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Dresdner Journal : 03.10.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-10-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188710030
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871003
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871003
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1887
- Monat1887-10
- Tag1887-10-03
- Monat1887-10
- Jahr1887
- Titel
- Dresdner Journal : 03.10.1887
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V2SV. I, 4»«t»«d«» L«t«k«: ^Lürliod, . . . . 1« «vk. ^j-yrlioK: 4 !C»rK KO Kt. Lio»«!»« Hiuiuo«ri>: IvLk. La««rd«Id6»i «isotrop«» ltsiok« tritt?cxt oo«i 8tvmp«l,o,opl»<s t>ü»u. ^L^Üolii^oaxitKedlikr»», k'är 6ao lt»um «io«r x«,p»It«ilso 2»ils stiel»«« 8est«itt 20 Ls. Ovter „Liii^««»o6d" 6i« 2eU« KO II. v«i krbsllso- ao«i Hit'e^nEt« sotrpr. ^ukiodl»^. Lr»ek«lo«»r l^Iict» mit Xoumtuo« ävr 8o«m- »ock ?si«rt»^« »devä«. k'orLsprvoil Itimotllll»»: !s«. I2SK. Montag, de«'3. Oktober, abends. DieMelMmnal. Für üt« Gesanttlettung oeraimo«rUtchr Gtto Banck, Professor der Litteratur. und Runstgeschichte. 188». ü»»«»» V» »»»«Krst»i F> Oommimt*«»» ü« L»»d«i, - K«rU»-Wt«» - »—l-Ir— ». N.: L«»a»«n»t«i« Lo-K«, >«U»-Vr»»-A»»»»r,- kr»A L«ip»t, ». N.-»»«»«»: L-ck. ükom«,' k»rt» L»»ä«» - 8«rU» 1>»L)re»«l «.». - >t»a»»«4: D««-« «0 6oI»«U»: Z»oattck«mcka»L,' S»rUt>: S. äsM«H 0. Le^it—t««, U«U« ». ».: /. Laeet «» O». K««»»^d«r r Tüm-l. 8rp«1jti<>o ä«, i)«»»<1»«r Zounurl», vr««ck«», 2vill^mitr. »y. korviprsost-^luostllu«: Nr. 1>9b Ämtlicher Teil. Dresden, 2. Oktober. Se. Majestät der König sind gestern Abend 9 Uhr nach Wien gereist. Dresden, 3. Oktober. Ihre Majestät die Königin sind gestern Nachmittag 4 Uhr 25 Min nach Stresa gereist. Se. Königliche Hoheit der Prinz Georg, Herzog zu Sachsen, und Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Mathilde sind heute früh von Schloß Persenbeug wieder zurückgekehrt. Dresden, 3. Oktober. Se. Majestät der König haben dem in den Ruhestand getretenen Gerichts schreiber beim Oberlandesgericht, Kanzleirat Friedrich Gotthelf Stübler das Ritterkreuz II. Klasse vom AlbrechtSorden Allergnädigst zu verleihen geruht. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Oberschafsner bei der Staatseisenbahnverwaltung Friedrich Ernst Steinert in Leipzig die von Sr. Hoheit dem Herzoge zu Sachsen- Altenbur^ ihm verliehene silberne Verdienst-Medaille des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Hausordens an nehme und trage. nichtamtlicher Teil. Ketegvaphische WacHrncHten. Leipzig, 3. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Hauptvrrhandlung gegen Neve wegen Hoch verrat vor dem vereinigten II. und HI. Straf senat deS Reichsgerichts hat heute vormittag be gonnen. Der Angeklagte hatte früher geleugnet, daß er Neve sei. Heute hat er dieses zugestanden. Die Öffentlichkeit wurde hierauf für die ganze Verhandlung ausgeschlossen. Berlin, 3. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Gestern abend brach im Berliner Spedition»- und Lagerhaus (Aktiengesellschaft) in der Kaiserstraße Feuer auS. Dasselbe konnte erst im Laufe der Nacht gelöscht werden. Eia Speichergebäude mit dem gesamten Inhalte ist total, ein anstoßende- militärisches Proviantmagazin teilweise zerstört worden. Der Schaden ist durch Versicherung ge- deckt. Eia Feuerwehrmann wurde durch den Rauch derart betäubt, daß er inS Krankenhaus geschafft werden mußte. Hamburg, 3. Oktober, nach«. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Ministerpräsident CriSpi ist mit seiner Begleitern von KriedrichSruh abgereist. Buda-Pest, 3. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der „Pester Lloyd" bespricht die Grund losigkeit der von den oppositionellen Blättern ge machten Mitteilungen über daS Defizit deS Vor jahres uud konstatiert, daß die LrrmögenSbilanz de« ungarischen StaateS im letzten Jahre keine Lerschlrchteeung erfahren hat. Dresden, 3 Oktober. Die Reise deS Ministerpräsidenten Crispi zum deutschen Reichskanzler. DaS allen deutschen Vaterlandsfreunden überaus willkommene Ereignis dieser bedeutungsreichen Zu sammenkunft findet selbstverständlich in der gesamten europäischen Presse eine lebhafte politische Beachtung. In Bezug darauf können unS nur die von einem unbefangenen und nicht feindfeligen Standpunkte auS kundgegebene Ansichten zunächst interessieren — nicht aber jene, welche westlich und östlich jenseits der Gren zen unseres Reiches und seiner Verbündeten sehr bald und sehr verstimmt zur Aussprache kommen werden. Feuilleton. Der Komödianten-Nah. Eine Geschichte au» den bayerischen Bergen. Boa Friedr. Dolch. (Fortsetzung.) Der Wirt schwieg hier einen Augenblick und trock nete mit dem Schurz seine Stirn ab. Dann zog er eine schwarze runde Dose hervor, öffnete sie, bot dem alten Herrn eine Prise und fuhr fort: „Nach mehreren Jahren iS der Nah auf einmal wieder heimgekommen. Sein Vater war während der Zeit gestorben und feine Mutter iS irrsinnig gewesen und auch im Sterben gelegen. Kurz vor ihrem Tod iS das alte Weibel von ihrer Narrheit wieder befreit worden und hat ihn erkannt; die Freud' aber hat nimmer lang' dauert und bald darauf hat er ihr die Augen zudruckt. Jetzt hat er das Gütl von feinen Eltern übernommen und hat d'rauf gewirtschaftet. — Da kommt er einmal mit einem Sack voll Erdäpfel in den Keller und will sie auf ein Breitergestell aus- leeren, das da aufgestellt gewesen ist. Das Ge stell war aber schon ganz wurmstichig und verfault und iS zusammengebrochen. Da sind auf einmal zwei schwere Dinger auS einem Winkel herauSgekugelt und wie der Natz sie genauer angeschaut hat, hat er ge sehen, daß es zwei alte Strümps' sind, die voll alter Gold- und Silberstückeln gesteckt sind. Jetzt iS der Natz mit einem Schlag ein wohlhabender Mann g'wefen, denn da» Geld hat sein Vater versteckt ge habt, der überall al» Geizkragen bekannt g'wefen iS." Sehr beachtenswert für den Kern de- Gegenstände» scheint unS die Stimme der „K. Ztg." Sie sagt: „Die Wände der Kanzlerzimmer in Fried rich-r»h machen eine Ausnahme von der R.gel, sie haben keine Ohre»; wenn es daher daher den beiden Staatsmännern nicht gefüllt, wird nichts von ihren Berhandlungen an die Öffentlichkeit dringen. Mag nun die bulgarische oder die römische Krage, mögen Ägypten, Marokko oder Abessinien den Gegenstand ihrer Be sprechung bilden, sicherlich wird eine» nicht unberührt bleiben, und da» ist der Anschluß Italien» an Deutschland und Öster reich, oder, war damit gleichbedeutend ist, die Aufrechterhaltung des europäischen Frieden». Dieser Punkt ist r» zweifellos, welcher dem heutigen Tage ein für die gesamte politische Welt hochbedeutsameS Gepräge und eine geschichtliche Tragweite giebt. Auf den Besuch KalnokyS folgt der LriSpiS in Friedrichsrud, und damit wird heute zum ersten Mal daS deutsch-österreichisch- italienischc Bündnis öffentlich bekundet, daS für die weitere Zu kunft vor allem berufen ist, der Welt den Frieden zu gewähr leisten. ES ist das unumstößliche Verdienst Eri»piS und zeugt von seinem weiten staatsmännischen Blick, daß er, obgleich früher Oppositionspolitiker, bei seinem Eintritt in» Ministerium im April d I. sofort die außerordentliche Bedeutung erkannte, die dieses dreifache Bündnis für Italien insbesondere und nicht minder für ganz Europa besitzt. Er trat demgemäß für die Aufrechterhaltung dieses Bündnisses ein und bricht heute durch seine Reise alle Zweifel, welche vor allem in der französischen Presse nicht verstummen wollten, die Spitze ab. Für die beiden leitenden Staatsmänner der verbündeten Reiche mag daS Bedürfnis sich über die Folgen diese- Bündnisse» im einzelnen und über die gesamte politische Lage im mündlichen Gedankenaustausch auSzusprechen, immer dringlicher hervor- getreten sein, und da Fürst Bismarck bei seinem leidenden Zu stande und hohen Alter nicht in der Lage ist, weite Reisen zu unternehmen, so hat LriSpi ebenso, wie eS bisher Kalnoky ae- than, gern der Einladung entsprochen, den deutschen Reichs- kanzler aus seinem Woldschlosse auszusuchen. Deuilchland wird eS dem italienischen Ministerpräsidenten Dank wißen, daß er nicht vor den Strapazen der weiten Reise zurückgefchreckl ist; es wird mit warmer Benuathuung anerkennen, daß es seiner Haltung und der seines König« gelungen, Deutschland und Italien den allgemeinen Wünschen der beiden Völker ent sprechend zu einem festen Bunde miteinander zu verbinde», der hoffentlich noch aus viele Jahre von unerschütterliche« Bestand« sein und bleiben wird." Auch die „N. fr. Pr." widmet diesem Vorgänge eine warme Teilnahme durch folgende auS ihrem Be richte hervorzuhebende Zeilen: Der Besuch LriSpiS kommt keineswegs überraschend: er ist im Gegenteil eine natürliche Kolge der vortreffliche» Beziehungen, welche nun schon seit geraumer Zeit zwischen Deutschland, Öster reich und Italien bestehen. LriSpi war stet» ein Vorkämpfer derselben, und man darf von ihm voraussetzen, daß er danach strebt, da» Verhältnis Italien» zu den beiden Kaiser« ächten immer inniger zu gestalten. Sein Besuch in Friedrichsruhe ist der sichtbare Ausdruck diese» Streben», der deutliche Beweis, daß er die Politik deS Grafen Robilant, welch« im Grunde nur die Politik DepretiS war, nicht nur fortsetzen, sondern noch Wetter entwickeln will. Insofern ist e» ganz charakteristisch, daß die ersten Nach richten über die neueste Ministerbegegnung, welche dem Besuche KalnokyS auf dem Fuße folgt, au- Pari- kamen. Da- Miß trauen hört und sieht fchäfer als die Freundschaft; darum war man über die Reise des italienischen Ministerpräsidenten in Frankreich besser unterrichtet al- in Österreich, ja bester als in Rom selbst. Die Franzosen verfolgen die italienische Politik seit Jahren mit argwöhnischen Blicken. Sir empfinden eS bitter, daß Italien sich mehr und mehr von ihnen abwendet; daß dort die Erinnerung an 18KS durch die an 1849 und 1887 ver drängt wird; daß e- unmöglich scheint, die alten Svmpathien für Frankreich der praktischen Politik Italien- zu Grunde zu legen. Namentlich Hr. CriSpi steht in Pari» im Verdacht, ein heftiger Gegner Frankreichs zu sein, obwol er al» demokratisch gesinnter Mann eine gewisse Vorliebe für die Republik hegt und sich in neuester Zeit wiederholt öffentlich gegen den Bor wurf verwahrt hat, die Franzosen zu hasten. Senn CrispiS Reise ein bestimmtes Ziel verfolgt und nicht bloß darum unternommen wird, um im persönlichen Berkehre mit dem deutschen Reichskanzler die freundschaftlichen Bande zwischen Deutschland und Italien im allgemeinen fester zu schlingen, so gilt sie wohl einer Verständigung über die orienta lischen Angelegenheiten. In ihrer Auftastung der bulgarischen Verhältnisse weicht die italienische Regierung sehr weit von der deutschen ab. Während die letztere sich der russischen nähert dieselbe wenigsten- bereitwillig unterstützt, nimmt Italien den Standpunkt ein, daß eS die Ausgabe der Machte wäre, den Kampf der Bulgaren um ihre Selbständigkeit zu erleichtern, die Wünsche deS bulgarischen Volke- auf die eine oder die andere Weise mit dem Berliner Vertrage in Einklang zu bringen. Schärfer, al- Österreich, schärfer selbst als England hat da- italienische Kabinett in seiner Antwort auf da- türkisch« Rundschreiben den Gegensatz hervor- Hier hielt der gesprächige Wirt auf» neue inne und fuhr sich wieder mit dem Schürzenzipfel über da» Gesicht. Die Fremden aber betrachteten neugierig den alten silberhaarigen Natz und der ältere Herr sagte zum Wirte: „War Ihr uns da erzählt habt, interessiert mich in so hohem Grade, daß ich gern mit dem alten Manne sprechen möchte. Könnt Ihr unS nicht vielleicht be kannt miteinander machen?" „Warum denn net?" entgegnete der Wirt. „Nix i» leichter al« dass Ich brauch dem Natz bloß zu sagen, daß Sie sich für ihn und fein Theater inter essieren, nachher wird er Ihnen gleich feine Aufwar tung machen." „Ja, thut da»", sagte der alte Herr und der Wirt erhob sich augenblicklich und trat an den Nachbartisch, wo der Komödianten - Natz mit noch mehreren Män- nern im eifrigen Gespräche saß. Er nahm den Natz auf die Seite, flüsterte einige Augenblicke mit ihm und wie» dann auf die Fremden, die gespannt zu ihnen herüberblickten. Der alte Natz verließ hierauf den Wirt und trat, ohne die mindeste Spur von Be fremdung oder Verlegenheit zu den fremden Gästen, zog feinen Hut und neigte grüßend den Kopf. „Grüß Gott bei einanderI" sagte er. „Der Wirt hat mir g'sagt, daß Sie mit mir sprechen wollen. Ich steh' ganz zu Ihren Diensten; Sie dürfen nur sagen, was Sie von mir wünschen. Wenn ich Ihnen irgend eine Gefälligkeit erweisen kann, thu ich's von Herzen gern." Der alte Herr hatte sich ebensalls grüßend von seinem Stuhle erhoben und sagte jetzt mit freundlichem gehoben, in welchem e» sich mit den Ansprüchen Rußland- be findet Zwei Ursachen wirken für diese Haltung Italien- zu sammen In erster Linie der Gedanke, daß es in Widerspruch und Aufruhr gegen internationale Verträge, durch den Willen und die Kraft der Nation entstanden se«; daß eS also auch fremden Völkern gegenüber seinen Ursprung nicht verleugnen dürfe und jede- Ringen um Freiheit und nationale- Dasein unterstützen müsse. Dann aber auch die Furcht, Rußland an da- adriatische Meer Vordringen zu sehen. Es lebt kaum rin politisch denkender Italiener, der nicht die Meinung vertritt, Italien dürfe eS unter keiner Bedingung gestatten, daß sich Rußland der Balkanhalbinsel bemächtige und dadurch in die Reihe der Mittelmeermächte eintrete Es vereinig n sich somit ein idealer und realer Beweggrund, um Italien zum Gegner Rußlands zu machen. Viel Gewicht legt vielleicht mit Recht die „W. Allg. Ztg " auf die sehr natürlichen maritimen Wünsche Italien« und hebt hervor, daß sich Italien dem ge meinsamen europäUchen Friedensprogramm Deutsch lands und Österreichs neuerdings al- dritter Ver bündeter ganz fest angeschlossen habe. „Nur unter dieser Bedingung, als Vervollständigung der Friedensgarantie hat die Reise Crispis Wert und Bedeutung Der italienische Ministerpräsident wird auch, als guter Rechner, einen Preis für seine BundeSgenostenschast zu erlangen trachten. Er hat bisher den Lockungen Frankreichs wider- standtn und die plumpen Zeitungsatiaken Rußlands für die Sympathien, die er den bulgarischen Bestrebungen rntgegen- brachte, ruhig hingenommen. Italien hat eben nur Ein großes Ziel vor Augen, dem zuliebe eS aus alle momentanen Vorteile, die seine Kraft schwächen oder gar zersplittern könnten, völlig verzichtet. ES sucht in Afrika feste Position zu fassen, um im Mittelmeere eine dominierende Stellung zu erlangen Dieser Preis kann ihm au- leicht faßbaren Gründen weder von Frank reich noch auch von Rußland gezahlt werden. Ganz im Gegenteile: Beide Mächte sind der Ausbreitung seiner Macht in jenen Ge bieten feindlich gesinnt, und schon darum schließt es sich natür lich einem Bunde an, der den Frieden störenden Übergriffen jener Staaten Einhalt gebieten soll In Friedrichsruhe hin gegen ist jener ersehnte Preis erreichbar, ohne daß den Inter essen Deutschland- dadurch der geringste Abbruch geschehen würde. Eine nicht ferne Zukunft wird uns zeigen, daß CrispiS Mission eine wichtige und das Ergebnis der näheren Vereinbarungen zwischen Deutschland und Italien für beide Länder, sowie für alle jene Reiche Europas eine segensvolle war, die einer abenteuerlichen und mutwilligen Kriegspolitik mit sittlicher und staat licher Entrüstung gegenüber stehen. Tagesgeschichte. * Berlin, 2. Oktober. Se. Majestät der Kai ser nahm gestern in Baden-Baden die üblichen Vor träge entgegen und arbeitete mit dem Chef des Zivil kabineiS. Gegen 10 Uhr vormittags gab Se. Maje stät der Kaiser dem Kaiier von Brasilien bei dessen Abreise nach Coburg und Paris bis zum Bahnhofe daS Geleit, woselbst auch der Prinz Heinrich, die Großherzoglich badischen Hei rschasten, sowie der Groß- Herzog von Sachsen rc. zur Verabschiedung anwesend waren. Schon am Abend des vorhergehenden Tages hatten sich auch der Großherzog und die Prinzessin Irene von Hessen von den Kaiser!. Majestäten und den Großherzoglich badischen Herrschaften wieder ver abschiedet und waren von Baden Baden aus Darm stadt zurückgekehrt. Am gestrigen Nachmittage nahmen die Kaiserl. Majestäten mit den zur Zeit in Baden- Baden anwesenden hohen Herrschaften gemeinsam das Diner ein. — DaS Befinden der Kaiserl. Majestäten ist ganz vorzüglich. Ihre Königl. Hoheit die Frau Prinzessin Frie drich Karl wird in der nächsten Woche Jagdschloß Glienicke verlassen und von dort zum Winteraufenthalte nach dem hiesigen Palais am Wilhelmsplatze über siedeln. Se. Königl. Hoheit der Prinz Friedrich Leopold verbleibt dagegen auf Schloß Glienicke bei Potsdam. Die ,Föln. Ztg." fchreibt: Nachdem die Begeisterung jener ersten Zeit der Kolonial- bewegung i» Deutschland, der Jubel darüber, daß der Ge danke des großen Kurfürsten aufs neue belebt werden und in Lächeln: „Ich danke Ihnen und nehme Ihr Anerbieten recht gern an. Da ich schon so manches von Ihnen gehört, so wollte ich näher mit Ihnen bekannt werden und ersuchte deshalb den Wirt um Vermittelung. Aber, bitte, wollen Sie nicht einen Augenblick bei uns Platz nehmen?" „Recht gern", sagte der Alte und setzte sich dem fremden Herrn gegenüber an den Tisch, „bin so freil — Also Sie haben schon von mir gehört? Hat Ihnen g'wiß der Wirt von mir erzählt?" „Allerdings", nickte der alte Herr. „Aber erlauben Sie, daß ich mich Ihnen vorstelle, damit Sie doch auch wissen, mit wem Sie eigentlich reden. — Ich heiße Felix Wolfram und besitze Fabriken in der Nähe mei ner Vaterstadt Köln. Dies ist meine Tochter Agnes und der Herr hier ihr Verlobter — Edgar Halm Kaufmann." „Freut mich, Sie kennen zu lernen", sagte der Natz mit einer gar nicht ungeschickten Verbeugung. „Und jetzt erlauben Sie, daß ich Ihnen meinen Namen sag'I Ich heiß' eigentlich Ignatz Bichler, die Leut' aber heißen mich gewöhnlich den „Seebichler" oder noch öfter den „Komödianten-Natz". — So, das wär' gescheh'n und jetzt erlauben Sie mir die Frag', ob Sie vielleicht unser Theater droben auf dem Tanz boden anschau'n wollen?" „Theater?" fragte Wolfram ganz verwundert. ,Zst denn hier im Hause gar eine Bühne vorhanden " „Freilich", nickte der Natz ebenfalls etwas ver wunden. ,Lch hab' aemeint, der Wirt hätt'S Ihnen schon g'sagt? Wir spielen alle vierzehn Tag' Ko mödie —" Zukunft auch in fernen Weltteilen die deutsche Flagge den deut schen Namen decken sollte, zu dem ruhigen Stolze de- Besitze» sich abgeklärt hat und unsere überseeischen Gebiete mit mehr oder weniger endgiltigen Linien umgrenzt sind, treten die Fragen der Zukunft und mit ihnen vor allem die Sicherung der deutschen Kolonien in den Vordergrund. Es ist das keine „aktuelle" Frage; noch reicht unsere Flotte zu diesem Sicherungsdienstc aus, und sie hat ihn da, wo es not that, mit deutscher Schneidigkeit versehen: aber werden unS Kämpfe erspart bleiben, welche alle Kolonialvöller, Portugiesen, Spanier, Engländer, Holländer und Franzosen durchgekämpft haben und noch durchkämpsen i Was die Gegenwart vielleicht noch nicht verlangt, wird die Zukunft sehr wahrscheinlich unabweiSlich fordern. Die Pflicht der Selbfterhaltung verbietet, unser inländisches Verteidigungshcer auch nur um einen Mann zu schwächen. Es muß daher den militärischen Ansprüchen unserer Kolonien in anderer Weise abgeholfen wer den. Wie dies am besten geschehe, wird in einer Schrift „Braucht Deutschland eine Kolonialarmee/" eingehend erörtert. „Zur Sicherung unserer Kolonien," sagt der Verfasser der er wähnten Schrift, „gehören vor allem zwei Faktoren: Geld und Menschenmaterial." Sei das Vertrauen in die frisch sprudeln den Hilfsquellen der deutschen Natton die Voraussetzung unserer gesamten Kolonialpolttik gewesen, so müsse et solgerichtigerweise auch die Voraussetzung bei Gründung einer Kolonialarmee sein; je früher sich da- deutsche Volk entschließe, diese notwendige Fol gerung zu ziehen, um so reicher werde sich da- angewandte Ka pital später verzinsen. Über den zweiten Punkt, die Beschaffung des MenschenmaterialS, macht Hauptmann Friese folgende Bor- schäge: Das Osfiziercorps würde in erster Reihe zusammen zusetzen sein aus Elementen, welche aus einem oder dem andern nicht ehrenrührigen Grunde gezwungen wurden, den Dienst iu der deutschen Armee vor der Zeit zu verlassen; selbstverständ lich müßten diese Offiziere für die Verteidigung des Mutter landes im Kriegsfall entbehrlich sein. Für sie wäre in der zu errichtenden Kolonialarmee ein prächtiger Hafen ge funden. Die Mannschaften würden bestehen aus Freiwilligen und Dienstpflichtigen, doch sollen nur solche Leute in Be tracht kommen, welche von den Ersatzbehörden für untaug lich zum Dienst in der Armee erklärt worden sind. Ans dem großen Prozentsätze der militärfreien junge Leute würde sich in der That ein für die Kolonialarmee tüchtiger Ersatz beschaffen lassen; vor allem waren dabei die Auswanderer zu berücksichtigen, welche ja zum größten Teil militärfrei sein müssen. Um sie zu gewinnen, schlägt der Verfasser vor, ihnen das Handgeld in Form eiier Anweisung aus eine bestimmte ackerbaufähige Flächt Land in der Kolonie zu zahlen, die ihnen nach vollendeter Dienstzeit als Eigentum zu übergeben ist. Neben diesen Freiwilligen sollen dienstpflichtig sein die wehrfähigen, in den Kolonien wohnenden Männer dis zu einem gesetzlich zu bestimmenden Lebensalter. Diese Vorschläge mögen manche Ausstellung zulassen, sie stoßen vielleicht im einzelnen sogar auf unüberwindliche Schwierigkeiten, aber die kleine Schrift soll auch nur eine Anregung geben, damit die Vorarbeiten in die Hand genommen werden, ehe es zu spät ist. Nach der unsern Lese.n bereits am Sonnabend mitgeteilten Erklärung der deutschen Regierung, für die Entschädigung der Hinterbliebenen des bei Raon erschossenen Brignon sorgen zu wollen, steht es außer Zweifel, daß die Erledigung deS bedauer lichen Zwischenfalles an der Grenze binnen kurzem in befriedigender Weise erfolgt sein wird. Das durch diese Erklärung in Verbindung mit der Entlassung des kleinen Schnebele bewiesene Entgegenkommen Deutschlands hat, wie aus Paris gemeldet wird, da selbst einen großen Eindruck selbst auf die chauvini- stifchen Kreise gemacht und hat offenbar den Franzosen vor Augen geführt, daß Deutschland nicht etwa be strebt ist, Händel mit seinem Nachbar zu suchen. Die nun allein noch zu erledigende Frage, ob den Jäger Kaufmann ein Vorwurf für sein Vorgeheu trifft, ruht in der Hand der gewissenhaft und sachlich urteilenden deutschen Behörden und es darf nicht bezweifelt weiden, daß die Entscheidung in jedem Falle eine gerechte sein wird. München, 2. Oktober. Der Prinzregent v!rlieh dem Chef der Admiralität General v. Caprivi daS Großkreuz des bayerischen Militärverdienstordens. f Wien, 2. Oktober. Se. Majestät der Könitz von Sachsen ist heute früh um 8 Uhr 53 Minuten mit dem Kurrierzug der Nordwestbahn aus Dresden hier eingetroffen, um auch dieser Jahr an den Hoch wildjagden in Neuberg, Eisenerz und Mürzsteg teil zunehmen. Se. Majestät der Kaiser und Se. Kaiserl. Hoheit Kronprinz Rudolf hatten sich auf dem Perron des Bahnhofes zur Begrüßung des hohen Gaste« ein- „Wirklich?" unterbrach ihn Wolfram ganz erstaunt. „Ja sind denn Schauspieler hier im Orte oder in der Gegend?" „Schauspieler? Keine Spur!" sagte der Natz kopf schüttelnd. „Die Spieler sind lauter Bauernleut'!" „Bauern? Und die spielen Komödie?" rief Wolf ram ganz verblüfft aus. „Was is denn da gar fo merkwürdiges dabei?" fragte der Alte und machte große Augen. „Spielen denn die Oberammergauer net auch die Passion, und noch viele andere Gemeinden die Kreuzschul' oder sonstige religiöse Stück'? Wir freilich könnten solche Sachen niemals spielen, weil wir die Leut' und die Einrichtungen dazu net haben. Wir führen halt welt liche Stück' auf, wie z. B. „Rosa von Tannenburg", „Genoveva", „Eustachius" und den „Bayerischen Hiesel"." „Nun, das hätte ich mir wirklich nicht träumen lassen", sagte Wolfram und zündete die Zigarre wieder an, die ihm über seine Verwunderung ausgegangen war. „Und wer ist dann der Direktor und Regisseur dieses Kunstinstitutes?" „No, wer wird's sein? Ich halt", lachte der alte Natz und rieb sich die Hände. „Natürlich! Versteht sich!" nickte Wolfram. „Hätt' mir'- doch denken können!" „Am Sonntag acht Tag' wird der „Bayerische Hiesel" aufgeführt", bemerkte der Komödianten-Natz. „Ich hoff', daß Sie uns da auch die Ehr' schenken werden!" „Gewiß, gewiß", sagte Wolfram. „Sie können fest auf un» rechnen! Und wann ist der Beginn der Vorstellung?"
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