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Sächsische Elbzeitung : 24.10.1936
- Erscheinungsdatum
- 1936-10-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787841065-193610242
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787841065-19361024
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787841065-19361024
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Elbzeitung
- Jahr1936
- Monat1936-10
- Tag1936-10-24
- Monat1936-10
- Jahr1936
- Titel
- Sächsische Elbzeitung : 24.10.1936
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Oer Prinz von Jbague Eine „Gvldgräbergcschichtc" von Franz Taut. Jbagne war ein kleines Städtchen von etwa vierhundert Einwohnern am Rande der unermeßlichen Llanos, das vier zehn Tagereisen von der Hauptstadt entfernt in der Wildnis lag. Nichts gedieh nm Jbague -- abgesehen von ein wenig Mais, der Nahrung gab für Mensch nnd Tier. Sonst gab cs Sand dort, eine Saudwüste, ans der verkrümmte, mannshohe Kakteen anfragten. Ja, sogar die Hauptstraße der Stadt, die Calle Principal, war purer Saud, und zur Regenzeit raste durch sie ein wilder Gießbach und schwemmte manchmal eine der dürftigen Bretterbuden mit, die die Jbagueüos in ihrer > Ucbcrhcblichkcit „Häuser" uauulcu. Auch die Herberge „El Tigre", die gegenüber der kleinen, § nnr zu den heiligen Zeiten geöffneten Kirche stand, war zwei- mal der Ueberschwcmmnng zum Opfer gefallen, aber Don ! Mannel, der Bcsiher, halte sic an der gleichen Stelle wieder ! anfgebanl, denn diese Herberge war (bildlich gesprochen) eine l Goldgrnbe, der einzige Ort in Jbague. wo reichlich Geld ver- dient wurde. So Ivar cS viele Jahre; Jbague schlief sciucn Doru- röscheuschlas, bis — fa, bis der Prinz kam. Der Prinz war ein Mann, der einige Male im fremden Land gescheitert, jedoch , immer wieder ans die Führ gefallen war, nnd der znlcht, mit shmpathischer Hartnäckigkeit, nnd eisernem Willen aus- i gerüstet, iu die Wildnis zog znm Kolonisieren, also sich auf ! die primitivste, gesündeste, älteste nnd weiseste Art ein Heim zn gründen nnd unabhängig von der Gunst seiner Mit menschen, von Geschäftslage, Markt nnd Krise seinen Lebens- nnterhali der Erde abznrmgcn. Sein Kapital zn diesem Vor- haben waren sünfhnndcrt Pesos, die er wohlverwahrt in ! seinem Leibgurt ständig bei sich trug. Und da er die Schlech tigkeit der Menschen in harten Prüfungen erkannt hatte, führte er znm Schuhe seines Kapitals einen Colt von gewaltigem Kaliber und die dazugehörige Munition mit sich. Dieser Mann nun, m gewissem Sinne ein Philosoph unseres betriebsamen Jahrhunderts, machte sich mit seinen »ünfhnndert Pesos und dem Revolver ans den Weg nach den ierncn Llanos, Ivo dec Boden billig war. Er ging wacker zu Fns;. Wenn es dunkel wurde, kehrte er in einer Jndiohüttc ein, nnd wenn der Tag zn granen begann, setzte cr seinen Weg fort. So war dieser Mann, nnd cr wäre mit seiner Bcdachtsamkcil eines Tages ans Ziel, ja vielleicht zn Wohl stand gekommen, wenn ihn sein Schicksal nicht nach Jbagu^ geführt hätte. Er erreicht! an einem schwülen Gewillerabcnd die Stadt, nnd während über den dunklen Himmel ein wirr verzweigter, grausig Heller Blih zuckte, betrat cr gelassen das Gastzimmer der Herberge „El Tiare". Er setzte sich still ans die Wandbank, trank Guarapo fucrte und aß Ponche, eine stärkende, preiswerte Eierspeise, und Hinterher rauchte er eine kohlschwarze „Nothaut"-Zigarette. Man lebt >a nur einmal nnd ist ein Mensch; man braucht sich ! nicht zn scheuen, die Freuden des Lebens in bescheidenem Maße zu gemeßen. Und außerdem lag eine Wolke blutgieriger Moskitos über Jbague, die sich vou nichts anderem als Tabak- ranch vertreiben ließen. Als unter den Gästen eine Prügelei sich anzubahncn schien, ging der Mann an die Theke, bezahlte seine Zeche, wo bei er bedacht Ivar, möglichst wenig von seinem Kapital sehen zu lassen, nnd crkanstc sich um einen Peso einen Schlafplatz für die Nacht. Früh am Morgen erhob sich der Mann, ging in den Gastraum und fragte den Mvzo, wo er den Alcalden aulreffen könne. „Hier am Ort", sagte der Mozo, zeigte mit dem Dau men auf Dou Manuel und bleckte die Zähne. Don Mannel stand breit, groß nnd behäbig hinter der Theke. Sein dunkelbraunes, massiges Gesicht war gespannt und lauernd von rastlosem, unbarmherzigem Ehrgeiz. „Sie wünschen, Herr", redete er leutselig uuo witternd den Gast a«, während er den Nock überzog, weil doch nach dem Alcalden gefragt worden war. Ja, man habe so seine Pläne, meinte der Mann, dies nnd das, nnd cr wollc roden nnd kolonisiere» im Bnsch hinter der Sandwüste, nnd er wollc gleich das Besitzrecht eintragcn lassen für das Land. Man ivar schnell einig, der Mann leistete die Anzahlung, runde Zweihundert aus dem Gürtel, kaufte noch eiue Decke, Kerzen, einen Machete nnd Grabgerät, sagte, er käme wohl nach ein Paar Tagen wieder vorbei, nnd zog los, seinem Ziel nnd seiner Ausgabe entgegen. Gegen Mittag rief Don Mannel einen der Weidcrciter > j nnd gab ihm den Anstrag, da nnd dahin zu rcitcu und den , einschichtigen Mauu, der ein so zurückgezogenes, gewissermaßen j verschlagenes Wesen zur Schau getragen habe, zn beobachten, > weiter nichts, nnd ihm darüber zn berichten. Wenn sich etwas ' Besonderes hcransstellc, solle cr nicht vergessen werden. Es könne sich nm Gold handeln. « Der Bursche schwang sich in den Sattel und galoppierte davon, so schnell, daß der Wind seine Hutkrempe hochbog. Am späten Nachmittag traf cr an Ort und Stelle ein. Der Mann hatte ein Feuer augezündet, imd daneben stand cr, grnb die Erde ans nnd ließ manchmal einen Brocken ourch die Finger rieseln. Er befühlte den Boden, ans dem er kolonisieren wollte. Alles tat er bedächtig und erfüllt von innerlichem Frieden nnd der Bedeutung der Stunde. § Plötzlich aber fuhr cr ans nnd ließ die Picke fallen, denn ' hinter dem Bnsch hatte das Pferd des Lauschers gewiehert, j Zwar war cs eiu wohlerzogenes Cowbohpferd, aber ein vor- ! bcihuschender Legnan hatte cs zu Tode erschreckt. Der Mann schnüffelte argwöhnisch herum, zog dann den Revolver nnd i schlich geduckt deu Hügel hiuan, auf dessen Kamm der Weide- § reitcr im Krant verborgen lag. Dieser sah die Waffe in der Hand des Fremden, zog seinerseits und schoß, ohne zu überlegen. Der Mann griff erstaunt an sein Herz, schlug hintenüber und beendete mit einem gequälten Stöhnen sein Leben. Der Weidcrciter stand eine Sekunde verlegen und hilflos j da,'legte sich in der nächsten eine passende Erklärung für seine j Tat zurecht, lief zum Pferd, band cs los nnd sprengte den i Weg zurück. Erdproben Hal cr genommen, überlegte er beim Reiten, ' ich hab's gesehen, nnd beschloß, diese Erdprobcn recht deutlich i und eindrücklich zu erwähnen, um den gierige» Alcalden von ' seiner Tal abznlenkcn. — Erdprobcn, das war die Hanplsachc! ! Mil diesen Erdprobcn hat der Prinz die Stadt Jbagne sozusagen wachgcküßt ans ihrem Dornröschenschlaf. Heute führt die Eisenbahn nach jbagnc — kein Wander — denn von überall her kommen die Menschen, nm teilznhaben am Segen des Goldes. Den Finch wcrocn sic noch früh genug verspüren. Oie Schlange Skizze von Erik Bertclsen. „Wenn man von der Sonne spricht, so scheint sie", sagte der Zigarrenhändler Mortensen an einem Monlagmorgcn, als der Uhrmacher Bendel in seinen Laden trat. „Hast du etwas erlebt'? Du sielest ja so vergnügt aus!" „Und ob ich vergnügt bin! Ich habe mich nämlich verlobt." „Biel Glück! Vielleicht mit Fräulein Wiberg'?" „Woher weißt du denn das?" „Ja, da ihr euch gestern auf dem Ausflug nicht mehr bei der Heimfahrt einfandct, nahm ich an, cs sei zwischen ench beiden was vorgcfallcn." Der Uhrmacher lehnte sich etwas verlegen an den Laden tisch i „Das behauptest du jetzt. Du ahntest gar nichts." Der Zigarrenhändlcr wandle sich an seinen anderen Gast, den Buchhändler Lund, bot beiden Besuchern etwas zu raucheu au und meinte: „Na, hoffentlich sind euch auf euren einsamen Wege» im Wald keine Schlangen begegnet. Wir sprachen eben davon, als Dn kamst." „Doch, das war es ja gerade." Der Uhrmacher wurde eifrig. „Deukl cmh: Plötzlich, als wir durch den Wald gingen, stieß Fräulein Wiberg einen Schrei ans nnd griff sich an den Fnß. Fch dachte, sie wäre über eine Mans erschrocken. Denn so sind ja Frauen. Aber sie setzte sich sofort hin und zog eine kleine Flasche ans ihrer Tasche. Etwas davon goß sie ans ihren Fnß, den Nest trank sie ans. Mir war das nnhcimlich, bis ich alles verstand. Sie saß nnd schüttelte sich wie im Fieber nnd ant wortete auf keine meiner besorgten Fragen. Ich bekam schon Angst nnd glaubte, sic habe einen Selbstmordversuch nMer- uommeu. Aber endlich faßte sie sich soweit, daß sic erzählen konnte, sic sci von einer Schlange gebissen worden." „Ja", nickte der Zigarrcuhändler ernst, „sowas kann vor« koiilincii." Bendel fuhr bewegt fort: „Es war ihr das schon einmal zn« gestoßen, und seit der Zeit unternahm sie nie mehr einen Ans« flng, ohne Skorpion-Ocl bei sich zn haben. Und dieses Ocl Halle sie gebraucht. Ich schlug vor, möglichst schnell ärztliche Hilfe in Anspruch zu uchmcu, aber das lehnte sic ab. Dann wollte ich sie znm nächsten Haus führen, aber sic erklärte, cs sci am besten» ganz still zn liegen. Außerdem behauptete sie, iu einer Stunde sei alles wieder gut, und ich versprach, solange neben ihr sitzen zu bleibcu." „Höchst romantisch!" warf der Buchhändler Lnnd stütz ein. „Na, das fand ich nnn eigentlich nicht. Mir gefiel die Lage gar nicht. Denn als ich eine Weile neben ihr gesessen halte, wirkte anscheinend das Gift, und ich sah, daß sic nmsank. Sie lag mit geschlossenen Augen, mit heißen Backen und so unruhig, daß ich mich ängstigte." „Fühltest du ihr nicht den Puls'?" „Nein, daraus kam ich nicht. Ich saß ganz still, sah zn nnd überlegte, ob ich nicht Hilfe holen sollte. Aber sowie ich mich rührte, sah sic auf uud bat mich flehend, sie nicht allein zu lassen. Und dann begann sie irre zn reden." Mortensen wurde aufmerksam: „Was sagte sie dcuu'?" „Ach — erst allerlei durcheinander über die Arbeit in ihrem Büro — dann nannte sic mehrmals meinen Namen. Das fiel mir weiter nicht ans. Ja und dann — dann begann sic zn sprechen — nnd ich konnte daraus entnehmen, daß — sie viel an mich dachte nnd daß sic — viel von mir hielt. Alles kam zn« sammcnhauglos heraus — aber — ua, das geht euch ja nickits ax." „Na und dann?" fragte der Buchhändler. „Ehrlich gestanden — ich war schon lange etwas in sie verliebt. Aber ich wagte nichts zu sagen, weil ich glaubte, sie mache sich nichts ans mir. Deshalb freute ich mich nun, wcuu auch die Umstände traurig waren, über die Gewißheit — daß -- ua —. Nach einer Stunde ging es ihr wieder besser, nur war sie selbstverständlich sehr schwach." „Und?" fragte Mortensen etwas unycduldig. „Das weitere ist unsere Angelegenheit. Wir sind also ver lobt. Eigentlich wollten wir es einige Zeit geheim halten, aber ich fand, wir waren euch eine Erklärung schuldig, warum wir nicht wiederkamen. Uud damit man nicht verkehrt denkt, habe ich euch erzählt, wie alles war." Der Zigarrenhändlcr nickte gedankenvoll. „Viel Glück!" Bendel sah auf die Uhr. „Aber nun muß ich schnell meinen Laden aufmachen, ehe die Kunden kommen." Der Buchhändler drückte ihm die Hand. „Al'.ch ich wünscl-e Glück. Grüße dein Verlobte! Hoffentlich Hai sie sich von dem Unfall erholt." „Es geht ihr schon wieder gut." Als der Uhrmacher gegangen war, sahen sich die beiden anderen an. Und der Buchhändler sagte nachdenklich: „Komischer Zufall. Diesmal hat eine Schlange eine gute Rolle gespielt." „Oder die Rolle gut gespielt!" „Wieso?" Mortensen lächelte. „Erstens — Jahrhundertelang habe« nnsere Zoologen den Wald nach giftigen Schlangen durchsucht, ohne jemals eine zu finden... Und zweitens — voriges Jahr versuchte die Schlange, inir dieselbe Komödie vnrzuspiclen!" iBer. Nebers, aus d. Dänischen von Karin Reitz-Grundmann.) Dressur! Skizze von Eva Oelschläger. Im alte» Eirqne o hwer i» Paris gastier« jür die Winier- spielzeil einmal wieder der deutsche Zirkus. Bou sehei haben die Pariser eine Schwäche für denische Zirknskunst gehabt, »»eil sie sauber ist uud nicht auf Effekthascherei aufgcbaut. Der Direktor des Pariser Hauses, eiu Manu, der seit Gene- ratioueu der Zirkusdpuastic augehört, sitzt mit dem deutsche» Direktor i» der Arliste»ka»tiue. Sie tausche» Eriuiierungcu aus. Dann tritt der ju»ge Tierlehrer Wilso», der sedcu Abend mit riesigem Erfolg mit seinen Löwen und Tigern „spielt", ins Lokal. Mil einem kräftigen Handschlag begrüßt der Tierlchrcr den Direktor vom Cirqne d'hivcr. Und dieser trägt ihm so gleich eine sehr gefährliche Aufgabe vor: „Meine ständige Nanbliergruppe wurde seit zwei Jahren von einem Spanier vvrgcführl. Ich muß allerdings gestehe», daß er sehr brntal mit de» Tiere» vvrgegangen ist. Ob Sie meine» Auftrag werden ansführeu köünen? Ihr Deutschen seid ja verflixt weich zn de» Biestern.«'.." Der deutsche Direktor mischt sich ins Gespräch: „Ich habe daS Gefühl, Ihnen, Wilson, abreden zn müssen. Die Tiere sind meines Erachtens für eine Arbeit unserer Art verdorben." Aber rasch gibt 'Wilson die Zusage: „Ich werde cs vcrsuchcu." „Na, prost Wilsou uud vicl Bcrguügen!" Wilson Hai erfahren, daß die Tiere der Gruppe — sieben Löwen nnd sechs Tiger — mit Eisenstangen geschlagen wnr- dcn. Er wandert an den Käfigen vorbei. Es ist eine wilde Gesellschaft. Nach der Uraufführung, die vor ansverkanftem Hanse stattfand, läßt Wilson die Eiseiigitter anfstellen. Die Löwen nnd Tiger, seit Tagen in den Käfigen eingcsperrl, raien. Wilson läßt sofort noch vier leere Käfige anbancn. „Die armen Kerle ersticken ja, hier muß mehr Platz geschaffen werden!" Die Zwischcngitter werde» geöffnet, endlich könne» sich die Tiere auslcmfen. Wilson bleibt vor dem Manegcn- käfig stehe», da»» läßt er die Tiere in die Manege. Die starken Eisengitter erzittern unter der Wncht der entfesselten Leiden schaft. Ein Wärter des Vorgängers naht mit einer Eiscn- stange und schiebt sic durch die Stäbe, um zwei iueiuaiider verbissene Tiere zu trennen. Aber bitterböse reißen sic dem Wärter die Stange ans der Hand. Mit fürchterlichem Ge brüll springen sie am Gitter hoch. Wilson lacht herzlich: „Ja, alter Freund, jetzt wäre es mit Ihne» ans, wenn Sie in der Manege wären. Kinder, Kinder, warum reizt ihr die armen Kerle mit diesen schreck lichen Totschlägern!" Die beiden Raubtiere fallen aber wieder einander an. Hämisch fragt der Wärter: „Und wenn einer von den beiden kapml geht, dann tragen Sic doch wohl die Vcraiuworinng!" Freundlich nick' Wilson und befiehlt: „Sofort den Fcner- wchrschlanch anlegen!" Die Zwischengiller werden geöffnet, einige Löwen eilen wieder in ihre Käfige, andere wälzen sich friedlich im weichen Mancgenfand. Wilson össnci den Wasser hahn nnd richlel den Sirahl ans die beiden kämpfenden Nanb- liere. Sic lösen sich erschrocken. Tic Köpsc sind pudelnaß. Sic schütteln sich. Ein zweiter Wasserstrahl — dann sind sie ver schwunden. Tic schwierigc und nnangenehmc Arbeit der täglichen »Fütterung übernimmt Wilson persönlich. Nach vierzehn Tagen macht er den Versuch, die einzelnen Tiere zu bändige». Zn diesem Zweck läßt er eine drehbare Wand in die Bcrsuchs- käfigc einbanen. Er wählt zuerst die wildeste Bestie, die große ! indische Tigerin Miriam. Sic scheint unilatürlich große Augen j zu haben. Herrliche Streifen,durchziehen das Scidenfcll. Mirjam wird in den Bersuchskäfig getrieben. Tödlich ! erschrocken betrachtet sic die weiße Wand. Der schlanke Körper ! wirft sich krachend gegen die Eiscnstäbe. Da ... plötzlich naht > sich dem Tier die Wand, mit Schnüren wird sic langsam ans s Gitter gezogen. Mirjam faucht angstvoll auf. Die Tigerin s glaubt erdrückt zu werden. Ganz langsam naht die Wand, j Der Zwischenraum zum Gitter wird immer kleiner. Nnn ; bleibt die Wand stehen. Mirjam hat gerade noch Platz, der Länge nach im Zwischenraum zu liegen. Ergeben rnht der große Katzcnkopf aus dem Boden... da greift Wilson dem Tier von Hinte» i» de» Nacken, und ein Seil legt sich über Mirjams jäh erhobenen Kopf. Mit leichtem Nnck rutscht das Seil um die Kehle. Nur leicht und warnend! D>c Wand wird znrückgedrückt nnd die Verbindnngstür zur Manege geöffnet Taumelnd will das Tier die Flucht ergreifen, aber Eisenhändc halten die Tigerin fest. Dreimal überschlägt sie sich anf- bäumend. Der unheilverkündendeWruck des Seils zwingt sic zum Nachgeben. Ein Wärter hält dä's Seil, und Wilson be tritt nun d>c Manege... Miriam erblickt den Meister, der mit einer Eisegstangc auf die Tigerin zugeht. Fauchend vor Wut überschlägt sich die Tigerin noch einmal. Dann — Auge in Ange bleiben Menscl) und Tier stehen. Die Tigerin wartet auf deu ersten ' Schlag. Sie wird sich losreißen, sich auf Wilson stürzen, denken die Kollegen. Starr hält Wilson die Stange. Dann, ganz langsam, ganz deutlich sagt er.: „Mirjam, ich schlage nicht" Ganz weich hat er gesprochen. Seine Hand legt ruhig die Eisenstange aus die Seite. Eiueu kleinen Schritt naht er sich dem Tier, das noch starr zum Kampfe gestreckt dastehl. Wilson spricht weiter, dem Wärter gibt er einen Wink, das , Seil etwas zu lockern. Mu der Hand an der entsicherten Pistole, tritt er noch ein wenig näher. ,. Da zieht der Wärter die Longe wieder an, und das gefährliche Spiel ist für das erste Mal zu Ende. Mit der Zeit folgen die gebändigte» Tiere neugierig dem i Meister, der da so furchtlos die verhaßte Eiseusiange zur'Seite legt. Ein noch ziemlich junger Löwe, der von der Longe gelöst wird, schreitet anj das Eisen zn. Seine Tatzen schieben cs spielerisch durch deu Saud... Tas ist der erste Erfolg vou Wilsvus großer Gedulds arbeit, und vor Glück beinahe zitternd naht er sich dem Löwen, der sich von der gütigen Hand den Nacken kraulen läßt. Zwei Monate arbeitet Wilson, nnd er erreicht das beinahe Unmög liche. Die Tiere lieben ihn. Nnn ist der Abend da, an dem Wilson das erste Mal mit seiner nmdrcssierten Nanbtiergrnppe anftrelen kann. Die Pariser Presse, die diese Gruppe unter der Leitnng des Vor gängers kannte, schreibt begeistert über diese Leistung eines deutschen Artisten. Nnr ein Mensch ist haßerfüllt: Wilsons Vorgänger ver trägt den Ruhm des andern nickst. Eiserne Willenskraft macht de» fchwerkrankcn Mann gesund, und eines Tages erscheint er vor dem wenig begeisterten Zirknsdircktor. Er verlangt seine Tiergrnppc zurück. Vertraglich gehört sie »och ihm. Wilso» ist machtlos. Die Rückkehr des ihm »och un- bekannten Kollegen empfindet er als einen schweren Schlag. Stumm reicht cr dem Kollegen die Schlüssel zn den Käfigen. Wilson bleibt während der ersten Probe verborgen im Zelt anwesend. Auch die beide» Zirkusdirektore» sind zu gegen. Sie alle haben Angst vor dieser ersten Probe. Heim lich läßt Wilso» de» Wasscrschlanch anlegen. Unter heftigem Peitschenknallen nnd herrischen Kommandos jagt der Spanier die Tiere in die Manege. Die Tiger, noch mehr die Löwen werden aufgeregt. Laut warm der Direktor: „Marius, spielen Sie nicht mit Ihrem Leben!" '' Schon ist die Tigerin auf den Spanier zugeschlichen. Krachend saust das Eisen auf das Tier. Noch einmal stößt die Stange in den fauchenden Nachen. Plötzlich' wirbelt ein Knäuel Raubtiere um deu Bändiger. Er wird niedergerissen. Nun hilft kein Kommando, kein Wort kommt mehr aus seinem blutenden Mnnde. Wilson läßt den Wasserstrahl übeL? die Tiere zischen, die meisten rasen dnrch die Laufgänge zurück. Mirjam hat mit einem Löwen Streit bekommen, sie kämpfen », um den Spanier. Neben ihnen liegt der leblose Körper des Mannes. Sie beißen sich fest. Keiner will Weichen. Der Wasserstrahl Höri auf. Fester verbeißen sie sich ineinander... Da öffnet Wilson eine kleine Nottür. Lautlos, eilt er über den Sand, hebt mit starken Händen den Körper des Rivalen in die Höhe und verläßt die Manege. Unter wahn sinnigem Gebrüll entdecken die Tiere den Raub, aber wieder .prasselt der Wasserstrahl. Gute Worte des deutschen Artisten "'beruhigen die Tiere. Nach einigen Tagen besucht Wilson den Kollegen im Krankenhaus. Die gesunde Hand streckt sich ihm entgegen. „Kaum zwei Tage waren vergangen, und nun bin ich wieder hier, aber fertig für mein Loben. Ob ich Ihnen danken soll, daß Sie mir das Leben gerettet haben, weiß ich ja nicht. Aber daß Ihnen die RaubtiergruPPc nun gehört, das weiß ich."
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