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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.08.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070805023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907080502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907080502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
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Abend Ausgabe 8. Bezugs Preis für Leipzig und Bororte durch unser« LrLger und Spediteure in« Hau» gebracht: Autgabe t (nur morgen») »ierteljthrltch 3 M, monatlich t M., Autgabe v kmorgens und abend») viertel» jährlich 4.50 M., monatlich 1.50 M. Durch dir »oft bezogen (2 mal täglich) innerhalb Deutschland» und der deutschen Kolonien vierteliäbrlich 5,25 M., monatlich 1.75 M auischl. Posl- bestellgew, sür Oesterreich 9 K 6n k, Ungarn 8 li vierteljährlich. Abonnement-Annahme: Augustubplatz 8, bei unseren Drägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 10 Pfg. -iedaktion und Exprditio»: Johannirgastc 8. Telephon Nr. 14692, Nr. 14698, Nr. 14694. Berliner 4iedakti»nd -Bureau: Berlin IT1V. 7, Prinz Laut» Ferdinand- Straße 1. Telephon I, Nr. 9275. Dip ngcrTagtblail HandelszeUung. * Amtsblatt -es Rates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Lnzeigcn-PreiS tiir Inserate au» Leipzig und Umgebung dm 6gespaltene Petujeile 25 Ps., «inanzielle An^igcn 80 Ps., Reklamen IM.,- von auSwärt» .l0 Ps., Reklamen 1.20 M.: vom Ausland 5(>Ps., stnanz. Anzeigen 75 Ps.. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil40 Ps. Bcilagegcbubr 5 d.7. p. Tausend erkl. Post gebühr. 6>e chästSan»gzen an bevorzugter Ll. Uc im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Feltertkilte Ailsträge können nicht zurück gezogen werden. Für da» Erscheinen au bestimmten Tagen und Pläßen wird keine Äar..nt>e übernommen. Anzeigen-Annabm-t Augustudplatz 8, bei sämtliilten Filialen u. allen Annoncen- ükpeditionen des In- und Auslandes. Haupt Filiale Berlin: Earl Dunck: , H.rzogl. Bahr. Hofbuch handlung, Lützowstraße 10. (Telephon VI, Nr. 4608). Nr. 215. Montag 5. August 1907. 101. Jahrgang. Da» wichtigst« vom Tage. * Zum ersten Male seit 1870 hat sich der französische Musik verein „Lyre B c l for t ai s e", wie aus Belfort gemeldet wird, mit einer französischen Fahne an dem Musikfest im Elsaß beteiligt. Tas Konzert in Sennheim erntete reichen Beifall. * Mit Rücksicht auf die antiklerikale Bewegung tn Italien hat der Papst die Absage der vom 1. bis 15. September festgesetzten Pilgerfahrten nach Nom befohlen. * Zwischen der Türkei und Persien ist ein ernster Kon flikt ausgebrochen. sS. Ausl.) Die Aniser-Zusammenkunft. (Von unserm Petersburger O ^-Korrespondenten.) Petersburg, 2. August. Die russische Presse erschöpft sich in Vermutungen, die sich an die Swinemünder Entrevue knüpfen. Es wird da alles mögliche„hineingeheim- nißt", was just zu dem politischen Standpunkt des diskutierenden Blat tes paßt. Natürlich taucht auch wieder das alte Märchen auf, der Deutsche Kaiser wolle dem Zaren Ratschläge erteilen, wie er sich des „inneren Feindes" erwehren könne. Allein die banale Phrase von der völkerrechtswidrigen „Einmischung" Kaiser Wilhelms in die russisch« innere Politik ist bereits so oft wiederholt worden, daß ihr in der Tat wohl niemand mehr ernstliche Beachtung schenkt. Sehr richtig bemerkt der „Herold", daß diese Fabel nur aus dem Hasse heraus verbreitet werde und zwar durch diejenigen Organe, die es als völlig aussichtslos erkannt haben, daß die revolutionären Bestrebungen von feiten Deutsch lands irgendwelche Förderung erfahren könnten. Die „Rußj" will nun wissen, daß auf der Entrevue nur Fragen zweiten Ranges besprochen werden sollen. „Speziell zwischen Deutschland und Rußland" — so heißt es dort — gibt es nicht wenig tragen zweiter Bedeutung, die der Klärung und einer befriedigenden Beilegung bedürfen." Nun mag ja manches der „Rußj" als „zweit klassig" erscheinen, was den Herren Bülow und Iswolski von erster Bedeutung ist. „Zweitklassig" ist nämlich für die russische radikale Presse alles, was den revoulutionären Bestrebungen entgegen ist. Beispiels- weise hat dieselbe „Rußj" einmal geschrieben, „die Deutschen seien in Rußland nur Gäste, hätten deshalb also keine politischen oder natio nalen Rechte zu beanspruchen". Nehmen wir also — um im Bilde zu k-' 'N, Bül^w tm'rde für die Retpek'iervng kultureller Ansprüche der russischen Untertanen deutschen Stammes ein Wort einlegen, so hätte das für die „Rußj" und sämtliche Blätter, die eine deutschfeindliche Politik betreiben, nur „zweitklassige" Bedeutung. Die hiesigen diplomatischen Kreise legen der Zusammenkunft große Bedeutung bei. Was zunächst Rußland anlangt, so wird es seiner Regierung von großem Werte sein, zu erfahren, daß Deutschland ihr in der Verfolgung der Ziele, welche ihre äußere Politik zu erreichen strebt, keinerlei diplomatischen Schwierigkeiten zu bereiten gedenkt. Deutsch land sucht in Swinemünde mehr, als leere Höflichkeitsformeln und Trink sprüche. Es wird dort, wie bisher, die Frcundschaftsbeteuerungen der russischen Regierung und ihres Oberhauptes, des Kaisers, mit Genug, tuung entgegennehmen; aber wenn nicht alle Zeichen trügen, so sollen diese freundschaftlichen Versicherungen jetzt einen realen Boden be kommen. Es sei hier gleich vorweg bemerkt, daß damit nicht etwa die Vorbereitung eines mehr oder weniger formellen Bündnisses gemeint ist. Die beiden Regierungen wissen voneinander, daß sie „gute Nach barn und getreue Freunde" sind, und daß ein Bündnis in irgendwelcher Form unnütz und darum allein schon schädlich wäre. Denn Rußland, wie Deutschland, beide Länder haben feste Vertragsengagements, die eine Ausdehnung nach dieser Richtung als unpraktisch erscheinen lasten. Der reale Boden, auf dem die zwischen beiden Regierungen ge tauschten Freundschaftsversicherungen ruhen sollen, ist diesmal nicht in Europa zu suchen. Von einer Seite, die vor nicht zu langer Zeit ihren Einfluß auf die russische äußere Politik geltend machen durfte, erfahre ich, daß die deutsche Regierung bei der Zusammenkunft eine Klärung der mittelasiatischen Frage herbeizusühren wünscht. Da- mit soll nicht gesagt sein, daß Deutschland den russisch-englischen Verein barungen, deren Sanktionierung zu erwarten steht, irgendwelche Ein schränkung anzuempfehlen wünscht. Was di« deutsche Regierung an strebt, ist, daß ihr von beiden Seiten, von Rußland wie von England, der kulturelle Schutz seiner Handelsinteressen in Mittelasien garantiert werde. Es handelt sich nicht um irgend welche politische Ambitionen, sondern nur um die Erfüllung einer Pflicht, welche die deutsche Regierung ihrem Kaufmannsstande schuldig ist. So trägt die Kaiserzusammenkunft den Charakter einer freundschaft lichen Aussprache. Die Altkatholiken. Angesichts der Bewegung innerhalb der deutschen katholischen Welt mag der eine oder der andere sich gewundert haben, daß man gar nichts von den Altkatholikcn hörte. In der Tat vernahm man von Reform katholiken, von fortschrittlichen Katholiken, vom katholischen Modernismus und von Mitgliedern eines katholischen Kul turbundes, aber nicht von den Altkatholiken. Und doch ist es kaum zu tadeln, daß sie ebenso wie die protestantischen Theologen im allgemeinen zu den von der katholischen Welt behandelten Fragen geschwiegen haben. Es ist nicht leicht, von außen her eine Meinung zu äußern, die innerhalb des Katholizismus Gehör findet. Doch mag es die Leser interessieren, im Zusammenhänge mit der großen kirchen politischen Diskussion, die, wie es scheint, sich nun, wenn nicht neue Zwischenfälle eintreten, dem Schlüsse zuneigt, etwas von dem Wesen, dem Ursprünge und der heutigen Ausdehnung des Altkatholizismus zu hören. *) Altkatholiken sind Katholiken, die das kirchenpolitische System des Ultramontanismus verwerfen und in den Lehren der vatikanischen Kirchenversammlung s1870) von der bischöflichen Allgewalt und der Lehrunfehlbarkeit des Papstes den folgerichtigen Abschluß jenes ultra, montanen Systems erblicken. Sie trennten sich von Rom in Holland 1721 infolge eines kirchenrechtlichen Zwistes, in Deutschland, Oesterreich und der Schweiz nach 1870, als sie wegen ihres Widerspruchs gegen die angeführten vatikanischen Lehren aus der römisch-katholischen Kirche ausgeschlossen wurden. An der Spitze ihres Kampfes standen Hoch schullehrer, besonders in München, Bonn und Breslau, als bekanntester der Stiftspropst und Universitätsprofestor I. I. von Döllinger in München, als bedeutendster Führer Professor des Kirchenrechts I. F. von Schulte, erst in Prag, dann in Bonn. Altkathvlikenkongresse in München (1871), Kü'- N872) und Konstanz l187R w'-ten > - in Deutschland die Bahn und beschlossen die Gründung eigener Kultus gemeinden, die Annahme einer eigenen kirchlichen Verfassung nach alt kirchlichem Vorbild mit einem Bischof an der Spitze. 1873 ward der erste Bischof I. H. Reinkcns gewählt und erhielt die bischöfliche Weihe von einem Bischof der holländischen Kirche. 1874 fand die erste kirchen- amtliche Synode statt; Synoden folgten dann bis 1879 jährlich, seitdem alle zwei Jahre. Diese führten eine große Reihe von Reformen durch in dem Bemühen, das kirchliche Leben den Bedürfnissen des Volkstums anzupassen, es zu vereinfachen, und zu verinnerlichen: so verschwanden die lateinische Kirchensprache, die Umzüge, Bilderverehrung, Ablaß, Stolgebühren, Zölibats-, Beicht- und Fastenzwang und dergleichen, während umgekehrt dem Laientum seine altkirchlichen Rechte zurück gegeben wurden. Die Kongresse, seit 1890 international, bestehen neben den Synoden fort ohne amtliche Bedeutung. Auf Bischof Reinkens folgte 1896 Bischof Th. Weber, 1906 Bischof I. Demmel. Der altkatholische Bischof wurde von den Staatsregierungen von Preußen, Baden und Hessen als katholischer Bischof anerkannt, Bayern lehnte 1874 die Anerkennung ab. Die badische Staatsregierung forderte seit 1874 im Budget einen Staatszuschuß für die Altkatholiken; am *) Dieser Artikel ist dem im Herbst erscheinenden Politischen Hand buche der Nationalliberalen Partei entnommen. 12. Januar 1874 brachte in der badischen Zweiten Kammer der national liberale Abgeordnete Kreisgerichlsrat Anion Schmidt von Konstanz mit Staatsanwalt Emil Fieser von Konstanz und noch 14 Abgeordneten der nationalliberalen Partei einen Gesetzentwurf ein zur Regelung der alt katholischen Angelegenheiten, insbesondere zum Schutz der Ansprüche der Allkatholiken auf einen Teil des katholischen Kirchenvermögens; der Entwurf wurde am 15. Juni 1874 Gesetz. In Preußen brachte der frei sinnige Abgeordnete W. Petri mit 143 anderen Abgeordneten fast aller Parteien 1875 einen ähnlichen Gesetzentwurf ein, für den der national- liberale Abgeordnete v. Schulte die wesentlichsten Vorarbeiten geleistet hatte; der Entwurf wurde am 4. Juli 1875 Gesetz, nachdem auch hier schon 1874 ein Staatszuschuß bewilligt war. In Hessen ist kein be sonderes Altkatholikengesetz erschienen; das Notwendigste war gelegent lich der Anerkennung des Bischofs auf dem Verwaltungswege geordnet worden. Die bayerische Staatsregierung hat 1890 den Altkatholiken die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche abgesprochen und sie nicht als eigene öffentliche, sondern nur als private Kirchengesellschaft anerkannt. In den übrigen Bundesstaaten ist eine grundsätzliche Entscheidung bis her nicht herbeigeführt worden. Die Altkatholiken halten den Anspruch aufrecht, allein die Rechts nachfolger der katholischen Kirche vor 1870 zu sein; die Staatsregie- rnngen von Preußen, Baden und Hessen nahmen einen Standpunkt ein. als habe sich die «ine katholische Kirche mit 1870 in eine römisch-katho lische und eine altkatholische geteilt. Äehnlich steht die nationalliberale Partei zu den Altkatboliken; sie ist stets dafür eingetreten, ihrer Kirche die gleiche staatsrechtliche Stellung einzuräumen, wie der römisch-katho lischen Kirche. Hervorragende nationalliberale Politiker wie Völck in Bayern, Deinhardt in der Pfalz, Fieser in Baden bekannten sich als Altkatholiken. Die altkatholische Kirche zählt gegenwärtig in Deutsch land 50 Pfarrämter mit rund doppelt so viel Gemeinden. Zeitungsschau. Wir geben noch einige ausländische Stimmen zur Kaiser-Begegnung wieder. Die „Sunday Times* schreiben: Eine ruhige Diskussion der politischen Weltlage zwilchen zwei Monarchen, deren persönliche Macht noch immer groß genug ist, sie mit der Politik ihres Onkels , König Eduard, die soviel Anklang unter den kontinentalen Nationen gefunden hat, in Einklang zu dringen, dürfte den Weltfrieden besser sichern alS bunkert Friedens- konserenzen. Von Swinemünde wird der Kaiser direkt nach WilhelmShöbe gehen, um König Eduard zu empfangen. Dieser wiederum wird den Kaiser von Oesterreich in Ischl besuchen, und so werden die vier mächtigsteu Souveräne der Welt in persönlichem Kontakt miteinander gewesen sein. Und da sich jeder von chn»n zur Lebensaufgabe gestellt bat, seinem Land« den Frieden zu erhalten, so haben wir allen Grund, mit Vertrauen in die Zukunft zu sehen. Ganz ähnlich äußert sich der „Observer" vom Harmsworth-Berlag, aber er hört hinsichtlich gewisser Spezialia daS GraS wachsen. Nach ihm sollen die Neutralität Skandinaviens, die Anleihesrage und die innere Lage Rußlands die Hauptprogrammvunkte der Diskussion gewesen sein. Wenn etwas nicht diskutiert wurde, dürste es die letztere Angelegenheit sei». Selisamerweise schließt daS sonst so feinhörige Blatt die Balkanfrage aus. Die russische Zeitung „Retsch" erwartet, daß die Entrevue von Swinemünde zu keinen Veränderungen in Rußlands äußerer Politik sichren werde, die sich doch wiederum auf das frankc-ruisvche Uebereinkommen stütze. Nicht unmöglich sei. daß Deutschland sich dem stanko-russischen und dem anglo-russischen Bunde nähern wolle. Sicherlich aber werde der ferne Osten mit seinen veränderten politischen Bedingungen das hauptsächlichste Obiekt des Meinungsaustausches sein. Sehr hübsch beben die „Münch. Neuest. Nachr.* de« wesentlich negativen Cbarakter der Begegnung hervor: Die Swiuemünder Monarchenbegegnung bedentet eine weitere Gewähr sür die Aufrechterbaltung des Weltfriedens namentlich dadurch, daß sie den Feinden Deutschlands die Grundlosigkeit des Geredes von Deutschlands Isolierung irr augensälliger Weise dartut. Diese Auffassung steht in wohltuendem Gegensatz zu der würdelosen Art, in der die „Hamburger Nachrichten* und ähnliche mit unheilbarer Russensucht behaftete Organe den Zaren anbelteln, er möge doch die Feuilleton. In allen Künsten sind die Erfahrungen früher dagewesen als die Regeln. Goldoni. G Mit Dernbrirg nach Dentsch-Ostafrika. (Von unserem Spezialberichterstatter.j II. An Bord des „Feldmarschall", 24. Juli. Wann habe ich doch meinen ersten Brief an Sie geschrieben? In der Nähe der ägyptischen Küste war es, und von Port Said aus muß der Brief an Sie abgegangen sein. Also Port Said. Es ist er- staunlich, was die Engländer aus diesem Fieber- und Pestnest, von dem unsere Geographielehrer auf dem Gymnasium gar nicht mit Verachtung genug sprechen konnten, gemacht haben. Es ist zwar eine orientalische Atadt geblieben. Aber diese orientalische Stadt hat, wenigstens so weit sie sür den Durchgangsverkehr als Hasenvlatz in Betracht kommt, gerade, regelmäßig gebaute, breite Straßen, in denen es Licht, Wind und Luft gibt; ferner ist die Sicherheit in ihr eine absolute, so drohend der Fana- lismus des Islam hier wie anderwärts unter der Asch« noch glimmen und so viel internationales Gesindel vom Verkehr mit Indien, Australien und Afrika hier auch ausgeworfen werden mag. Stolz und selbstbewußt, als arbeite er als nächster irdischer Vertrauensmann des Propheten, reitet der arabische Gendarm durch den Lärm ringsum. Schnell und in sich abgerundet folgen sich die Bilder der Straße, wie die Szenen in einem Ausstattungsstück: Geldwechsler, Akrobaten. Zauberer, Wasserträger, Musikantinnen, Stiefelputzer, die in Karriere vorfahrenoe scharf pariert« Karosse, der Agent für allerlei dunkle Tinge und anderes mehr. Daneben aber steht das glänzende englische Hotel mit seiner würdevollen arabischen Dienerschaft, lockt das wohlbekannte Warenhaus Simon Arzts mit seinen Straußenfedern, Zigaretten, Shamboks und sonstigen Schätzen. Die Geschäftsdamen dieses Simon Arzt, die einem hier am Rande der Wüste begegnen, möchte man ihrer Eleganz nach für Pariserinnen halten. Der Staatssekretär und seine Begleiter machten eine Rundfahrt; Dcrnbnrg im Wagen des Konsuls mit dem pomphaften arabischen Kawasien aus dem Bock. Später sahen sich die Herren die Stadt ohne Kawaisen, also inkognito, zu Fuß an. Der Berliner Exzellenz ist dabei die Wahrnehmung nicht erspart worden, daß die mit amtlichem Diplom ausgerüsteten „GnideS" von Port Said nach ihren Anerbietungen auch bei einem deutschen Minister Bedürfnisse und Neigungen voraussetzen, an die man nimt ohne Haarsträuben denken kann . . Die Reise durch den Suezkanal dauert fast dreivicrtel Tag. Da ist eine Art Graben, der »wischen malerisch gehäuften dunkelgelben Sand dünen hindurchführt. Und kohle Dünen und Wüste, so weit das Auge sieht, wenn sich einmal am Ufer ein Durchblick öffnet! Im fernen Hintergründe, einmal rechts, dann wieder links, rosa und lila schimmernde Höhen. Man sieht bisweilen einen Kanalbagger mit stolzem Namen, aber kein einziges wirkliches Schiss. Hin und wieder auch ein dunkler Fleck in dem grandiosen Gelb der Wüste. Durchs Glas unterscheidet man Palmen, Aecker, Häuser, kurz eine Oase im Lanoe drin, auf ein, zwei Stunden Entfernung. Dann werden auch Menschen sichtbar: der weiße BurnuS eines Arabers, der fern durch den Sand seinen Weg nimmt, der blaue eines Fellachen, dessen Träger lebhaft gestikulierend, von zwei großen prächtigen Wolfshunden gefolgt, in Riesensätzen über die Böschung hinab auf uns zurennt. Ein Matroie von unserem Ablösungstransport schleudert ihm ein halbes Kommißbrot zu. Die biedere Blaujacke scheint nicht zu finden, daß man Hunger leiden muß bei dem von schiffswegen gelieferten Essen an Bord des Reichs- postdampfers. Mit breitem Klatschen plumpt die Gabe ins Wasser. Im Handumdrehen hat der Fellach, ein junger Bursche von vielleicht zwanzig Jahren mit indianerartig ausgcbundenem Haarschopf, sich den BurnuS über den Kops gezogen. Splitternackt, wie aus Bronze gegossen, steht der braune Kerl einen Augenblick da; dann hupft er hinein ins Wasser, die Hunde hinterher. In drei kraftstrotzenden Tempos ist er am Schiff, in drei weiteren wieder am User. Es ist ein künstlerischer Anblick; aber gut immerhin, daß unsere Ladys noch schlafen. Noch ein zweiter, ein dritter Matrose opfert ihm sein Traktement; dann ist die Freigebigkeit er- schöpft. Der Fellache verschwindet nach einstündigem Dauerlauf. Eine Herde von hundert Kamelen, von drei Arabern bewacht, tränkt am Kanalufer. Die Stationen besonders, kleine Oasen mit weitem Hof, mit Palmen, Flaggenmast und reichen Gar enanlagen, bringen alle Stunden in unmittelbare Erinnerung, daß es mit der Wüste nicht recht ernst ist und daß man im Grunde eine Kultnrstraße entlang zieht. Dieser-elende, verlassene, einsame Müstengraben ist die Erfüllung des Traumes von Jahrtausenden, daS wiedererstandenc Werk Nechos, des ersten Umseglers Afrikas, ein Wunderwerk menschlicher Energie, beute eine der Haupt- straßen des Weltverkehrs, die Lebensader eines Weltreichs, an deren Verteidigung dieses mit gutem Grunde seine Existenz setzen würde. Der Kanal lag hinter uns, als wir, die an Bord anwesenden drei deutschen Journalisten, am ersten Abend unserer Fahrt auf dem Roten Meer einer Abendeinladung des Staatssekretärs Folge gaben. Nächst uns waren fünf oder sechs andere Gäste neben der ständigen Umgebung Dernburgs erschienen, so Herr S., ein sächsischer Industrieller, der die Naumwollkulturen der Kolonie sich ansehen will, daS Ehepaar W-, das nach Kilwa geht, nm dort Kautschuk zu bauen, Fräulein K., die sich nach dem Kilimandscharo verheiratet, usw. Wie geringschätzig wir an jenem Abend noch über daS Rote Meer dachten! Offenbar war alleS Jäger latein, was man io gelegentlich über die Schrecken dieses angeblichen GlutosenS acleien batte. Auf dem Kommandodeck des „Feldmarschall" mar durch ichwarz-weiß-rote Flaggen und die Kriegsflagge des Reiches eine Art Verschlag hergestellt worden; das Pilsener war vortrefflich. Herr Wildhagen, ein junger Landschaftsmaler, der den Staats- fekrctär begleitet, strich die Geige, eine laue Brise lag uns im Rücken, die See war ruhig, und so glitten mir im tiessten Frieden über die tiefblauen Fluten vorwärts. Spötter fanden im Laufe des Abends, daß es eigentlich doch etwas kühl sei! Und weder irgend etwas wie Meerleuchten, noch der ruppigste Hai, auf deren Vorführung man in diesen Breiten doch eine Art Rechtsanspruch hat, war zu seocn. Staatssekretär Dernburg setzte Herrn S. auseinander, daß die Neichsregicrung bei Zulassung der Verpachtung von Baumwollenland an Eingeborene die Anwendung des Trucksystems unter allen Umständen verhindern werde. Das war eine rein theoretische Mitteilung, die wahr scheinlich in keinerlei direktem Zusammenhang mit den Plänen unseres kleinen, vielgereisten und immer freundlichen Herrn 2. steht, die aber doch vielleicht hier oder da interessieren wird. Er verbreitete sich ferner über die Schwierigkeiten, die für Banken mit der Anlage von Geld in Kolonialplantagen verbunden seien. Er wies schließlich aus den Wandel hin, der in der englischen Auffassung über den Wert der Kolonien seit Ende der 80er Jahre eingetrelen sei. D'Jsraeli habe damals noch von einem Bleigewicht am Fuße Britanniens gesprochen; man habe es als gleichgültig betrachtet, ob die eigene oder eine fremde Flagge über einem Kolonialgcbiet, mit dem man Handel trieb, wehte, denn kaufen würden diese Gebiete unter allen Umstanden von England! In dieser An schauung sei seither ein radikaler Wandel eingetrcteu; man vergesse heute nicht mehr, daß cs Prohibitivzölle gebe und sei auch keineswegs mehr so wie früher abgeneigt, diese zugunsten des englischen Handels selbst anzuwenoen. Ende Juli 1887 schloß Karl Peters leinen bekannten Vertrag mit Sayo Bargaich. Nur wenige Tage mehr als zwei Jahr zehnte werden seit der Untcrsertigung des denkwürdigen Aktenstücke- gerade vergangen sein, wenn der «Staatssekretär in Dar es Salam an Land geht. Die See blieb ruhig. Aber die laue Brise wurde warm und wärmer. Immer schwüler brütete die Hitze über uns; immer höher stieg die Sonne, bis sie schließlich nach Uebcrschrcitcn deS Wendekreises scheiielrecht ihre Strahlen yerniedersandte. Die Spölter sind schon lange verstummt; die See zeigt eine Temperatur von 34 Grad, an Bord herrschen im Schatten 36 Grad, in der Sonne einige 40 Grad; im Maschinenraum werden an den kühlsten Stellen 54 Grad registriert. Schließlich fuhren wir bei noch immer ganz ruhiger See im richtigen Wüstenwind dahin. Daß angesichts solcher Temperaturen sich alle Bande frommer Scheu lösen, ist selbstverständlich. Unsere Klciderordnung ist teils auf dem Wege gütlicher Verabredungen, teils durch revolutionäres Vorgehen einzelner Gruppen auf die abschüssigsten Pfade geraten; und der Staatssekretär hat seine anfängliche Beschränkung auf sein Reservat- gebiet, das Kommandodeck, längst au'gcgebcn, was lehr erklärlich ist, da man dort die Sonne ,-n sehr aus erster Hand bat. Er bewcat stch seither unter allem Volk ans dem Promenadendeck und zwar in Hemdsärmeln, wie andere Sterbliche auch; außerdem hat er sich a!S Mitglied dc- deutschen Sprachvereins anwerben lassen. Wir schlafen schon lange im
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