Hotter-Keiser’s Seeräuber-Oper Deutschlands erste stehende Oper wurde 1678 durch den Ratsherrn Schott in Ham burg gegründet. Hamburg pflegte von Anfang an die deutsche Oper, die sich eben zu entwickeln begann. Die Hamburger Oper, der „Hamburger Schauplatz“, wie man damals sagte, ist etwa 60 Jahre nach ihrer Eröffnung zugrunde gegangen. Sie war während der kurzen Zeit ihres Bestehens für die Entwicklung der deutschen Musik und des deutschen Theaters von größter Bedeutung. Anno 1701 wurde in Hamburg „Störtebecker und Jödge Michaels“ von dem Sänger Hotter, späterem Kantor-in Jevern, mit großem Erfolg uraufgeführt; die Musik komponierte der hochberühmte Kapellmeister Keiser, nach E. O. Lindner: „Vielleicht das roheste Stück, das überhaupt auf die Bühne kam . . . Das Stück machte großes Glück bei dem gewöhnlichen Publikum und hielt sich lange auf dem Volkstheater. Ochsen- und Kälberblut floß dabei in Menge.“ Die Textbücher der Hamburger Opern gehören zu den kostbarsten Raritäten der deutschen Musik- und Theatergeschichte. Wir zitieren im folgenden nach dem Exemplar der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin. Heinz Luedecke. Erster Theil Eilffter Aufftritt (Der Schauplatz verwandelt sich in eine lustige Gegend an der See. Wendela und Kunigunda mit etlichen Schäferinnen begleitet.) Wendela Jetzt da wir hier allein So laß dir doch mir fürzutragen Beliebig seyn Was Liebe sey / wovon so vieles sagen. Kunigunda *) Dis wird den Göttern selbst unmöglich bleiben Doch wil ich sie mit etwas ihr beschreiben. Aria: Die Lieb ist eine Süßigkeit Die ihren Ursprung kan vom Himmel nennen. Sie scbenckt der Seelen lautre Freud Und kan den Geist mit holden Flammen brennen. Ihr Zucker kan den Göttern so behagen, Das sie auch gar nicht nach dem Himmel fragen. (Die Schäferinnen tantzen.) U.S.w. . . . Zwölffter Aufftritt (Störtebecker und Jödicke Michel setzen mit etlichen Räubern ans Land und fallen vorige an.) *) Kunigunda ist ein als Frau verkleideter Mann. 352