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Die Elbaue
- Bandzählung
- 3.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. 4. 2296
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1795111755-192600002
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1795111755-19260000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1795111755-19260000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: SLUB
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Ausgabebezeichnung
- Nr. 19, September 1926
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitschriftDie Elbaue
- BandBand 3.1926 -
- AusgabeNr. 1, Januar 1926 1
- AusgabeNr. 2, Januar 1926 5
- AusgabeNr. 3, Februar 1926 9
- AusgabeNr. 4, Februar 1926 13
- AusgabeNr. 5, März 1926 17
- AusgabeNr. 6, März 1926 21
- AusgabeNr. 7, April 1926 25
- AusgabeNr. 8, April 1926 29
- AusgabeNr. 9, Mai 1926 33
- AusgabeNr. 10, Mai 1926 37
- AusgabeNr. 11, Juni 1926 41
- AusgabeNr. 12, Juni 1926 45
- AusgabeNr. 13, Juli 1926 49
- AusgabeNr. 14, Juli 1926 53
- AusgabeNr. 15, August 1926 57
- AusgabeNr. 16, August 1926 61
- AusgabeNr. 17, August 1926 65
- AusgabeNr. 18, September 1926 69
- AusgabeNr. 19, September 1926 73
- AusgabeNr. 20, Oktober 1926 77
- AusgabeNr. 21, Oktober 1926 81
- AusgabeNr. 22, November 1926 85
- AusgabeNr. 23, November 1926 89
- AusgabeNr. 24, Dezember 1926 93
- AusgabeNr. 25, Dezember 1926 97
- BandBand 3.1926 -
- Titel
- Die Elbaue
- Autor
- Links
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Die Eldaue Deilage zum »Generalanzeiger' September 1926 messen soll, denn cs kann notwendig werden, lange zu hungern und zu dursten — und >u frieren. Macht doch bis Kellerluft nach und nach das Blut erstarren. Tas wenige Stroh, das in der Höhle ist, wird in einen Winkel getragen, dort sollen sich die Mad- testen binlegen, wenn der Hunger grimmiger wirs, um da zu ruhen — um da zu sterben, wenn'S Gott nicht anders will. — Langsam schleichen die unendlichen Stun den, Sie auf den Uhren ein dann und wann oufflackerndes Streichhölzchen zeigt- Toten still ist's in der Höhle, nur hier und dort in der Finsternis ein leises Weinen, oder das Murmeln eines Vaterunsers, oder ein leiser, schluchzender Nus.nach lieben Kindern oder der armen, verzweifelten Frau daheim. Den Hunger bannt noch den ganzen ersten Tag die Erschütterui^g der Seele, aber die Kälte kriecht mit tausend eisigen Schlangen- rinaen an die Armen heran, die in ihren dünnen Arbeitsanzügen auf dem Steinboden liegen und sich aneinanderdrücken um nicht zu erstarren. Tröstlich, und wie ein Ton vom Lehen draußen, klang es durch die webevolle Stille, wenn der alte Linke seine zitternde Stimmt erhob und einen Vers der Heiligen 'st sprach. „ES war so," sagte ein Geretteter später, als wenn's zum Gottesdienste läutete und als spräche uns Gott selbst Trost zu!" Draußen aber war der Donner des Sturzes gehört worben. Aus allen nahege legenen Brüchen batte man gesehen, daß da Arbeiter im Fröde-Pieschelschen Bruche ver schüttet waren und die Scbreckenspost lief im Nu auf Wegen, Schienen und Drähten in die Heimat der Verschütteten, nach Len Sitzen der Behörden, nach den Brüchen, wo Lie wackeren Arbeitsgenossen der Verunglück ten tätig waren. Und diese eilten schnellsten Laufes her bei — obne Rücksicht auf die verlorenen Löhne, ohne es zu wissen, wer ihnen Nahrung und Obdach gewähren würde während der schweren Arbeitstage — nur um zu retten! Weit und breit batte während des Sonn tags das Elbtal geschwiegen! Keine Musik, kein Tanz in den lebenslustigen Städtchen ringsumher. Wer hätte jubeln mögen mäh' rend der Toöesaual der Brüder! Aber Linausgeströmt war die Menge, für die wackeren Arbeiter Erauickungen mit sich führend, und umstand das gewaltige Felsen grab schweigend — die Nacht unterbrach die Arbeiten nicht. Bänke wurden durchsetzt, Leitern in Klüfte gesenkt, immer neue nach unten gebende Spalten zeigten sich, die, schnell erweitert, den Weg förderten. Mehr als einmal trieb es auch die Allermutigftcn aus dem furchtbaren Schlote, in dem sie weil ten, wenn LaS Gestein, das sie dicht umschloß, rückte und knirschte, aber kaum schwieg Ler grauenhafte Ton, waren sic wieder in der Tiefe bei der Arbeit. — Auf den luftigen Höben des berühmten Basteifelsens stebt lin Sprachrohr, mit dem der Reisende dem auf sonniger, ferner Höhe stehenden Genossen einen Jubelruf zuzutönen pflegt: das war herbeigeschafft worden, um Menschenlaute Lier in das Grab hinab dringen zu lassen- Als sich beim Wegraumen der Schuttmasse ein tief hineinsebender Spalt zeigte, setzt es Richter an den Mund und binab dröhnt'»: „Lebt ibr?" Und sie bören es drunten, die lebendig Begrabenen — die Menschenstimmc von draußen und fallen auf Sie Knie und schreien wie aus einem Munde: „Ja, wir leben alle!" Aber das Geräusch da draußen verschlingt den leisen Ton aus der Tiefe- — Vierzig Stunden unablässig hatten die schlichten, tapferen, wackeren Retter gewirkt und ein gütiger Gott batte Meißel, Brech eisen und Spaten gelenkt, Ler Schacht traf genau die Kante Ler ungebcuren Steinmassc, Lie das Grab der Verschütteten deckte, so daß man sie nicht zu durchbrechen brauchte, sondern in einer Kluft leicht an ibrer Seite binab gelangte. Plötzlich börten die Eingeschlossenen die Arbeitstöne nicht mehr über sich, sondern deutlich stromwärts, fast in gleicher Höbe mit ihrer Höhle, in genau zu bestimmender Richtung. „Jetzt drauf und dran, Freundel" rief Linke, kaum zwanzig Ellen von uns, La drüben müssen sie schon sein! Tie lebten Kräfte zusammengenommen! Wir wollen ihnen entgegen." — Und der Knabe schleißt Sväne und hält sie in Brand und unter der Fclsplatte bin wühlen die Leute emsig den Schutt weg, den draußen Arbeitenden ent gegen. Jetzt leitet auch Lie Platte den Ton und auf den Ruf: „Lebt ibr?" bringt die Menichenstimme aus dem Grabe: „Alle vier- undzwanzig!" — Leider verstand der wackere Bruckmcister „vierzehn" und die Kunde, daß nur vierzehn lebten, lief Laber von Munde zu Munde den Schacht empor und hinaus unter Weiber und Kinder und den erschütter' ten Gemütern war es gerade, als könnte Vater, Gatte, Bruder nicht mehr unter den Lebenden sein. NiLt lange sollte die Ungewißheit Lauern. Da drunten dröhnte nun von außen und innen Stoß um Stoß, Schlag auf Schlag. Das Blut auoll Len wackeren Rettern unter Len Nägeln vor. Sie arbeiteten, um schnell vorwärts zu kommen, einen so niedrigen Stollen aus, daß sie auf Lem Bauche liegen mußten; einer schob Lem andern das Los- aerissene zu, daß sie sich fast selbst den Aus gang verinauert hätten- Wer sollte denen da drinnen zuerst die Hand drücken?! Jetzt nur einen Augenblick Pause um Atem zu schöpfen! — Da fragte Richter wieder: «Wie stcbt's drinnen?" „Wir sind alle vierundzwangzig wobl und 'gesund!" Da schreien die Leute vor Jubel auf und der Schrei ballt von da binaus und kündet ein Wunder, ein bobcs Wunder Gottes! Eine Felienlast von über zweimalbundert- taukend Zentnern stürzt über vi-rundzwanzig Männer herab, begräbt sie sechSundillnfzig Stunden lang lebendig und keinem wird ein Haar auf dem Scheitel gekrümmt!! — Und Weib und Kind bören's und weinen fort und können's nicht glauben und zwei feln noch immer. Und drunten wieder Stoß auf Stoß, rechts und links — jetzt rollt Schutt und Sand und — eine Menschenhand faßt die andere — die sich in Liebe durch Felsen zueinander ge arbeitet haben. „Hier sind sie! ruft der wackere Winkler, indem er Les verschütteten August Petters Hände saßt — bann herrscht einen Augenblick tiefes Schweigen in den Klüften — denn Netter und Gerettete weinen. — Doch im Nu ist die Bewegung, die die Tätigkeit lähmt, bemcistert. Die Oeffnung wird erweitert und Petters herausgczogen. „Seile herunter!" ruft Richler und eine Minute darauf kniet der erste Gerettete, zu sammengebrochen, unter Gottes Himmel, den er nie wieder zu sehen gehofft batte. Jbm folgte der alte Linke und so alle vierund zwanzig dem Alter nach. Die große versammelte Menschenmasse, welche die Halden, das Tal und die Nachbar- böfe bedeckte und deren vorderste Reiben Sie Angehörigen der Verschütteten bildeten, hatte stumm zugcschaut, wenn einer nach Lem an dern aus dem Schacht emvorgczogen auf Ler Höbe des Trümmerberges erschien, den nie mand besteigen durste, und nur hier und da kündete ein Heller Aufschrei: „Der Vater! der Bruder! Ler Sohn!" daß Kino, Bruder, Mutter ober Vater den Lieben erkannt harten. Aber als der lebte der vierund- zivanzig geiund cmvor gezogen war, da brach das Volk in nicht enden wollenden Jubel aus und die braven Gendarmen und Beamten in deren Augen selbst Tränen glänzten, konnten es nicht hindern, daß der Strom sich nach dem Schuttberge hin ergoß und die von ihren Rettern, halb geführt und halb ge tragen, berabselciteten matten, glücklichen Verunglückten im Triumvse nach dem breiten Strohlager führte, das in der Eile für sie bereitet war und wo Aerzte, stärkende Weine und Nahrungsmittel ibrer barrten. Aber sie aßen nicht und tranken nicht, weinend bingen die Ihrigen an ihnen, weinend umstand sie die erschütterte Menge. Da bebt plötz lich eine Stimme aus derselben an den schönen Choral zu singen: „Nun danket alle Gott!" und gerade als habe jede Brust diesen Ausdruck für ibr Empfinden gesucht, lief Ler Klang auseinander, wie die Welle aas Ler Fläche des Teiches, Stimmen auf Stimmen gesellten sich hinzu, voller und voller hob sich der Ton zum Himmel, im Tal und auf Len Löben, am Ufer und auf den Halden, auf den Llarken und jenseits des Stromes sangen die Menschen aus voller Seele mit. — Es war ein Gottesdienst, wie ibn größer und schöner nie ein Dom umschloß. Heilige Pflicht ist es kür den Augenzeugen, davon Kunde zu geben, wie edel sich die innere Natur „des Mannes der Arbeit" bei diesem furchtbaren Ereignisse bewährte, mit welchem anspruchslosen Heldenmuts schlichte Arbeiter, fünfzig Stunden lang, unablässig mit Todesgefahren rangen, bloß weil Ncben- menschen in Gefahr waren. — Hier feuerte den Kämpfer kein Tromvetengefchmctter, kein Schlachtgewühl, kein Blick auf Ruhm und Ehre an: sie wußten nicht, wer für die Ihren sorgen würde, wenn sie in diesem Kampfe mü Elementargewalten unterliegen sollten; ja nicht einmal, wo sie das tägliche Brot her nehmen würden, während sie retteten — aber sie wußten, was sie als Menschen und Christen zu tun batten und — taten es! Bessere Kränz«, als sie in tbrem schlichten Sinne aünen mögen, ruhen auf ihren an spruchslosen, von schwerer Arbeit gebeugten Stirnen!
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