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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 13.02.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190302138
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19030213
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19030213
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Tageblatt
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-13
- Monat1903-02
- Jahr1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 13.02.1903
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' — ' WheBÄ-EMckl WM Erschein zede» Wochentag abends für den folgenden Tag und kostet durch die Austräger pro Quartal Mk. 1M durch die Post Mk 1.82 frei in'S HauS. nehmen außer der Expedition auch die Au-träger auf MM /M M^, M MM M^ M. dem Lande entgegen, auch befördern die Annonceu- MM Expedittonen solche zu Originalpreisen. für HohensteinEr ustthal. Oderlungwitz, Gersdorf, Lugau, Hermsdorf, Kernsdorf, Äugenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Rußdorf, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Erlbach, Mchberg, Pleißa, Reichenbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, Gmmbach, St. Egydien, Hüttengrnnd u. s. m A fntsblcrtt für das Königliche Amtsgericht und de« Stadtrat r« Hohenstein - Kruftthal. Organ aller? Gerrreirröe-Verrvcrlturrgerr ösr rrrrrliegsnberr Ortschaften. SSSS»SSSSSSSMWVSM«WM«MW>—» > I l'-aWlN^AWWWSWSWMM»»»»»«,- Nr. 36. Freitag, den 13. Februar 1903, 53. Jahrgang.» Bom Reichstage. Berlin, 11. Februar. Präsident Graf Ballestrem teilte mit, daß infolge neS von dem verewigten Staatsminister Dr. Delbrück vor feinem Tode ausgesprochenen Wunsches, die eGemahlin desselben eine Reihe wertvoller staats- und volkswirtschaftlicher und sonstiger wissenschaftlicher Werke dem Reichstag für feine Bibliothek übereignet habe. Er habe die Schenkung angenommen und der Gattin des Verewigten seinen verbindlichsten Dank ausgesprochen. — Die Beratung des Etats des ReichS- amts des Innern wird beim Titel „Staatssekretär" fortgesetzt. Zu den bereits vorliegenden fünf Resolu tionen tritt heute noch als sechste eine Resolution Stötzel und Genossen, die Regierung zu ersuchen, in die Gewerbeordnung die Bestimmung auszunehmen, wonach für die derselben unterstellten Betriebe die regelmäßige MoximalarbeitSzeit 10 Stunden betragen soll. — Abz. Hoch (Soz.) tritt für die Arbeitslosen-Versicherung auf Grund der Gewerkschaften ein und wendet sich gegen die „zünftlerische Art von Mittelstandsretterei" seilens der Rechten. Der alte Mittelstand unterliege einfach dem Großkapital, und der neue Mittelstand, von dem der Staatssekretär gesprochen, sei ebenso abhängig von dem Großkapital wie dar Arbeiterproletariat. Ler BesähigungSnachweis könne dem Mittelstand nicht hel fen, wie man an dem Apotbrkergewerbe sehe, das den Befähigungsnachweis und zugleich auch ein Monopol habe und darunter schwer leide. Für die Arbeiter bleibe das Wichtigste die Koalitionssreiheit, an der es ganz besonders auch in den Fabriken d-s Freiherrn Heyl za Herrnsheim fehle. Wenn Freiherr v. Heyl dies bestreite, wie er dies soeben durch einen Zwischen ruf tue, so sei dies objektive Unwahrheit, ja sogar Un wahrheit wider besseres Wissen. In den jetzigen An trägen, namentlich auch in der Resolution des Zen trums, sehe er nur Wahlmanöver. Das bischen Witwen- und Waisenversorgung im Zolltarisgesetze sei der reine Hohn. Das angekündigte Krankenversicher- ungsgesetz verspreche einen Fortschritt. Hoffentlich komme es noch in dieser Session zu Stande. Redner verbreitet sich weiter über die Beschränkung deS Koa- litionsrechteS der Arbeiter. Diese würden genötigt,! aus de» Gewerkschaften auszutreten, widrigenfalls sie aus Kriegervereinen, denen sie angehören, ausgeschlossen würden. Wie könne die Behörde einem solchen Zwange ruhig zusehen? ! Redner erhält schließlich einen Ord nungsruf, weit er die Mehrheit beschuldigt, beim Zoll tarif gegen Gesetz und Recht und Billigkeit nur ihren eigenen Profit im Auge gehabt zu haben. — Staats sekretär Graf PosadowSky teilt mit, bei der Kranken kassennovelle handle rS sich um sehr schwierige Fragen, so daß es schon ein sehr großer Erfolg sei, wenn sie jetzt dem Reichstage zugehen könne. Was die Bau- kontrollcure anlange, so wirke das ReichSversicherungS- amt auf eine Berniehrung der berufsgenossenschaftlichen Baukontrolleure hin; aber es hat kein Zwangsrecht. Auch eine scharfe polizeiliche Baukontrolle erstrebe er bei den Einzelstaaten. Abg. Dr. Paasche (natl.) wendet sich gegen die Ausführungen Hochs und bestreitet im besonderen, daß die Sozialdemokratie allein auf sozialpolitischem Gebiet treib-nd gewirkt habe. Können Sie (zu den Sozial- demokraten) etwas Besseres an die Stelle des Planes setzen, den die ZevtrumSpartei für die Witwen- und Waisenversicherung ausgestellt hat? (Sehr gut! im Zentrum.) ES soll dies doch nur der Anfang eines sozialgesetzgeberischen Vorgehens sein, und darum muß man die sozialdemokratischen Angriffe mit aller Euer- aie und Rücksichtslosigkeit zurückweisen. Redner nimmt hierauf die Kruppschen Wohlsahrtseinrichtungen dem Abg. Wurm gegenüber in Schutz. Wo wäre es einem Arbeiter möglich, sich selbst eine Pension von 1500 bis über 2000 Mark zu sichern und seiner Witwe eine solche von 500 Mark und dazu noch einen Zu- schuß sür die Kinder? Arbeiterentlassungen seien nur in geringen Fällen vorgekommen, wo eS sich um Wider setzlichkeit oder Diebstahl handelte. Die Firma Krupp zahlt aus einem besonderen Alters- und Versicherungs fonds jährlich 96 700 Mark an diejenigen, die vor der Zeit unfreiwillig ohne Pension ausscheiden. Als im Jahre 1895 die Beiträge für die PensionSkasse verdoppelt werden sollten, hat die Arbeiterschaft ein- wütig zugestimmt. Die Kasse wird verwaltet von 4 Mitgliedern der Firma und 4 Arbeitervertretern, und die freiwilligen Aufwendungen der Firma Krupp be tragen 22600000 Mark. (Hört! Hört!) Der Durch schnittslohn der Kruppschen Arbeiter beträgt 4,80 Mk. Der Abg. Wurm hat hier gegen die besitzenden Klassen eine Kriegserklärung in allerbester Form losgelassen. DaS ist der Dank dafür, daß alle Parteien sich hier seit Jahren ehrlich sür das Wohl der Arbeiter be mühen. Sie wollen keinen Frieden, sondern Kamps bis aufs Messer. (Zustimmung.) Jetzt zeigen Sie uns Ihr wahres Gesicht. Sie wollen die Arbeiter unzufrieden machen und Haß säen (lebhafte Zustim- mung, Widerspruch bei den Sozialdemokraten), weil Sie davon leben. (Lebhafte Zustimmung rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalen, stürmischer Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Möchten sich die Parteien in diesem Kamps nicht irre machen lassen und gemeinsam gegen di? sozialistischen Hetzer vorgehen. (Lebhafte Zustimmung.) Abg. Müller-Meiningen (sreif. VolkSP.): Wenn die Rechte nicht so reaktionär wäre und dadurch den Sozialdemokraten die Sache so leicht machte, wäre es sehr leicht, den Kampf gegen die Sozialdemokraten zu organisieren. Redner erklärt das Verbot der Mitgabe von Arbeit ins Haus im Hrylschen Anträge sür un- annehmbar; an dem sozialdemokratischen Anträge sei die R?ichszent>alaussichisbeqöt.de annehmbar, aber die Aufsichtsbeamten selbst müßten einzelstaatlich bleiben Auch den allgemeinen Maximalarbeitstag lehnten seine Freunde ab. Mit den Resolutionen wegen der Be rufsvereine seien sie selbstverständlich einverstanden. Endlich kritisiert Redner noch den Zwang, der in neuerer Zeit aus die Arbeiter ausgeübt worden sei, damit sie an Adressenkundgebungen t ilnähmen. — Abg. v. Waldow-Reitzenstein (kons.) tritt dem Vorwurf entgegen, daß die landwirtschaftliche BerusSgenossen- schaft nicht genug tue, um Uebertretungen der Unfall oerhütungsvorschriften zu verhindern. — Abg. Schrader (freis. Ver.) bemerkt zu dem Antrag auf Einführung einer Maximalarbeitszeit, daß die wirtschaftlicheu Ver- hältnisse einem solchen Experiment nicht günstig seien. Die Frauensrage anlavgend, so glaube er, daß die Frau im ganzen schon den Sieg errungen habe. Wünschenswert sei, daß Staat und Kommune Wohn ungs-Baugenossenschaften möglichst unterstützten. — Präsident Graf Ballestrem: Trotz der großen Redner liste glaube ich doch, daß, wie das HauS jetzt auSsieht (eS sind höchstens 30 Abgeordnete im Saale), es doch im Interesse des Hauses liegt, daß wir uns jetzt ver tagen. Widerspruch erfolgt nicht. — Weiterberatuna morgen 1 Uhr. * * - Die Reichstagskommission zur Borberatung des Gesetzentwurfs über die Phosphorzündwaren kam heute über die allgemeine Erörterung nicht hinaus. Ueber die neue Masse verweigerte die Regierung Auskunft, da die Masse noch Fabrikgeheimnis bilde; dagegen wurden regierungsseitig eingehende Mitteilungen über die Giftigkeit und Gefährlichkeit der gewöhnlichen Zündhölzer gemacht, die WeißphoSphor enthalten. Bei Abnahme seines Patents ist der Hersteller der neuen Zündmasse verpflichtet worden, die gegenwärtigen Fab- rikavten weißer Phosphorhölzer zur Herstellung der neuen Zündmasse anzuleiten. Die neuen Zündhölzer können an jeder Holzfläche entzündet werden. Der Preis der neuen Sicherheitszündhölzer stellt sich für 650000 Stück bei der Herstellung im großen aus Mark 60,50, im kleinen auf Mark 68,20, im Verkauf auf Mark 70,60. Die billigsten Phosphorzündhölzer stellen stch freilich auf nur 30 Mark, die besten auf 43 bis 54 Mark. Eine Mischmühle soll demnächst in der Kommission vorgeführt werden. ««fische« Zur Dresdner Angelegenheit Die Verkündung des bereits unseren Lesern zur Kenntnis gebrachten Urteils verlief in folgender Weise: Kurz vor */,5 Uhr nachmittags wurde von einem Ge- richtSdiener von der Türe des Sitzungszimmers das Plakat mit der Aufschrift „Geheime Sitzung" entfernt, so daß die Vertreter der Presse eintreten konnten. DaS Richterkollegium, bestehend aus den Herren Ober- landeSgerichtSpräsident Lößnitzer als Vorsitzendem und OberlandesgecichtSräten Hallbauer, Schmerl, Flemming, Dr. Meier, Dr. Bellmann un) Dr. Schmidt als bei ¬ sitzenden Richtern, hatte sich erhoben, desgleichen die noch anwesenden drei Rechtsanwälte. Herr Oberlan- deSgerichtspräsident Lößnitzer nahm ein Aktenstück zur Hand und verlas mit fester Stimme: „In der Ehesache Sr. Königs. Hoheit des Kron prinzen Friedrich August gegen seine Gemahlin Luise, geborene Erzherzogin von Oesterreich, ist folgendes Urteil ergangen: Im Namen des Königs. Die am 21. November 1891 geschlossene Ehe der Parteien wird wegen Ehebruchs der Frau Beklagten mit dem Sprachlehrer Andre Giron vom Bande geschieden. Die Frau Beklagte trägt die Schuld an der Scheidung. Die Kosten des Rechtsstreites werden der Frau Be klagten auferlegt." Einen Augenblick noch warteten die Preßvertreter in der Erwartung, eine Begründung des Urteils zu hören. Da eine solche nicht erfolgte, hatte sich der Saal rasch geleert. Die Telephone in der Nachbar schaft des Justizgebäudes, über deren Benutzung die Journalisten sich schon vorher geeinigt hatten, wurden gestürmt, um das Urteil den Zeitungen mitzuteilen. Bald waren allenthalben Extrablätter zu sehen, vor denen die Menge sich staute. Besonders bemerkt wurde in der Fassung des Urteils die Benennung deS Deliktes mit dem bisher nicht gebrauchten Namen „Ehebruch". Nach dem vorliegenden Urteile ist die „Schei- düng", d. h. die vollständige Auflösung der Ehe er- folgt. Der ursprüngliche Antrag Sr. Königs. Hoheit des Kronprinzen lautete auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, wobei die Ehe dem Bande nach bestehen geblieben wäre und eine Wiederverheiratung auch nach bürgerlichem Rechte ausgeschlossen sein würde. Die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft konnte der kla- gende Ehegatte aber nur dann erzielen, wenn der be klagte damit einverstanden gewesen wäre. Nachdem die Klage auf Aushebung der ehelichen Gemeinschaft nun als begründet erklärt worden war, mußte nach tz 1575 des Bürgerlichen Gesetzbuches dem Anträge der Kronprinzessin, auf Scheidung zu erkennen, ent- sprachen werden. Einer Wiederverheiratung der nun mehr geschiedenen beiden Teile würde nach bürgerlichem Rechte (nicht aber nach katholischem Kirchenrechte) nichts im Wege stehen; nur ist die Eingehung der Ehe zwischen der für schuldig erkannten Beklagten, also der früheren Kronprinzessin, und dem Sprach- lehrer Andre Giron, ausgeschlossen, weil nach § 1312 des Bürgerlichen Gesetzbuches eine Ehe nicht geschlossen werden darf zwischen einem wegen Ehebruchs geschie denen Ehegatten und demjenigen, mit welchem der ge schiedene Ehegatte den Ehebruch begangen hat, wenn dieser Ehebruch in dem Scheidungsurteil als Grund der Scheidung festgestellt ist. — Wie aus dem Per- handlungsbericht hervorgeht, hat auch eine Vernehmung medizinischer Sachverständiger offenbar über die Frage stattgefunden, ob im vorliegenden Falle Geisteskrank heit und die daraus sich ergebende Prozeßuufähigkeit Ser Beklagten in Erwägung zu ziehen war. Bon den Vertretern der Kronprinzessin dürste ein Antrag auf Vertagung behufs weiterer Feststellungen durch ärztliche Sachverständige überhaupt nicht gestellt worden fein. Wir lesen überdies in den „Dr. N.": Die heu tige Verhandlung wurde nach Erklärung des Vor sitzenden, Herrn OberlandesgerichtSpräsidenten Loß- mtzer, als Fortsetzung geheimen Verhandlung am 28. Januar aufgesaßt; es w»..de somit von Anfang an unter Ausschluß der Oeffentlichkeit verhandelt. Als 'Vertreter der Parteien waren erschienen: Für Sr. Königl. Hoheit den Kronprinzen Herr Justizrat Dr. Körner, als Prozeßbevollmächtigter Herr Rechtsanwalt Dr. Bondi und als Rechtsanwalt der früheren Kron prinzessin Herr Rechtsanwalt Dr. Zehme-Leipzig. Als Zeugen waren geladen worden: Frau Obcrhofmeisterin Freifrau v. Fritsch, Exzellenz, die Herren Hosmarschall v. Tümpling, Polizeikommissar A. Schwarz und der Kronprinzliche Kammerdiener Ranisch. Die Vertreter nicht nur aller hiesigen, sondern auch zahlreicher auswärtiger Blätter waren zur Stelle und hielten den Korridor in der zweiten Etage des GerichsgebäudeS an der Pillnitzerstraße besetzt. Kurz vor 10 Uhr erschien Herr Oberlandesgerichtspräsidem Lößnitzer, der Vorsitzende, und verschwand im Ber- jandlungSzimmer, gleich darauf die Richter und die Vertreter der Parteien. Der Vorsitzende mochte den Wunsch hegen, den im Korridor versammelten Jour nalisten unnötiges Warten zu ersparen; denn er ent- andte einen Gerichtsdiener mit der Mitteilung, daß die Sitzung gleich als geheime wieder ausgenommen werde; die Frage, ob die Urteilsverkündigung öffent lich sein werde, vermochte niemand zu beantworten, dagegen wurden die Wartenden höflich ersucht, die Nähe der Türe zu meiden; ein Diener postierte sich davor, und so mußte man sich in Geduld fassen. — Um 12 Uhr verließen die Vertreter der Parteien das BeratungSzimmer, und Herr Justizrat Dr. Körner er- teilte die Auskunft, daß sich der Gerichtshof zurück gezogen habe, um „einen Beschluß zu fassen", — welchen, war natürlich nicht zu erfahren. Genau eine Stunde währte diese Beratung. Nachdem die Herren Rechtsanwälte in das Beratungszimmer zurückberufen worden waren, wurde den Vertretern der Presse mit geteilt, daß vor halb 3 Uhr ein Ende der Beratung kaum zu erwarten sei. Gegen 2 Uhr erscheinen die Geheimen Räte Dr. Leopold und Dr. Fiedler an Ge richtsstelle. Geh. Rat Dr. Leopold wurde sofort nach dem BerhandlungSsaale gerufen und weilte längere Zeit darin. Also zwei Aerzte, die als sachverständige Autoritäten bekannt sind! Jedenfalls war ihre An wesenheit von vornherein nicht in Aussicht genommen, sie sind vielmehr erst gerufen worden, nachdem der Gerichtshof sich zur Beschlußsassung zurückgezogen hatte. Gegen 3 Uhr wurde Geh. Rat Fiedler in duS Be- ratungszimmrr gebeten, nachdem Geh. Rat Dr. Leopold cs verlassen hatte. '^4 Uhr ist das Gericht noch mit der Aufstellung des Protokolls über die Aussagen des Geheimen Rats Dr. Fiedler beschäftigt. Nicht viel später erfolgte die Berkündung des Urteils. Genf, 11. Februar. Die „Schweizer Depeschen agentur" meldet: Dr. Zehme teilte daS Urteil deS Ehe- Prozesses dem Advokaten Lachenal mit, der es unver- züglich nach La Mctairie übermittelte. Das Urteil entspricht den Erwartungen der Prinzessin, die nach Bestellung eines SpezialgerichtShofeS seinerzeit ankün digte, sie verlange die Ehescheidung. Dresden, 11. Februar. Ich bin, schreibt ein anderer Korrespondent veS „L-A.", in der Lage, von den Vorgängen, die sich in dem Drama der kronprinz» lichen Ehe abgespielt haben, salzende, von bestunter- richteter Seite ausgehende Darlegung zu geben: „Als die Kronprinzessin oder, wie sie jetzt heißt, Ludovica Antonia, geb Prinzessin von Toskana, den Wunsch äußerte, ihr schwer erkranktes Kind zu sehen, erschien es ihren Rechtsbeiständen als Gebot deS einfachsten Anstandes, daß man selbst eine bloße Anfrage io dieser Hinsicht nicht nach Dresden richten könne, solange die Prinzessin mit Giron in intimem Verkehr stehe. Auch entschloß sich die Prinzessin im Verlauf der Unter handlungen in Gens, ihr Verhältnis mit Giron auf- zugebev, um sich die Möglichkeit des Verkehrs mit ihren Kindern zu sichern. Daraus verlangten ihre Anwälte, daß die Trennung von Giro» eine ernstliche sein müsse, und daß, um diese Trennung auch nach außen zu dokumentieren, Giron nach Brüssel, und zwar in »en Kreis seiner Familie zurückkehre. Da nun die Prinzessin nach den Auslegungen der vorauSge- gaogeneu Wochen und unter dem Eindruck der Nach richt von der schwe-en Erkrankung ihres LieblingS- sohneS offenbar unter einer großen seelischen un» körperlichen Depression litt, so schlugen ihr die Anwälte vor, im Interesse ihrer Gesundheit da- Sanatorium Le Mctairie aufzusuchen. Giro», der ein unbedeuten der, eingebildeter, vom Gefühl der Wichtigkeit seiner Rolle vollständig durchdrungener junger Mensch ist, der sich an dem Gedanken begeistert, der Ritter einer un verstandenen Prinzessin zu sein, und auch von der Aufrichtigkeit seiner Neigung zur Prinzessin überzeugt sein mag, ist dann, um ihr die Wiederaufnahme ihrer Beziehungen zu den Kindern zu ermöglichen, abgereist. Darauf hat d e Prinzessin freiwillig den Antrag ge stellt, ns Sanatorium ausgenommen zu werden. Man wird für alle Falle aber nicht außer acht lasten dürfen, daß da- gesamte Gebahren der Prinzessin die Annahme einer Störung des seelischen Gleichgewichts nahelegt. DaS ganze Verhalten der Prinzessin rechtfertigt nicht sowohl eine Verurteilung vom Standpunkte des Sittengesetzes aus, als vielmehr vom physiologischen oder psychiatrischen Gesichtspunkte aus Mitgefühl und Bedauern für die un glückliche Frau. Die Rechtsfolge« des Urteils ind, wie ein Mitarbeiter deS „L. A." aussührt, zu nächst die, daß die Prinzessin aller Ansprüche verlustig geht. Die Tragödie der einstigen Kronprinzessin hat nunmehr ihr Ende erreicht. Schneller als man er wartet hatte, ist das Urteil gesprochen worden, über dessen Inhalt feit langem niemand mehr im Zweifel
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