153 MADAME BUTTERFLY Das Märchen einer kleinen Japanerin von Willi Kollo Im Jahre 1926 war in allen Zeitungen der Welt folgende Geschichte zu lesen: ■ Cin eigenartige* »ermittelte uns eine Scgeüenijcit, . ‘ bie bie SBeit inteiefiieren bürfte. Sin belamttt* 3a«mit” ' • tei|enbet erjabli »on einer SDiabame Suttetflg, bie er "auf telner jjerldjungsfaljrt butd) 3 a r an . bort ein|am unb jurütf» , gezogen lebenb, fennen lernte. SJiabame Sutterjlt) ift beute {lebendig Jafite alt unb taijarbliib mit jener befannten tiagij^en Opernjigut ^Juttinis ibentijd). Sie tjat eine lodjtet, ' ' bie al» Xänjerin im Suslanbe lebt. SRabame Sutterfii) jetbft b»t 3 a P a » oetlaiien. I. In einem Hause bei Tokio, das einsam vor sich hinträumt, als stände di.e Göttin der Liebe davor, Neugier und moderner Hast den Eingang zu verwehren, sitzt eine alte Dame. Ist sie alt? Ihre Lippen leuchten wie blasse, frühgereifte Kirschen. Ist sie alt? Ihre Augen sind dunkel und tief, wie das Meer, über das sie wandern. Dunkel und tief sind ihre Augen. Und wie blasse, frühgereifte Kirschen leuchten ihre Lippen. Aber ihr Haar ist weiß. Weißer wie Kirschblütenschnee im Mai. Weißer wie ihre schmalen, sehnsüchtigen, blassen Hände ist ihr Haar. Silbern und fein, wie Millionen Saiten einer Zauberharfe aus Lindenblüten und Sommerwind. Ja, sie ist alt. Alt ist die kleine Madame Butterfly. Zwar wie sie dort sitzt, still und sinnend, könnte sie ein junges Mädchen sein, eine jener bezaubernden, verwunschenen Teehausprinzessinnen. Eine kleine, schmale Geisha. Aber weiß ist ihr Haar, und hundertjährig scheint sie zu sein, wie einst mals Ninon de Lenclos. Madame Butterfly liest. Einen Brief liest Madame Butterfly. 3