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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.09.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980924020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898092402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898092402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-24
- Monat1898-09
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Größere Lchttsten laut unsere« drei». Verzeichnis!,. Tabellarischer und giffernsatz nach höherem Tarif. Srtta-veNazen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PoslbesSrderung KV.—, mit Postbesvrderung 70.— Annahmtschluß für Anzeigen: Nb end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Msrgea-Au-gabr: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Ex-eöitioa zu richten. Druck und Brrlag von E. Volz in Leipzig. 486. Sonnabend den 24. September 1898. 92. Jahrgang. Die Absetzung -es Kaisers von China. —p Ueber die Palastrevolution in Peking wider sprechen sich auch heute die Meldungen noch. Die Londoner „Pall Mall Gazette" schreibt, der britische Consul in Shanghai habe telegraphisch dir Nachricht übermittelt, daß der Kaiser von China ermordet worden sei; das Aus wärtige Amt bezeichne diese Nachricht jedoch nicht al» eine officielle, sondern lediglich als Wiedergabe eines Straßen gerüchts. Dagegen wird der „Times" au« Peking tele graphisch bestätigt, daß der Kaiser und alle hohe Staats beamten gestern, Freitag, der Kaiserin gehuldigt haben und daß in Peking Alles ruhig sei. Beunruhigender aber lautet wieder die demselben Blatte ans Shanghai telegraphirte Nachricht, daß die dortigen chinesischen Beamten dem Gerüchte von dem Tode des Kaisers allgemein Glauben beimessen, so wie die der.„Frkf. Ztg." aus Tientsin zuzegangene Mittheilung, die Eisenbahnverbindung zwischen Peking und Tientsin sei eingestellt, ernste Gerüchte seien im Umlauf. Wir erhalten weiter die folgende Meldung: * London, 24. September. (Telegramm.) Nach einer Depesche der „Times" aus Shanghai ging dem dortigen Taotai aus Peking der Befehl zu, den bisherigen Hauptrathgeber Les Kaisers Kangyumei zn verhaften, der infolge des Regent» schasts-Edictes sich am Mittwoch an Bord eines der Dampfer der Jardine-Gesellschaft von Peking nach Shanghai begeben haben soll. Der Taotai ersuchte den englischen Consul um seine Mitwirkung zur Herbeiführung der Verhaftung Kangyuinei's, den er als einen des Amtes entsetzten Verbrecher bezeichnete. Offenbar, fügt der Eorrespondent der „Times" hinzu, habe die Partei der Kaiserin die Absetzung des Reformators als nothwendig beschlossen und Lessen sofortige Hinrichtung sei, wenn er verhaftet werde, wahrscheinlich. In Petersburger unterrichteten Kreisen schreibt man die Absetzung des Kaisers von China der persönlichen Ein wirkung des russischen Gesandten Pawlow zu, der unmittel bar nach dem Staatsstreich von der Kaiserin-Regeutin empfangen worden sei. Auch in Paris wird der Staatsstreich als ein Sieg Rußlands angesehen; zugleich befürchtet man eine Orientkrise als Folge der steigenden Nebenbuhlerschaft zwischen England und Rußland. Daß England sich getroffen fühlt, gehl schon aus folgenden Nachrichten hervor: * London, 24. September. (Telegramm.) Eine Depesche des „Daily Mail" aus Shanghai sagt, daß die Absetzung Kangyuinei's von der russischen Partei gewünscht worden set. Zum Schutze der britischen Interessen sei ein rasches Vorgehen von britischer Seite nöthig. * Loudon, 24. September. (Telegramm.) Nach einem Telegramm auS Shanghai, das mehrere englische Blätter ver öffentlichen, hat der britische Consul gegen die Durch suchung britischer Schiffe nach dem flüchtigen Kang yumei Einspruch erhoben. — Die Depesche bemerkt außerdem, daß der Admiral des britischen ostasiatischen Geschwaders beabsichtige, eine Streitmacht in Taku zu landen. Wir deuteten gestern schon an, daß der Schritt der Kaiserin- Mutter nicht nur gegen Japan, sondern auch gegen England gerichtet sei. Die Entlassung des Rußland freundlichen Li- Hung-Tschang war zweifellos auf japanisch-englischen Einfluß zurückzuführen. Wie man sich erinnert, hatte der englische Gesandte Macdonald einen sehr scharfen Kampf gegen Li i geführt, weil er angeblich durch russisches Geld zum Abschluß I der bekannten Verträge bestimmt worden sei, und er hatte I auch unter den chinesischen Staatsmännern Eideshelser ge funden, die die schwere Anklage in den Formen des chinesischen StaatSlebenS unmittelbar an den Thron beförderten. Damit mußte man e« in Zusammenhang bringen, als aus Peking die Nachricht kam, daß der Kaiser der Dienste Li's im Tsnng li Kamen nicht mehr bedürfe, und der Sturz des greisen Staatsmannes stellte sich also unzweifelhaft als ein Erfolg der englischen Politik dar. Da lag es, wie gesagt, nahe, auf einen russischen Gegenzug zu warten und feine Spuren in den Ereignissen der nächsten Zeit zu suchen. Ist diese Auf fassung zutreffend, so stebt man vielleicht am Vorabend ernster Ereignisse, wobei Deutschland die Beruhigung hat, daß seine Flagge in den ostasiatischeu Gewässern in genügender Stärke vertreten ist, um deutsche Interessen und Rechte zu wahren. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. September. Wie verlautet, wird in konservativen Kreisen beab sichtigt, alsbald nach Eröffnung des Reichstage« eine Interpellation an die Regierung bezüglich der zur Be kämpfung der anarchistischen Gefahren geplanten Maß nahmen zu richten. Die Antwort auf diese Interpellation wird voraussichtlich eine kurze sein. Denn wenn eS auch wahrscheinlich ist, daß die von der italienischen Negierung vorgeschlazene internationale Conferenz zur Berathung gemeinsamer Maßregeln sämmtlicher Staaten bald zu sammentritt, so wird doch über die Vorschläge, von denen der Conferenzvorschlag begleitet gewesen sein dürste, unverbrüchliches Stillschweigen beobachtet werden. Und so lange noch nicht feststeht, welche internationalen Maßregeln zur Bekämpfung des anarchistischen Ver- brecherthums getroffen werden sollen, werden auch die einzelnen Staaten zu festen Beschlüssen über die Vorschläge nicht gelangen können, mit denen sie vor ihre Parlamente treten wollen. Immerhin wird es zu begrüßen sein, wenn sich der neue Reichstag unmittelbar nach seinem Zusammentritte mit der von den Anarchisten und ihren Züchtern drohenden Gefahr und den Mitteln zu ihrer Abwendung beschäftigt. Es wird bei dieser Gelegenheit nicht nur ein charakteristisches Licht ans die neugewähitc Körperschaft fallen, sondern eS wird auch auf die Frage eingegangen werden müssen, ob denn wirk lich unser Strafgesetzbuch gar kein Mittel zur Verhinderung und Bestrafung von Hetzereien, wie sie in anarchistischen Versammlungen und Schriften in neuester Zeit ungestraft betrieben worden sind, an die Hand giebt. Mit tiefem Be fremden sieht daö durch die Ermordung der Kaiserin Elisabeth im Tiefsten erregte Volk, daß der vielbesprochene „Grobe Unfug- Paragraph" in Anwendung gebracht wird gegen Blätter und Redner, die an nichts weniger als an Aufreizung zu Ver brechen denken, während die Verherrlicher des ruchlosen Mörders unbehelligt die Saat weiter ausstreuen, auS der jenes fluchwürdige Verbrechen emporwuchs. Mit tiefer Ver wunderung sieht cs Preßauslassuugcn verfolgt und bestraft, die harmlos sind im Vergleich zu dem, was jetzt täglich in anarchistischen und socialvemokratischen Blättern zu lesen ist, ohne daß von einer strafrechtlichen Verfolgung etwas ver lautet. ES ist Pflicht der bürgerlichen Parteien, diese befremdliche Erscheinung zur Sprache zu bringen und ihr aus den Grund zu gehen. Die Ansicht des „Hannoverschen Couriers", daß die von uns schon gewürdigte wrlflsche Hrrausforvcrnng durch den Versuch hervorgerufen sei, einer politischen Strömung in Hannover Eingang zu verschaffen, die dem innersten Wesen des niedersächsischen Volksstammes auf das Entschiedenste wider strebe, wird von der „ K r e u z z e i t u n g " sehr übel vermerkt. Der Grund für die Verstimmung der „KreUzztg." liegt offenbar in dem Umstande, daß sic jetzt nicht mehr um die Nothwendigkeit herum kommen konnte, gegen die vom „Hann. Courier" gekennzeichneten Bestrebungen Stellung zu nehmen. Hat doch der Plan zur Gründung einer „niedersächsisch-konservativen Partei" schon eine so feste Gestalt gewonnen, daß die grundlegenden P r o g r a m m p u n c t e der neuen Partei in der „Hann. Post", die als Preßorgan für die gedachten Bestrebungen zur Verfügung steht, veröffentlicht wurden. Punct 1 dieses Programms lautet: „Eintreten für die Thronfolge des welfischen Hauses in B r a u n- schweig, für die Nothwendigkeit einer Aussöhnung unseres alten und unseres jetzigen Königshauses, für di« V e r s ö h n u ng der gemäßigten Deutsch-Hannoveraner mit der Zugehörigkeit zu Preußen." — Was an Vorstehendem konservativ ist, vermögen wir angesichts der klaren, gegenwärtig bestehenden Verhältnisse beim besten Willen nicht einzusehen. Oder ist es etwa konservativ, das Eintreten für die Thronfolge des welfischen Hauses in Braunschweig zu verlangen, während der Herzog von Cumberland die Verzichtleistung auf Hannover nach wie vor verweigert und nicht die geringsten Anstalten trifft, die eine solche Verzichtleistung von Seiten seines Sohnes in Aussicht stellen könnten? Ist es konservativ, die Aussöhnung des alten hannöverschen Königshauses mit den Hohenzollern als noth wendig zu bezeichnen, nachdem durch die Rückgabe des Welfen- fonds doch in der That Alles von preußischer Seite geschehen ist, was das alte hannöversche Königshaus sich wünschen konnte? Ist es konservativ, für die Versöhnung der „gemäßigten" Deutsch- Hannoveraner mit der Zugehörigkeit zu Preußen einzutreten, während diese Deutsch-Hannoveraner als Privatleute nicht den geringsten Anspruch auf eine solche „Versöhnung", wohl aber die Pflicht haben, sich der Entscheidung zu fügen, die in dem vom hannöverschen Königshause aus falscher Spekulation heraufbe- schworeneu Kriege gefallen ist? In allen den ausgefühtten Punkten ist nichts enthalten, das mit wahrhaft konservativen Grundsätzen vereinbar wäre. Dagegen ist offensichtlich jeder einzelne Punkte eingegeben von dem Bestreben, mit welfischem Winde die Segel des konservativen Parteischiffes schwellen zu machen. Es ist nicht verwunderlich, wenn eine Gelegenheit, wie die preußische Landtagswahl der vollen Entfaltung solcher Bestrebungen förderlich ist: die Aussicht, über Hannover die Mehrheit im preußischen Abgeord netenhause, wenn auch auf Kosten der konservativen Grundsätze, zu erlangen, ist für gewisse konservative Kreise in Preußen eben gar zu verlockend. Das wird der preußischen Re gierung hoffentlich einigermaßen zu denken gehen. AuS Zanzibar batte die „Frkf. Ztg." dieser Tage eine Mittbeilung veröffentlicht, in der eS als Tbatsache bezeichnet wurde, daß die Engländer seit etlichen Monaten alle von ihnen auf Zanzibar begonnenen Straßen- und Leucht- tburmbauteu unvollendet gelassen, gewissermaßen deren Beendigung aufgegeben hätten, als wenn sie ein Interesse an der Fertigstellung dieser Unternehmungen nicht mehr be saßen. Au» dieser Thatfache, so wurde hiuzugefügt, schließe mau in Zanzibar, daß die gegenwärtige britische Herr schaft über die den deutschen Besitzungen in Ostasrika vor gelagerte Insel Wicker ausgegeben werden solle, und daß Zanzibar eines der Objecte bilde, welche als Ausgleich für die von Deutschland hinsichtlich der Delagoa - Bai in Zukunft zu beobachtende Politik in Betracht kommen. In den dortigen kaufmännischen Kreisen werde die Möglichkeit, daß Deutschland zukünftig auf Zanzibar wieder die Vor herrschaft audübe, mit Genugthuung begrüßt. Die Mög lichkeit einer Abtretung Zanzibars an Deutschland, die wir neulich schon erörterten^ ist der englischen Presse aber durchaus wider den Strich. Tcr „TIiiics"-Corr«spvndent fügt der Nachricht die Bemerkung bei, dieselbe sehe so aus, wie einer der Lallous ä'sssai, die Busch dem Fürsten Bismarck zuschreibt; es sei wohl bekannt, daß in der Telagoabai Deutschland an England nichts abzutreten habe, ebenso sei eS falsch, wenn deutsche Blätter behaupteten, Deutschland habe 4890 Zanzibar an England ausgeliefert, oder wenn sie sagen, die Rückgabe Zanzibars an Deutschland sei Wünschenswerth. Wenn die Unterhandlungen zwischen England und Deutschland noch im Gange seien, sei der Zweck der Verbreitung solcher Gerüchte er klärlich, wenn aber die Unterhandlungen abgeschlossen seien, dann sei eine solche seltsame Meldung schwer zu verstehen, es sei denn, daß die deutsche Presse freundlich bemüht sei, die englische öffentliche Meinung darauf Vorzuberriten, welche Opfer sie auf dem Altar der deutschen Freundschaft zu bringen habe. Tcr Eorrespondent des „Daily Telegraph" hält die Nach richt für einen Fühler einiger Lolonial-Enthusiasten; vor Kurzem noch habe man dem Correspondenten mitgetheilt, es sei keine Rede davon. Laß England Gebiet oder Recht« abtrete, gewiß nicht in Zanzibar. Der Berliner Berichterstatter der „Daily News" telegraphirt: „Nach meiner Information über den englisch-deutschen Vertrag sollte man dies« Mittheilung mit großer Vorsicht auf- nchmen." Die „St. James's Gazett«" druckt die Nachricht ohne Cvmmentar ab, während di« „Wrstminster Gazette" dieselbe an der Spitze ihrer Tagesrundschau bespricht und dabei brmerkt: „In Anbetracht dessen, daß wir jeden Fall«» da» Vorkaufsrecht auf die Dela^ocbai hatten, ist es zu unglaublich, daß Zanzibar Deutsch land als Zeichen guten Willens zugrworfen würde. Im Jahre 1890 gaben wir Helgoland Deutschland al» Köder, damit e» unsere Rechte auf Zanzibar anerkenne. Jetzt, im Jahr« 1898, wird nun behauptet, wir geben Zanzibar aus, um da» Recht zu haben, Delagoa zu kaufen. Vielleicht werden wir im Jahre 1906 Delagoa dafür aufgeben, daß man unsere Souveränetüt über die Insel Wight anerkennt." Wir würden, wir wir schon ausführten, den Wiederrrwerb Zauzibarö für eine höchst vortheilhafte Errungenschaft, aber durchaus nicht für einen vollwerthigen Ersatz dessen ansehen, was wir England in Südafrika in die Hände spielen. Die englischen Blätter wollen von einer territorialen Compen- salion überhaupt nicht» wissen und sie geben damit nur ver alten Gepflogenheit der britischen Politik Ausdruck: „Was wir einmal besitzen, geben wir nie mehr heraus." Ist da» Auswärtige Amt in Loudon, wie zu erwarten ist, dieser Gepflogenheit auch I diesmal treu geblieben, dann haben wir überhaupt daö ! Nachsehen. Feiiilletsn. Henny Hnrrah! 21j Roman von Ernst Clausen. Nachdruck vertotni. „Ja, Axel, Du kannst ruhig abreisen!" preßte sie mühsam heraus. Er trat ihr rasch einen Schritt näher. „Nein, Axel, Du mußt gehen, hörst Du? Du mußt! Wenn Du den Schwung genommen hast, dann frage mich wieder! Vorher nicht! Bitte, thue es nicht!" Sie hielt die Arme wie zur Abwehr von sich gestreckt, und doch tasteten ihre Hände unsicher, als suchten sie etwas. Da nahm er die feinen, schmalen Hände in seine großen, starken. „Henny! Henny!" ' Einen Augenblick legte er die Stirn darauf, dann ging er hinaus. Sie stand da und starrte auf die Thür, durch die er verschwunden war. Hatte sie ihn belogen? Ganz gewiß nicht! Die Hoffnung wollte sie ihm mit auf den Weg geben. Auf der einen Seite standen ihre Eltern, ihre Geschwister, sogar Trüxens mit der Heranwachsenden zukünftigen Generation und auf der anderen Seit« Axel ganz allein! Die Anderen besaßen ihre Zuneigung, ihr Pflichtgefühl, und trugen denselben Namen wie sie, aber ihm gehört« ihr Herz und die Lust, zu leben und zu kämpfen und der Wunsch, einmal sie selbst zu sein, ganz und gar eine Henny Hurrah! Einmal nur im Leben Soldat sein, kein Manöver soldat, der wohl Hurrah schreit, aber dabei schon auf da» Signal „Das ganze Halt" wartet. Er wollte ja auch nichts Andere» "von ihr, während die Anderen doch wohl oft daran dachten, daß sie die Wittwe Brown's sei mit 20000 Matt Revenuen. Sie nahm e» ihnen nicht übel; es war so natürlich und Keinem daraus em Vorwurf zu machen. Das Gespräch hatte sie ungeheuer erregt, so daß sie sich schwach fühlte. Mit resignirtem Lächeln ließ sie sich in einen Fauteuil sinken, einem Lächeln, wie Menschen e» haben, die genau fühlen, daß das Schicksal sie vor Conflicten bewahren wird, die nur die Gesunden auskämpfen können. Sobald die Weihnachtsferien begannen, war Axel abgereist; seinen alten Schulkameraden Philipp König hatte er noch einmal besucht; er hatte dabei unter dem Eindruck des Abschiednehmens von Tressinq's gestanden. Aus Rücksicht auf Henny war er dorthin gegangen und auch, > weil er den alten Onkel gern hatte. — Frau von Tressing war I eitel Liebenswürdigkeit gewesen. Ihren Reden nach hatte sie! volles Verständniß für Axel's Wunsch, seine Künstlercarriöre q wieder aufzunehmen, und sie erging sich in freudigen Worten f darüber. — Axel kannte sie zu gut. — Ihre Stimmung ließ sich j ganz einfach in die Worte zusammenfassen: Gott sei Dank, Den werden wir nun los. Mit König hatte er über Hedwig gesprochen, und als er Ab schied nehmen wollte, fragte Jener in seiner lakonischen Art: „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihre Schwester heirathe, im Fall sie mich will?" Die Frage kam so unerwartet, daß Axel einige Sekunden nach der Antwort suchen mußte. Er sah dem Anderen in die dunklen, energischen Augen und sagte dann: „Nein, Philipp König!" ' „Ich danke Ihnen, Sternfeld! Ich danke, weil ich weiß, daß dieses „Nein" die Weltanschauung von mehreren Gene rationen über den Haufen wirft. Sie kennen meinen politischen Standpunkt und daß ich die Interessen des Proletariats ver trete." ' „Damit bin ich fertig geworden. Was das Letztere betrifft, so habe ich wenig Interesse für Politik! Gute Deutsche sind wir Beide!" „Ganz gewiß, Sternfeld!" In diesem Punkte bin ich kein Demokrat!" Sie reichten sich die Hände und nahmen Abschied! ' Heute, am ersten Feiertage, stand König vor seinem Neubau, die Hände in die Taschen seiner dicken Lodenjoppe vergraben. Das Wetter war kalt geworden und die Maurerarbeiten ruhten seit einer Woche. Sein Blick glitt mechanisch über die noch rohen Außenwände bis zum Dachfirst hinauf, wo der Richtbaum stand, dessen bunte Bänder lustig im Winde flatterten. Er hatte zwar einen Theil des Geldes zu diesem Hausbau leihen müssen, aber es war ihm darum nicht bange, sein Geschäft erweiterte sich zusehends und die alte Werkstatt reichte nicht mehr aus. Das Wohnhaus sah klein aus neben dem dahinter stehenden großen Schmiedegebäude, aber man sah dem Rohbau an, daß guter Geschmack den Baumeister geleitet haben mußte. Er hatte das Alle» selbst entworfen; fast jeder Backstein war von ihm be rechnet worden und saß auf dem Fleck, wo ihn Philipp König's Will« hin haben wollte. „Guten Morgen, Herr König!" ' Er wandte sich rasch um und blickte in Henny'» muntere, freundliche Augen; dicht neben ihr stand Hedwig Sternfeld. „Gestern angekommen, gesund und frisch", fügte Henny hinzu. Hedwig erröthete leicht und reichte ihm die Hand. Es war viel Verkehr von Spaziergängern hier. Fast jeder Bürger der Stadt kannte König nebst den Damen, die ihn begrüßten. Eine Gruppe Frauen unterbrach ihr eifriges Gespräch und blickte neu gierig herüber. „Sind Sie wieder ganz gesund, Fräulein Sternfeld? Das freut mich! Sic sollten sich nur in Acht nehmen, Frau Brown, der Ostwind ist scharf!" Axel's Schwester hatte etwas Farbe bekommen in der frischen Winterluft, aber ihr Gesichtchen sah doch so fein und schmal unter dem Pelzbarett hervor, daß Philipp wieder dasselbe un ruhige Gefühl empfand, wie damals, als er mit ihr auf dem Haidehügel stand. ' „Ihr Haus gefällt mir", meinte Henny. „Es ist nur gut, daß es noch vor dem Winter unter Dach gekommen ist." Er sah steif nach dem Dachfirst hinauf. „Ja, das denke ich auch, Frau Brown!" „Kann man nicht einmal hineinsehen?" fragte Henny. Der Schalk lachte ihr aus den Augen. „Meine Cousine wird cs auch interessiren." — Er ging schnell auf das Thor der Umfassungsplanke zu und ließ die Damen eintreten. Das Parterre wurde besichtigt. — Henny machte einen Scherz über die Küche, die einfach königlich sei, und erklärte dann, lieber auf das erste Stockwerk verzichten zu wollen; die Luft in dem Neubau sagte ihr nicht zu. „Oben wird schon geheizt zum schnelleren Austrocknen", sagte König. ' „Nein, nein; ich warte draußen im Sonnenschein!" Damit ging sie hinaus. Hedwig, die schon die halbe Treppe hinauf war, zögerte einen Augenblick. Philipp König stand hinter ihr, sah sie fest an und meinte halblaut: „Gehen Sie nur weiter, es wird nicht lange dauern!" , Es war warm in den Räumen und roch nach Kall und frischem Holz. — Hedwig blieb an einer Hobelbank stehen und strich einige Späne von derselben herunter. „Ich habe einen Brief von Ihrer Schwester gehabt", sagte sie. „Es hat mich gefreut, etwas von ihr zu hören." Sie wurde roth, und er fühlte deutlich, weshalb sie es sagt«. . ... „So können Sie freundlich an meine Schwester denken? Fräulein Sternfeld!" Sie sah ihn offen an. > „Sie sind sehr gut zu Ihrer Schwester gewesen — ja — wehren Sie nicht ab! Dora schreibt e» mir!" „Die ist durch!" bemerkte er einfach. Und Sie haben dabei das Beste gethan. Sie fragten mich einmal, ob ich denn meine Schwester so ganz allein nach Berlin gehen lassen wollte? Das habe ich mir gemerkt. Ich denke, wenn sie genug gelernt hat, zieht sie vielleicht hierher. Dies Zimmer würde für ein Atelier passen; es liegt nach Norden." „Das ist recht von Ihnen, Herr König." Hedwig zögerte einen Augenblick und reichte ihm dann die Hand. „Sie sind ein guter Mensch!" Er holte tief Athem und ließ ihre Hand langsam sinken. — Hedwig Skrnfcld war eine Andere geworden, seit er sie zuletzt gesehen, daran war kein Zweifel. Viel mehr Ruhe und Klarheit sprach aus jedem ihrer Worte, ohne daß sie dabei von ihrer weib lichen Zurückhaltung etwas eingebüßt hätte. „Sic sind ein praktischer Mann, Herr König, können Sie mir nicht rathen, wie ich es anfangen soll, einen paffenden Brod- erwerb zu finden, denn in einen Laden g«he ich nicht w«eder. Vorläufig lebe ich bei meiner Cousine und werde sie nach Italien begleiten. Sie meint es gut mit mir und die Sach; hat dadurch einen Namen, daß sie mich als Gesellschafterin mitnimmt, zumal ihre Eltern sich nicht von der jüngeren Tochter trennen wollen. Wenn ich nicht selbst fühlte, daß ich erst ganz gesund werden müßte, thäte ich es nicht! Aber ich möchte meinem Bruder keine neue Last auferlegen. Sie verstehen, nicht wahr?" Ja, er verstand Alles; er trat ans Fenster, um nachzusehen, ob die Riegel gut schlossen, dann zum eisernen Ofen und legte Kohlen a-uf. Dort blieb er stehen und hielt die Hände an die Ofenthür, als wollte er sie wärmen, wobei er Hedwig den Rücken zuwenden mußte. ' „Darin thun Sie recht, Fräulein Sternfeld; es würde schwer halten, eine solche Stellung zu finden. Mein Geschäft ist im letzten Jahre sehr gewachsen und vom Buchhalten verstehe ich nichts — habe auch keine Zeit dafür übrig, und wenn Sie das vielleicht übernehmen wollten von Ostern an — es ist schließlich nicht zu schwer für Jemanden, der etwas davon gelernt hat, wie Sie." ' Dabei rieb er die Hände gegen einander, ohne sich umzusehen, und glaubte, Hedwig müßte das Klopfen seines Herzens ver nehmen können in der Stille, die seinen Worten folgje. „Ich will es mir — überlegen, Herr König. Haben Sie Dank! Doch nun dürfen wir meine Cousine nicht länger warten lassen!" Er hörte, wie ihre Schritte sich der Thür näherten; da wandte er sich mit einer energischen Bewegung ihr zu. „Einen Augenblick, Fräulein Sternfeld! Ich denke, dies Haus hier ist solide gebaut. E» ist ein Neubau, und wenn Sie unter diesem Dache glücklich werden könnten, als Buchhalterin und als meine Frau, so würde ein gewisser König —"
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