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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.04.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190704143
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19070414
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19070414
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-14
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Hezuas-Preis jür Leipffa und Vororte durch «nker« Träg« und Spedite»« <o« Lau« gevrachr AuS- qabi (nur morgen«' virnelit>t>rrüh S M., monatlich l M.: »u«aab> v morgeot und abendsl vierteliädrltch 4 SO M., «ocatlik l.50 M. Durch die Post bezogen (1 mal täglich! inneivalb D»uiich>and« mid der deutschen Rolon en o,e,teljädrlich 3 M., monatlich l M. auSschl. Poübeskllgeld, für Oeslerrrich-Ungaru vierteljätirlttd 5 L 4L b. Abonnement-Annahme: Augustusplatz 8, bei noseren Lrätzer», Filialen, Spediteuren und Annahmeueüen. sowie Postämtern und Briefträger». Di» einzeln« Nummer kostet 1V Psg. Nebattinn und SxpevMoa: IodanniSaass« 8< Telephon Nr. ILA Str. 2LL Nr. 1173. Berliner NednMouS-vureau: B«lin KV. 7, Prinz Laut» Ferdinand- Straste 1. Televdon l. Nr. 987k. Nr. M. Morgen-Aussiabe L. Äln^eiqen-Preis für Inlerate aus Leivzig u. Umgebung di» Kgespaltrne pelitgeile 2Z A>'.. kinancielle An zeigen 30 Pf., Steklamen 7öPf.; von auswärts 30 Pi.. 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Parlaments, bericht 2. Beil.) * Im Preußischen Abgeordnetenhaus wurde nach Ueberweisung des neuen Richterbesoldungs gesetz c s an eine Kommission eine Resolution angenommen, nach der die Gleichstellung der Oberlehrer an den höheren Lehranstalten im Gehalt mit den Verwaltungsöe amten urck Richtern bei der all- gemeinen Neuregelung der Beamtengehälter erfolgen soll. (S. Dtsch. R.) * In Straßburg ist das Gerücht verbreitet. Staats sekretär von Köller wolle zurücktreten und werde durch den llnterstaatssekretär Freiherrn Zorn von Bulach ersetzt werden. * Es scheint aufs neue Hoffnung vorhanden zu sein, daß der Hamburger Hafenarbeiterkampf bei gelegt wird. lS. Dtsch. R) * Dem Rate der Stadt Leipzig ist die ministerielle Genehmigung zur Begebung einer vierprozentigen An leihe im Betrage von acht Millionen Mark er teilt worden. sS. Lpzg. Ang.) * Der Schriftsteller OttovonLeixncristcrm Abend des 12. April in Groß-Lichterfelde gestorben. (S. Feurll.j * König Eduard ist in Malta eingetroffen. * Minister Rothe ist bei seiner Ankunft in Southampton herzlich bewillkommnet. lS. Ausland.) - Das von derSkupschtina nicht erledigte Budget ist durch königlichen Ilkas in Kraft gesetzt. sS. Ausland.) * In dem Prozesse gegen den Abb» Iouin wegen Aufreizung zum Aufruhr, begangen in einer Predigt, wurde der Angeklagte vom Zuchtpolizeigericht zu 1k Francs Geldstrafe und in die Kosten des Verfahrens ver urteilt. Lartagena, Alden. Lover. Die Monarchenreisen dieses Sommers haben die Herr scher Englands und Italiens eröffnet. König Eduard hat eS eilig vergeudete Jahr« nachzuhole» und seinen Rcmea einer Periode der Geschichte auszsprägen, die nicht nur für Eng- land selbst, sonder« für da- gesamte Europa bedeutunasvoll sein wird. Den schwersten Teil der Arbeit, die er seinen weitschauenden Plänen zugrunde legte, hat er hinter sich. Die tiefgewurzelte ÄbneiMng des französischen Bolles gegen den englischen Nachbarn hat er so gründlich beseitigt, daß die eng- lisch-französische Entente nicht nur eine diplomatische Kon- »enieuz, sondern wirklich «ine Ueberzeugungssacde für den Franzosen von heute geworden ist. WaS Eduard in Car tagena auLrichtete, war eigentlich nur noch ein« Art Nach lese, und nichts kann deutlicher den politischen Niedergang Spaniens kennzeichnen, als die Freude der offiziellen Presse am Manzanares über das Abkommen zwischen England und dem Reich« AlsonsvS. In Wirklichkeit bedeutet dieses Abkommen Vetter nichts als das Siegel unt«r einem Doku ment, daS dem einst so stolzen Reiche der HidalqoS die Roll« eine- Vasallen zuw«ist, dessen biscayische und Balearenhäsen der englischen Flotte in einem Kriege der Zukunst als Stütz punkt dienen weichen. Spanien ist also endgültig in den Konzern der Weltmächte eingetr«ten, und was Herr Jules Cambon als Botschafter Frankreichs in Madrid in die Wege leitete, ist von König Eduard in Cartagena fertig gemacht worden. Die Erinnerung an die Zeit, wo der „Roi Ulan" als Chef eines preußischen Ulanenregiments weniger in Paris als in Berlin einen festen Stützpunkt seiner Politik -ucht«, ist endgültig ausgelöscht. Do ganz nebenher wird König Eduard als guter Fami lienvater auch noch etliche Kleinigkeiten im bourbpnischen Hause zu ordnen gehabt haben, denn die blonde Lna hat sich offenbar ganz energisch über die Rolle beschwert, di« man ihr al» Königin von Spanien in Madrid zuerteilte. Der ku-nge Ehemann hat sich durchaus nicht al» den -ärtluye» und galanten Caballero entpnppt. wie di« jung« Gattin «S vielleicht erwartet hatte. War ihr Einzug in Madrid von jenem grauenhaften Attentat begleit«», so ist ihre Stellung beute noch eine solch«, daß man sie wahrlich nicht za benei- d«n braucht. Man sprach schon ziemlich offen davon, daß die Battenbergerin sich mit dem Gedanken trage, nach England zurückzukehren. Tws ist vorläufig natürlich ein Ding der Unmöglichkeit, und auch in Zukunft würde eine offener Zwist zwischen den königlichen Gatten durchaus nicht in die Pläne Eduards vasten. Man darf nicht vergessen, daß König Alphon» XIII. tuberkulös ist und daß der Battenbergerin über kurz oder lang di« Rolle zusallen kann, welch« Maria Cristina so lange Jahre mit Selbstverleugnung spielte. In dem Augenblick aber, wo Königin Ena Regentin von Svanien würbe, wär« in Wirklichkeit der Herrscher Englands auch Herr im kastilischen Reiche. Man wirb begreifen, daß König Eduard ein Machtwort sprechen und sich nicht besinnen wird, di« menschlichen Gefühle «in«r englisch«« Prinzeß gering zu achten gegenüber den Aussichten, welche die Konstellation in Spanien der Zukunft Englands bietet. Wir haben an anderer Stelle erörtert, daß Viktoria Emanuel« von Italien in Athen die Geschäfte England» besorgt, und daß Tittoni, der soeben »och in Rapallo Drei bundsklänge sang, heute im Lande der Hellenen sein englisches Herz entdecken muß, weil König Eduard es gebeut. Der greise Georgias von Griechenland hat bisher sich wenig um die große Politik öffentlich gemüht, er war — besonders nach dem großen Hasentreiben bei Larissa — heilfroh, wenn die braven Griechen die allernötigsten Kredite in Paris und London sanden und der Ministerverbrauch der Parteien nicht allzu wüste Dimensionen annahm. Es klingt beinahe komisch, die Herrscher Italiens und Griechenlands Worte über schwenglicher Freundschaft wechseln zu hören, denn niemand war eifersüchtiger auf die italienischen Absichten in Albanien als das Volk der Griechen. Aber selbst diese natürlich be gründete Eifersucht schweigt, weil von England und Paris aus die Parole ausgegeben ist, allen eigenen Hader zu ver- gessen und die Hand zum großen Ringelreihen zu reichen, der um den deutschen Michel getanzt wird. Und dieser steht anscheinend einmal wieder ratlos in der Mitte, nach dem er in den letzten Jahren so große Töne ganz unnötiger weise gesprochen hat. Wir wissen nun Gott sei Tank end lich, woran wir sind, und wer sich heute noch einer Täuschung über die wahren Absichten Englands und Frankreichs und ihrer Trabanten hingibt, an dem ist Hopfen und Malz ver- loren. Wir sind heute glücklich so weit, daß man uns von der Seine aus direkt die Faust unter die Nase hält und vor der Welt uns am Barte zupft, um zu beweisen, daß wir wirklich schlafen oder tatsächlich „rmaikiquos st timickss" sind. Es ist daher wieder eine Mu'terleistung unserer Offiziösen unter dem Nsgime Dschlrschky, dessen Ostertelegramm an die Londoner „Tribüne" wir hier festgenagelt haben, wenn deutlich davon die Rede ist, daß der Kaiser nach Cowes gehen will. Wir nehmen an, daß die Ausstreuung dieser Nachricht nur eine Leistung des blinden Unverstandes derer ist. welche um jeden Preis sich an allerhöchster Stelle als die großen Diplomaten und Kundigen geheimer Herzens wünsche in großer Gloria hinstellen möchten. Daß es für den Frieden und den Fortschritt der Welt das allerbeste wäre, wenn König Eduard und Kaiser Wilhelm tatsächlich Hand in Hand vorgingen, daß gegen ein englisch-deutsches Bündnis mit gemeinsamen Zielen jede andere Konstellatron in der Welt nur ein Kartenbaus wäre, bezweifelt niemand. Nur darf diese Ansicht und Ueberzeugung nicht eine Form zum Ausdruck haben, welche in englischen Augen einer Nach- läuserei gleichkommt. Und die Ttaatskünitler b^ uns, welche von e:nem Kiistrbesuch in Cowes reden ehe K>nig Eruard l'ekbst »ls stontz«Sh«n Ine Anregung zrm Bc.nch gegeben - hat, beweise«, daß sie an Takt nicht stärker als an Intelligenz sind. Es gibt bereits boshafte Menschen in Deutschland, welche di« Nachricht vom Besuch in Cowes als eine Sebn- fuchtsarie unserer Offiziösen ansvrechen und schrill dazu aut den Fingern pfeifen. Wenn nun wirklich von feiten des englischen Hofes die Einladung nach Cowes nicht enolqt, so sind unsere Offiziösen Löse blamiert. Freilich, wes« der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes dienstbeflissen in dem Tribunetelegramm seines Herzens Sehnen offenbarte, so kann man es seinen publizistischen Lakaien wohl nachfühlen, wenn sie bereits Hymnen aus den Besuch in Cowes verschämt zu summen begannen. Nach Cartagena fuhren englische Schiffe, in den Piräus italienische Panzer, hoffentlich flattert nicht im Winde von CoweS der kaiserliche Jachtwimpel, ehe Könia Eduard die Schritte getan hat, welche wir im ruhigen Bewußtsein unserer Würde und Macht vor einem Kaiserbesuch in englischen Ge- wässern verlangen dürfen. Wir müssen vom Reichskanzler als dem Nachfolger eines Bismarck erwarten, daß nach unserem mutigen Zurückweichen in Algeciras und unserem allzu löblichen Schweigen gegen französische Rodomontaden nun Cowes nicht zur dritten Station der Bülowoolitik wird, die nachgerade für den nationalbewußten Deutschen euren merkwürdigen Beigeschmack angenommen hat. katbssircher Pfarrer «llO liberaler LanütagslranSiaat. (Von unserem Münchener Korrespondenten.) Das „Leipziger Tagsblatt" hat schon einige Proben von der ungeschickten und taktlosen Art mitgeteilt, in welcher die Zeu- trumspresse ihrem Entsetzen darüber Lust macht, daß der katholische Pfarrer Grandinger iw. obersränkischen Wahl kreise Naila als liberaler Landtagskandidat ausgestellt wer den soll und will. Die Absicht, welche das Zentrum mit seiner Taktik verfolgt, ist eben so durchsichtig wie erklärlich. Man will dem wackeren Pfarrherrn um jeden Pr«is sein Vor haben verleiden. Wie viel den Ultramontanen daran liegen muß, wie unbeguem ihnen dies« Kandidatur käme, würde man ihnen auch b«i tiefstem Stillschweigen glauben. DaS stärkste Stück leistet sich heute di« führend- „Augsburger Postzeitung". Sie ruft di« biichöfliche Gewalt an und erheb! di« bange Frage: „Wie stellt sich der Episkopat zu einer liberalen Kan didatur eines katholischen Geistlichen? Hält er cS für denk bar und angängig, daß ein katholischer Geistlicher dem katho lischen Volke daS schwere Aergerniz geben darf, offen aus die Seit« und in die Reihen einer Partei sich zu stellen, di« in Reden ihrer Führer der Orthodoxie, d. h. dem gläubigen Christentum, den Kamps erklärt, und deren ganze Beschicht« und Vergangenheit sie noch stets als Todfeindin der katholi- sch«n Kirch« erwiesen hat? Aus diese Franc wird ein« klar« und unzweideutige Antwort nicht auSbleibcn können. Wird die liberale Press« noch fernerhin mit der Behauptung krebsen geh«» Vnnen, ein katholischer Geistlicher, der eine liberale Kandidatur annimmt, „werde in seinem Vorhaben von seinem Erzbischof nicht gehindert werden"? Bei der bekannten Stellung, welche d«r Liberalismus grundsätzlich zur Kirche und Religion überhaupt einnimmt, erachtet daS katholisch« Volk «S für ausgeschlossen, daß ein katholischer Geistlicher durch seine Kandidatur de» Liberalismus unterstützt und fördert. Dies auch aus autoritativem Mund« ausgesprochen zu hören, ist der sehnlichste Wunsch des katholischen BotkeS, ein Wunsch, dessen Berechtigung sicherlich niemand bestreiten wirb." Das Gerede über die Todseindschast gegen di« Kirch« ist natürlich keines Wortes wert. Aber di« C»oerfteor«cheit muß festgenagelt werden, mit welcher das Zentrum so kurze Zeit nach den Reichstagswahlen ein Einschreiten des Episko pats fordert. Noch ist die uliramontane Hetze gegen die bei den Erzbischöfe in aller Erinnerung. Von Zentrumsseite sonnte nicht einmal der Mitteilung eines hochangesehenen Theologen in den ,M. Neuest. Nachr." widersprochen wer den, daß den beiden Kirchenfürsten wegen ihrer Warnung vor sozialdemokratischer Stimmenabgabe Hunderte von anonymen Briefen gemeinsten Inhalts zugegangen sind, daß dem Abt von St. Bonifaz, der sich unter den Unterzeichnern der be kannten Erklärung befand, vom Katholischen Kasino eine tele phonische Katzenmusik gebracht wurde. Und nun will man einen dicstr Erzbischöfe, noch dazu Dr. v. Abcrr, der wegen eines Schreibens an seine Geistlichen so unaualinzierbar behandelt wurde, gegen einen liberalen Pfarrer mobil machen. Daß es sich dabei auch um einen Racheakt gegen Len Bamberger Metropoliten handelt, dafür würde ich die Hand ins Feuer legen. Er soll in Verlegenheit gesetzt und, folgt er dem Zentrumsbefehle wieder nicht, bei den gläubigen Scharen diskreditiert werden. Tie Liberalen in Naila aber sollten auS all dem eine ernste Lehr« ziehen. Tie Kandidatur Grandingers steht näm lich noch keineswegs fest, vielmehr « erden große Anstrengun gen gemacht, um in Naila einen bisherigen liberalen Abge ordneten, dessen Wahlkreis an das Zentrum verloren ist, unlerzubringen. So wünschenswert es auch wäre, den aus- gezeichneten Mann der liberalen Fraktion zu erhalten, die pfarrherrliche Kandidatur erschiene mir doch weit bedeu tungsvoller, auch wenn ohne sie di. Gefahr, den Wahlkreis an die Sozialdemolraten zu verlieren, nicht gegeben wäre. Welchen politischen Wert es de äße, wenn die liberalen Reihen im Landtage ein katholischer Priester verstärkte, ein katholischer Pfarrer, der sich au« das Nürnberger Block programm verpflichtete, bedarf keiner besonderen Begrün dung Und auch die Tapferkeit des Mannes verdiente den Ausdruck Les Vertrauens, wie es in der Uebertragung eines Mandates liegt. Nicht wenige Geistliche sind heimliche und in der liberalen Press« anonyme Gegner des Zentrums, so mancher macht auch öffentlich kein Hehl daraus, aber den Mut, als liberaler Vertreter in di' Kammer, indiese Kam mer, einziehen zu wollen, har noch keiner bewiesen. Ob dieser Mut gegenüber allen Anfechtungen standhält, wird natur- l>ch erst die Zukunft lehr-n. , Le-prig, mit rnglircdrn nugrn gerrdru. Ter Bericht der englischen Arbeiterkommission die im oerjlopenen Jahre Teulicyland bereiste, um ein lelbslandiges Urteil aus Grund eigener Anschauung rauer die Verhallni»e zu gewinnen, unter Lenen die deutsche Jndustrieöevölterung tevl und aroeclel, ist loeven in nu^o.m uroer dem Tuen „Leben und Arbeit in Deutschland" erschienen. T>e sechs cnglrtchen Arbeiter aus verschiedenen Faortten der Grajsci)ast Gamsvorough follten angeblich ganz uiraohangig von den Einflüssen erner politischen Partei (ein und nur die Wahrheit oder Unrichtigkeit der Behauptung feststellen, üre während der letzten Wayl -um enguicveu Parlament wiederholt in Wort und Schrift verbreitet wurde: daß der deutsche Arbeiter infolge der Schutzzollpolitik seiner Mgiervng unter elenden Verhältnissen lebe und seine eng- lijchen Kvu.egen beneide, oder wenigstens beneiden solle. Tas Ergebnis der Informationsreise ist aber so sehr zugunsten des Schutzzolles ausgefallen, daß der unbefangene Beobach ter, der die Verhältnisse in Deutschland und in England tennt, den Eindruck gewinnt, als sei der ^we<r der r-cerse im Grunde doch der gewesen, für die zollpolitischen Ideen von Mister Chaaiberlern sen. geschickt und unaufsällia Pro paganda zu machen. Selbst wenn dies nicht die Absicht war, so wird es doch die Wirkung des vorliegenden Buches sein. Man findet bei sorgfältiger Prüfung wider holt, daß die Preise der Lebensmittel in England und Deutschland verglichen werden, ohne daß dabei der Unter schied in der Höhe des Durchschnittsverdicnstes berücksichtigt wird, der naturgemäß auf die Erwerbskraft des Wochen lohnes einen entscheidenden Einfluß ausüben muß. Tas sind jedoch Tingc, die die Engländer mit sich selbst abzumachen haben, da für Deutschland die Bahnen der Wirtschaftspolitik auf längere Zeil binaus bekanntlich sestgclegt sind. Für deutsche Leser jedoch bietet das Buch in mancher Hin- sicht viel interessantes, besonders für uns Sachsen. In dem 800 Seiten starken Werke sind dem Besuche der größten Städte und Industriezentren des Königreichs Sachsen über 50 Seiten gewidmet. Der Bericht über den Besuch in Leipzig bringt, wie alle anderen- eine Menge statistischer Angaben über Lohn- und Arbeitsverhältnissc, Wohlsahrtseinrrchtungen und das kiesige Schvlwesen. Er zeigt aber auch zugleich, daß die Engländer hier mit offenen Augen umher gegaugen sind, und das was sie hier faken, im Interesse ihrer Landsleute und ihrer heimischen Industrie zu verwerten wissen. Der Bericht beginnt mit einem kurzen Rückblick auf die Ent wicklungsgeschichte der Leipziger Industrie und einer Schil derung der Leipziger Messen und geht dann als einziger der 15 Berichte in den einzelnen Städten auf das politische Gebiet über. Der Präsident der Leipziger Handelskammer hatte Gelegenheit genommen, in seiner Begrüßungsansprache die Hoffnung auszudrücken, daß in Zukunft nickt Gefühle der Feindschaft und Eifersucht, sondern der Freundschaft in dem Verkehr zwischen England und Deutschland die Ober hand gewinnen würden. In Erwiderung hieraus wiesen die englischen Gäste darauf bin, daß ihre Mission gänzlich unpolitischer Natur sei und daß sie nicht in der Lage wären, eine Ansicht über Politische Fragen zu äußern. Sie freuten sich jedoch, schon damals feststellen zu können, daß die bös willigen Anektoden, mit denen enalische Agita toren in der Presse und in Wahlversammlungen hausiert hatten, vollkommen aus der Luft gegriffen seien. daS würden sie mit gutem Gewissen ihren Landsleuten erzählen können, nachdem ne sowohl mit den Fabrikanten und Großindustriellen als auch mit den Führern der Gewerk schaftsbewegung und mit einzelnen Arbeitern in den Fabri ken in regen Gedankenaustausch getreten seien. Es ist selbstverständlich daß in der Zentrale des deut, schen Buchdrucks und Buchhandels diesen Erwcrbszweigen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Die Ansicht der englischen Besucher geht dahin, daß di« deutschen Buch- druckmaschinen langsamer al? die englischen und amerria- niscken sind, dafür aber dauerhafter, wenigstens dauerhajicr als die amerikanischen. Tic Amerikaner legen nach Anstchl der Engländer besonderen Wert aus die Schnelligkeit der Maschine, wenn sie auch nicht lange hält. Besonderen Re spekt flößte den Engländern die Organisation der Buchdrucker ein, der Buchdruckertarif, das für beide Teile so vorteilhafte Zusammenwirken zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in diesem Gewerbe. Der englische Buchdrucker hat bekannt lich auch seinen Tarif und seine Organisation, aber die letzteren sind nicht so einheitlich und nicht so vielseitig wie in Deutschland, sie sind mehr Kampfmittel als wie Wohl- fahrtseinrichtung. Tie Streikkasse spielt bei der Toirclou Kociot.v ok composikors (Londoner Sctzeroereinigungl die Hauptrolle, erst in zweiter Linie kommt )ie Arbeitslosenunter stützung und die Kranken- und Jnvaliditätsunterstützung sind vor der Hand noch die Stiefkinder dieser Organisation. Ter Tarif ist allerdings hoch, aber bei weitem nicht so all gemein anerkannt als in Deutschland. Tie Provinz hat ihre besonderen Organisationen im Gegensatz zur Hauptstadt. Alle diese und noch viele andere Mängel hat die deutsche Organisation nicht auszuwcisen, und es ist Wohl kein Wun der, wenn die englischen Buchdrucker ihre deutschen Kollegen ein wenig beneiden. Die Kommission besuchte die Buchdruckereien von Phil. Reclam und Oskar B r a n d st e t t c r, die Buchbin derei-Aktiengesellschaft vorm. Gustav Fritzsche und die Maschinenfabrik von Karl Krause. In all diesen Etoblisse- ments erkundigten sie sich nach vielen Einzelheiten in bezug ans Lohn- und Arbeitsverhälrnisse. sie besichtigten Pie Räume, die Maschinen und fragten die Leute aus, was ihnen von den Unternehmern auch aus das bereitwilligste gestattet wurde. In der Krauseschen Maschinenfabrik sahen sic zu ihrem Be dauern gar kein Werkzeug englischen Ursprungs und sie er hielten auf eine darauf bezügliche Frage die Antwort: „Ich kenne kein englisches Werkzeug, das unser deutsches über- trifft. Einige amerikanische, die ich kennen gelernt habe, kaufte ich sofort und wir gebrauchen sie mit Vorteil. Kein englischer Reisender ist in den 29 Jahren meiner kiesigen Tätigkeit gekommen, dagegen unzählige Amerikaner." Diese Erklärung ist natürlich eine bittere Pille für die englischen Leser, aber die Tatsache, die in dem Bericht wieder erscheint, bildet einen Beweis für den Ernst, mit dem die englische Kommission ihre Ausgabe erfaßte. Am Schlüsse des Be richts heißt cs: «Wir glauben, daß die Leip- zig-r Arbeiter, mit denen wir in Berüb- ! runa kamen, löchrige Leute sind, die ihr Ha idwerl verstehen. Wir haben in den Fabriken und Buchdruckereicn die Frauen und Kinder arbeiten sehen und wir können feststellen, daß sie ebenso ordentlich und sauber gekleidet waren, wie die, die wir in den übrigen deut schen Städten gesehen haben. Bummler nnd Arbeitslose sahen wir nicht in den Straßen, nnd in den Fabriken gab eS Arbeit in Hülle und Fülle. Was unsere Beobachtungen m bezug auf die Wohnungsfrage in der Arbeiterbevölkerung betrifft, so können wir nur mir Befriedigung wiederholen, was Mr. Harris, der amerikanische Konsul in Chemnitz, in seinem letzten Berichte an das Arbeitsministerium in Washington schrieb und zwar heißt es da: „Tic Erfahrung hat in Deutschland und in anderen Län dern gezeigt, daß, zemehr der Fabrikant zwischen dem Men schen und der Maschine unterscheiden lernt, desto mehr wer- den die Lohnbewegungen ihres gefährlichen Charakters be raubt." veulsGes RslLtz. Leipzig, 14. April. * Tcutjchland auf dcr Haager FricscnStonsercn^ Der Geheime Justizrat Dr. Philipp Zorn, Professor dcr Rechte an der Universität Bonn, wird, wie die „N. Ges.-Korr." mclvet, gleichfalls als Delegierter Deutschlands an dec Friedenskonferenz im Haag teilnehmen. Bcstäl'gt sich Liese Meldung, so würde der erste Delegierte, Freiherr Mar schall von Bieberstein, allo von zwei juristischen Bei räten: den Geheimräten Kriege und Zorn, begleitet, denen sich, als Marinedelegierter, noch der Marineailache in Paris, Admiral Siegel, anschließl. Der Geheime Justiziar Dr. Zorn nahm bekanntlich auch an der ersten Haager Konsereu; teil und war damals Mitglied der Kommi'sion jür die Aus arbeitung eines SckiedSgerichtSabkommenS. * Block contra Tchwarzrot. Zentrum und Sozialdemo- lraten sollen, wie im R.rchstage erzabll wird, beabsichtigen, d e EiaiSberatungen zu verschleppen und stait posiuve Arbeit zu leisten, ihre Leute :um „Plaudern" lommandieren. Man bezweckt damit, die Regierung und die Blockmehrbeit zu ärgern und will den Block provozffrrn, gemeinschalllich gegen Lckwarzrol vorzugeken, in der st llen Hoffnung, daß der Block bierber Meinungsverschiedenheiten ergeben wird und so daS Einvernehmen der Blockparteien gestört wird. WaS die Regierung andelangt, fo sieht sie ruhia diesem Treiben zu, wenn der Reichstag Zeit hat, bat die Regierung auch Zeit. Eine lange EiatSderalung beeinträchtigt die Beratung der übrigen Vorlagen und den Scharen hat das veutiche Volk. Die Blockparteien haben schon dafür Sorge getragen, daß eie tckwarzroten Bäume riiwl in den Himmel wachten und die Parteien werden darauf achten, daß sie stets über die Mehrheit gebieten, um den Kaffeeklatsch zu rechter Zeit zu unterbinden, tk. Tie Ungnltigkcilserklärung der Wabl des Abg. Frhr. von Richlbofen-Damsdors in der WahlprüfungSkom- nilssion des Reichstags erfolgte mit 7 gegen 6 Stimmen. Frhr. von Richldofen hatte im Kreise Sckwe dnitz-Strregau >n der Hauptwalrl 10 042, der Sozialdemokrat Feldhorn 834l, der Freisinnige 4127 Stimmen erkalten. Kurz vor der Stichwahl erschien in einem Blatte des Wahlkreises ein A> titel, der alle bürgerlichen Parteien aussorderte, für Richl- bofen zu stimmen. Fürst Bülow fühlte sich durch diesen Artikel veranlaßt, dem Herausgeber der Zeitung ein Tele gramm zu senden, in der er alle Wähler aussorderte, gegen den Sozialdemokraten zu stimmen. Ja der Stickwabl erhielt Rickihoscn >5 606, der Sozialdemokrat 8865 Stimmen, an scheinend ballen alle Freisinnigen für den Kontcrcaiiven ge» stimm'. Tie Mehrheit der Wablprufnngskommiision sab nr rem Telegramm des Reichskanzlers eine unzulässige Wahlb«- emftussung und beschloß, dre Wahl zu kassieren. Die Mehr»
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