Suche löschen...
Hohensteiner Tageblatt : 13.01.1892
- Erscheinungsdatum
- 1892-01-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id184110793X-189201135
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id184110793X-18920113
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-184110793X-18920113
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohensteiner Tageblatt
- Jahr1892
- Monat1892-01
- Tag1892-01-13
- Monat1892-01
- Jahr1892
- Titel
- Hohensteiner Tageblatt : 13.01.1892
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
leit bekannte Person gewesen sein müsse. Bei Geisenhainer würde dies insofern zutreffen, da er als ehemaliger Töpfer- lehrling mit seinem nunmehr verstorbenen Lehrmeister längere Zeit in den Räumen deS Schlosses, bezw. in denen der Rech- »ungsrathS Buchmann und aus dem Expedicionszimmer deS Steuer- und Rentamts gearbeitet hat, wobei er sich Orts- kcuntniß verschosst haben mag. Die Verhaltung GeisenhaincrS ist durch einen Zuiall heibeigeführt worden. Ein hiesiger Briefträger kam auf seiner Tour in die Ruttersdorf» Schenke. Dort erblick» er den Geisenhainer, der sich eben vom Wirth in höchst protziger Weise dir „neuesten Zeitungen- geben ließ. Der Bnefträg» jagte ihm ins Gesicht zu, daß er Geisenhainer sei, was derselbe aber nicht zuqeben wollte, indem er vorgab, er heiße Grau und sei auS Eisenberg. Der Vorsicht halber veranlaßte der Briefträger den Gemeindevorsteher zu Rutters- dorf, Geisenhainer doch sofort zu verhaften, was aber der Ge meindevorsteher nicht lhat. Spornstreichs begab sich nun der Briefträger so ort nach Roda und berichtete der Polizei, wat er wahrgcnommen. In Ruttersdorf selbst wurde aber Geisen hainer nicht mehr vorgefundcn. Nun besetzte die Gendarmerie den hiesigen Bahnhof und durchsuchte die beiden Abendzügc. In dem Zuge, der in der Richtung nach Gera kurz vor 10 Uhr den hiesigen Bahnhof pajsirt, wurde Geisenhainer vorge- fuoden, soso« verhaftet und gefesselt in das hiesige Amts- gerichtsgerängniß eiugeliefert. Geisenhainer hatte sich von Ruttccsdon nach dem Haltepunkte „Neue Schenke' begeben, um von da aus nach der Papiermühle zu fahren. In der Zelle des Amtsgerichtsgriängnisses ist Geisenhainer die ganze Nacht hindurch von ernem Gendarmen bewacht worden. Am Vormittag des 8. Januar wurde derselbe in Begleitung von drei Gendarmen geschlossen durch die Stadt transpottirt, um nach Altenburg in das Landgerichtsgefängniß abgelicfert zu werden. Dorr traf der entsprungene Flüchtling am Nachmittag ein. Gnscnhainer war sehr gut gekleidet, er trug grünen Hm mit Fedcrstutz, feinen Kammgarnanzug und eleganten Winier- überzieher. Ferner besaß er eine goldene Uhr und eine goldene Kette, goldene Vorhcmbknöpse. Eine fast zahllose Menicheu- mcnge folgte dem noch jugendlichen Verbrecher, derselbe ist kaum 20 Jahre alt, nach dem Bahnhöfe. Sollrc Geisenhainer, was man allerdings nach den vorliegenden Verdachtsgründcn kaum bezweifeln kann, den Diebstahl auf dem hiesigen Stcuer- und Rentamie begangen Haden, so wäre dies keineswegs seine erste derartige Thm. Zeigte er sich schon m dec Schule als ein rüder Bengel, so oeginz er, nachdem er kurze Zeit der Schule entwachsen war, mit noch mehreren Kumpanen eine Anzahl Ladendiedftähle, Vie in fast raffiairter Weise auSgesührt wurden und ihm damals in Anbetracht seines jugendlichen Alters eine mehrwöchentliche Gefängnißstrafe einbrachten. Nach der Entlassung aus dem Gefängnisse war er längere Zeit auf der Papiermühle beschäftigt, bis er dann im vorigen Jahre einen Einbruchsdicbstahl in Gera beging, der ihm 2 Jahre Gcfängniß cinbrachte. ' TaßesZtlOrchrr. Deutschss Reich. Heute nimmt der Reichstag seine Arbeiten wieder aui und zwar mit der zweiten Berathung des Etats, wobei auch der fte'sinnrge Antrag wegen Diäten der Reichstagsabge- ordnetcn zur Verhandlung kommen wird. Es wad hoffentlich der letzte Abschnitt in dieser überlangen Sitzungsperiode sein und man glaubt den Schluß der Session vor Ostern ins Auge fassen zu dürfen. Dem Reichstag liegt von Regierungs vorlagen gegenwärtig noch der Reichshaushalt nebst dem Gc- ictzentwurf über die Einnahmen und Ausgaben der Schutz gebiete, die Verfassungsänderung wegen der Immunität der Abgeordneten, das Telegraphengcsctz, die Gesetzentwürfe, be treffend die Unterstützung von Familien der zu Friedens- Übungen cinberufenen Mannschaften und betreffend Bestrafung des Sklavenhandels, sämmtlich in zweiter und dritter Lesung, der Handelsvertrag mit der Schweiz und der Gesetzentwurf, betreffend die Vcreiutthaler österreichischen Gepräges, in alle» drei Lesungen vor. Was noch hinzukommt, ist nicht mit Sicherheit vorauszusshen. Höchstwahrscheinlich wird der Gesetz entwurf über Bekämpfung der Trunksucht noch vorgelcgt; m Aussicht gestellt sind ferner noch Gesetzentwürfe über elektrische Anlagen, über den Verkehr mit Wein, über Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht, über Aendcruug des Unterstützungs- wohnsitzgesctzes, über den Checkverkchr, über Maßregeln zur Bekämpfung der Unsittlichkeir «. a. Was davon wirklich noch cingeht, muß abgewartet werden. Von den zahlreiche« noch vorliegenden Initiativanträgen erregen der Diäten-, der Jcsuitcn- und die Börsenanträge das meiste Interesse. Die wichtigsten Verhandlungen werden unstreitig beim Erat stattfinden und insbesondere beim Militär- und Marineetat, wo die Regierung nach der Ansicht der „Nat.-L>b. Cvrrcsp." mit ihren hohen außerordentlichen Neuiorderungen einen schwierigen Stand haben wird. Am 14. Januar tritt auch der preußische Land tag wieder zu einer Tagung zusammen, die an Wichtigkeit der letztvorangegangenen, durch das Zustandekommen der Ein- kommtnstcuccrefoim und der Landgcmeinveordnung ausge zeichneten Session kaum nachstehen wird. Es herrscht all gemeine Uebereinstimmung darüber, daß in den nächsten Wochen und Monte» der Schwerpunkt des politischen Lebens, soweit es in parlamentarischen Versammlungen zum Ausdruck kommt, weit mehr im preußischen Abgeordueceuhauje als im Reichstag liegen wird, und zwar vorzugsweise wegen deS für das ganze Culturleben hochvedeutsamen VolkSichulgesetzer. Es ist auch heute noch außerordentlich wenig über den Inhalt dieser Gesetzentwurfes bekannt. Die nächsten Tage werden unS voraussichtlich bereits die Vorlage bringen. Möchten sich die vielfach daran geknüpften Befürchtungen nicht bewahrheiten! Daneben wird der Staatshaushalt die Kräfte deS Abgeordneten hauses in erster Llme in Anspruch nehmen. Erwartet werden ferner Gesetzentwürfe über die Ausdehnung des Landgcmeinde- ordnung auf die Provinzen Schleswig-Holstein und Hessen- Nassau, über die Kosten königlicher Polizciverwaltungen, über die Regelung des Welfenfonds, über die Steuerbefreiung der ehemals Reich-unmittelbaren, über Erweiterung des Elscnvahn- »etzeS, namentlich auch über Teriiärbahnen, über Wasscrrecht, üb» Verlegung des Bußtages, über die Einnahme» und Aus gaben deS StaatS (ComptabilitätSgesctz). Berlin, 11. Januar. Wohl zum ersten Male, seitdem in Preußen die Verfassung cingelührt ist, wird in diesem Jahre die Eröffnung der LandtagSsession unter Ausschluß derOcffent- lichken erfolgen. Wie gemeldet wird, hat der Minister deS Innern dem Bureau des Abgeordneten- «üd dem des Herren hauses ein Anschreiben zugchcn lassen, welches anküudigt, daß in Folge der Sperrung des einzigen Zugang« zur öffentlichen Tribüne deS Weißen Saals im König-schlosse wegen des in Angriff genommenen Um- und Erweiterungsbaues dieses Saales BilletS zum Einlaß von Zuhörern auf diese Tribüne nicht au-gegeben «erden können. Die Eröffnungsrede verliest diesmal der Ministerpräsident Gras Caprivi. Wie verlautet, wird sie sich in streng geschäftlichen Ankündigungen der zu cr- wartendeü gesetzgeberischen Arbeiten ergehen und namentlich auch bezüglich deS VolktschulzesetzeS keine nähere, die Vorlage begründende und den Standpunkt der Regierung im Vorau« fcstlegende Bemerkung enthalten. Berlin, 11. Januar. Der neue Erzbischof von Posen, D-. von Stablewski, ist hier eingctroffen, und morgen soll er im königlichen Schlosse den HuldigungSeid in die Hände deS Kö nigs selbst schwören. Wie verlautet wird, ist diese feierliche Form der Eidesleistung von dem Kaiser selbst und vielleicht mit Rücksicht auf die Umstände, unter denen sich die Wahl vollzogen hat, angcorduet worden. Sie ist seit dem Iah» 1866 nicht angewendet worden, aber sie entspricht früheren Bräuchen. Der Bischof schwor den Eid in der gesetzlich vor- geschriebeneo Form im Beisein der Minister und der hier an wesenden Prinzen. Gewöhnlich pflegte der Eidesformel selbst eine kurze, gewissermaßen programmatische Erklärung voran- qcschickt zu werden, die dann vom Könige in entsprechender Weise erwidert wurde. Nach der Eidesleistung wurde dann der Bischof zur Hoftafel zugezvgcu, was auch morgen der Fall sein wird. Die Diner-, die von dem CultuSministcr und dem Reichskanzler zu Ehren des neuen Erzbischof« veranstaltet wer den, entsprechen durchaus dem sonstigen Brauche. In diesem Falle ist noch ein Diner hinzugekommen, das Fürst Radziwill dem Erzbischöfe von Poseu gegeben und zu dem neben den Spitzen der Behörde« Vertreter deS polnischen Adels geladen waren. Man kann nur wünschen, daß die Hoffnungen, die aut diese Bischosswahl geletzt sind, sich alle erfüllen mögen. Lor der Hand ist mchtS zu sehen, als ein langsame«, aber stetiges Steigen der Wünsche de- Polenthums nicht in der Provinz Posen allein. Bereits richten sich die Augen auf die oberste Verwaltungsbehörde, die wieder mit einem Polen besetzt werden soll. Von da bis zur Wiedereinsetzung eine- Statt halters des Großhcrzogthums Posen würde es nur ein Schriltt sein. Man kann nur wünschen, daß die Deutschen der Pro vinz Posen sich etwas kräftiger rührte», um zu zeigen, daß die Provinz, die dar Polcnthum als seine Domäne ansichr, nahezu zur Hälfte von Deutschen bewohnt wird. Die „Nordd. Allg. Ztg." bringt folgende, als mficiös gekennzeichnete Mittheilung: „Die „Kölnische Zeitung" glaubt constauren zu lö-inen, daß die unabhängige öffentliche Meinung die Einleitung der DiSciplinaruntersuchunz gegen den Grafen Limburg-Stirum einmüthig als formell unanfechtbar aber als „politisch verfehlt" bezeichnet habe; sie glaubt, daß die Maß regel ohne Zweifel die Strömung gegen den neuen Cuis noch verstärken werde. Zum Beweis dieser Behauptung werden Artikel der „Kreuzzeuung" und der „Post" citirt, die sich in ähnlichem Sinne aussprechen. Dagegen ist zu erwidern, daß bei dem DiSciplinarverfahrcn gegen den Grafen Limburg- Stirum politische Gründe überhaupt nicht in Betracht komme». Das Diiciplinalverfahren gegen Beamte ist in Preußen wie im Reiche gesetzlich geregelt; im Z 2 des preußischen Gesetzes von 1852 ist des Näheren bestimmt, unter welchen Voraus setzungen ein diSciplinarcs Einschreiten gegen einen Beamten stattzufinden hat. Liegt nach Ansicht der Regierung eine solche Voraussetzung vor, so ist für die Frage, ob und in welcher Form gegen den Beamten eingeschritte« werden soll, ausschließlich die Wahrung der BeamtendiSciplin entscheidend, und nicht die politische Opportunität. Dabei können hoher Rang und hervorragende sociale Stellung um so weniger gegen die Anwendungen der im Gesetz gegebenen Mittel sprechen, als sie vielmehr die Tragweite des Falles zu ver größern geeignet sind. Am allerwenigsten darf die Zugehörig keit eines Beamten zu einer bestimmten Partei auf die Be handlung des Falles von Einfluß sein. Die Behauptung der „Kreuzzeitung", daß die conjervative Partei sich durch da- Vorgehen der Regierung verletzt fühle und darin eine Undank barkeit gegen geleistete Dienste erblicke, ist gewiß unzutreffend, denn sie beruht auf der unmöglichen Voraussetzung, daß die Regierung sich durch lax- Handhabung der DiSciplin jemals den Dank conscrvativer Männer erwerben könne. Indem die Regierung ohne Rücksicht auf die Gunst der Parteien und die Stellung von Personen von ihren gesetzlichen Befugnissen Ge brauch macht, erfüllt sie lediglich ihre Pflicht und kann allen Vorwürfen das ruhige Bewußtsein entgegensetzen, daß die un parteiische Handhabung von Recht und Gesetz niemals eine verfehlte Politik sein kann." Zu Anfang jedes Vierteljahr- bringt da- Central-Organ der Socialdemvkratie ein Verzeichniß der in Deutschland er scheinenden Partei-Preßorgane. Nach dem neuesten Vcrzcich- niß gicbt e« deren gegenwärtig 132; davon sind 78 politischer Natur. Außer dem Central-Organ, dem „Vorwärts", und der wissenschaftlichen Revue, „Die neue Zeil", erscheinen 26 Zeit ungen täglich, 28 dreimal wöchentlich, 6 zweimal wöchentlich, 13 einmal wöchentlich. Dazu kommen noch zwei Witzblätter, der „Süddeutsche Postillon" und „Der wahre Jakob", und ein erst seit dem 1. Januar d. I. erscheinendes illustrirtcS Unterhaltungsblatt, die „Neue Welt". Außer diesen politischen Organen umfaßt noch die GcwerkschastSprcsse 54 Blätter. Da von erscheint 1 (der „Corrcfpondent für Buchdrucker) dreimal wöchentlich; 24 erscheinen einmal wöchentlich, 3 dreimal monat lich, 22 vierzchntägig, 4 einmal monatlich. Bei dieser Ueber- sicht ist bemerkenswerth, daß der „Vorwärts" das Organ der „Unabhängigen Socialistcn", den „Socialist" völlig ignorirt. Mit diesem beträgt die Gesammtzahl der Parteiblättcr 133. Während der „VorwärrS" noch immer so ihut, als ob >m socialdemokratischen Lager eitel Friede und Einmüthigkcit herrsche, und Liebknecht noch erst vor Kurzem jede gcgentheilige Behauptung al- „Lüge" bezeichnete, giebr das Organ der Un abhängigen, der Socialist", der Wahrheit die Ehre. Auf die Ableugnung deS „Vorwärts" Bezug nehmend, schreibt er heute: „E- gehört eine eiserne Stirn dazu, noch immer abzulügcn, daß in der Partei cme Spaltung vor sich gegangen. Trotzdem die letztere täglich weitere Kreise zieht uno die Schaar der un abhängigen Socialistcn beständig anschwillt, trotzdem behauptet der „Vorwärts" auch wieder in seiner Neujahr-nummer: „Der Erfurter Congreß sah die deutsche Socialdcmokratic vereinigt u»d einig, er zerstörte das Märchen von dem Streite zwischen Jungen und Alten." Der Erfurter Congreß sah die deutsche Socialdemokeatie vereinigt und einig — läßt sich eine blutigere Ironie denken? Der Zwiespalt herrscht übrigens keine-weg- nur in der deutschen Socialdcmokratie. In Oesterreich und Frankreich sieht er nicht ander- aus, in Holland geht e- uocb toller her und vollends erst in Nordamerika! Der io Ciucinnwi erscheinende socialdemokratische „VolkSanwalt" schr-ibt darüber: „Krieg i» Cincinnati, Krieg in Chicago, New Jork und in San Francisco. Krieg zwischen New Jork und Chicago-Cin cinnati und anderen Plätzen. Krieg zwischen Gewerkschaftlern und Sozialisten, Krieg zwischen Socialisten und Anarchisten, Krieg der Anarchisten und Socialisten unter sich — kurzum, Krieg überall, nur kein solcher gegen den gemeinsamen Feind. Dieser feiert inzwischen seine Orgien. Und falls cinc Fraction wirklich einmal gegen den gemeinsamen Feind vorzugchen wagt, so wird sie von der anderen verspottet, verhöhnt, ja oft direct bekämpft. Daß eS unter dicfen Umständen überhaupt noch Arbeiter giebt, die sich trotzdem der Sache anuchmco, Opfer bringen rc., ist fast als ein Wunder zu bezeichnen". Holland. Es ist jetzt entschieden, daß die beiden Königinnen dem deutschen Kaiser in Berlin den Besuch erwidern werden, den er ihnen im Juli v. I. gemacht hat. Wenn die Gesundheit der Königin Wilhelmine, die bekanntlich nur zart ist, sich dem nicht cntgegcustcül, wird der Besuch in allernächster Zeit stalt- findcn. Spanien. Die Nachricht von dem Anarchisienaufruhr in Leres hat im übrigen Europa an Eindruck und sensationellem Gepräge besonders deshalb cinqebüßt, weil Spanien immer noch als da« Land der Putsche und Ucberraschungen gilt und man ge wöhnt ist, die eo8U8 cko L8pang. mit einem andern Maaße zu messen als Vorgänge, die sich anderwärts ereignen. Die Arbeiterbewegung in Spanien hat in den letzten Jahren in ihrer öffentlichen Aeußcrung den Rahme» nicht überschritten, in dem sie sich auch in den übrigen Ländern hielt, in Malag., Madrid, Bilbao und in den industriellen Mittelpunkren Cata lonicnS führten socialistiichc Versammlungen, Ausstände und Kundgebungen Arbeitsloser zu keinen erheblichen Ruhestörungen wie ii< den Kohlenbezirken Deutschlands und Frankreichs. Unlcc der Oberfläche aber war fleißig gehetzt uno geschürt worden, jodaß ein deutscher Sendling noch kürzlich an den „Vorwärts' berichten konnte: „ES ist mir wirklich eine Freude, wie in diesem zurückgebliebenen Lande die Arbeiterklasse ganz vu kosmopolitischem Geiste erfüllt isi." Dieser kormopolisHe Geist ist der Haß gegen die bestehende Gesellschaftsordnung, der seit Jahren bereits in der Gegend von X:»S eine frucht- bare Pflanzstätte Halle. Dort in Lens, Argos und Lebrija war vor acht Jahren der Herd der „Schwarzen Hand", dre von Alfonk X1I. mit Gewaltmaßregcln unterdrückt wurde. Die Behörden halten schon vor einiger Zeit eine Bewegung unter der Arbeitcrbevölkcrung beobachtet, die auf außergewöhn liche Vorgänge hindeutete. Gendarmen hatte» in der vorig u Woche mehrere Anarchistenvcrsammlungeu in Lebrija aufgelöst und Aufru» mit Beschlag belegt, die den Aufruhr predigten. Am Donnerstag wußte der Bürgermeister von Lercs, daß ein Handstreich auf die Stadt bevorstand. Infamer» und Ca- vallcrie wurden in den Cascrncn bereit gehalten, Gendarmen und Schutzleute wurden bis an die Zähne bewaffnet und er hielten die Weisung, sich im Falle einer überra,chendeu An griff« aus das Rathhau« zurückzuzichen. Am Abend deS 8., als eben im Theater die Vorstellung beendet war, drangen die ersten Anarchistcnhaufen mit Flinten, Messern, Knüllen, Heugabeln, Sicheln u. dergl. bewaffnet, unter dem Rp „ES lebe die Anarchie!" ist die Stadt ein und fi t,a über die Bourgeois auf den Straßen her, von denen sie zw.i lödteten. Dem einen wurde mit einer Sense dee Kopf abgchaueu. Da am Tage etwa 60 Anarchisten der Stadt hinter Schloß und Riegel gesetzt worden waren, blieb die Unterstützung, auf welche die Aufrührer gerechnet hatten, aus, ihr Angriff auf da- Gsfängniß und auf die Cascrncn wurde abgeschlagen, die Truppen rückten aus, machten etwa 70 Gefangene, verwun deten mehrere Ruhestörer und Cavallerie verfolgte die Fliehen den. Man schätzt die Angreifendcn auf mehrere Hundert und hofft die zersprengten Haufen bald dingfest zu machen. Madrid, 11. Januar. Die in LereS verhafteten Anar- chiste» gestände«, daß sie die Ermordung und Berandung der wohlhabenden Bürger der Stadt LercS beabsichtigten. Die Anarchisten waren mit Revolvern, Todtschlägern uno Knitteln bewaffnet. Der Magistrat beschloß die Verhängung des Be- lagcruagSzustandcs über LereS und Umgebung. Ferner wird den Corces ein Ausnahmegesetz gegen anarchistische Umtriebe zugehen. Madrid, 11. Jonuar. Die weitere Untersuchung deS Anarchistenputschcs in LereS ergab ferner, daß dieser von langer Hand vorbereitet war. Die Anarchisten theilten sich in 5 Gruppen, wovon jede einen besonderen Stadttheil angrcifcn sollte. Sämmtliche Gruppen sollten sodann am RathhauS zusammentreffen. Die Zahl der Getödtcten und Verwundeten ist weit größer, als ursprünglich gemeldet wurde; das Militär schoß scharf. Militärpatrouillen durchziehen ioriwährend die Stadt LereS, um noch versteckte und flüchiiae Anarchisten aus findig zu machen. Der Polizeivorstehec in Lerc« wurde feine» Ämter cuthoben; er hatte von den Vorbereitungen der Anar chisten nicht die geringste Kenntniß. Afrika. Kairo, 11. Januar. Die Nachricht französischer Blätter, daß Major von Wißmann in englische Dienste zu treten ge denke, wird von ihm selbst für völlig unbegründet erklärt. Vermischte». Magdeburg, 12. Januar. Die Buntrock hat gestern Nach mittag, nachdem sic noch am Vormittag hartnäckig geleugnet hatte, ihre Thätcrschaft cingcstanden. Sie verlangte noch ein mal vernommen zu werden und als dieser Wunsch erfüllt wor den war, legte sic, wie man hört, ein umfassendes Keständniß ihrer Thätcrschaft ab. Der Mord wird in der Weise vor sich gegangen sei», daß die Verbrecher der Kasten von hinten eine BindfadenjchUnge über den Kopf geworfen, um später den Kopf vom Rumpfe mit emem Messer zu trennen. Die Einzel heiten der That werden in der nächsten Zeit wohl bekannt werden. Erbe dagegen bestreitet die Thäterschait immer noch, doch wird ihm dies wenig nützen, da neben den Aussagen der Buntrock auch noch Briese von ihm an die Letztere vorlicgen, die seine Thäterschait unzweideutig beweisen werden. Die Buntrock halte ein: schwarze Handreisetaschc im Besitz, die der Polizei in die Hände gefallen rst; sie enthielt noch einige Hanf bindfaden und einen starken Holzpfropfcn. Die beiden Ver brecher sind bereit« am Sonnabend Nachmittag auf dem Hofe de- Polizeigcsängniffc« in der Ulrichsstraße photographirt worden. Heute Mittag wurden sie in dem photographischen Xtelier von W. Röhl, Ecke der Apfel- und Schwertfcgcrstraße, in größerem Maaßstabe noch cinmal photographirt. Zuerst
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder