1869 Sonnabend, den ». Juni Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch« und Sonnabends, und koket vierteljährlich 12'j, Rgr Inserate werden bi« Dienstags und Freitags früh 8 Uhr angenommen. Das ökumenische Concil. X Nun haben wir es erfahren, und zwar genau und aus sicherster Quelle, zu welchem Zwecke der Papst in Rom auf den 30. Decembcr 1869 eine „allgemeine Kirchenversammlung" (ein ökumenisches Concil) einberufen hat. Die in Rom erscheinende Zeitschrift „Civiltä Cattolica" (katholisches Gemein wesen), welche von den Jesuiten geschrieben wird, und die der Papst vor einigen Jahren als das reinste journalistische Organ ächter Kirchenlehre be zeichnet hat, bringt vollen Aufschluß. Zum Ersten also soll auf dieser allgemeinen Kirchenversammlung die Meinung, daß der Papst in seinen amtlichen Erklärungen und Entscheidungen in Sachen des Glaubens und der Sittenlehre persönlich unfehlbar sei, als Dogma, als Glaubensartikel für die ganze katholische Christenheit kundgegeben werden. Geschieht dies — und es ist schwer abzusehen, daß das Concil diesen Glaubensartikel nicht annchmen sollte — dann kann jeder Papst beliebig Glaubensartikel schaffen, die natürlich jeder Katholik glauben muß, wenn er nicht in zeitlichen Bann und ewige Verdammniß fallen will. Kirchenversammlungen werden dann gänzlich überflüssig, höchstens werden Bischöfe noch zu Heiligsprechungen und dergleichen nach Rom kommen. Die vereinigten Bischöfe sollen demnach in Rom zum letzten Mal von ihrer Gewalt, Glaubensartikel festzusetzen, Gebrauch machen. Zum Zweiten soll auf dem Concil die 1864 vom Papste im „Syllabus" herausgegebenen Sätze, in denen die ganze Welt-Anschauung des 19. Jahrhunderts ver worfen wird, ebenfalls in Glaubensartikel umgewan delt und als solche bestätigt werden, die sodann von der ganzen katholischen Well bei Verlust der Selig keit geglaubt werden müssen. Da heißt cs z. B. in dem Programm, das die Jesuiten bereits fertig haben: „Die Kirche hat die Macht, äußern Zwang anzmvenden; sie hat unmittelbare und mittelbare zeitliche Gewalt nicht blos über die Geister, auch Wer die Leiber." Die Kirche kann also Kerker, Mlgeo, Scheiterhaufen verhängen, sie kann die Wrftrn und Obrigkeiten zwingen, bei Strafe des HgMeS die Kerker- und Todes-Urtheile zu voll- Lkmwbjwanjtgster Jahrgang- ziehen, der Papst kann Könige absetzen, ganze Reiche und Völker verschenken, da er „nie die Grenzen seiner Macht überschritten hat." Und wenn der „Syllabus" Glaubensartikel wird, so muß nach Satz 30 desselben die ganze Darstellung der Geschichte eine andere werden. Denn wer dann noch glauben oder lehren wollte, die unbeschränkte Erwcrbfähigkeit, der besondere Gerichtsstand, die Freiheit von Ab gaben rc. seien der Kirche von den Kaisern und Königen verliehen worden, die Trennung der mor genländischen von der abendländischen Kirche sei Folge der übertriebenen Macht-Ansprüche der Päpste gewesen, wie dies bisher in der Rechtsgeschichte ge lehrt und in allen Urkunden aus dem Mittelalter zu lesen ist — der wäre ein Ketzer. Wie es mit der Gewissens- und Religionsfreiheit bestellt wäre, sobald die Sätze -des „Syllabus" Glaubensartikel geworden, zeigt Satz 77, 78 und 79 desselben, wo rin die ganze jetzige Welt-Anschauung von den Rechten des Gewissens, des religiösen Glaubens und Bekenntnisses verdammt wird. „Freiheit des Gottes dienstes" (79) und der Meinungs-Acußerung erzeugt Sittenlosigkeit und Jndifferentismus (Gleichgiltigkeit). Alle Völker also, welche diese Freiheiten haben, die Deutschen, Engländer, Franzosen, Belgier rc. sind daher lasterhaft, Neapolitaner, Kirchenstaatsbewohner u. s. w., die unter Religionszwang stehen, hell polirte Tugendspiegel. „Diejenigen befinden sich in einem verdammens- werthen Jrrthum, welche die Versöhnung des Papstes mit der modernen Civilisation für möglich und wünschenSwerth halten," sagt Satz 80 des „Syllabus". Nun sind aber die Verfassungen sämmtlicher euro päischer Staaten, Rußland und den Kirchenstaat ausgenommen, Erzeugnisse dieser modernen Civilisation. Freiheit des religiösen Bekenntnisses und Gottes dienstes, Gleichheit vor dem Gesetz, gleiche politische Rechte und Pflichten, Selbstbesteuernng, Gemeinde? selbstverwaltung, Theilnahme des Volkes an der Ge setzgebung — diese Grundsätze ziehen sich durch alle Verfassungen, hängen innig unter sich zusammen, tragen und schützen einander. Die Kirche aber hat sich seit Jahrhunderten zu einer schrankenlosen un umschränkten Herrschaft ausgebildet, und, das ganze Bischofswerda, Stolpen unv Umgegend Amtsblatt des Königlichen Verichtsamtes und des Stadtrathes Z" Kischosswrrda.