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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.06.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070624022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907062402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907062402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-24
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Wie man oben wünscht, daß der Ministerwechsel gedeutet werde, zeigt salzender Artikel einer Berliner Korrespondenz, die sich namentlich Mühe gibt, glauben zu machen, der sozialpolitische Kurs werde auch nach Posadowskys Scheiden der gleiche bleiben. Es heißt da: Die Verabschiedung des Grafen Posavowsty und seine Ersetzung durch den preußischen Minister des Innern von Bethmann-Hollweg hat selbstverständlich Zweifel Hervorrufen müssen, ob die bisherige Sozialpolitik fort gesetzt werden soll. Diese Zweifel sind, wie wir aus allererster Quelle versichern können, durchaus unbegründet. Der Fall des Ministers für Sozialpolitik bedeutet nicht das Fallenlassen der Sozialpolitik; im Gegenteil, mit allen Kräften soll auf den beschrittenen Wegen weiter vorgegangen werden. Der Reichskanzler Fürst Bülow hat ja das wiederholentlich im Parlament erklärt. Das soziale Rc- sormwerk im Geist Posadowskys weiterzuführen ist des Kaisers fester und unerschütterlicher Wille. Daß Herr von Bethmann-Hollweg ein von modernem liberalen Geist erfüllter Mann ist, hat er ja wiederholentlich be wiesen; seine Reden haben deutlich gezeigt, daß die Reaktion ihn nicht vor ihren Wagen einspannen kann. Ist es nicht köstlich, zu sehen, wie hier mit flinker Hand Bethmann-Hollweg zu einem von „liberalem" Geist erfüllten Mann gestempelt wird, weil er, wie wir ja auch gern zu geben wollen, manchen modernen Ideen zugänglich ist? Und Bülow als Bürge jür die Sozialreform — der Mann, der sich nur die Grabschrift wünscht, ein agrarischer Reichs kanzler gewesen zu sein! UebrigeuS wird in der ganzen Affäre jetzt mit Recht aus einen Artikel der scharfmacherischen „Rhnuisch-Westfälischen Zeitung" hmgewie>en, die wenige Tage vor Posadowskys Sturz ihn ganz offen beschuldigte, den Reichskanzler posten zu „ambitiouieren" und „mit oder ohne seinen Willen der Kandidat des Liebenberger Kreises zu sein". Hieraus kann man sich ja ein Bild machen, wie gegen PosadowSky beim Kaiser intrigiert worden sein mag. Wir wüßten aber nicht, weshalb diese Kamarilla, die einen Posa- dowsky stürzte, vom politischen Standpunkt auö einer günstigeren Beurteilung unterzogen werden sollte, als die der Liebeobcrger Tafelrunde. Bon der Konferenz. An der Sitzung der 2. Kommission hat der französische Militärdelegierte die baldige Einreichung zweier Projekte an- geküudigt über die Rechte und Pflichten der neutralen Staaten, zowie die Eröffnung von Feindjeligkeiten. Bätcrchcn Dom Carlos. Die „Neue Hamburger Zeitung" meldet aus Lissabon: Die Regierung hat die kassierten Bürgermeister von Lissabon und Oporto wegen republikanischer Agitation verhaftet. Der König unterzeichnete gestern ein Dekret, daS den Minister präsidenten ermächtigt, die Abgeordueten des aufgelösten Parlaments ohne Erlaß einer gerichtlichen Verfügung auf administrativem Wege (!) zu verhaften. Von dem 1 Dekret werden 37 frühere Abgeordnete betroffen, die als f Führer der republikanischen Bewegung gelten. Das zweite Lissaboner Artillerieregiment ist durch lönigliche Verordnung wegen Disziplinlosigkeit nach dem Süden versetzt. — Administrative Verhaftung: genau wie in Rußland! Sie treibens toll; ich fürcht' es breche! Nachrichten aus der Provence. Aus dem Süden liegen bisher leine beunruhigenden Nachrichten vor. Die Deputierten Lafferre und Boncrat, die sich vorgestern nach der Annahme des Weingesetzes endlich ent'chloffen, ihre Wahlkreise Böziers uud Perpignan zu besuchen, wurden von dem Agitalionskomitee so schlecht empfangen, daß sie sofort die Rückreise antraten. Die Nachricht vom Besuch Marcellin Alberts bei Ele- mettceau rief grobe Erregung hervor. Man erwartet die Freilassung von Ferroul, sowie den übrigen Komiteemit gliedern. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung vor dem Iustizgebäude sind große Vorsichtsmaßregeln getroffen. Die Beerdigung der Opser der Unruhen von Narbonne, an der viele Abordnungen teilnahmen, vollzog sich in fried licher Ruhe. Es wurde eine große Zahl von Reden gehalten. (Natürlich!) Einen recht südländischen Zug verrät die Unterredung Alberts mit dem Ministerpräsidenten. Man glaubt ein Kapitel aus dem Livius zu lesen und wird geneigter, den Alten manche bisher für uuwahrscheinrich angesehene, geschicht lich überlieferte Dialoge zu glauben. Ueber die Vorgeschichte der Begegnung wird gemeldet: Marcellin Albert hatte, bevor er zu Elemeuceau eingelassen wurde, diesem einen Brief überreichen lassen, in dem er den Ministerpräsidenten im Namen Gottes (den Atheisten!) inständig um die Frei lassung seiner Gefährien bat und ihm ferner die Bitte unter breitete, den Winzern hilfreich die Hand zu reichen und die Truppen zurückzuziehen. Alles würde zum Heile der Republik zur Rübe wieder zurückkehren. — Ueber die Unterredung wird bekannt, daß Albert bestritten habe, bei seinem Vorgehen einen politischen Hintergedanken gehabt zu haben. Elemenceau gab ihm zur Antwort: „Sie haben eine erdrückende Verantwortung auf sich geladen. DaS Blut, daS vergossen ist, kommt auf Sie und auf mich. Gehen Sie nach dem Süden zurück und machen Sie einen Teil des Unheils wieder gut! Veranlassen Sie Iyrc Mitbürger, sich wieder auf den^Boden der Gesetzmäßigkeit zu stellen!" Albert versprach daS zu tun. In einer Unterredung mit einem Berichterstatter sagte der Ministerpräsident, er habe keine Anordnung gegeben, Albert zu überwachen, damit er, wenn ein Unglück eintrete, alles getan habe, um es zu ver meiden. Au eine neue Verwickelung glaube er nicht. In Pariser politischen Kreisen glaubt man an den Erfolg des bevorstehenden VersöhuungsversucheS. Man hält es für sicher, daß sich Albert, wen» er Viesen Versuch durcbgesührt hat, der Behörde stellen wird. — Elemenceau empfing den zurückgetreteuen Unterftaatssekretär Sarraut, blieb jedoch gegenüber dessen Bitten, die verhafteten Mitglieder des Komitees der Winzer freizulasseu, unerbittlich. In einem zweiten Interview gestand Marcellin Albert zu, daß ihn Elemenceau ermahnt habe, sich der Justiz nicht zu entziehen, bestritt aber, gesagt zu haben: „Ich bereue l aufrichtig, was ich verschuldet habe." Er erklärte: „Mit I denen, die wir tödlich hassen, haben wir noch abzurechnen." — Nach diesem Zwischenspiel dürfte es kaum uoch zum Aeußersten kommen. Aus so weichem Holze, wie dem weinenden Re- beüen-Hauptmann, werden keine Fanatiker geschnitzt. Freilich ist noch lange keine Beruhigung der Volksleiden- schäften gewährleistet. Der Aufruhr erfaßt im Augenblick auch daS Var-Departement, an Italiens Grenzen. Aus Toulon wird gemeldet: Mehrere tausend Weinbauern, die eine Versammlung abhielten, faßten einen Beschluß, in dem ausgesprochen wirb, daß die Gemeindebehörden des Departe ments Var sämtlich von ihrem Amte zurücktreten müßten. Von dem unerhört starken Einfluß, den Ferroul und seine verhafteten Genossen noch jetzt ausüben, gibt folgende be glaubigte Geschickte Zeugnis: Der Präfekt des Departements Hörault, BrienS, war genötigt, im AmtsweHe zu er suchen, daß seinem Abgesandten Leonhardt im Gefängnis zu Montpellier eine Unterredung mit Ferroul und Genossen bewilligt werde, da ohne deren schriftliche Zustimmung die aufständischen Winzer iu Paulhau den dort seit drei Tagen in einer Scheune festgebalteneu Uoterpräfekteu von Lodeve nicht entlassen wollten. Erst nachdem der mit Unterschriften versehene Freibrief einzetroffen war, gab man dem Unter präfekten, welcher keinen ganzen Faden am Leibe hatte, so übel war ihm mitgespielt worden, einen anständigen Anzug und wünschte im Glück auf die Reise. Unruhen in Italien. Vielleicht erkennt mau die bekannte ansteckende Kraft von Volisbewegungen in den heute aus Italien gemeldeten Un ruhen, die durch die Nachrichten aus Frankreich beeinflußt sein mögen: Die Bauernunruhen beginnen wieder in der Provinz Ferrara. Der Verband der Landarbeiter hatte die Grund besitzer zu einer Versammlung eingeladen, um eine Reform des Arbeitskontrakts zu besprechen. Da die Grundbesitzer dieser Einladung nicht folgten, hat die VerbandSleitung heute den allgemeinen Ausstand proklamiert. Es wurde Kavallerie dorthin entsandt. — Wie die Zeitungen melden, ist über ganz Italien von dem Mailänder Zentralkomitee der Bäcker für 48 Stunden der allgemeine Bäckerstreik verhängt worden. Den bisherigen Nachrichten zufolge ist die Anordnung all seitig befolgt. polnisches. 8. u. ll. Die Tagung des Nationalvererus in Heidelberg hat am Sonnabend begonnen. In der Vorslandssitzuna wurden noch einmal die Ziele des Nationalvcrein- eingehend klar gelegt und besprochen. Der Vorsitzende des Ausschusses Professor Dr. Günther hob hervor, daß der National verein Arbeit in einem großzügigen agitatorischen Sinne leisten wolle. Mit dem bisherigen System müsse gebrochen werden. Tas Wort: quiota non rnnvero müsse seine Gel tung verlieren. Der Nationalvcrein habe durchaus nicht die Abiicht, gegen andere Liberale anzukämpscn. Er wolle nur zeigen, daß die bisherige gegenseitige Zerfleischung der Libe ralen endlich ein Ende Haven müsse. Auch von anderer Seite wurde betont, daß eine lebhafte liberale Agitation einsetzen müsse. Es müsse durch Flugichriftcn dafür gesorgt werden, daß die liberale Weltanschauung weiter verbreitet werde. Ter Nationalvcrein wolle nicht in die bestehenden Organs- iationen cingreifen, er setze es sich zum Ziel, die noch un organisierten Kräfte zu sammeln. Er will das liberale Gc- meinsamkcitsgefühl stärken. Bedauerlich sei das Mißtrauen, das dem neuen Verein noch von vielen Seiten entgegen gebracht wird, besonders von Norddcutschland aus. In Süddeutschland habe man dem Verein reiches Vertrauen ent- gegcngehracht. Leider habe man aber in norddeutschen Kreisen manches Wort der Geringschätzung und des Miß trauens hören müssen. Leider auch aus liberalen Kreisen. — Ueber die weiteren Verhandlungen werden wir berichten. * Aus dem preußische» Kultusministerium. Tas Kultus. Ministerium läßt soeben durch die verschiedenen Bezirks regierungen feststellen, wieviel Ncbeneinkvmmen die einzel nen Lehrpersonen der Volksschulen beziehen aus ihrer nicht amtlichen Tätigkeit im Staats- und Kommunaldienst, ferner als Kassenverwalter, Sekretäre usw. von gemeinnützigen Veranstaltungen, aus nicht mit ihrem Amt verbundenem Kirchendienst, aus Agenturen, literarischer Tätigkeit, durch Privatunterricht als Leiter von Gesangvereinen usw. Es handelt sich hierbei in letzter Linie nicht darum, das Neben- einkommen der Einzelpersonen zu ermitteln, sondern cs soll die Gesamtsumme festgestellt werden, die den Lehrern und Lehrerinnen der Monarchie ans außerdienstlicher Tätigkeit zufließt. Die Erhebungen stehen dem Vernehmen nach zu dem bevorstehenden Lehrerbesvldungsgesetz in Beziehung. * Die Reichstagsersatzwahl im 3. oldenburgischen Wahl- kreis, die, wie schon gemeldet, am 4. Mai stattfinden wird, dürfte sich ohne jeden ernsthaften Kampf vollziehen. Ter Wahlkreis ist überwiegend katholisch und gilt als sicherer Zentrmmsbesitz. Kandidat des Zentrums ist der Erb- kämmerer Friedrich Matthias Gras von Galen auf Haus Assen bei Lippborq in Westfalen, der einen Teil seiner Liegenschaften im Oldenburgischen hat, u. a. die Burg Tink- läge in Südoldenburg. Er ist der älteste Sohn des Ferdi- nand Heribert Graten von Galen, der den Wahlkreis über 30 Jaore im Reichstage vertrat. Burlagc wurde 1903 sein Nachfolger. Ter neue Kandidat ist zweiter Vorsitzender der westfälischen Zentrumspartci. Provinziallandtagsmitglicd, Vorstandsmitglied im Bonifatiusvcrcin u. a. m. * Ein polnischer Bcrgarbritcrverbaud. Aus Dort mund meldet uns ein eck.-P r i v a t t c l e g r a m m: Die Vertreter der polnischen Vereine des Ruhrgebietes be- schlossen in ihrer letzten Tagung in Witten den Austritt aus den bisherigen Bergarbeiterverbänden, nm einen sclbstän- digen polnischen Bcrgarbeitcrvcrband für den deutschen Westen zu gründen. * * Wiederwahl des Masioten. Bei stärkerer Beteiligung als früher wurde der ehemalige Minister Nasi in Trapani wiederum zum Deputierten gewählt; er erhielt saft sämt liche Wählerstimmen. * Die Schändung von Garibaldis Grab. Zur Ent weihung des Grabes Garibaldis wird noch gemeldet, die Witwe des Generals habe sich telegraphisch an den König und den Kammerpräsidenten gewandt mir der Benack- richtigung. daß ihr Sodn Ricciotti ans erster Ebe Gari- baldis als der Tat verdächtig erscheine. Sic verlangt io- fovtigc Instandsetzung des Grabmonumcnts. Ricciotti Garibaldi protestiert energisch gegen die erhobene An- schuldigung. * Geadelt. Aus Pest wird gemeldet: Der deutsche Großindustrielle Heinrich Tbvßen bat für 3 Millionen Kronen die Besitzung des Hofratcs Julius Szajbely gelaust. Der König bat dem nunmehriger ungarischen Großgrund, besitzet' Tyyßen dem Vernehmen nach gestern den Titel eines ungarischen Barons verliehen. * Nachrichten ans Jemen. Wie die „Times" aus Kairo melden, sind Truppenteile der Garnison Akabah nach Jemen abgegangen. Ferner berichtet dasselbe Blatt, die Garnison I von Hodeida habe sich geweigert, zum Entsätze von Sana ab- I znmarschicrcn. Feuilleton. 81 n- LI w LI Lr LI LI LI LI LI Die Deutschen bleiben, trotz aller heutigen Bemühungen um die Form, zur Überfütterung des Innenlebens verurteilt und auf Gering schätzung der Augenkultur angewiesen, die dockt vornehm macht. L! LI LI L! L! LI LI LI L! LI LI L! L) L! Im Begriffe, am Geist zugrunde zu gehen, wird die Menschheit des Nordens sich er neuern müssen durch die des Südens: durch ihre gesündere Animalität, die sic vor den Verführungen und Lastern des Geistes bewahrt Heinrich Mann. L! LI LI LI L! LI LI LI L! L! LI LI LI LI LI LI LI L! L! LI LI LI LI LI L! L! Münchener vil-erssninier. I. Der Glaspalast. Tie beiden großen Ausstellungen, die alljährlich die Ouintessenz dessen darbieten, was die Kunststadt München an greifbaren Werten zuwege bringt, die Ausstellungen im Glaspalast und in der Sezession, haben schon seit geraumer Zeit ihre Physiognomien nicht mehr verändert. Daß in München viel Kunst Produziert wird, weiß man seit Jahr zehnten, daß aber in München wirklich wenig gute Kunst entsteht, ist das Fazit, das sich jeden Sommer dem Betrachter von neuem ausdrängt. Unter den mehr als zweitausend Kunstwerken des GlaspalastcS sind kaum hundert, bei denen cs sich verlohnte. Halt zu machen im Gegensatz zu der Sezes sion, wo nur einige hundert Werke beieinander sind, von denen aber mit wenigen Ausnahmen fast jedes Oualität und Indi vidualität besitzt. Der Glaspalast erscheint mir immer wie die Summe dessen, was eigentlich die wirkliche Münchener Kultur — die es nämlich, genau gesehen, gar nicht gibt — ausmacht, die Sezession dagegen ist unmünchenerisch, weil sie geläuterten Geschmack verrät und letzten Endes der Aus fluß derselben Bewegung ist, der wir das Werden einer neu deutschen Kunst überhaupt verdanken. Indes diese Bemer kung hat nur im allgemeinen ihre Berechtigung. Denn ebensowenig wie die „Scholle", die stets als eine einsame Oase in der ernüchternden Einöde de» GlaSpcckasteS erscheint, mit der sonst an diesem Orte aufgestapelten künstlerischen Produktion identifiziert werden darf, ebensowenig kann man heute noch einen Meister wie Stuck, dessen Werke von Jahr zu Jahr immer roher und ungenießbarer werden, zu der Sezession nach den oben angcdeutetcn Gesichtspunkten rechnen. Im ganzen aber bemerkt man auch in München den gleichen Stillstand auf künstlerischem Gebiete wie in anderen deutschen Kunstzentren. Die revolutionäre Be wegung der neunziger Jahre ist endgültig abgecbbt; die deutsche Moderne hat sich in heftigem Kampfe ihre Stellung erobert und das alles in sich ausgenommen und verarbeitet, was ihr von außen zugcflosscn ist, ohne sich selbst dabei zu verlieren. So kann man Heuer von eigentlichen Ent deckungen, wie man sie noch vor fünf, sechs Jahren bei einem deutschen Ausstcllungssommcr zu Dutzenden machen konnte, nicht mehr reden, dagegen darf man auch von den Aus stellungen dieses Jahres die Uebcrzeugung mit sortnehmen, daß das künstlerische Niveau ständig im Steigen begriffen ist. ohne daß man dabei gerade unvorhergesehenen Ueber- raschungen ausgesetzt wäre. Ter Glaspalast in seiner jetzigen Form und in der Art, wie dort das künstlerisch total Minder wertige gegenüber dem wenig Guten die Oberhand behält, ist für München auf die Dauer ebenso unmöglich wie die Große Berliner Kunstausstellung am Lehrter Bahnhof, von der man ähnliches behaupten darf, wenn auch sic gerade in diesem Jahre einen wesentlich besseren Eindruck hinterläßt als früher. Wir müßten den in der Rcichshanptstadt tätigen Geist außerordentlich verkennen, wenn das nicht noch von Jahr zu Jahr besser würde, sehr im Gegensatz zu der Isar stadt, wo man noch lange dasselbe ausgcfohrcne Gleise weitertrotten ivird, weil man in Bayern zwar viel von Kunst redet, aber darum weniger dafür tut und schließlich auch gerade den Stellen, die über das Schicksal der „Kunststadt" München zu entscheiden haben, jedes rechte Verständnis fehlt. Jedem Eingeweihten sage ich damit nichts Neues. Die Cliquenwirtschaft ist in Nkünchen stärker als anderswo in deutschen Landen, und wohl aus keinem Boden dürste cs jungen aufstrebenden Talenten sich wenigsten? von Staats wegen dnrchzusetzen so schwer fallen, wie gerade in Bayerns Hauptstadt. Die sogenannte bayrische Kunstpflegc ist ein sehr aktuelles Thema, über das schon viel gcfckri-'ben worden ist und über dos in der nächsten Zeit noch mehr Tinte fließen wird. An Vorzeichen für eine baldige Besserung der all gemeinen Zustände fehlt es auch nicht, jedenfalls darf man den eben erst erfolgten Ankauf des großen Putzschen Damen bildnisses von der Ausstellung der „Scholle" für den Staat als solches betrachten. Es gibt in München sogar Leute, welche vehaupten, es sei seit vielen Jahren überhaupt die erste vernünftige Erwerbung, welche der Stacn gemacht habe. So ganz unrecht haben diese Leute kaum. Man denke sich, welch eine Wandlung: Von Putz, dessen „Bacchanal" vor zwei Jahren aus dem Glaspalast aus Gründen der öffent lichen Sittlichkeit heraus mußt«, besitzt der Staat nun schon zwei Werke. Auch im klerikalen München wird es einmal Tag werden. Der Glaspalast hat aber noch andere Verdienste. Nicht nur, daß er die vortreffliche „Scholle" und eine Reihe inter essanter Ausländer, vor allem Engländer beherbergt, seine stärkste Attraktion dürften die beiden Nachlaßausstellungcn von Wilhelm von Diez und Edmund Har burger sein. Vornehmilch die erstere. Diez durfte sich schon bei Lebzeiten allgemeiner Wertschätzung erfreuen, es gibt wohl kaum eine deutsche Galerie, die nicht wenigstens eins seiner Werke besäße. Doch ich glaube, den ganzen, den großen Diez lernt man erst nach seinem Tode kennen. Sein bistorisckes Verdienst bleibt, daß er in einer farbcnfcindlichen Zeit in dem München der Piloty, Kaulbach usw. wieder au) bas Studium der Alten zurückgriff und sich speziell an den Werken der holländischen Kunst zu einem wundervoll fein fühligen Koloristen entwickelte. Den Deutschen WUH. von Diez, der mit Vorliebe der Illustrator der cpisvdcn- reichen Zeit des Dreißigjährigen Krieges gewesen ist, kennen wir längst: den Maler Diez dagegen, der künstlerisch dem ersteren zweifellos überlegen war, seinem vollen Werte nach cinzuschätzep, dürften wir erst heute in der Lage sein. Wer von Rembrandt und den Kleinmeistcrn Hollands herkommt und sich, doch ohne Preisgabe des Eigenen, zu einem so außcrgewölmlichen Koloristen entwickeln konnte, muß neben der eingeborenen Begabung auch ein Sentiment besessen baden, das der größten Bewunderung wert erscheint. Und Diez ist immer vornehm geblieben, was man von Edmund Harburger nicht behaupten kann. Während jener, so legendär-episch der Inhalt seiner Bilder ist, doch stets der Anekdote durch die höhere künstlerische Form Herr wird, möchte ich diesen geradezu als ein Opser des Münchener Bier philistertums aussprcchcn. .Harburger, der sich in seinen Anfängen sehr nahe mit Die; berührt und von dem man im Glaspalast einige feine Klcinbildcr sieht, die aus seiner Frühzeit stammen und ganz exzeptionell im übrigen Oeuvre dastchen, ist dem Genre zum Opfer gefallen. Ein Meister ist er freilich auch da geblieben, nach der Seite des rein Malerischen wenigstens. Aber daß man ihn wegen der be- liebten Sujets der Bierpolstikcr usw. schätzte und kannte, dürfte seinem Nachruhm nicht eben günstig sein und ihn schneller auf die Liste der für immer Vergessenen bringen. Mit größerer Berechtigung freilich wird dieses Schicksal in nicht zu ferner Zeit auch Fritz August von Kaul bach erreichn. der lumer ein besonderes Kabinett für sich ans der Ausstellung Iwt, wo die Frauen bewundernd Halt machen und sich an der Süßigkeit dieser oberflächlichen, geistig leeren, absolut unbedeutenden Malerei nicht genug satt «eben können. Mich trieb's mn Entsetzen hinaus und mit Bedauern über die Kunststadt München, wo die öffent liche Gunst solche Helden auf den Händen trägt. Da gibt es auch sonst ini Glaspalast dock Besseres zu sehen. Unter dem Vielen Allaiviclen sand ich das Folgende als bcockicns- wcrt lieraus. Von den Dresdnern Poesch maun und Paula von Blankenburg einige Stücke, die cm vorigen Jahre bereit- auf der Dresdner Au-stellung gebührend ge würdigt wurden. Vom alten Dcsrcggcr ?wei Bilder, vornchmlichZöcr „Landsturm vor dem Kriege", die diesen in doppeltem Sinne „Tiroler Reisigen" unserem Herzen von neuem nahebringen und wegen ihrer malerischen Oualitäi genannt werden. Ferner von Bartels und Eugcn Bracht, von Paul Rietz und Otto S t r ii tz c l, d.c man ja alle längst kennt und darum nicht näher zu cr- wähnen braucht. Einen besonderen Hinweis verdient der Münchener Gilbert von Eanal, dcr au S. von Runs- dael und Ian van Goyen seine Kunst hat ausrencn !a>'c:i und wundervolle Landschastsbildcr mit schwere', anno sphärischer Tonstimmung malt, die sich quaUiaiio geradezu glänzend aus dem übrigen Milieu hcraushcbcn. Eni seines Jnterieurbild von Martin Schiebt, au Iieicr de Hooch erinnernd, sollt ebenfalls auf. Gun: Land , a bilder gaben Paul Thicm , wie immer Willi nid c r, Max Hartwig, Hans Kla:i, ein wcu.g zu start von Thaulow becinsliißt, und endlich ein vräckngc.-. Ice- stück K a r l L e i p o l d. Dagegen ist das Ponrcst als solches kaum erstklassig im Glaspalast verncicn. Pcruai höchstens tut sich diesmal durch ein Bildnis des Frln. von Soden hervor, auch Hans Best und Mangold müssen genannt werden, während Pappcritz und Vas unglaublich schlechte Bildnis des Prinzrcgenlea von Alexander Fuks zu jenen typischen Erichcinuugen dieser Ausstellung gehören, an denen man gern verhüll.en Hauptes vorüber eilt. Das böse Fatum dcr Münchner Kunst aber bleibt dos sogenannte Genrebild, jene Stücke, an denen sich das breite Publikum fo gern ergötzt uns die der durchreifendc Fremde massenweise kaust, die. ichlccht sind, auch wenn sic, Ivie bei den <roiibrctrenoarstelli:iigcn Ludwig von L a n g c n m a n t e l s, ins Pikante h:n- überspielen. Stücke wie Adolf Echtlcrs „Rest", von Engelhardits „Im Gebet" oder Franz Simms „Empfang", die nur in Nkünche» möglich sind, weil hier der Geschmack im breiten Publikum iiberbaupt nicht be- sonders kultiviert ist und diese Zuckcrsächelckien so gern von L iilid I, die alljährlich in die bayrischen Hochalpcn reisen, erworben werden. Ick) nannte diese Bilder typ sch für den Glasvatasr und kann hinzusiigen, daß sich der Kri tiker, wenn cr drei von ihnen beransgrsss, einer Ausgabe entledigt hat, als wenn er an die tauiend ähnlicher Bilder besprochen oder nicht bcsprmven hätte. Dock» lmde ich mir noch einige Stücke notiert, an denen die Erinnerung gern Iiasten bleibt. In der Luitpoldgrnppe treten Fritz Faber mit einem ^traßenbild in abendlichem Zwielicht, Helene S ch a 1 t c n m a u n mit einem ausgezeichneten Rhvdodendron-Stillebcii, das geraden Weges von Eazanne herkommt, ferner Milln F ries mit einem aparten Porträt „der gelbe Strohhut" und Walter G-sfckcn, den man länM zu schätzen weiß, mit einem ähnlickfen Stück hervor. Auch Adolf Heller bat einige grüe Porträts ausgestellt, darunter besonders hervorragend das Profil bild einer Dame mit Fächer. Als Kuriosum, vor dem man nur dringend warnen kann, nenne ich endlich nockWillv von Bcckeraths großes Wandbild „Johannes" — oder wre es ein Münchner Kritiker richtiger nannte, „Die Predigt im Schwitzbad", daS in Berkemmna der eigentlich neonnoresftvnrffsschal Technik schi« Lrglärübliches leMet,
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