KÖRPER UND CHRISTENTUM Von KAPLAN F APIS EL S chon in den ersten Jahren meiner Hinwendung zum positiven Christentum bekam ich es oft zu hören — und auch von besten Freunden — daß ich nun wohl konsequenterweise aus meiner bisherigen Lebensführung eine bestimmte Pflege des Körperlichen entfernen müßte. Denn man muß wissen: ich war damals ein begeisterter Anhänger der modernen Körperkultur. Ich habe mich denn auch in jenen Tagen sehr genau umgeschaut in der klassischen Literatur christlicher Weltanschauung und Aszese. Da habe ich allerdings — besonders in Biographien von Heiligen und Einsiedlern und in Kulturgeschichten des Mittelalters — man ches gefunden, was zu dem Urteil verführen kann, das Christentum stehe dem Körper und damit der Körperkultur ablehnend, ja feindlich gegenüber. Je mehr ich aber gewisse Aussprüche und Erscheinungen mit ihren eigentlichen Gründen und Zusammenhängen in Verbindung brachte, hat sich mir die klare Überzeugung aufgedrängt, daß ich meine Körperkultur durchaus nicht aufzugeben brauche, um ein wahrer Christ zu sein. Ich will hier versuchen, meine inneren Auseinandersetzungen mit dieser Materie kurz und klar wiederzugeben. Der menschliche Körper läßt sich in seiner Bedeutung nach drei ganz ver schiedenen Auffassungen betrachten. Und so geschieht es seit jeher bis heute in drei verschiedenen Weltanschauungen. Der Materialismus kennt nur Materie, und deshalb ist ihm der menschliche Körper seiner Qualität nach der großartigste Ausdruck und Gipfelpunkt des Kosmos. Seine Kultur ist die höchste Kultur, seine Lust die höchste Seligkeit, seine Kraft und Schönheit Inbegriff aller Macht und Schönheit überhaupt. In diesem Sinne erhält bei der heutigen Ausbreitung der materialistischen Welt anschauung die moderne Körperkultur einen Charakter, der von vielen, und dazu zählen auch m. E. die wahren Christen, als unsinnig und verderblich abgelehnt wird. Markante Erscheinungen solcher Körperkultur sind heutzutage folgende: Der schnellste Läufer und der am härtesten schlagende Faustkämpfer werden mehr gefeiert als das geistige Genie, der heldenhafte moralische Charakter. Dem nackten Körper und seiner Darstellung unter verschiedenen Geschlechtern wird in der Wirklichkeit und Abbildung eine unerhörte, bisher nie dagewesene Geltend machung eingeräumt. Die Grundlagen für solche Übertreibungen müssen im Lichte des wahren Christentums abgelehnt werden, weil sie nicht nur der Ein wirkung einer übernatürlichen Kraft hindernd im Wege stehen, sondern auch der natürlichen Persönlichkeit des ganzen Menschen eine Gefahr sind. Der Spiritualismus hält den menschlichen Körper entweder für etwas ganz Un bedeutendes oder sogar für ein Übel als Hindernis geistiger Höherentwicklung und steht deshalb der Körperkultur grundsätzlich ablehnend gegenüber. Besonders sind es zwei Hauptformen des Spiritualismus, die sich in der Weltgeschichte ein schneidend und über weite Kreise der Menschen hin ausgewirkt haben. Die brah- manistisch-buddhistische Weltanschauung Indiens geht in ihrer Spekulation von der Grundüberzeugung aus, die ganze Welt der Erscheinung — also auch der mensch-