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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 10.05.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-191105103
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19110510
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19110510
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFrankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
- Jahr1911
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— MtttWettz«. Die Schaffung neuer Automobil« livien von Mittweida über Hainichen nach Freiberg und über Königshain nach Lunzenau ist der Verwirk lichung wieder rin bedeutende» Glück näher gerückt. Eine entscheidende Sitzung in dieser Angelegenheit hat am Sonn« ab«d in der Kaiserlichen Oberpostdirektion Leipzig stattgefun« den. Al» Ergebnis der Verhandlungen ist zu betrachten, daß der Oberpostdirektion die Schaffung beider Automobil- liaien als Verkehrsverbesserung begrüßt wird. Da» Unter« nehmen erhält von der genannten Behörde eine erhebliche IatzreSbeihilse. Infolgedessen wird sich die von den anliegen den Gemeinden zu fordernde Garantie in mäßigen Grenzen beweg«. In nächster Zeit soll dir genaue Festlegung der Fahrstrecke erfolg« und noch in diesem Sommer hofft man dm Verkehr nach beiden Richtungen aufnehmen zu können. Lhnraudt. Die vor einiger Zeit abgehaltene AuS« Rümmer d«S Tageblatt» vom hiesig«» Evoug Arbeiterverein beigelegt morden »st G» sei daraus auimerksum gemacht. s* G«»»t»G«tzerLthr. Am vergangenen Sonntag wnrdm aus hiesigem Bahnhof »47 l Fahrkarten verkauft, darunter 1118 nach Ehrmnitz und 708 nach Hainichen, ain Montag INS Glück, darunter 481 nach Ehrmnitz und 182 nach Habrich«. 1* G»«tmtr»berlehrer Herberge- Am Sonntag morg« verschied nach längere» Kranksein Herr Seminar« obenchrer Herberger. 8m besten ManneSalter ist mit ftpn ein Mann dahingegangen, der seiner Familie ei» treues Oberhaupt, seinem schweren Berus eine geschätzte Kraft, der Bürgerschaft ein beliebtes Glied war. Oswald Balduin Her berger wurde im Jahre 1863 in Bärenstein im Erzgebirge geboren. Seine berufliche Ausbildung genoß er im Seminar zu Anuaberg. Die dort abgelegte Prüfung berechtigte ihn zu akademischen Studien. 18 Jahre lang, von 1885 biö 1903, wirkte er an den Bürgerschulen zu Annaberg. Nach dem er sich Studien halber längere Zeit im Ausland auf« geholt« und an der Universität Genf die französische Sprache studiert hatte, wurde er an das König!. Lehrerseminar zu Frankenberg berufen, dessen Lehrkörper er seit Ostern 1903 angehürte. Er war hier Hauptlehrer für Französisch im Se minar und in der Schule und Klassenlehrer der 2. Klasse der Hemivarschulr. Außerdem war ihm die Einführung der Seminarist« in die Schulpraxis übertragen. j Gouder»«» «» H«»s«ta». Wie uns die Ortsgruppe des HansabundeS für Ehemnitz und Umgegend mittellt, erscheint et» Soaderzug, der zum Ersten Deutschen Hansatag von Ehrmnitz au» nach Berlin abgelassen wird, gesichert. Die Fahrpreise, die bei der zu erbeffcnden starken Beteiligung vor aussichtlich «och eine weitrre Ermäßigung erfahren dürsten, stellen sich einstweilen wie folgt: Ehrmnitz—Berlin 2. Klaffe 5.80 Mark, 3. Klaffe 3.90 Mark. Um einen genauen Ueberblick zu haben, er sucht di« Ortsgruppe de» HansabundeS für Ehemnitz und Um« aegend dringend, ihr umgehend mittrilen zu wollen, welche Mitglieder noch auf Fahrkarten für den Sonderzug rechnen. D« Bestelle« von Fahrkatten wird noch ein besonderes Ver zeichnis von Pensionen und wohlfeilen LogiL in Berlin »«gestellt werd«. ES ist eine Ehrenpflicht von Deutschlands Gewerbe, Handel und Industrie, den Ersten Allgemeinen Deut schen Hansatag »u einer würdigen und machtvollen Kund gebung z» gestalten. f rx GesomtergebuiS bei den Staatseisenbahnen im Jahre 1810, deren Netz Ende 1810 3315,53 Kilometer (im Borjahre 3314,65 Kilometer) umfaßte, stellt sich wie folgt: ES sind im Jahre 1810 befördert worden 102 873674 Person« (du Vorjahre 94 653367 Personen) und 108267 856 Kilogramm Reisegepäck (im Vorjahr« 101567 548 Kilogramm), ferner 34716237 Tonn« Güter (im Vorjahre 32865836 Tonn«), darunter 491430 Tonnen Eilgut (im Vorjahre 459576 Tonnen). Die Einnahmen betrugen 58481449 M. an» dem Personen« und Gepäckverkrhr (im Vorjahre 54 388 659 ML), aus dem Güterverkehr 107 677115 Mk. (im Vorjahre 1VÜ027 372 ML Die Gesamteinnahme bezifferte sich dem- .noch auf 166158564 Mark, d. i. gegen da» Ergebnis de» Vorjahres an 146416031 Mark 9 742533 Mark mehr. st«llung ortSgeschichtlich wertvoller Bilder, Gegenständ« uno Schliftrnz hat feinen .schönen Erfolg gehabt. E» Hal sich nämlich im Anschluß an die Ausstellung ein Komitee gebildet, da» sich dir Gründung eine» Ort» museumS für Tharandt und Umgegend zur Ausgabe gemacht hat. Das Museum kann al» gesichert betrachtet werden. Besitzer wett voller Sachen haben sich zu deren Hergabe für das Museum verstanden, und die Stadtverwaltung hat einen Raum in der neu« Schule zur Verfügung gestellt. — Vbermolter bei Dippoldiswalde. Zu dem bereits gemeldeten Unglücksfall können wir noch folgende» berichten: Gutsbesitzer Näcke hatte mit seiner Frau und deren Mult«r an einer HochzrilSseier in Naundorf bei Rabenau teilgenom- men. Sie kehrten in früher Morgenstunde in geschlossenem Wagen nach Obermalter zurück. Kurz vor dem Otte scheut« die Pferde, gingen durch und stürzten die hohe Straßen« böschung, den Wagen samt Insassen fortreißeud, hinab. Die junge Frau, die einen Schlüsselbeinbruch erlitten hatte, ver mochte unter den Trümmern des Wagens hervorzukriechen und Hilfe herbeizuholen. Die Schwiegermutter war sofort tot. Näcke hat außer einem Schädelbruch und Armbruch schwere innere Verletzungen davongetragen, so daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Der Kutscher hat ein Bein ge brochen und wurde ins Krankenhaus transportiert. Eins der Pferde mußte uuf der Stelle abgestochen werden. — DreSde«. Am Montag vormittag 10 Uhr fand aus der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Gegen wart deS Königs, des Prinzenpaarrs Johann Georg, der obersten Hofchargen, der Spitzen der Behörden, deS diplo matischen Korps und zahlreicher Ehrengäste die Eröffnung der ausländischen Staatspavillons statt. V»n Fan faren der Gardereiterkapelle begrüßt, fuhr der König vor dem ungarischen Pavillon vor und wurde daselbst von Geheimrat Lingner empfangen und in den Pavillon geleitet, wo er vom Vertreter deS Dresdner österreichisch-ungarischen Gesandten, Baron Franz, begrüßt wurde. Der Monarch besichtigte den Pavillon und besuchte alsdann nacheinander die verschiedenen anderen fremd« Pavillons, wo er von den betreffenden Re gierungskommissaren und Abteilungsvorständen begrüßt wurde. Beim Betreten der einzelnen Pavillons wurde von der Garde- rciterkapelle jedesmal die Hymne der betreffenden Nation ge spielt. Nach Beendigung des RundgangeS verließ der König, von den lebhaften Ovationen des zahlreichen Publikums be gleitet, die Ausstellung. — Dresden. Der Landeskulturrat für daS König reich Sachsen veranstaltet in den Tagen vom 29. Mai bis 3 Juni d. I. unter Leitung von Herrn Pros. Dr. Strecker in den Werkstatt- und Lagerräumen der Firma Schuhart u Hesse in Dresden und in der Dreschmaschinenfabrik von C- A. Klinger in Altstadt-Skolpen wiederum einen Praktischen Unterrichts- kursuS zum Zwecke der Unterweisung landwirtschaftlicher Ar beiter in der Benutzung und Behandlung landwirtschaftlicher Ma schinen. Der Unterricht wird von Ingenieur« und Monteuren der genannten Firmen erteilt. Dabei werden alle wichtigen Ma- schinkn und Geräte in den Kreis der Betrachtung gezogen. Die Kosten des Unterrichts, sowie die Fahrt der Kursisten in der dritten Klaffe von Dresden nach Stolpen und zurück trägt der Landeskuliurrat. Die Anmeldung von landwirtschaftlichen Arbeite« sind bis spätestens den 25. Mai an daS Generalsekretariat deS Landeskulturrats in Dresden-A. 3, Lüttichaustraße 31, zu richten. — Regis. Di« Belegschaft der hiesigen Braunkohlen werke ist in den Ausstand getreten. — Grimm». Der 60 jährige, im Zachmannschen Stein bruche in Dornreichenbach beschäftigte Bruchaufseher Beyer wollte mit einem Waschbecken Wasser auS einem Tümpel des SteinbrucheS schöpfen. Beim Bücken muß er von einem Un wohlsein befallen oder von einem Herzschlag getroffen worden sein. Er wurde mit dem Gesicht im Tümpel liegend tot aufgefunden. — Vor«» bei Leipzig. Im Brikettfabrikgebäude der Gewerkschaft Wilhrlmschacht entstand vorgestern morgen, jedenfalls durch Selbstentzündung, ein Brand, der ein« Kohlenstaubexplosion im Gefolge hatte. Hierbei er litt« zwei auf dem Werke beschäftigte Arbeiter schwere Brandwunden im Grsicht uud au den Händen Gegen V»10 Uhr war der Brand gelöscht. — Tritte«. Auf dem hiesigen Bahuyofe wurden in der Näh« des Wirtschaftsgebäude» der Briefträger Oehler von hier von. einführenden Mrhlthruer-Wünschendorfer Personen- zuge Rr. 2258 erfaßt u..^ getötet, sowie der Briefträger Köhler von hier am Kopfe schwer verletzt. — Gllerlet«. Al» Ursache der beiden Hau-bränd«, di« innerhalb der letzt« acht Tage von hier zu melden war«, wird Brandstiftung angenommen. Für dm einen Fall hat diese Annahme bereit» Bestätigung gefunden. Die eigene 13jährige Tochter de» Betroffenen hat den Brand verursacht. — G««per»t»rf b. Kirchberg. Bei der Rückkehr von einem Vergnüg« der Hochzeitsgesellschaft seiner Tochter stürzte der FuhrwerkSbrsitzer Gustav Weck rücklings vom Wagen gegen eine Mauer und brach das Genick. Der Tod trat alsbald ein. — Amick«». Der Tischlermeister Göschel hier wollte am Abend des 1. Mai eine Katze, die in seinem Hofe einer Amsel nachstellte und «in« Baum erklettert hatte, mittelst einer Stange verscheuch« und war zu diesem Zwecke aus die Hofmaurr gestiegen. Hierbei stürzte er von der etwa zwei Meter hohen Mauer ab und erlitt einen komplizierten Bruch des link« Armes. Trotzdem sich Göschel auf ärztliches An raten sofort in daS Krankenhaus begab, trat Blutvergiftung ein, die eine Amputation deS Arme» bedingte. Alles ärztliche Bemühen war jedoch vergeblich, denn vorgestern erlöste der Tod den Bedauernswerten von seinem Leide«. Göschel, der im Alter von 46 Jahren stand und sich durch seine Streb samkeit allgemeiner Achtung erfreute, hinterläßt eine Witwe mit 5 Kindern im Alter von 3 bis 15 Jahren. r«er»ercdtc»«e. L-»tsch-< «eich. — DaS kaiserliche Gut Kabinen. In Genua wurde dem Kaiser von einem Manne, dessen Stärke der An stand auch nicht gerade zu sein schien, ein Aktenbündel zu« geworfen, dessen Inhalt nichts geringeres als die Rückgabe des Gutes Kadineu forderte. Im Anschluß hieran sind wieder einmal allerlei Legenden über daS kaiserliche Gut verbreitet worden Der Kaiser hat daS Gut s. Z. von dem Landrat Birkner übernommen. Birkner, stark verschuldet, erhielt als Kaufpreis eine sehr ansehnliche lebenslängliche JahreSrente auS der Kaiserlich« Privatschatulle. DaS Gut konnte erst tn jahrelanger, sehr mühevoller und sehr kostspieliger Arbeit zu dem gemacht werd«, was es heute ist, wobei es noch da hingestellt bleiben muß, ob sich das aufgrwandte Kapital wirklich entsprechend verzinst. Mustergüter sind allemal nicht ertragreiche Güter. Trotzdem hat Kabinen unter der kaiser lich« Regie eine außerordentliche Bedeutung erlangt, die namentlich in seiper vorbildlichen Stellung gegenüber der ostpreußischen Landwirtschaft besteht. Alle Ansprüche der Erben des Landrats Birkner, von den« gesprochen wird, sind unbegründet. — Der Kaiser und die Straßburger Studenten Der Kaiser, der nach Metz abgereist ist, empfing am Montag in Straßburg eine Deputation der Studenten, die bei der Denkmalsenthüllung am Sonntag von dem Platz gewiesen wurden, den sie eingenommen hatten. Auf die Ansprache des Vorsitzenden des Ausschusses antwortete der Kaiser mit sol« genden Wort«: „Ich spreche Ihnen mein« Dank aus für die Huldigung, die Sie mir soeben dargebracht haben. Ich er warte von Ihnen, daß, wenn Sie einst inS Lebe« hinaus treten werden, Sie gelernt haben werd« aus dem, was in unserem Vaterlande vorgehl, daß die Partei nicht die Haupt sache ist, sondern einzig «nd allein das Gedeihen unseres Vaterlandes und unseres Volkes. Wenn Sie das Interesse daran voranstellen, so hoffe ich, daß strtS Ihr Leitstern und Ziel sri daS Wohl deS Vaterlandes." — Ein ähnlicher Vorfall wie der in Straßburg ist schon Stolse Zerren. Roman von Alfred Sassen. L ——» Utachvru« Verbote» ) Ler Lehrer mußte wohl thr gesegnetes Schalten und Natt« im Pfarrhaus und im Dorf im stillen mit innigster Teilnahme, die sich, vielleicht ihm selber unbewußt, langsam ß« einem andern, tieferen Gefühl ausgewachsen hatte, ver folgt haben. Als die Frau Pfarrerin nach Jahresfrist wieder ihren Hausfrauenpflichten nachgehen konnte und für ihre stille, blasse Pflegerin die Scheidestunde gekommen war, trat er mit dem Glanze einer ehrlichen reinen Liebe in den Augen vor die Scheidende hin und fragte sie, ob sie als sein Weib tn dem stillen Weltwinkel bleiben wolle. Sie bat sich «inen Tag Bedenkzeit aus. Dann gab ft« dem Werber das Jawort, das sie mit klugen, freundlichen Wetten des Dankes begleitete, ohne ihm zu verhehlen, wie es in ihr aussah. Sie habe sich schon längst des Gedankens entwöhnt, Glück für sich selber zu gewinnen, und es werde ihr nun schwerfallen, sich so rasch zum Glauben an das Gegenteil zu bekehren. Er müsse Geduld mit ihr haben, dMe nicht schelten, wenn auch die Zukunft sie still und ernst finden werde, anstatt daß die glückliche Wendung in ihrem entsagungsreichen Leben sie mit aufjauchzender Freude erfülle. Der einsame Mann hatte es nicht zu bereuen, sein Los an das des einsamen Weibes geknüpft zu haben. Es wurde ein Glück daraus, über dem es freilich wie ein dämpfender Schleier lag. Aber schließlich kam doch etwas vom Äufjauchzen der Freude in das stille Zusammenleben. Das war, als der kleine Heinz geboren wurde, in der spät eingegangenen Ehe kaum noch erwartet und darum doppelt freudig begrüßt. Jedes der beiden empfand, seiner innersten Natur ge mäß, das beglückende Ereignis anders. Der Vater war überselig und ost überlaut in seiner Seligkeit. Der Mutter legte das Glück einen Schein stiller Weihe auf die Stirn, der wahrhaft ergreifend wirkte. Das wundervolle Mutter gefühl de» Begnadiatseins umfloß die zarte Gestalt wie ein köstlich schmückendes Gewand. Das Besondere in dem Heranwachsenden Kind, m seinen Augen, in dem ganzen schmalen, wohlgebildeten Ant litz, war ihm wohl von dieser Mutter vererbt worden, in deren Seele Schätze schlummerten, die niemand zu heben gekommen «ar, die selbst der gutmütige, behäbige Gatt« kaum ahnte. Nun aehötten diese Schätze ihrem Kinde, dem tze lei« und ««merklich bald heute, bald morgen etwas Goldglanz auf den Weg streute, damit es auf lichten Spuren hineinschreite in ein« gesegnete, beglückte und be glückende Zukunft. — Vorläufig erlebte Heinz köstliche Weihnachten, erst zu Hause, und dann noch einmal im Schloß, wo er unter einer Menge anderer Kleinigkeiten von Komtesse Klementine «inen Stoß zierlicher Taschentücher geschenkt erhielt, in die sie mehr eifrig als schön die Anfangsbuchstaben des kleinen Helden hineingestickt hatte. Auf der ganzen Erde hat sich wohl kaum je ein Menschlein die Nase andächtiger geschneuzt als der Schulmeisterheinz in seine neuen duftigen Batist- tücher. — Ostern trat ein Wendepunkt in Heinzens Leben ein. Er mußte das Dorf verlassen, um in der sechs Stunden entfernten Kreisstadt das Gymnasium zu besuchen, Solch ein Abschied eines auf dem Lande ausgewachsenen Kindes ist etwas Schweres, namentlich wenn das Kind, wie Heinz, die rechten offenen Augen für die tausend Schönheiten der Natur hat, die auf dem Lande gleichsam in die verstecktesten Fenster hineinnicken und herauslocken in ihre mit ewig freigebigen Händen ausgestreute Fülle. Für den kleinen Heinz schritt nun überdies noch durch all das blühende, reifende und im Vergehen schon wieder Hoffnung er weckende Leben der Natur eine Lichtgestalt, von der ihm das Abschiednehmen doppelt schwer dünkte. Beinahe so schwer wie das Fortgehen von Vater und Mutter. Aber es war auch etwas da, was ihn mächtig über den Abschiedsschmerz hinaushob und seine Blicke in die Zukunft lenkte. Ja, er mußte lernen, viel lernen, alles lernen, um sich einer solchen Zukunft, wie er sie sich in seinem unklaren kindlichen Ehrgeiz ausmalte, würdig zu machen. — Und so schluckte er die im letzten Augenblick Loch emporquellenden Tränen tapfer hinunter und ging lächelnd aus dem Schloß, aus dem Elternhaus aus de«n Dorf fort in die fremde Stadt. — Für das Lernen und Mühen, in das er sich mit Eifer hineinstürzte, entschädigten ihn dann die wunder vollen Ferienwochen daheim. Diese Ferienwochen wurden durch die Ansprüche, die man im Elternhause und ich Schlosse an Heinz stellte, fast in zwei gleiche Teile ge schieden. Ja, die kleine Komtesse erklärte jedesmal ganz offen, sie habe sich gar sehr nach ihrem Lebensretter gesehnt und wolle nun soviel als möglich von ihm haben. In dem prächtigen Park, in den weiten Gemächern des Schlosses wurde Heinz dann wieder auf die schwindelnde Höhe gehoben, auf der er damals nach dem schauerlich süße» Abenteuer jene« ewig denkwürdigen Wintertaae» gewandelt war. 2« oer Stadt auf der Schul- Pqnk, neben Irägen, ost auch rohen Kameraden, wurde er wider Willen immer wieder in die Niederungen des gewöhnlichen Lebens hinabgezogen. Und « war fo gut so, daß er manchmal kopfüber, topfunter in den tollen Junaenübermut hinemgerffsen wurde. Jenes große Er lebnis, das wie ein Talisman in ihm wirkte, bewahrte ihn ja doch vor Ausschreitungen, während auf der andern Sette die Gefahr nahe lag, daß dadurch sein seelisches Feingefühl im Verhältnis zu der körperlichen Entwick lung zu übermäßig gesteigert wurde, Dem Mutterauge entging es auch nicht, daß Heinz in den Ferien oft mit einem nervösen Zug um die Augen und die Lippen heimkam. Und so streng der Junge auch in einer Art unklarer Scheu — das Innerste seines ehrgeizigen Herzen» verschloß, die Mutter schien doch zu erraten, was in dem frühreifen Knaben voraing, Sie bat ihn immer wieder, während der Schulwochen seine freie Zeit zu Spaziergängen, zu körperlichen Uebungen zu benutzen, nicht aber « übermäßiger Lektüre. In den Ferien unternahm sie selbst mit ihm stundenlange Streifereien hinaus in den Wald und die reizvolle Gegend, Daneben suchte sie ihn mit kluger Unabsichtlichkeit soviel als möglich vom Schlöffe fernzuhalten. Sie war keine blinde, eitle Mutter, die der Ehren und Auszeichnungen, die ihrem Liebling im Schloß widerfuhren, nicht genug sehen konnte. Sie wußte ja doch, daß die Lust, die im Schlosse und unter seinen Bewohnern wehte, in Zukunft nicht die ihres Kindes sein konnte. Sie sagte sich, daß man nur dem Heranwachsenden Heinz all die Freiheiten im Verkehr gestattete, als einen immer wiederholten Ausdruck des Dankes, den man ihm schuldete, daß aber für den er wachsenen bald da, bald dort eine Schranke fühlbar sein würde, deren Vorhandensein ihm dann «in bitteres Ge fühl der Enttäuschung bringen mußte. Sah sie dann freilich, wie die Augen des Jungen aufleuchteten, wenn der Wind aus dem Schloßpark eine Duftwolke herübertrug, wenn ein Diener mit einer Be- stellung kam, wenn die kleine Komtesse sich selbst einfand, um ihren Retter zu holen, so sygte sich das treue Mutter herz auch wieder: Maa er sich dem Zauber hingeben — sein Leben hat dann für alle kommenden Tage einen Strahl der Poesie, der die dunklen Stunden vergoldet! Sie wollte schon dafür sorgen, daß ihr Kind al» Bestes die Fähigkeit erlernte, klar zu sehen im rechten Augenblick, tapfer zu sein in notwendiger Entscheidung, mit stillem, würdevollem Stolz nur das als Eigentum -u betrachten, was selbst ««vorbei« wir.
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