13 CZECHOWSKI: Es war Charaktersache, sich selbst nicht zu verleugnen, d.h. sich den Nazis anzubieten. Gussy Hippold hat mir die Anekdote erzählt, wie sie zu Dix kam, und Dix suchte Bilder raus, da sagte sie: Herr Professor, es wird Ihnen alles nichts mehr nüt zen, Sie werden gehen und ich auch ... Überleben ist immer Charaktersache, man kann sich opfern, man kann Zeugnis ablegen. LÖFFLER: Der Fall Dix ist insoweit komplizierter, als Dix Nietzscheaner war und stets auf dem Standpunkt gestanden hat, die Macht ist jenseits von Gut und Böse, die Macht ist das Entscheidende. Und dann nach dem Krieg, als ich ihn für etwas gewinnen wollte, hat er gesagt: Na, jetzt sind eben die dran. Er hat das von sich aus, von seinem Nietz sche-Standpunkt aus akzeptiert und gesagt: Jeder mißbraucht seine Macht so gut er kann. Es gibt einen Brief an Justi, da steht: Ich bin immer ein deutscher Maler gewesen, und ich habe nie zu irgendeiner Partei gehört. CZECHOWSKI: Herr Dr. Löffler, machen wir wieder einen Sprung, in das Jahr 1945, vielleicht zum 13. Februar: Sie waren, wie Sie mir einmal sagten, nicht in Dresden, son dern außerhalb? LÖFFLER: Das ist folgendermaßen gewesen: ich wickelte damals meine eigenen Sachen aus Krakau in Bautzen ab und bin früh am 13. Februar nach Bautzen gefahren. Und in der Nacht zum 14. kam das. Ich habe den Feuerschein gesehen und bin am 15- nach Dresden gefahren, mit einem Holzgasauto, bin drüben an der Brücke ausgestiegen und durch das brennende Dresden gelaufen. Ich habe nur die Nacht nicht in Dresden ver bracht. Am Tage vorher bin ich bei meinem Freund Holzhausen im Grünen Gewölbe ge wesen, da war noch ein Architekt dort, Otto Schelcher, da haben wir noch gesagt: Viel leicht kommen wir noch drüberweg. Das Grüne Gewölbe war ausgeräumt, ich bin noch einmal durch die Räume gegangen. Meine Freunde, der berühmte Hirsch-Stammtisch, die tagten ja in dieser Nacht noch im Ratskeller, die Kneipen waren alle offen. Und dort im Ratshaus sind einige hundert Leute umgekommen. Daß sie alle nach Hause gekom men sind, meine Freunde, habe ich als ein gutes Omen angesehen. CZECHOWSKI: Die eingangs erwähnte Konstellation, ich nannte Dresden als geistige Lebensform, - war der 13. Februar 1945 nicht ein furchtbarer Schock, wie ihn ja Ger- hart Hauptmann beschrieben hat, der den Untergang Dresdens vom Sanatorium Weidner Oberloschwitz aus erlebt hat? LÖFFLER: Ich weiß nicht - es gibt ja Katastrophen von einer Größe, die Sie überhaupt nicht erfassen können - CZECHOWSKI: - die machen einen kalt ... LÖFFLER: Ja. CZECHOWSKI: Man würde wahrscheinlich verrückt, wenn man das »heiß« erleben wür de. LÖFFLER: Ja. Man ist völlig fassungslos. Ich kam über die Flügelwegbrücke, von Baut zen, bin dort ausgestiegen, bin an der Kesselsdorfer Straße vorbei, wo die Scheiben des Ateliers von Dix kaputt waren, aber das Haus noch stand, und bin dann hier durch die Stadt gelaufen zu meiner Frau auf die Bamberger Straße, wo alles kaputt war, aber meine