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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.06.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930614026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893061402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893061402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-06
- Tag1893-06-14
- Monat1893-06
- Jahr1893
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Mts. ab eine erste halbjährliche Ab- schlag-zahlung von einunddreiviertel Procent oder 5-i Mark 50 Pfennige fir den Tividendenschein Rr. 7 bei der ReichSbankhauPtcasse in Berlin, bei den ReichSbankhauptstellcn, Rcichsdankstellen, der Tom- nioadite in Insterburg, sowie bei säuimtlichc« ReichSbanknebcnstellen ml Lasieneinrichtung ersolgen. t. Berlin, Leu 11. Juni 1893. Der Reichskanzler. In Vertretung: von Boetticher. Bekanntmachung. Bon dem Unterzeichneten Armcnamt« sollen Freitag, den Ni. Aunt 1803, Norintttagö von 0 Uhr an im Ltatzthause hier verschiedene Gegenstände, als: Model, Betten. Wäsche, LleieNiutkuntüelt«, HauS-, Nachen- und WtrthschastSgeräthe u. A. ni. Mttlich versteigert werden. Leipzig, am 14. Juni 1893. Las Armenamt. Hentschel. Artus. Aazeigea-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg.' Nee kamen unter dem Rrdactton-jntch («go» spotten) 50^, vor den Aamilirnnachricht», (S gespalten) 40 Größer« Tchriften laut unserem Prei«. derzeichnitz. Tabellarischer und Zifiernwf »ach höherem Tarif. Ertr«»8eilagr« (gesalzt), a»r mit b« Morgen-Autgabe, ohne Postbesörderoug ^ v0.—, mit Postbesörderung ^ 70.—. Annahmeschluß fir Anzeige«: Abend.Ausgabe: Lormittagt 10 Uhr. Morge».Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. bann- und Festlag- früh '/,9 Uhr. Vet den Filialen und Annabmesteslen je eine halb« Stunde früher. Anzeige« sind stets an dt» Er-rditian z» richten. Druck und Verlag von E. Pol» i» Leipzig Mittwoch den 14. Juni 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 14 Juni. Die große Mehrheit der morgen an die Wahlurne ! berufenen deutschen Wähler hat ihre Stellung bereits ge nommen und für den einen oder den anderen der auf- ! Milten Candidaten sich entschieden. Auf diese Wählerclasse wird man durch Mahnungen und Aufklärungen in letzter stunde schwerlich noch einzuwirken vermögen. Unsere Mab- ! nnvz richtet sich daher an die Laue», die UncnlschtrVkNk», ! sie entweder meinen, eö komme aus eine Stimme mehr oder ltoemger nicht an, oder die auS persönlichen Rücksichten !-litt Stellung für oder wider Kandidaten nehmen mögen, als Bürger gleich ebrenwertb sind. Diesen Lauen find Unentschiedenen rufen wir zu, daß sie durch Stimm- lcnthaltung gleichfalls zur Entscheidung bei tragen, in sehr vielen Fällen aber eine Entscheidung herbei- siibrenHelsen, die ihren im innersten Herzen gehegten Wünschen nicht entspricht. Gerade die Lauen und Uncnd fchiedeuen gehören nicht zu den fanatischen Umsturz« lern, sie wünschen und hoffen die Erhaltung und den irndigen Aus bau des Best eben den unter dem «egen eines gesicherten Friedens. Verhelfen sie aber durch ihre H-ablentbaltung einem Gegner der Militairvorlage und be sonders einem Socialdcmokraten zum Siege, so werden sie mitschuldig, wenn der äußere und der innere Friede gestört werden. Dringend legen wir ihnen daher die Rabnung ans Herz, die ein auS Siidwcstbeutschland stammen der, ausschließlich von kleinen Landwirtbcn und Hand werkern Unterzeichneter Wahlaufruf zu Gunsten der Miliiair- dvrlage an die Wähler richtet und i» der eS heißt: „Wenn sür den kleinen Man» keine Stcucrerböbung bcrauSkommt, dann kann er wahrhaftig keinen vernünstigcnGrunv gegen die Militair- rorlage haben. Nur crasse Selbstsucht kann militair- sreie, reiche Leute verleiten, gegen die Militairvorlage zu sein; wer aber m i l it a i rpfl i ch t ig ist, der muß als vernünftiger j Mensch für das neue Militairgesetz, das beißt für die zwei jährige Dienstzeit an Stelle der dreijährigen, eintreten. Wer a>S Familienvater im Kriegsfall »och einberufen werten kann, der muß dafür sorgen, daß zuerst alle ledigen, jungen Leute vor muffen. Wer selbst nicht mehr dienst- dsüchtig ist, der hat für seine Söhne zwischen zwei- und dreijähriger Dienstzeit zu Wahlen. Die Gegner der Mitairvorlage sagen: wir wollen den Frieden, darum wollen wir kein Militair. Als wenn der Feind nach unserer Friedensliebe etwas fragen würde! Die Länder sind auch nicht alle glücklich, die kein Militair brauchen, und gerade auch in ihnen bat eS die schrecklichsten Kriege gegeben. Man denke nur an Amerika. Also ist der Satz: „kein Militair, kein Krieg" ein Unsinn. UnS hat die Erfahrung gelehrt, daß gerade die seitherigen Armeeverstärkungen den Frieden erhalten haben, der seit l87l wiederholt bedroht war. Wir wollen auch den Frieden unserer Familie zulieb und unserer Geschäfte wegen, und Wege» Aller, dir von unseren Geschäften lebe». Weil wir mehr Vertrauen auf die Negierung haben, als aus die Herren, die Alle- besser wissen wollen, können wir nickt „Nein" sagen, wenn die Regierung kommt und sagt: „Wir sind nicht mehr stark genug". Die Verantwortung der Regierung ist eine so furchtbare, daß sie gewiß nicht nachgeben kann, selbst wenn der Reichstag noch einmal „Nein" sagen sollte. Dann ist aber der Streit im eigenen Hause da. WaS käme dabei heraus? Haß und Zwietracht unter den Bürgern und Unsicherheit und Stockung in Handel und Wandel, wenn es den Gegnern der Re gelung gelänge, dieselbe in Verlegenheit und Noth zu bringen, rin Volk, das seiner politischen Frcibeit Werth sein will, muß einen klugen Gebrauch davon macken. Sollte dies in den bevorstehenden Wahlen nicht geschehen, dann geben wir großen Gefahren im Innern und nach Außen ent gegen." Wie eifrig beflissen unsere „friedfertigen" sranzüfischen Nachbarn sind, in Elsaß-Lothringen Stimmung gegen die Militairvorlage zu machen, und wie viel ihnen mithin darauf ankomml, daß diese Vorlage abermals ab- gelcbnt und die Verstärkung unserer Wehrkraft mindestens auf die lange Bank geschoben wird, das geht mit vollster Deutlichkeit auS den Flugblättern hervor, die in wohl verschlossenen Briefen au« Paris nach Elsaß-Lothringen ge schickt werden. In deutscher und französischer Sprache auf dünnem, seinem Papier gedruckt, werden die Flugblätter in viele» lausend Exemplaren »ach Elsaß Lothringen zur Ver- tbeilung an die Wähler gesandt. Und waS ist der Inhalt der Blatter? Rache und „Sieg der Gerechtigkeit" — das ist der Grundgedanke, der sich durck die ganzen Schrift stücke hindurchrieht. Mau lese nur, waS die „Köln. Ztg." auS einem dieser Blätter mittheilt: „ILwig kann die Herrschaft der rohe» Gewalt nicht währen und bald wird der Tag leuchten, an welchem der Steg der Gerechtigkeit komnien sott. Sie haben euch nicht vergessen, eure Brüder in Frankreich; mit ganzem Herze» sind sie mit euch geblieben; ihre Gedanken sind immer bei euch; mit tiesem Schmerz empfinden sie eure dauernden Betrübnisse und schwer« Unter drückung. In der Stille verstärken sie sich, um die Ankunft jenes TageS, welcher euch wieder in den Schooß des lieben französischen Vaterlandes zurück bringen soll, möglichst zu beschleunigen. Glaubt nur dein Deutschen nicht, der euch einschmeichelnd sagen wird, Frankreich habe Elsaß und Lothringen vergessen, den» es ist Lüge! An euch wird stets gedacht, und wach wird man bleiben, bis sich einst eine günstige Gelegenheit bietet, euch endlich auS den Klauen des preußischen Adler« zu reißen." Wem diese Sprache nicht die Augen über seine Pflicht öffnet, dem werden sie Wehs erst aufgehen, wenn Frankreich die ersehnte Gelegenheit erarrift, die mit kostbarem Blut« wieder erkauften deutschen Reichslande „aus den Klanen de» preußischen Adler» zu reißen". Kommt diese Gelegenheit, so wird sich aber auch daö deutsche Volk daran erinnern, wer sie hat herbeifübren helfen! Nach den neuesten Nachrichten bat sich der Zustand des Prästtzenten Earuot zwar etwa» gebessert, doch erheischt er dringend Schonung und Ruhe. Als die ersten Nachrichten von dem Lebcrleiden Earnot's austauchten, fanden sie i» Paris nirgends ernsten Glauben Damals war eben General Dodd» dort cingctroffen, und die allgemeine Bermuthung ging da Offene Pforten. ILj Roman von B- W. Howardt. Nachdruck »rrbotni. . (Fortsetzung.) Elfte» Capitel. Gabriele batte bald entdeckt, daß die einzige Zeit, über Kelche sie frei verfügen konnte, die Morgenstunden waren; lodald die Gräfin auf der Bildfläche erschien, war das junge Rädchen weil mehr angebunden als RöScken und Babeite, und e< Ließ niemals ander- alS: „beute fahren wir um 3 Uhr l» und dorthin, ziehe Deine graue Toilette an und laß mich ;a nicht warten", oder „beute besichtigen wir das neue Bild um zwei Uhr — sei sehr pünctlick, Gabriele, denn eS ge hört zur seinen Erziehung, ältere Leute niemals warten zu laßen" u. s. w. Anfänglich sagte Gabriele wobl gekränkt: .Dante Adelheid — bade ich Dich schon je auf mich warten laßen?" aber bald begriff sie, daß daS, was sie sagte oder Idat, tiirckauS keinen Einfluß auf die Gräfin hatte, und so schwieg sie fortan. Kür das an volle Freiheit de- Thun- und Laßen- gewöhnte Mädchen war eS unendlich schwer, sich den vechi'klnden. aber stets despotischen Stimmungen der Gräfin r» fügen, und innerlich schäumte Gabriele oft vor Wuld und balle Stunden tiefer Entmuthigung und Drmüthizung. All abendlich nabm sic sich vor, eS am nächsten Tage mit mehr Geduld zu versuchen, aber Tande Adelheid s stets veränder lich« Laune warf alle Berechnungen über den Haufen, und da» einzig Beständige an der Dame war, außer ihrer Be geisterung sür Mäuschen, ihre Unbeständigkeit. Trotz alledem bete, die beiten Damen, wenn sie zusammen a»Ssubren, Be suche und Einkäufe machten oder in den Gesellschaften er schiene», «in ebenso wirkungsvolle» al» sympathische- Bild würdige« Alters und heiterer Jugend, und wer sie oberfläch lich deobachlete, kam zu dem Schluffe, da- Leben in der Villa «üsi« an den H,mmel gemahnen. Insbesondere galt dies von den Spaziergängern, welche zu allen Tageszeiten an der Villa vorbeischlendcrtca und deren „plebejisches Spioniren", wie eS die Gräfin nannte, die Dame mitunter zur Verzweiflung brachte. Die guten Wynburger hatten keine Ahnung davon, daß die naive Bewunderung, mit welcher sie den Park und daS schöne Gebäude anstarrten, von der Gräfin so wenig gewürdigt wurde; dicht bintcr dem Park begann der Wald und in Viesen pilgertcn sie zu alle» Tageszeiten — die Einen, um ihre» Kindern, die sonst gar wenig hatten, wenigsten« den Genuß frischer, stärkender Wald- lufl zu verschaffen, und die Anderen, dir zu den im Wohl stand und Behagen Lebenden gehörten, um ihr überflüssige» Fett durch regelmäßige Bewegung im Freien zu vermindern. lieber die Beziehungen, die zwischen Mutter und Sohn herrschten, kam Gabriele nicht in» Klare, so oft sie auch, sebr rum Mißvergnügen der Gräfin, nach dem Befinden de« Kranken fragte. Es stand aber fest, daß Tante Adelheid nur einmal täglich »nd zwar direct vor dem zweiten Frühstück einen kurze» Besuch im Krankenzimmer machte, wobei indeß nickt ausgeschlossen war, daß bei einem etwaige» Urdelbefinden Mäuschens dieser Besuch auch gänzlich unterblieb. Aus den sonnigen, warmen März folgte ein kalter, regnerischer April, so daß Gras Hugo wochenlang an» Zimmer gefesselt blieb. Der Lieutenant v. Raven war ein»weilen nicht wiedergekommen, aber sein Besuch hatte doch insofern rin Resultat gehabt, al» ein feurige« ungarische« Vollblut plötzlich in den Ktvnfcl-'schen Stallungen austauchte. Gabriele stieg einen Freudenschrei au-, al- Lip- eine- Morgen- ihr die Meldung brachte, im Hose stehe rin für da- gnädige Fräu lein bestimmte- Reitpferd; binau-stürmend saß da« junge Mädchen wie der Wind im Sattel, und al- sie mit glühenden Wangen und leuchtenden Angen zum Gabelfrühstück erschien, dankte sie der Gräfin in überströmender Freude für den herrlichen Genuß. Die Gräfin sagte „Hm" und nahm die DankeSäußerung gelaffen bin, so daß Gabriele monatelang nicht ander» glaubte, al- Tante Adelheid habe die „Sphinx" — so bieß daS Pferd — angrschafft. 2» moralischer Hin sicht übte diese Ueberzeugung großen Einfluß auf Gabriele au», sie glaubte nicht ander», als dir Gräfin wolle auf diese Weise so manche Ungerechtigkeit, die sie ihr wider Willen in bin, Carnot sei nur zu dem Zwecke „krank" geworden, um über einen feierlichen Empfang des Generals, in dem manche Leute einen schwarzen Doulanacr erkennen wollten, binwegzukommen. Seitdem batten sich aber die Colikansälle de» Präsidenten der Republik wiederholt, und neuesten» war sein Zustand so ernst geworden, daß die Aerzte, darunter I>r. Brouardcl, ibm die in allen Einzel- beiten bestimmte Reise in die Bretagne untersagt haben. Wie beute gemeldet wird, begicbt sich Präsident Carnot auf den Rath der Aerzte nach Fontainebleau. Eine Cur in Vickn halten die Aerzte für entbcbrlich, da Carnot weniger an Lebrrkrankbeit als an Uebermüturig und Anämie leidet Er hat a» die Behörden der Bretagne 50 OVO Franken über wiesen, welche er während seiner nunmehr endgiltig auf- gegebenen Reise für verschiedene wohlthätige Zwecke zu vrr theilen gedachte. Wir konnlen schon vor einigen Tagen aus das franzö sische Jntriguen spiel i» Abessinien Hinweisen, welche« den Zweck verfolgt, dem kräftigen Anläufe, den die italie nische Colonialpolitik in Ostafrika genommen bat, alle mögliche» Hindernisse in de» Weg zu lege». Selbstverständlich mußte die Nachricht, daß König Meiielik von Abessinien ein Rundschreiben an die Mächte erlassen habe, in dem er sich vom Protektorate Italiens nach Ablauf de» Vertrages von Utsckalli, >m Jahre 1894, entbunden erklärt, in Italien große» Mißbehagen bervorrufen. Die „Riforma" meldet, König Menelik habe sich den Franzosen gänzlich in die Arme geworfen, indem er ihnen Telegrapheiiiiilirn und eine Eisen bahn von Sckoa nach Obok gestattet habe. Der halbamtliche „Maltino" bestätigt in einem Briefe auS Harrar sämmtlichc Nachrichten der „Riforma", und fügt binzu, Prinz Makcne» (derselbe, der seinerzeit Italien besuchte) habe Namen- teS König« Menelik den französischen Gou verneur von Obok besucht und die Annäherung an Frank reich vollzogen. Italien sei zweifello« sür die Zukunft auS der Interessensphäre AbyssinieuS verdrängt. Italien sieht also wieder einmal, welchen Freund es an der „lateinischen Schwesternation" besitzt. Trotzdem ist der Pariser „Figaro" thörickt oder vielmehr unverfroren genug, sich offen darüber zu freuen, daß, wie er sich au-drückt, die Schutzherrschaft Italien- über Abessinien und damit „ein Nänkespicl friedlich au- der Welt geschafft ist, daS Abessinien mit Blut über schwemmen und die Eintracht zweier Völker (Frankreich- und Italien-) stören konnte, die bestimmt sind, sich zu achte», und die gerave in diesen Tagen durch die Erinnerung an gemein same Ruhmeöthatrn einander näher gebracht worden sind." ES gebt doch nichts über sranzösische Einbildungskraft! Man nimmt Italien Nizza und Savoyen, dann vernichtet ma» seine Pläne auf 4.u»iS und Abessinien und schließlich ver langt man »och seine Liebe und Freundschaft und klagt über da» undankbare Italien, das am Dreibund sesthalte! Wie schon gemeldet, ist Herr von Gier- in diesen Tagen zum erste» Male seil seiner Heimkehr von vem Zaren empfangen worden und hat darauf die Leitung des russischen Auswärtigen Amtes wieder übernammen. Man erinnere sich der Vorgänge, die sich ereigneten, al» Herr von GierS, um seine arg geschwächte Gesundheit her zustellen, in daS Au«land reiste, und Herr Schlschkin sei» Stellvertreter wurde. Herr Schischkin, der als Cbes de« Astatischen Departement- sich den Ruf eine» thatkrästigen uud dem Panslawismus zugeueigten Mannes erworben hatte, erließ ein Rundschreiben, welche« die Deutung ersubr, daß nicht blo- Herr von Gier- definitiv beseitigt, sondern auch «ine schroffe Wendung der russischen Balkan-Politik zu gewärtigen wäre. Herr Schischkin nahm auch einen ziemlich geräuschvollen Anlauf, aber schon nach wenigen Monaten, als der Zarewitsch an der Gastfreundschaft de- Berliner Hose« unverl-obleneS Gefallen fand, offen barte sich der erfreuliche Umschlag. Seitdem hat sich der Glaube an da- Uebergewichl der friedlichen Stim Folge ihre« heftigen Temperament» zugcsügt, vergüten, und selbstverständlich fühlte sich das junge Mädchen durch diese Annahme zu größter Geduldeittfaltung berufen. Gabriele ritt, von LipS gefolgt, täglich früh Morgen« a»S; anfänglich batte sie sich gestregbt, den alten Diener, der, wie sic wußte, dem Grasen »incntbebrlich war. mitzunehmen, und der Gräfin erklärt, sie könne sehr gut allein reiten, aber die Gräfin hatte kurz und unsrrundlich geantwortet, eS sei doch einzig und allein Sache der Hausfrau, über die Dienerschaft zu verfügen, und wenn sie e- für passend erachte, daß LipS sie begleite, bann sei die Sache abgethan. Graf Hugo mußte wobl seiner Mutter streng eingeschärft haben, da« Geheimnis hinsichtlich des Pferde- zu wahren, denn dir Gräfin, die sonst stet- ihrem eigenen Kops folgte, wagte dir-mal keinen Widerspruch, und so nabm sie auch Gabrielen'» Dank al« ihr gebührend hin. Nach dem Ziel von Gabrielen - stundenlangen Ritten fragte sie niemals, »nd auch da- junge Mädchen ließ eS bei dem erste» Bericht über den Genuß, den eS ihr gewährt, durch die tbauirischc» Wälder zu reiten, bewenden, seit sie die mürrische Antwort erhalten: „Verschone mich mit Deiner Schwärmerei — man sollte denken. Du wärest die Einzige, dir je zu Pferde gesessen! Ich war eine perfekte Reiterin, als ich noch" — sie stockte und ersetzte dann da- Wort jung durch die Bezeichnung kräftig — „kräftig war." Wenn Gabriele beimkehrtc, schlüpfte sie durch die «ritenpfort« in- Hau-, schlich auf den Fußfpitzen in ihr Zimmer, und die Friichr, tie sie von diesen Morgen- ritten heimdrachte, hielt meist den Tag über a» und durch weht« auch di« Briefe, die sie an de» Vater und Lucie schrieb, wenngleich auch der Baron im Stillen manchmal wünschte, Gabriele möchte weniger von ihrem Pferd und der herrlichen Gegend und mebr vo» sich selbst und den Personen, in deren Hause sie lebte, schreiben. vo» dem Bekanntenkreise der Gräfin war e- bauptsäcklich Mercedes v. Waldenberg, an welche Gabriele sich anschloß. Sir bewunderte da- schöne, liebenswürdige, reich begabte Mädchen aufrichtig und beneidete Mercedes um die Sicher heit, mit welcher sie sich in den mitunter reckt schwierigen Berbaltnisien bewegte. Aber euch Mercedes faßte eine Vorliebe sür das frische, mungen in Petersburg fortschreitend gefestigt, »nd er wirb neue Nahrung daraus schöpfen, daß Herr v. Gier-, dem in Wien die bekannte persönliche Auszeichnung seiten« des Kaiser« Franz Joseph zu Tbcil wurde, wieder an der Spitze des AuS wärtigen Amte- in Peter-burg steht. Man braucht sich deshalb noch nicht in übertriebener Zuversicht zu wiegen, denn die au«wärtigc Politik Rußland« wird nur mittelbar von dem Minister geleitet; ihr wirklicher Lenker ist der Zar, dessen Entschließungen häufig von persönlichen Stimmungen abhängig sind. Aber da auf diese in den europäische» StaatSkanzleie» sorgsam Bedacht genommen wird und da der Wille Alexander « III., den Frieden zu erbalten, außer Zweifel stekt, so liegt in der Reactivirung de« Herrn v. GierS eine Gewähr, daß g/genwär tig inRußiand die Neigung nickt exislirl, die Gegensätze zur Politik der Drcibund-mächte scharf zu betone». Auf alle Fälle ist Herr v. Gier- der geeignete Man», um zu der günstigen Gestaltung der Friedens auSfichie» beizutragcn; er hat stet» der planslawistischeii Franzoseilschwariilciei standhaft cntgcgengewirkt und dem gefährliche» VcrbrlldcrungSspicle sich ser» gehalten. Die beste Gewähr sür den Frieden aber liefert er zweifellos dann, wenn wir nicht den geringsten Zweifel daran auskommen lasse», daß wir sür alle Fälle gerüstet bleibeu wollen. Die Ausdauer Gladstone'S ist sprichwörtlich, aber er wird ihrer auch im vollsten Maße bedürfen, wenn er seine Hoinerulcnorla-e durch alle die parlamentarischen Klippen und Untiefen hindurchfübren will, deren säst jeder Tag neue enthüllt. Der FeldzugSptan der UnterhauSopposition, durch alle möglichen Manöver den Fortgang der Beratbungen zu verzögern, ist, am Erfolg« gemessen, so übel nicht. Ein Amendement jagt da- andere, »nd so geschickt eS, daß die Verhandlungen beinahe stocken und die Berathung der Bill kaum über den Art. 3 hinau« gedieben ist und ihr Ente überhaupt nicht abgeseben werden kan». Gleichwokl wäre die Verschleppung-Politik der Homerulcgegner ein auSstchtS loses und deshalb tbörichtr- Beginnen, wen» eS nur den Er folg der rein mechanischen Verzögerung in» Auge faßte. Denn atödann würde ein stillschweigende» Einvernehmen der MehrheitSparttieu genügen, über alle derartigen Manöver der Gegner zur Tagesordnung übcrzugeben. Nun aber ist bekanntlich die Gladstone'sche UnterbauSmedrheit niihtS weniger al« gleichartig zusammengesetzt. Es kann also nickt fehlen, daß bald hier, bald da im Schvoße dieser Mehrheit selbst Meinungsverschiedenheiten entstehen, deren Bcthä tigung der Opposition i» die Hände arbeitet. Ja man konnte in letzter Zeit seitens angesehener Organe der Londoner Tagespresse sogar die Möglichkeit eine« Zerfalls der Regierungsmehrheit erörtern höre», wozu aller ding» die, wenn auch nur vorübergehende, Auflehnung der nationalirischrn Parlamentarier gegen di« Gladstonc'schc Art, Politik zu treibe», eine gewisse Berechtigung verleihen mochte. Geduld gekört nicht z» den hervorragendsten Eigen schaften de- irischen Nationalcharakters; kein Wunder, daß den irischen Parlamentsmitgliedern der GeduldSfaden riß, als Gladstone eine- der oppositionellen Amendements sür annehmbar erklärte. -Kurz entschlossen stimmten sie im con- creten Kalle gegen da« Cabinet, dessen Sturz daher nur von den Conservativen abgchangen hätte, wenn sie ibn auS solchem Anlaß hätten herbeifübren wolle». Sie thaten eS aber nicht, weil sie dir Frucht, deren Eindeimsung ikrc Verschleppungstaktik vorbereitet, erst noch reifer werden lassen wollen. Dir in nächster Zeit bevorstehenden drei oder vier Ersatzwablen zum Unterbaust dürften seitens der Opposition jedenfalls benutzt werden, der öffentlichen Meinung auf den Zahn zu fühlen. Ter jugendliche tthetztvc AtzbaS H. von Egypten gedenkt Mitte Juli, wie wir schon in der Morgennummer melden konnten, dem Sultan Abdul Hamid in Konstaniinopel einen Besuch abzustatten. Er bat in diesen Tagen Befehl ertheilt, seine Aacht „Fayum" sür die Reist nach dem Bosporus a»S liebliche Geschöpf; die Beiden batten längst die formelle An rede falle» lassen, und die junge Freundschaft gedieh zusebendS. Eine» Abend«, als die Gräfin und ihre junge Begleilcrin ziemlich spät »ach Hause sudren — »ach Besuch der Oper batte man mit verschiedenen bekannte» Faiiiilien in einem Restaurant soupirl und Mercedes war von geradezu übcr- sprudelnde» Heiterkeit gewesen — bemerkte Gabriele, daß Gras Hugo'S Gemächer noch hell erleuchtet waren, und das überrafchte sie. Gerade während der Heimfahrt au- der lustigen Gesell schaff hatten Gabrielen'- Gedanken sich lebbast mit den« Grasen beschäftigt; sie hatte darüber nachgegrübelt, welch ein trauriges, vereinsamtes Leben er führe und wie anders es doch sein könnte! O, wenn sie ihm von der sonnigen Heiter keil, in welcher sie den Abend verbracht, hätte mittbcilcn dürfe»! „Sieh doch, Tante Adelheid", sagte sie lebhaft, Graf Hugo^ Fenster sind noch sämmtlich erhellt. Sollte er krank sein?" „Gabriele, Du verstehst e» wirklich mcisterbast, mir die heiterste Stimmung zu trüben", entgegnet« die Gräfin scharf „So frage doch nicht ewig nach Hugo — rr ist nickt kränker als sonst, und wenn er seine Zimmer bi» in die Nacht hinein erleuchtet zu haben wünscht, so ist da» seine Sacke! Er würde Dir für Deine Einmischung kaum dankbar sein, und ich verbitte mir ernstlich Deine taktlosen Fragen." „Ach. er tbat niir nur zu leid", murmelte Gabriele gedrückt. „Glaubst Tu vielleicht, Du wärst die Einzige, welcher Hugo leid lbut?" E- siebt fast so au», al» glaubtest Du, ick, seine eigene Mutter, hätte weniger Mitgefühl sür >bn, al« Du." Dic«mal gab Gabriele keine Antwort, und die Gräfin fuhr bestig fort: „Du memtest vrrinutblich, e» sei meine Pflicht, mich gerade jetzt nach Hugo umzuseben? Aber er würde mir es schlecht danken, wenn ich so albern wäre, ibn um kiese Stunde zu besuchen. In seinem Zustand ist übrigen» «ine plötzliche Veränderung nickt zu befürchten — eS ist eine Prüfung, welche da» Schicksal ibm auserlegt hat, und er muß lernen, dieselbe mit Ergebung zu tragen " In ibre», Zimmer angelangt, schlug die Stimmung der Gräfin rasch wieder um. Sie ließ sich da« schwere LtlaS-
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