Axel Schöne Dresdner Kunstverhältnisse um 1890 0 Versuch einer Rekonstruktion Trotz aller Belebungen, welche im kulturellen Bereich mit der Wandlung Dresdens zur In dustrie- und Handelsstadt” zu verzeichnen waren, geriet die Dresdner Malerei um 1890 in eine unglückliche Situation. Im Vergleich zu anderen deutschen Kunstzentren bestimmten akademisch-dogmatische Auffassungen und ein weitgehend festgefahrener, intoleranter Kunstbetrieb das Geschehen. Das über Jahrzehnte betriebene doktrinäre und hartnäckige Festhalten an einer nazare- nisch-akademischen Kunstauffassung wurde vor allem getragen von „einer halbpatriarchali schen, gestrengen Herrschaft prinzipienfester Akademieprofessoren”. 21 Deren Einfluß er streckte sich auf die kunstfördernden Körperschaften ebenso wie auf Ausstellungskonzepte, Staatsaufträge, Ankäufe sowie die in Zeitungen und Periodika verbreitete öffentliche Mei nung. Der konservative Akademische Rat übte auf die Dresdner Künstlerschaft materiellen und ideellen Druck aus: „Durch das Recht der Selbstergänzung, der Verfügung über die Stipendien und über den Kunstfonds ist der Akademische Rath zu einer mächtigen Behör de geworden, die über das Schicksal der sächsischen Kunst vielfach entscheidet”. 31 Der größte Teil des Publikums hatte wenig Zugang zur modernen Freilichtmalerei. Eine Uhde-Ausstellung stieß in Dresden 1889 „auf wahrhaft höhnische Ablehnung”. 4 ’ Im Kunst handel angebotene Arbeiten deutscher und französischer Impressionisten „waren mit keiner Überredung an den Mann zu bringen”. 51 Bevorzugt wurden Genrebilder, die Unterhaltung boten, sich leicht verständlich gaben und dabei eine Erwartungshaltung bedienten, welche die Abschilderung des Wirklichen detailfreudig und stofflich greifbar sehen wollte." 1 Max Lehrs erinnert sich: „Man legte in Elbflorenz Wert auf den geistigen Inhalt eines Bildes, hielt eine gewisse handwerkliche Schulung der Künstler, eine Beherrschung der Zeichnung und der Technik für selbstverständliche Vorbedingungen einer Kunst, deren Namen man ...von .Können’ ableitete”. 71 Die Begrenztheit der konkreten Verhältnisse verscheuchte „eine Vielzahl tüchtiger Maler aus Dresden”. 8 ’ Dresdens Ruf als einer Kunststadt mit vielfältigem Austausch wurde ernst haft - und wohl auch berechtigt - in Zweifel gezogen. Der Dresdner Beitrag zur Berliner Kunstausstellung 1891 bestand, bis auf wenige Ausnah men koloristischer oder impressionistischer Anschauung (Werke von Julius Scholtz, Dora Hitz oder Paul Baum), aus Arbeiten, die der in ganz Deutschland als veraltet geltenden na- zarenischen Tradition folgten. Dementsprechend vernichtend waren die Presseurteile: „Am schlechtesten aber unter allen deutschen Kunststädten stellt sich Dresden dar ... Es ist, als wäre alles Leben eingeschlafen.” 9 ’