Und jetzt ein neues Klavier! Wozu ein neues Klavier! Hat nicht Janko es seinerzeit mit einer neuen Klaviatur versucht, die gänzlich von der alten abwich, und die gewisse Unbequemlichkeiten, die aus der Disposition unserer Klaviatur erwuchsen, zu beseitigen vorgab? Da sie aber ein gänzlich ab weichendes Bild ergab, mußte man, um darauf spielen zu können, der alten Klaviatur endgültig Valet sagen. Dazu — ein ernst zu erwägender Schritt für jeden Klavierspieler — konnte man sich nicht so leicht entschließen. Dieser Klaviatur begegnet man nur noch in Instrumentensammlungen. Später kam Klutsam mit seiner Klaviatur, die nur darin von der alten ab wich, daß sie anstatt gerade zu sein, leicht gebogen war. — Dies, angeblich, um die kurvenartigen Arm- und Handbewegungen auch anschaulich zu unterstützen. Da die Tasten sich nach hinten zu etwas verjüngten, wurden weite Griffe etwas verkleinert, ein Vorteil vor allem für kleine Hände. Diese Klaviatur ist auch in Vergessenheit geraten. Zuletzt kam Hammond in Amerika, der sich um Klaviaturen und Applikaturen nicht kümmerte. Er hat eine Vorrichtung erfunden, die, ans Klavier angebracht, die Möglichkeit ergibt, einzelnen Tönen einen „singenden“ Charakter zu verleihen, die Mög lichkeit außerdem, den Ton an- und abzuschwellen. Dieses ist schon bedenk lich, denn es bedeutet gewissermaßen einen Verrat am Klavier. Denn der Klavierton ist ein perkusiver, es ist ein Hammerinstrument. Damit ist sein Wert, sein Charakter, engstens verbunden. Verliert sich der, so fängt der Untergang des Klaviers an. Erhalten wir das Klavier, und ist es uns un genügend geworden, so wäre eine Erweiterung zu erwünschen, mit Bei behaltung seiner Wesenheit. Dieser Wunsch wird wohl durch das neue Klavier von Emmanuel Moor erfüllt. Emmanuel Moor, ein außerordentlicher Musiker, ein Komponist von Rang, hat sich ein Menschenalter hindurch mit diesem Gedanken getragen. Noch zu Brahms Lebzeiten sprach er, damals ein noch sehr junger Mann, mit Brahms darüber. Das Moor-Klavier hat zwei Klaviaturen, wie das Cembalo auch hatte, doch mit dem Unterschied, daß bei Moor die zweite, direkt über der ersten liegende, um eine Oktave höher erklingt. Diese Struktur verbindet alle Möglichkeiten der Applikatur, die im Cembalo lagen — für die alte Musik sind sie unerläßlich — mit neuen Möglichkeiten, die für alle Musik von größtem Wert sind. Alles Weitgriffige liegt durch das Hin- überspielenkönnen von einer Klaviatur zur anderen unter der Hand. Dadurch wird an Präzision und Schönheit des Ausdrucks ungemein gewonnen. Wiederum wird es möglich, alles zweihändige Passagenwerk, das sich in enger Lage bewegt, in weiterer Lage zu spielen, da man zwei Klaviaturen hat, von denen die eine im Oktavabstand zur anderen erklingt. Da aber die Applikatur beim Klavierspielen ein geistiges Moment enthält, und Passagen mit gespannter Hand einen gespannten Ausdruck erhalten, ist die Möglich keit gegeben, die Applikatur je nach dem gewünschten Ausdruck zu wählen; man spielt wie bisher auf einer Klaviatur oder von einer zur anderen hinüber, wie es der jeweilige Ausdruck verlangt. Ueberhaupt bedeutet dieses Instru ment keine Veränderung des Klaviers, sondern lediglich eine Bereicherung. Darin liegt zum Teil sein Wert. 375