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Sächsische Elbzeitung : 24.10.1936
- Erscheinungsdatum
- 1936-10-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787841065-193610242
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787841065-19361024
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787841065-19361024
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Elbzeitung
- Jahr1936
- Monat1936-10
- Tag1936-10-24
- Monat1936-10
- Jahr1936
- Titel
- Sächsische Elbzeitung : 24.10.1936
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Ein Mann schrill die Laudstraste entlaust nnd wau- derlc ans das Dorf zu, das wie ansgcstorben zwischen den Feldern tränmle nnd dessen Firste rol in der mastlos licr- nicd»rstürzcndcn Flnl des Lichtes leuchteten. Er lrablc in dein sorstlos schlendernden Schritt der Landstreicher, zu deren Zunft er wohl gehörte, dahin, lnnstcrnd und träge. Der spitze Hn« sas; ihm verheult im Racken, die Rechte schwenkte lässig den Haselstock. Die Landstrahe führte an dein Dors vorüber, nur eines der Häuser, das sich durch ciu Schild als Ansspann uud Schcukc auswics, lvurdc vou der Strahc berührt. Der Aiann blieb stehen, kratzte sich nachdenklich hin- lerm Ohr und trat ein. Drinnen ninfiust ihn erfrischend die Dännncrnna des Schankranincö: er schlos; forstlich die Tür, nm der kühlen Lust keinen Ausweg zn acwähren. Ein paar strob gc,zimmerte Stühle nnd Tische füllten das Zimmer, hinter dem blibenden Mcssinabahn des Aus schanks standen in einem Nepal, dessen Mitte durch eine» Spiestcl ansstcfüllt >var. scharf ausgcrichlct ciuistc Fla- scheu. Fu der Ecke lehnte dick und bchäbist der Ofen, ein paar von Tabaksciualm stcbränntc Bilder hiustcn an den Wänden. Kein Mensch war znstcstcn. Der Mann schaute sich flüchtist um, so, wie mau sich eben iu einem fremden Raum orientiert, dann trat er an die Bicrschwcmme und harrte, in der Meinnnst, man habe seine Ankunft wahrstcnommcn, des Wirtes. Er Halle sich stestcn die Tischkanlc stclehnt und war tete eine Weile: oa sich aber niemand blicken liest, hielt er es, seiner dnrstistcn Kehle einstcdcnk. endlich für rat sam, sich bemerkbar zn machen, klopfte also mit der Münze, die seine Hand ans der Tasche stcanstclt halte, ans den Messinstbeschlaa der Schwemme und rief mit stedämpfter Stimme: „Hallo!" Der Nnf fuhr durch das Haus uud verlor sich, als hätte die Leere der Welt ihu verschlnusteu. Nichts restte sich, alles blieb still. Der Mauu rieb sich vcrlcsten uud ge- laustwcilt mit der Münze das stoppliste Kinn und schüttelte sich. Ein Schauer stlitt über sciue Haut. Zudem jedoch bestaun die Stille im Hanse, ihn zn bedrücken, sie legte sich wie eine Last auf seine Schultern. Sie wuchs, sic wurde schwerer uud schwerer, cs war, als käste sic wie ciu Fluch lähmeud auf allem Lebe«, als vor derste sich hiulcr ihr ciuc aeheimuisvokle Drohuust, vor der jcalichcs Wcseu furchtsam dcu Atem verhielt. Die Welt schien stillzustchcu. Der Mauu schnaufte. Es mustte, zum Teufel, doch irstcud jcmandeu iu dieser verwünschten Bude stebcn, der ihn bedienen konnte! Er scharrte ärsterlich mit dem Fnst. räusperte sich und sastte nochmals: „Hallo!" Allein diesmal verwehte der Nnf in einem Flüstern, denn in dem Anstcnblick, als der Mann ihn ansstosten wollte, erblickte er etwas, was seine Gedanke« jäh in eine andere Richtung lenkte und ihn allen Durst verstesseu liest. Er starrte wie gebauut auf diesen Gegeitstand hin, und seine Augen wurden grösser nnd grösser. Auf der andere« Seite der Schwemme stand eine offene Zigarrenkiste. Münzen glänzten in ihr, grosse nnd kleine. Wenn man cs flüchtig überschlug, vielleicht fü«f- zig Mark. Eine schöne Sttmmc. Da lag sie. offen und unbe wacht, man brauchte nur znzugrcifcn, sich ciu wenig lang über den Tisch zn legen nnd zuzugreifcn! Der Mann kniff die Angcn zwinkernd zn und bist sich aus die Lippen. Er war eigentlich kein Stehler von Be rits, der ans Gelegenheiten lauerte, sonder« vielmehr einer fetter harmlosen Sonncnbrüder, die cs nm ihres nnrnhi- gen Blutes willen an keinem Ort und bei keiner ständi gen Arbeit hält und die sich darum mit Bettelei und flüch tiger Beschäftigung durch die Welt schlagen. Aber da lag nun das Geld! Ein ganzer Haufen! Nnd je länger er es anblicktc, nm so lockender blinzelte cs anch zu ihm her über. Wahrhaftig, cs blinzelte! Was, zum Tenfel, Wollte cs?! Der Mann hob sich ans die Zehen nnd reckte den Hals, die Spitze seiner Zunge schob sich erregt zwischen die Zähne. Er beugte sich vorsichtig über den Tisch nnd streckte den Arm aus; seine Finger krochen behutsam vor wärts wie die schleichenden Füße eines Tieres, bis sic die Schachtel berührten. Nun brauchte er nur noch zuz,«grei fen, mit einem harten ,md geschmeidigen Griff! Aber da erstarrte er M. Hielt Plötzlich inne und lag still, unbeweglich wie ein Stein. Rührte keinen Muskel seines Körpers, der wie tot über den Tisch geworfen rnbie. und lauschte. War da ein Schritt, der tappend nahte, war eine Stimme, welche ries? War cs das Krähen eines Hahns, der Nhr geheimer Stnttdcugang oder anch nur das Sum men einer ''csibenchlen Fliege? Kein Lant. — Das Ebenbild Ansuahulc: Fahrig (Mauritius) — M. Keill Laut — ueitt! Nur das Schweige», das unge heure Schweigen, in dessen verschollenem Abgrnnd das Hans zn schlnmmern schien. Und ein Schlag . . . Ein dumpfer uud harter, regelmästig sich wiederholen der Schlag, der ans seinem eigenen Innern an das Ohr des Mannes drang: der einsame, rnhlose Schlag scincs Herzens! Und mit einem Male hatte er das Gefühl, als blicke ihn jemand an. Ein Unsichtbares, ans verstohlenen Angen, spöttisch nnd lauernd! Er fühlte diese Angcn fast leiblich, fühlte sic in seinem Rücken, von allen Seiten her drangen sie auf ihu ciu. Waren es die Tische ringsum, die Stühle, die Bilder an den Wänden etwa, die verwunschene Angen anfschlngcn nnd ihn anstarrtcn? Der dicke Ofen dort in der Ecke — lächelte er nicht? Sahen die Brummer, die fetten, die schwarz an der Fensterscheibe klebten, ans ihn, die Fla schen im Regal oder der Spiegel, in dessen Bereich er bei seiner Bcwcgnng geraten war? Der Mann hob die Stirn, ans der kalter Schwelst perlte; sein Blick schweifte gehetzt umher, verfing sich in der grünlich schimmernden Fläche des Spiegels nnd blieb dort haften. Blieb haften in einen« sinnlosen jähen Er schrecken. Da war einer! Ja, da war einer, der ihn« zuschaute bei seiner Tat, der die Augen fest aus ihu gerichtet hielt und ihn fesselte mU ihnen! Es war ei«« fremdes Gesicht, wildfremd! Je Nnger es ihn aber anblicktc, um so bekannter erschien es ihn, allmählich. Und dann wurde es ihm bewustt: es war sein eigenes Gesicht! Aber es war seltsam verändert! Es war kein gutes Gesicht, und es wäre«« keine gute«« Augen. Bor solchem Gesicht konnte inan schon erschrecken, zerpflügt wie es war von Gier! Vor solchen Angen, in denen es brannte Ivie kaltes Fener! Erschrecken konnte man vor diesem Antlitz, aus dem cs verworfen schielte, das man nicht zn cntcätsel« vermochte, das vertrant war nnd dennoch fremd, wildfremd! Ans welchen Tiefe« stieg sic, die Gewalt, die es so verzerrte, das; es zu einer Maske wurde, ciuer bleichen nnd wüsten Fratze, hinter deren Gittern verzweifelt die Seele klagte? Ah — das; man hätte hineinschlagen können in das Gespenst, das blutlose, mit beiden Fäusten! Hinenitrom- nieln, das; es doch endlich verschwand, verging und zer- schcrbtc in tausend spritzenden Splittern! Der Mann stöhnte. Er stöbntc schwer wie ciu Gefan gener, den die Last der Ketten erdrückt. Es war, als er wache er ans einem Traum, tief uud voll unendlich«-.? Duukelhciteu. Seine Finger losten sich zuckend v»rr dem Rande des Kästchens und krochen täppisch zurück. Er rich tete sich mühsam ans, noch immer Auge tu Auge mit dem Bild im Spiegel. So stand er ihm eine Weils gegenüber, er wustte nicht, wie lange. Plötzlich wandte er sich hefUg. rni. !p:a,g, m>« <,.«?!» Satz znr Tür, ris; sie ans und wars sich hinaus ins Licht, in das flutende, wie Gold flutende Lich«. Die Straste, etu weist ilimneeende« Bond, deüvte sich ins Land, sie schleuderte sich »Mo: d*n Horizont« ent gegen. Er stürzte aus sie bin^ns, tief mitten aus ihr dahin, flüchtend, gedr-r wie WUd, das die Hunde jagen mit jappeudem Laut, st- stürmte er davon, schneller nnd schneller, mit wctr auLtzolenden Sprüngen und mit kenchenden Lungen. Sein Schatten, ein schwarzer, kräpKelh-aster uud zwer- gischer Gnom, folgte ihm äffisch aus den Fersen
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