45 Rita Theuerkorn Schritte der Stadtplanung 0 nach 1900 Die Architekturgeschichte einer Stadt, einen bestimmten Zeitraum betreffend, erzeugt ein irreführendes Bild, wenn sie allein anhand der in diesem Zeitabschnitt errichteten Gebäu de dargestellt wird. Leicht ist nachzuweisen, wie unentbehrlich dazugehörig die Architek turwerke des Außenraumes — Höfe, Gärten, Parks, Straßen und Plätze — sind. Städtebau liche Raumfolgen und -Strukturen der Alt-, ggf. auch der erweiterten Innenstadt, finden allenfalls Eingang darin, selten die Gesamtstadt und ihre landschaftliche Einbettung, au ßer in einigen schwärmerischen Einleitungssätzen. Letztlich aber, wer wollte, wenn er über „die Stadt” berichtet, eben diese Gesamtheit auslassen? Macht nicht gerade sie für den einzelnen ein gutes Teil seines Gefühls als Bürger aus? Nun haftet der Planungstätig keit auf diesem Gebiete eine Eigenheit an: Ihre Ergebnisse werden erst sichtbar, wenn der eng gefaßte Zeitraum bereits verflossen ist, unter Umständen Jahrzehnte später. Dann aber hat die schnellere Geschichte bereits diese Konzepte wieder verworfen, ihnen völlig andere entgegengesetzt. Das macht es schwer, wenn nicht unmöglich, analog zur Bautätig keit eines Zeitraumes von wenigen Jahrzehnten gesamtstädtische Planung und Entwick lung einheitlich darzustellen. Der Verfasserin blieb der Ausweg, einerseits Überschneidun gen am Anfang und Ende des vorgesehenen Zeitabschnittes in Kauf zu nehmen und ande rerseits gesamtstädtische Planung und gesamtstädtische Entwicklung in gewissem Sinne zu trennen. Die folgenden Ausführungen schließen an die von Dr. Werner Pampel bereits 1964 unter suchten Stadtplanungsschritte von 1862 und 1901 11 sowie die 1905 verabschiedete Bau ordnung der Stadt Dresden an. Das 19. Jahrhundert hatte für Dresden mit der sich durchsetzenden Industriealisierung wie für viele andere Städte den Wandel zur modernen Großstadt gebracht. Das bedeutete sowohl Aufblühen und Erweiterung der Stadt, „innere Verstädterung” 21 , eindrucksvolle öf fentliche Bauwerke und neue Wohnhäuser in bis dahin nicht gekannter Menge als auch ein Zerfließen des Stadtbildes 3 ’, das Auflösen großräumiger Beziehungen, des bis dahin selbstverständlichen Verhältnisses von Haus und Stadt. Die umfangreichen Stadterweite rungsgebiete - ob Industrievorstädte oder Wohnbereiche mit geschlossener oder offener Bebauung - unterschieden sich weniger als zuvor von jenen anderer Städte, waren weni ger als das bisher Gebaute „Dresden”. Die in die Großstadt hineinwachsenden Dörfer ver loren ihre landwirtschaftliche ökonomische Basis und damit ihre kommunale Eigenständig keit 2 ’. Diesen Tendenzen setzten die Gesamtbebauungspläne und Stadterweiterungspläne