3 Gabriel Wagner, 1665 - nach 1717). Die englische bürgerliche Philosophie beeinflußt nun das philosophische Denken Deutschlands in einer Breite und Tiefe, wie es der progressiven Ideologie der Niederlande zuvor nicht gelang. Wesentliche Voraussetzungen für die klassische deutsche Philosophie werden geschaffen. Schütz' bewußte geistige Entwicklung und seine schöpferischste Periode liegt in der ersten Hälfte des 17. Dh. Adel und Bürgertum in der frühkapitalistischen Entwicklung p Zu dieser Zeit wird in Europa der im 16. Dh. begonnene Prozeß des Obergangs von der feudalen zur bürgerlich-kapitalistischen Ordnung fortgeführt. Vor allem in Westeuropa sucht die frühe Bourgeoisie schrittweise die politische Macht zu erobern. In den Staaten Mit teleuropas löst sich die Feudalklasse von altfeudalen Formen (Isolation, Eigenbedarfswirtschaft, Lehensrecht); sie wird spät feudal. In einem längeren Ringen erstreitet sich der Adel gegenüber dem Städtebürgertum und den Bauern die Position des Hauptnutz nießers der weiterschreitenden Handels- und Marktbeziehungen des Kontinents. Im Spätfeudalismus impliziert materieller Reichtum in Adelskreisen die Verwendung des Geldes für subtilen Konsum und Re- präsentations- (Reputations-) Aufwand. Im vorkapitalistischen Be dingungsgefüge erwachsen daraus Triebkräfte für die artifizielle Erzeugung, für Kunst, Wissenschaft und Handfertigkeit. Als wesent liche Triebkräfte für den allgemeinen geschichtlichen Verlauf wirken Ware-Geld-Beziehungen, einfache Warenproduktion und Kaufmannskapital. Letzteres kann sich vermehren, ohne die überkommene Struktur der Wirtschaft und Gesellschaft progressiv zu verändern (Verlagssystem). Kaufmannskapital und Adelsherrschaft kooperieren und koexistieren eng zum gegenseitigen Vorteil. Zugleich setzt sich in Deutschland die Refeudallsierung weitgehend durch. Der Geburts- und Amtsadel spielt die führende Rolle in der Gesellschaft. Der frühmoderne Staat integriert ihn auf verschiedene Art. Durch die wachsende Rolle der Stände wird das Reich föderalisiert, eine Zentralisierung im gesamtstaatlichen Rahmen verhindert. Nach wie vor liefern die Erweiterung der Verfügung über den Grund und Boden das wichtigste Produktionsmittel der feudalen Gesellschaft, Hauptgründe für die friedliche und militärische Expansion. Der gesteigerte Geldumlauf ermöglicht, Kriege in weit größerem Maße als bisher mit Söldner- und Berufsarmeen zu führen. "Die wechselseitige Durchdringung von Politik und Konfession gehört zur Erbschaft der europäischen Re formationsbewegung, die zwar die Loslösung von Rom, aber keines wegs eine Säkularisierung von Politik und Bewußtsein bringt. Es tritt im Gegenteil zunächst eine Intensivierung von Religiosität und kirchlichem Leben ein, wobei zugleich Konfessionen theologisch und politisch fixiert werden. Die gesellschaftliche Funktion der Religion wird nicht abgeschwächt, 9 ie modifiziert sich jedoch, indem Konfession und Kirche unmittelbar weltlichen Machtträgern unter stellt werden und die politisch-gesellschaftlichen Widersprüche und Kämpfe konfessionell apostrophiert werden. Dadurch können viele Konflikte als 'Religionskriege' entzündet, begründet und geführt werden, und latente Widersprüche wie der Dualismus Stände - Herr scher, Stadtgemeinde - Rat oder Untertan - Gutsherr finden theo- 2