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Hohensteiner Tageblatt : 13.08.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189008137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18900813
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18900813
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohensteiner Tageblatt
- Jahr1890
- Monat1890-08
- Tag1890-08-13
- Monat1890-08
- Jahr1890
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 13.08.1890
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Die Abrechnung, welche aus seiner im Schwarzwald ver brachten Sommcrsrische der Abg. Bebel mit dem Dresdener socialdemokratischcn Blatte nach seiner Rückkehr nach Dresden vorzunchmcn angedroht hatte, ist jetzt erfolgt und vorläufig zum Vortheil des Abgeordneten Bebel ausgefallen. Am Sonn tag Mittag wurde in Dresden nämlich im großen Saale des Trianon eine socialdemokratische Versammlung abgehalten, worüber die „Dr. N." Folgendes berichten: Da man nur Parteigenossen hierzu hatte haben wollen, so waren die Ein ladungen zur fraglichen Versammlung ganz im Geheimen er gangen. Gleichwohl hatten sich gegen 1500 Personen aus Dresden und Umgebung zusammen gefunden, auch viele Ver trauensleute aus der Provinz. ES mochten wohl die meisten sächsischen Wahlkreise vertreten sein. Der Abg. Kaden führte den Vorsitz. Abg. Bebel hielt eine lange Rede, in welcher er in sehr erregtem Tone alle die Angriffe zurückwies, welche neuerdings gegen ihn aus Parteikreisen erhoben worden sind. Er wendete sich dabei besonders gegen die „Sächsische Arbeiter zeitung" und ihre im Saale anwesenden Redakteure und die Verleger Schönfeld und Harnisch. Schönfeld, der bei der letzten ReichStagSwahl bekanntlich als socialdcmokratischer Kandidat in Dresden ausgestellt war, kam noch einigermaßen glimpflich weg, dagegen goß Bebel die volle Schale seines Zornes über Harnisch aus. Er erklärte, daß ihm beim Lesen eines gewissen Artikels in jenes Zeitung die Galle übergclaufcn sei; etwas Unverschämteres als jener Artikel sei noch nicht gesagt worden. Er bestritt, daß er jemals versucht habe, eine diktatorische Rolle in der Partei zu spielen, und bezeichnete alle Zeitungsmeldungen über vorgekommene Unregelmäßigkeiten in der Parteileitung und über den Mißbrauch der Autorität seitens einzelner Abge ordneter als elende Verleumdung. Wiederholt erinnerte er beiläufig an Das, was er für die Partei gethan habe. Die Versammlung nahm seine Ausführungen sehr beifällig auf. Die nachfolgenden Redner, worunter auch der Abg. Glyer- Großenhain, schlossen sich Bcbcl's Ausführungen in der Haupt sache an. Als dann aber schließlich die Vertreter der Arbeiter zeitung das Wort zur Vertheidigung ergriffen, nahm die Ver sammlung einen sehr stürmischen Charakter an. Harnisch bestritt die Kompetenz der Versammlung und führte aus, daß dieselbe nicht öffentlich, sondern ganz heimlich zusammen- gerusen worden sei und daß wohl nur solche Leute Einlad ungen erhalten hätten, die auf Bebel'S Seite ständen. Bebel gericth durch diese Worte in die größte Erregung. Man sah, wie er von seinem Sitz auf dem Podium in die Höhe sprang, auf den Redner zueilte, ihn am Arm packte und ihm heftig gcstikulirend allerlei unverständliche Worte zuschrie. Inzwischen hatte sich unter den Versammelten ein unbeschreiblicher Tumult erhoben. Alles brüllte durcheinander. Der Vorsitzende Kaden läutete unaufhörlich mit der Glocke, allein erst nach einigen Minuten gelang cs ihm, die Ruhe wieder so weit herzustellen, daß Harnisch zu Ende sprechen konnte. Seine Vertheidigung, wie auch diejenige des nach folgenden Redners, des Redactcurs Tcistler, gipfelte darin, daß sie allerdings genug Material gegen Bebel und andere Ab geordnete in den Händen hätten, daß sie cs aber jetzt, solange das Socialistengcsctz noch in Geltung sei, nicht öffentlich vor bringen könnten. Sic würden cS dem im Oktober in Halle stattfindenden Pactcicongreß unterbreiten. Nachdem Bebel noch mit großer Schlagfertigkeit geantwortet hatte, wurde über eine Resolution abgcstimmt des Inhalts, daß die „Sächsische Arbeiter zeitung" durch die Form ihrer Kritik und besonders durch die ungerechtfertigten Angriffe auf die Parteileitung die Parteisachc sehr geschädigt habe. Um weitere derartige Vorkommnisse zu verhindern und in der Erwägung, daß unter den gegenwärtigen Eigenthümern des Blattes eine Benderung in der Haltung desselben nicht zu erwarten sei, so solle die Versammlung eine Commission ernennen, welche die Haltung der „Sächsischen Arbeiterzeitung" zu überwachen und gleichzeitig mit den Eigen thümern des Blattes zu unterhandeln habe, damit dasselbe spätestens am 1. Octobcr d. I. in das Eigenthum der Partei übergehe. Diese Resolution wurde nahezu einstimmig ange nommen; cs schienen sich jedoch Verschiedene der Abstimmung zu enthalten. Nachdem die Commission noch gewählt worden war, erfolgte der Schluß der Versammlung. In der städtischen Arbcitsanstalt zu Dresden ist seit Mitte Mai 1889 noch immer die taubstumme Frauensperson unter- qcbracht, welche seiner Zeit hilfsbedürftig aufgefunden wurde, deren Verhältnisse auszuklären trotz vielfacher Bemühungen bisher nicht gelungen ist. Die Person hat schwarzes, kurz ge schorenes Haar, schwarze Augenbrauen, braune Augen, sp tze Nase, aufgeworfene Lippen, gute Zähne, spitzes Kinn, längliche GcsichlSbildung, ihr Hals ist mit einem Kropf behaftet, ihre Hautfarbe hellbraun an Gesichr und Körper, die Gestalt ist mittelgroß, die rechte Schulter etwas höher, der Gang schleppend, der ganze Körper schwächlich. Die Kleidung der Unbekannten war sehr abgenutzt; sic führte eine dunkelblaue, mit grobem Barchent gefütterte Tuchjncke, einen wollenen Rock, einen Löffel von Blech und zwei Tassen von Steingut mit sich. Die Un bekannte, der Gcbcrdcnsprachc unkundig und geistig beschränkt, ist zweifellos vollständig taub, während verständliche Mund- laute es wahrscheinlich machen, daß sie das vorhandene Ver mögen, in deutscher Sprache zu reden, nachträglich verloren bat. Sie hat ein lebhaftes Bcdürsniß zu erzählen; verständlich sind die Worte: Schwester, Himmclvatcr, mein, Dein, naus, Hause, weit, Erdäpfel, Kaffee, gestorben, Mann, Ida, (wohl ihr eigener Name?), Michau (eines Mannes Name, bei dessen Erinnerung sie sich freut), Vater, Mutter (die wohl gestorben, bei deren Erwähnung sie traurig.) Geld nennt sie „Keiter" (Kreuzer), das Portemonnaie „Börte" (Börse), Pflaumen „Zwetschen", die Aufseherinnen „Schwestern". Die Religion der Unbekannten dürste die katholische sein; sie ist gutmüihig, sauber, dankbar, höflich, bettelt nicht; sie ist lenksam, sic weint viel, sie hat heftiges Heimweh. Sie verdreht häufig beide Aug äpfel bis zum vollständigen Verschwinden der Pupillen. Es wird angenommen, daß die Taubstumme, aus dem deutschen Sprachgebiete Böhmens oder aus Schlesien stammend, von einer Truppe reisender Künstler oder Schausteller, wohl auch fremder Arbeiter vielleicht Maurer — auf der Reise nach oder in Sachsen sich getrennt hat. Ihre Angehörigen dürften sic schmerzlich vermissen, vielleicht tragen obige Bemerkungen über die Taubstumme endlich zur Feststellung der Hcimath und Familie der armen Unglücklichen bei. Ein gut getroffenes Lichtbild der Taubstummen befindet sich aus Nr. 48dcsOVIH. Bandes von Eberhardts allgcm. Polizei-Anzeiger (Dresden, König!. Sächs. Polizcidircction. Die Directwn der Arbcits anstalt zu Dresden übernimmt gern die Sammlung und Vcr- werthung etwaigen Aufklärungsmaterials, um dessen Mittheilung erneut dringend gebeten wird. Auf dem Lockwiykr Postamte unterschlug kürzlich ein aus angesehener Dresdner Familie stammender Postgchilsc einen Brief aus Amerika, der einen Check auf 1000 Mark enthielt. Da aber der ungetreue Beamte die Werthlosigkeit dieser An weisung für seine Person erkannte, warf er den geöffneten Brief auf den Aschenhausen im Hofe seiner Behausung, so daß Bries und Check in die Hände des Empfängers, deS dortigen OrtS- geistlicheu, Herrn Pastor Fischer, glücklich gelangten. Mittelst GcndarmS wurde der Postgchilfe, der sich auf so leichtsinnige Weise seine Carriere verscherzt hat, nach Dresden abgcführt. Am SonntagSmorgcn kam der beim ThurmgutS-Bcsitzer Henn Schubert in Copitz in Dienst stehende, 24 Jahre alte Knecht Josef Schlosser aus Reischdorf in Böhmen mit zwei Pferden zum dortigen AuSschiffungS- und Landungsplätze. Bei dem herrschenden Hochwasser verbot der Pachter deS Platzes mehrfach am genannten Morgen das Schwemmen der Pferde. Trotz augenscheinlicher Gefahr ritt Schlosser weit auf dem unter Wasser stehenden Damme hin und beachtete auch eine Warnung des mitanwescnden Schirrmeisters seines Dicnsthcrrn nicht. Da glitt plötzlich das eine Pferd dcn Damm hinab und Schlosser stürzte kopfüber in die Fluthen. Einige Minuten kämpfte er noch mit dem Elemente, verschwand aber dann, während die Pferde an's Uicr zurückkamcn. An Rettung war bei dem hohen Wasser kam zu denken. Seit geraumer Zeit ist nicht eine so reichliche Zufuhr an Korn in Bautzen zu sehen gewesen, wie am letzten Wochen markte. Noch Mittags standen Hunderte von Scheffeln unver kauft. Diese überreichliche Zufuhr bewirkte auch, daß der Preis des Scheffels Plötzlich von 15 Mk. auf 11 Mk. fiel. — Nach dem dort die Roggenernte vollendet, läßt sich beurtheilcn, daß Heuer ein Dritttheil mehr Schock als andere Jahre gewachsen sind. Tagkogeschichte. Deutsches Reich. Der alte Satz, daß die Bedeutung eines Ereignisses den Näherstchendcn erst durch den Eindruck zum Bewußtsein kommt, den dasselbe in der Ferne macht, zeigt sich auch in der Bc- urthcilung der Reisen des Kaisers. Ihm selbst war es zu Ohren gekommen, daß seine zahlreichen Reisen Erstaunen und nicht immer Billigung in der Bevölkerung hcrvorgerufcn hatten. Deshalb betonte er neulich, daß er in seiner Jugend infolge der Rücksichtnahme seines Großvaters nicht dasjenige Maaß von Anschauung fremder Völker und Verhältnisse gewonnen habe, welches ihm für den Behcrischer eines großen Reiches nothwendig erscheine, und daß er deshalb dies jetzt nachzuholen suche. Neben dieser gewiß allgemeinem Verständnisse und allseitiger Zustimmung begegnenden Begründung jener Reisen tritt aber aus den Berichten über die Aufnahme des deutschen Herrschers im Auslande immer klarer die große politische Be deutung desselben hervor. Will auch der Kaiser auf ihnen keine förmlichen Bündnisse schließen, so ist doch ihre Bedeutung für die Aufrechterhaltung des Friedens und die gerechte Beurthci- lung der deutschen Politik im Auslande nicht geringer anzu schlagen. Wenn wir sehen, wie die Vorurthcilc ver Engländer gegen dcn strammen militärischen Herrscher des deutschen Volker vor der Würde und Einfachheit seiner Erscheinung dahinschwinden; wenn Völker wie die Norweger und Belgier, von denen die ganze Entwicklung des neuen mächtigen Reiches in der Mitte unseres Wclttheils ungünstig beurthcilt oder mit großer Zurück haltung beobachtet wurde, dem Träger seiner Krone begeistert zujubeln, so ist das von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. Das Verständniß für die ruhige Würde der deutschen Politik, die Niemanden und besonders die kleinen Nachbaren nicht in ihren Rechten kränken, aber die Machtstellung des deutschen Reiches unter allen Umständen aufrecht erhalten will, wächst bei diesen Völkern durch dcn Besuch des Kaisers in einem solchen Maße, daß die Hauptabsicht dieser Politik, die Erhal tung des Friedens, dadurch eine wesentliche Unterstützung erhält. Und wie die Wcrthschätzung des deutschen Volkes durch diese Reisen gefördert wird, so wird durch sie auch der Werth und die Bedeutung der monarchischen Institution in ein helleres Licht gerückt. Wenn einer der mächtigsten Monarchen der Erde zeigt, wie unser Kaiser dieses durch die Thatsache seiner Stellungnahme zur Socialpolitik gethan hat, daß die Beförder ung des Wohles der minder Begüterten ihm Herzenssache ist und für eine der Hauptaufgaben seiner Rcgicrungsthätigkcit gilt, wenn er dann durch seine unermüdliche Thätigkeit auch auf Reisen beweist und auch den fremden Völkern klar vor Augen führt, daß er seinen Beruf ernst nimmt und von der Fülle der ihm durch seine angeborene Stellung aufcrlcgten Pflichten erfüllt ist, so muß das auf die Hochhaltung der monarchischen Institution in hervorragendem Maße cinwirken. Bessere Kenntniß des deutschen Wesens >m AuSlandc, Stärkung der deutschen Friedenspolitik und des monarchischen Gedankens überhaupt sind daher Ergebnisse der Kaiseireise, die dcn Deut schen erst klar werden aus dem Eindrücke, den sie bei den andern Völkern machen. Um so sreudigcr wird deshalb das deutsche Volk auch seinen Kaiser bei seiner jetzigen Rückkehr begrüßen, wo er die heimischen Gestade betreten hat, nachdem er zuletzt die jüngste Erwerbung des deutschen Reichs besucht hat. Die Kaiscrrcise nach Helgoland wird auch dazu beitragen, das zuerst allgemein hervortretcnde, nachher durch Colonial kummer zum Theil etwas zurückgedrängte Gefühl der freudigen Gcnugthuung über diese neueste Erwerbung wieder überall zum Durchbruch zu bringen. Sie bedeutet die Hinwegräumung der letzten Erinnerung an die frühere Fremdherrschaft auf deutschem Gebiete, sie ermöglicht erst eine kräftige Zusammenfassung un serer gesammtcn Seemacht zum Schutze unserer Küsten. Auf friedlichem Wege ist unser junger Monarch das geworden, was jeder Kaiser zu werden versprechen mußte, nämlich ein Mehrer des Reichs. Und wie der Jubel der fremden Völker ihn umtost hat, wie der Jubel der neuen und alten Deutschen aus Helgoland bei seinem Erscheinen ertönt ist, so empfängt das deutsche Volk ihn auch bei seiner Rückkehr von Helgoland mit Jubel. Die „Nordd. Ztg." schreibt: In russischen Blättern taucht wiederum die unserseits berichtigte Angabe auf, es sei noch unbestimmt, ob Ihre Majestät die Kaiserin ihren hohen Gemahl aus seiner bekanntlich schon in dcn nächsten Tagen anzutrctenden Reise, an dcn russischen Hof begleiten werde. Es ist vielleicht nützlich, festzustellcn, daß die Nachricht, Ihre Majestät werde den Kaiser an den Petersburger Hof begleiten, zuerst in französischen Blättern anftauchrc. Die Quelle legt die Vermuthung nahe, daß jene Ankündigung erfolgte, um aus einer späteren Nichterfüllung für Deutschland nachtheilige Folgerungen ziehen zu können. Berlin, 11. Aug. Der Kaiser traf heute früh um 5 Uhr 28 Minuten in Berlin ein und nahm von 11 Uhr Vormittags ab die Vorträge des Reichskanzlers v. Caprivi, des Finanz ministers 0r. Miquel und des Cheis des geheimen Civilcabinets vr. v. Lucnnus entgegen. München, 11. August. Der gestrige Festtag begann pro grammgemäß mit dem Besuche der Gräber GabelSbcrgers und Gerbers auf dem südlichen Friedhöfe. An dem rcichge» schmückten Grabe in der 11. Sektion hatten sich zahlreiche Jünger des Meisters eingefundco, um daselbst ihren Tribut der Dankbarkeit darzubringcn. Nachdem die Kapelle Kern den weihevollen Akt mit zwei Chorälen eingeleitet hatte, hielt k. Hieronymus Gratzmüller aus Augsburg, einer der wenigen noch lebenven Schüler GabelSbcrgers und der Verfasser der in 50 Auflagen erschienenen PreiSschrift, die Gedächtnißrede, in welcher er mit bewegten Worten des Lebens und Wirkens GabelSbcrgers und der epochemachenden Bedeutung seiner Er findung für die ganze zivilisirte Welt gedachte und dem An denken Gerbers, der in großer Uneigennützigkeit und wahrer Begeisterung für die Rcdczeichcnkunst wirkte, einen warmen Nachruf widmete. Premicrlieutenant Westcrmaycr, ein Enkel GabelSbergcrs, dankte Namens der Familie für die dem An denken seine- Großvaters erwiesenen Ehren. Von dem Fried- Hofe begab sich die Versammlung in feierlichem Zuge zur Ent hüllung des Gabclsbcrger-DenkmalS. Nach jahrelangem rast losen Schaffen und emsiger Thätigkeit war cs den Jüngern Babelsbergers gestern endlich vergönnt, an der Geburtsstätte ihres Meisters ein demselben würdiges Denkmal zu enthüllen. Schon eine Stunde vor Beginn des Enthüllungsaktes hatte sich eine große Menschenmenge auf dem Platze am Denkmal in der Ottostraße versammelt, vor welchem für das Musikcorps, die Sänger und die Festgästc Tribünen errichtet waren. Die umliegenden Häuser hatten in bayerischen und deutschen Farben reichen Flaggenschmuck angelegt und waren mit Draperien und Kränzen reich geschmückt. Unter den anwesenden Persönlich keiten bemerkten wir u. A. die beiden Bürgermeister der Stadt, dcn zweiten Vorstand des Kollegiums der Gemeindebcvoll- mächtigten Kommerzicnrath Hänle, die städtischen Kollegien in corpore, Polizcidirektor Frhrn. v. Welser, die Tochter GabelS- bcrgcrS Frau Oberstlieutcnaut Wcstermaycr. Nach dem von der Kapelle Kern zum Vortrage gebrachten Festchor aus der „Schöpfung" von Haydn hielt Oberbürgermeister und Obcr- rcgicrungkrath Fischer aus Gcra mit laurer, weithin vernehm barer Stimme die Weihcrede. Die stattliche Reihe von Denk malen großer Männer, so führte der Redner aus, welche bis jetzt in der Haupt- und Residenzstadt München errichtet wurden, soll heute um ein weiteres vermehrt werden. Das neue Denk mal giebt Kunde davon, daß in dieser Stadt Kunst und Wissenschaft stets fgcblüht haben wie kaum in einer anderen Stadt des deutschen Reiches. Wenn wir heute ein neues Denkmal hier zu enthüllen im Begriffe stehen, das dem An denken der Stenographie gewidmet ist, so gilt es, einem Manne, der hier geboren wurde, lebte, wirkte und starb. Redner kommt in seinen weiteren Ausführungen auf die Erfindung der Steno graphie, auf ihre Verbreitung, ihren internationalen Charakter und ihre Bedeutung für die gebildete Welt zu sprechen und hob die edlen Eigenschaften des großen Erfinders hervor. Mit vereinten Kräften sei es gelungen, ein diesem Manne würdiges Denkmal zu schaffen. Tausendfacher Dank gebühre der ge summten Gabelsbcrger-Schule und auch allen übrigen Geo graphen, die hierher kamen, um diesen Mann mit ihrer Gegen wart zu ehren. Und so falle denn die Hülle München zur Zierde, uns zur Ehre! Die Hülle fiel und das prächtige Denkmal, das den Meister auf einem Stuhle sitzend, das Buch in der einen, dcn Stift in der anderen Hand haltend, sinnend über seinem Werke darstelll, ward sichtbar. Die Statue ist ein Werk Eberlc's und wurde von Feld. v. Miller gegossen. Die ideale Auffassung und die vorzügliche Ausführung des Denk mals, welcher einen neuen künstlerischen Schmuck für unsere Stadt bildet, erregte allgemeine Bewunderung. Weißgekleidete Mädchen bestreuten den Sockel des Denkmals mit Blumen und Bouquets. Herr Rittinger verlas sodann nach dem Vorträge des von Oskar v. Rcdwitz gedichteten und von Ortner komponirten Festchorcs durch die Bürgcrsängcr- zunft den Schcnkungsbricf, worauf die llebergabe des Denkmals an die Stadt durch Herrn Oberstabsarzt vr. Fruth, einen Schüler Gabelsbcrgcrs, erfolgte. Bürger meister vr. von Widenmaycr übernahm das Denkmal mit einer schwungvollen Rede, der wir Folgendes entnehmen: „Das Bild eines edlen und großen Sohnes der Stadt München, der uns vor 41 Jahren durch den Tod entrissen wurde, ist uns in diesem herrlichen Werke der Münchner Kunst wieder aufcrstanden. Die Gestalt die sinnend und forschend auf uns niedcrschaut, ist einst bescheiden einfach und viel bekannt durch's Leben gegangen. Aber während manche der Großen, welche GabelSbergcrs Bedeutung nicht kannten, klein geworden sind vor dem Richtcrstuhlc der Geschichte, ist dieser bescheidene Mann in die Halle der Unsterblichen eingetreten. Der enge Kreis, der einst sein Leben begrenzte, hat sich über M ganze Erde erweitert. Wir Münchener, wir Bayern, wir Deutsche nennen ihn mit Recht den Unsern. Aber was er gedacht und geschaffen hat, gehört der ganzen gebildeten Welt. Begeisterte Verehrer aus allen Ländern Europas haben dieses Denkmal der Hcimath Gabelsbcrgcrs gegeben. GabelsbergerS Schnellschrift ist zu einem wichtigen Elemente der Kultur und der einfache Mann, der seine Kunst unter Täuschung und Verkennung, aber mit nie ersterbendem Muthc ersann und entwickelte ein Förderer des geistigen Fortschritts der Völker geworden." Die Welt hat ihm nicht vergolten, was er ihr gegeben. Aber es wird für die Familienangehörigen, welche unser Fest mitfciern, ein Stolz sein, zu sehen, wie die Erfindung des thcueren Vaters und Großvaters siegreich durch die Länder gezogen. Nehmen Sie, verehrte Vertreter der edlen Gemeinschaft der Spender dieses Denkmäler, dcn Dank Münchens entgegen. München nimmt dieses Denkmal an wie ein theures Gut, für dessen Pflege wir der ganzen gebildeten Welt verantwortlich sind, al« ein Zeichen des Siegs eines großen Gedankens, als ein Zeichen der Hoffnung auf die nie ermattende Kraft des Guten, als ein Zeichen der Gemeinschast aller Völker in der Veredlung menschlichen Geistes, in der Verbreitung menschlicher Wohlfahrt. Hierauf legte Bürgermeister Dr. von Widenmaycr einen großen Lorberkranz am Fuße des Denkmal! nieder. Weitere Kränze wurden unter der Feier entsprechenden kurzen Ansprachen nieder- gclegt von: NoSke-Wien je einen im Namen der Stadt Wien und des dortigen Stenographen-Zcntralvercins, Geheimrath Häpe Namens des k. stenographischen Instituts in Dresden, Gliedt-New Jork, Vertreter von Amerika, Bcsenschek als Ver treter Bulgariens, Dessau-Kopenhagen im Ramen Dänemarks, Fabricius als Vertreter Finnlands, Geniemajor Cavalli im Namen Italiens, Markowitsch-Ungarn, Ungemach-Aschaffenburg für dcn bayerischen Gesammtverein, Eggers für dcn deutschen Gabelsbcrgcr Stcnographcnbund, Professor Lauthammer für den Münchener Stenographen-Zcntralvercins, dann der Ge sammtverein sächsischer Stenographen, das WilhelmSgymnasium in München, Norwegen, Spanien, AschaffenburgcrStenographeu-
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