Die vokalen Hauptwerke Rudolf Mauersbergers Zu den vokalen Hauptwerken Rudolf Mauersbergers gehören das „Dresdner Te Deum“, die „Passionsmusik nach dem Lukasevangelium“, das „Dresdner Requiem“ und die „Geistliche Sommermusik“. Drei dieser zyklischen Kompositionen sind von Matthias Grün und Matthias Herrmann eingehend besprochen worden. Grün widmet in seiner verdienstvollen Disserta tion über Rudolf Mauersberger dem „Dresdner Requiem“ eine ausführliche Analyse. 1 Mat thias Herrmann hat sich in seinem Beitrag unter dem Titel „Es bleibt das Werk“ in der 6. Auf lage der „Begegnungen mit Rudolf Mauersberger“ detailliert über das „Dresdner Te Deum“ und die „Geistliche Sommermusik“ geäußert. 2 Es ist daher an dieser Stelle zweckmäßig, eine Besprechung der „Passionsmusik nach dem Lukasevangelium“ in den Mittelpunkt der Aus führungen zu stellen. I. Zu den stilistischen Grundlagen und ästhetischen Positionen des Komponisten Mauersberger Bei der Standortbestimmung des kompositorischen Werkes von Rudolf Mauerberger ergibt sich u. a. die Frage nach den Traditionslinien, auf denen seine schöpferische Leistung basiert. Als Mauersberger 1914 sein Musikstudium am Königlichen Konservatorium zu Leipzig vor läufig abschloß und damit seine erste entscheidende musikalische Ausbildungsphase been dete, stand die in ganz Europa berühmte musikalische Bildungsstätte im Zenit ihres Ruhmes. Die besten deutschen Lehrkräfte der damaligen Zeit vermochten Mauersberger wichtige Impulse zu geben. Sie legten den Grund für dessen geistige, künstlerische und menschliche Entwicklung. Sein Orgellehrer war der Leipziger Thomasorganist Karl Straube, ein Stern erster Größe am internationalen Organistenhimmel. Straube verkörperte den Typus des technisch wie künstle risch glänzend versierten Instrumentalvirtuosen. Er praktizierte bis zum Ende des ersten Weltkrieges ein Orgelspiel, das die klangprächtigen Möglichkeiten der romantischen farben reichen Orqhesterorgel mit ihren vielfältigen Registern und Spielhilfen voll zur Entfaltung brachte. Erst nach 1918 rückte Straube schrittweise von diesem Klangideal ab und schloß sich der von Albert Schweitzer und anderen Musikern getragenen Orgelbewegung an, zu deren geistigen Führern er bald gehören sollte. Straube wies seinen Schüler Mauersberger vor allem in die Weit der Orgelwerke Johann Sebastian Bachs und Max Regers ein. Als zweite international bekannte Größe wirkte zu Mauersbergers Studienzeit als Leipziger Gewandhauskapellmeister der damals bedeutendste Dirigent überhaupt: Arthur Nikisch. Er war der unumstrittene Star unter den damaligen Pultvirtuosen, und es gab wohl kaum einen