlung der Kosten des Verfahren-. Nach der letzt« ReichStagS- wahlbewegung hatte Schöpflin in seinem Blatte vom „Schmutz lappen des Hottentottenblocks, der über dem von den natio nal« Parteien zurückeroberten Wahlkreis wehe", geschrieben. Abg Liebert nagelte diese Gemeinheit bald in einer der nach folgenden ReichStagSsttzungen fest und sagte dabei, daß Schöpflin mit jenem Ausdruck die Fahne deS deutschen Reich gemeint habe. Schöpflin bestritt in seinem Blatte nunmehr die Richtigkeit dieser Auffassung und zieh hierbei dm General v. Liebert öffentlich der Lüge. DaS führte zu dem Prozeß, der gestern zum Austrag kam. Schöpflin suchte nun vor Gericht den Nachweis zu führen, daß der Ausdruck „Schmutz lappen des Hottentottenblocks" überhaupt gar „keine Fahne gemeint" und daß der Ausdruck „nur bildlich" aufzufassen sei. Zuguterletzt erklärte der Angeklagte Noch, daß die Notiz von ihm nicht selbst verfaßt sei. Auf Grund der Beweis aufnahme kam dann der Gerichtshof zu dem bereits erwähn ten Urteil. — Zwöaitz. DaS Leßmuellersche Gut in LenkerSdorf ist vollständig niedergedrannt. Nur wenig war versichert und wenig wurde gerettet. Brandstiftung liegt bestimmt vor. — Thalheim. Der unter dem Verdachte der Brand stiftung verhaftete Bäckermeister Gräbner von hier wurde aus dem Stollberger Amtsgericht wieder entlasse«, da der Ver dacht unbegründet ist. — Zwicka«. Beim hiesig« Garnisonkommando wurde der in Ane festgenommene Anstreicher Fiebrich eingeltefert, der im Frühjahr 1906 von seinem Truppenteil, dem 1. württemb. Gren.-Rgt. Nr. 119 in Stuttgart, flüchtig geworden war. — OelSnitz i. B. Der 77 Jahre alte GutSauSzügler Leukhardt in AttmannSgrün stürzte infolge eines Schwindel anfalles' aus dem ersten Stockwerk i« de« Hof hinab, erlitt einen Schädelbruch und war auf der Stelle tot. Die entwickelnd-darstellende Unterrichtsforrn. Der 586 Mitglieder zählende BezirkSlehrerverein Dresden-Land hatte für seine Mai-Bersammlung Herrn Se minar-Oberlehrer Lehmensick-Frankenberg zu einem Bortrag über „die entwickelnd-darstellende Unterrichtsfoem" und einer mit Kindern des 7. Schuljahre» abzuhaltenden Lektion gewonnen. Aus letzterem Grunde fand am Sonnabend die Versammlung in Blasewitz statt. Der Saal deS Hotel» „Bellevue" war bi» auf den letzten Platz besetzt, ein beredte» Zeugnis für das Hobe Inter esse, daS man hier d-r Unterrichtskunst — im idealen Sinne! — des Herrn Seminar-Oberlehrer» Lehmensick entaeaenbringt. Auch waren als Ehrengäste die Herren Kgl. Bezirksschulinspektor« Schulräte vr. Lange und Fink, Schulrat Stötzner, Gemelndevor- stand Fischer-Blasewitz und zahlreiche Lehrer auS Dresden zu gegen. Die Kinder gehörten den 2. Klassen der Blasewitzer mittlere» Volksschule an. Ursprünglich batte Herr Seminar-Oberlehrer Lehmenstck mit ihnen Fontanes „John Maynard" behandeln wollen. Da sie aber — auch ein Beweis für die Bedeutung der TaaeS- presse! — aus den Zeitungen da» Thema erfahren und de»- halb das Gedicht sich verschafft, ja verschiedentlich sogar auswendig gelernt hatten, w wählte Herr Seminar-Oberlehrer Lehmenstck, um völlig frei schaffen und an, sagen wir, durchaus unbeeinfluß ten Kindern da» Wesen der entwickelnd-darstellenden Unterrichts form zeigen zu können, Goethes herrliche „Mignonlieder", im be sonderen das ergreifend schöne Gedicht „Kennst du daS Land — Es war für alle Hörer nn Genuß, diese Lektion zu hören, und eine Freude, zu sehen, wie rasch der hochgeschätzte Pädagog Lehmenstck die Fühlung mit den ihm gänzlich fremden Kinde« fand, und eine Lust, zu spüren, wie diese, von der Persönlichkeit deS Lehrers und dem Interesse für den Stoff gepackt, köstlichen Blütenknospen vergleichbar, ihre Herzen erschlossen und frisch und lebendig der geist- und gemütvollen Führung deS LehrerS folgten. Der etwa einstündigen Lektion, die allen Anwesenden schönen Gewinn bot und das methodische und pädagogische Geschick dr» Herrn Seminar-Oberlehrer- Lehmenstck wiederum auf da» Glän zendste dartat, folgte nach kurzer Pause der Vortrag über da» entwickelnd-darstellende Unterrichtsverfahren, der in trefflichen, un gemein anregenden AuS üh«ngen über dessen Wese» und Zweck, Bedingungen und Förderungen, Schwierigkeiten und Geiahren, G l'ungsgediet und Vorteile belehrte. Die klare, auch stilistisch und rhetorisch unaemein packende und fesselnde Vortragsweise de» Herrn Seminar-Oberlehrer» Lehmenstck, der zum Schluß aus drücklich betonte, daß die entwickelnd-darstellende UnterrichtSkorm durchaus nicht die einzige, sondern nur eine UnterrtchtSweise sei, die wohl einen Platz in der Schule verdiene, well auch sie nicht» anderem dienen wolle, al» nur dem Heile der Kindtssette, Erkämpftes Glück. Roman von A. Below. lv> - (Nachdruck «rrdoim.; „Die Papiere sind nicht Ihr Eigentum," bemerkte der Graf, „sondern gehörten meinem Vater, nach dessen Tode ich allein rechtmäßiger Besitzer bin. Indes sollen Sie nicht ganz leer ausgehen. Ich biete Ihnen 50 Dukaten. Sind Sie damit zufrieden?" „Ich muß wohl," antwortete der andere, „denn schließlich brauchten Sie mir ja gar nichts zu geben, und ich wäre doch genötigt, diese Briefschaften, die ich so lange aufbewahrt, und mit denen ich auf andere Weise ein hübsches Stück Geld rauszuschlagen gedachte, Ihnen anszuhändigen. Denn Sie gehören ja zum Bund, und der Bund ist mächtig und kann einem viel nützen und viel schaden, je nachdem." Ohne dem widerlichen Greise, den das Alter geschwätzig machte, zu antworten, schrieb Ludwig Günther eine Anweisung über 50 Dukaten auf das Bankhaus van der Valck und reichte sie Resenberg hin, der mit schlecht verhehlter Gier unter devotesten Dankesänherungen das wichtige Papier an sich nahm und seinem Besucher dafür das kleine Paket Briefe hin- reickte, das, grau und verstaubt, mit einem verblaßten Seiden« banoe zusammcugebundcu, unscheinbar genug aussah. „Haben Sie diese Schriftstücke gelesen, Herr Resenberg," konnte sich Ludwig Günther nicht enthalten, beim Weggange zu fragen, „und kenuen Sie das Geheimnis, auf das sie sich beziehen?" „Hih, hih, hih — wie Ew. gräfliche Gnaden komisch fragen," entgegnete der Alte mit häßlichem Grinsen des zahn losen Mundes. „War ich doch bei allem dabei, und habe ich doch schwören müssen aufs Kriczifix, daß ich nichts verrate. Ja, ja, der alle Resenberg hat Ew. Gnaden dereinst auf den Arm« getragen, als Ew. Gnaden noch kein halbes Jahr alt waren, und hat daS kleine Bündel von Kiffen und Spitzen, in dem ein junges Mcnschenknösplein steckte, stets so sorgfältig unter seinem weiten Mantel verborgen, hinübergeschmuggelt, wenn di« Frau Prinzessin Königliche Hoheit einmal wieder Sehnsucht nach ihrem Kinde verspürte, die Frau Prinzessin Karoline von . Aber, aber," unterbrach er sich da auf einmal selbst, „will mir meine Zunge durchgehen? Habe ich doch geschworen, nie den Namen zu nennen, und nun wäre ich fast zum Meineidigen geworden aus unbedachter Ge schwätzigkeit, oh!" Resenberg schlug wie schmerzerfüllt über die eigene Schwäche beide Hände vor das Gesicht, blinzelte aber zwischen den Fingern hindurch nach Ludwig Günther hin, um den Eindruck zu erkennen, den seine Worte auf diesen hervorbrachten. Der Sohn Johann Alberts von Varel war in der Schule des Lebens indes gewitzig geworden; er durchschaute das Manöver des Alten völlig und erkannte sofort, daß derselbe nur erfahren wollte, ob er, Ludwig Günther, das Geheimnis seiner Her kunft kenne, oder ob sich durch Mitteilung desselben nicht noch ein weiteres Stück Geld aus dem Junker herausschlagen lasse. Eine kurze Pause entstand, Ludwig Günther überlegte; in fliegender Hast reihte sich ein Gedanke an den andern. Was wünschte er denn sehnlicher, als den Schleier gelüftet zu erhalten, der über seiner Abstammung lag? Aber aus diesem Munde das Geheimnis zu erfahren, die Geschichte seiner Eltern zu vernehmen — widerte ihn förmlich an. Und wer bürgte ihm dafür, daß dieser unsympatische Greis, dessen hervor stechendste Charakterzüge offenbar Habsucht und Geiz waren, ihn nicht schmählich belog und betrog. Ueber dem Haupte seiner Mutter sollte eine königliche Krone schweben, das hatte ihm dereinst schon die alte Reichsgräfin gesagt; so weit stimmte allerdings die Aeußcrung des Alten mit dem überein, was er schon wußte. Jedoch konnten ihm denn nicht die Briefe, die er soeben erworben und sorgsam in der Brusttasche seines Rockes geborgen hatte, hinreichenden Aufschluß gewähren? Jedenfalls mußte er diese erst lesen, dann war es ja immer noch Zeit, sich den Schrein des Geheimnisses mit goldenem Scülüssel zu erschließen. So nickte er denn nur dem ent täuschten Alten kurz zu und eilte heimwärts. Zu Hause angekommen, ließ er durch Philipp ein tüchtiges Feuer im Kamin anzünden und setzte sich, in einem be quemen Hausrock gehüllt, an den Tisch, um die allen Briefe durchzuseh«. Er tat dies in begreiflicher Spannung, und bald war er durch die Lektüre so gefesselt, daß er Zeit und Ort und alles um sich her vergaß! GS war« wohl zwei Dutzend Briefe von einer feinen, doch charakteristischen Frauen hand geschrieben, Dokumente einer glühenden Leidenschaft, die sich kühn über alle Schrank« hinweggesetzt hatte. Anderer seits betonte die Briefschreiberin geflissentlich wieder und wieder, daß, möge immerhin die Welt ihren Bund nicht an erkennen, dieser doch die Sanktion vor dem Altäre Gotte» er halten habe. Ihr lunger Sohn könne dereinst d« Kopf er heben so stolz als nur irgend einer. — Ludwig Günther blickte voll tiefer Rührung auf diese Zeil« nieder, seine Mutter hatte sie geschrieben, seine unbekannte Mutter, nach welcher er sich insgeheim gesehnt, sobald er zum Bewußtsein seiner selbst gelangt war. Eine Träne verdunkelte sein« Blick und fiel dann voll und schwer auf das Papier. Üeber- wältigt von den Gefühlen sehnsuchtsvoller Zärtlichkeit, drückte der junge Graf seine Lipp« wiederholt auf die vergilbt« Briefschaften, während er leise vor sich hin sprach: „Mütter, meine Mutter, wo werde ich Dich endlich finden und in die Arme schließen dürfen? Oder bist Du so hochgestiegen, daß Du von Deinem Kinde nichts mehr wissen willst? „Nein, nein," fuhr er in seinem Selbstgespräch fort, „jede Zeile dieses Briefes atmet ja die reinste, treueste Mutterliebe. Nur der äußerste Zwang der Verhältnisse, die bitterste Notwendigkeit können Dich veranlaßt haben, Dich von Deinem Kinde zu trennen. Aber wer bist Du, wo habe ich Dich zu suchen? Die Briefe enthalten keine Spur davon. Nach England wies mich dereinst Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg, Prinzessin Karoline nannte Dich der geldgierige Mte, dem ich diese Reliquien abgehandell —" Einige Augenblicke sah der Graf sinnend vor sich nieder, um dann, von einer plötz lich in ihm auftauchenden Vermutung gepackt, fast erschrocken aufzufahren: „Großer Gott, sollte das möglich sein — ich der Sohn der königlichen Frau, die dereinst berufen ist, die Krone des mächtigsten Reiches der Welt zu tragen? Darum auch alle diese Heimlichkeiten! Und ja, ja — ich erinnere mich — geht nicht die Sage, sie sei schon vorher heimlich vermählt gewesen mit einem deutschen Edelman«, de» sie am Hof« ihre» Vaters kennen gelernt hatte?" (Fortsetzung folgt.)
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