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Feierabend : 11.06.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id497197782-190506115
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id497197782-19050611
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-497197782-19050611
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFeierabend
- Jahr1905
- Monat1905-06
- Tag1905-06-11
- Monat1905-06
- Jahr1905
- Titel
- Feierabend : 11.06.1905
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Hotdene Schranken. Frei nach dem Englischen von Clara Rheinau. 2. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) All dies hatte Vera zu ihrer Befriedigung ausfindig gemacht, als der Fremde endlich den Fuß auf festen Boden setzte. Seine Gegenwart nicht achtend, stürzte Fräulein Edwards auf Vera zu und umschlang sie mit beiden Armen. Halb lacheird, halb weinend, forschte sie in ihren Zügen, ob sie nicht eine Veränderung darin finde, bis Vera sie heiter versicherte. „Ja, ich bin wirklich heil und gesund, liebes Fräulein; nicht einmal einen Schuh habe ich verloren. Dank Ihrer Güte," fügte sie mit einem schüchternen Lächeln zu dem Fremden gewendet, bei. — „Mein Gott! Mein Gott! wie können, wir — wie kann ich Ihnen jemals genug danken?" fiel Fräulein Edwards ein. „Meine Worte sind zu schwach —" „Sie sind überflüssig," unterbrach sie der Retter kurz, fast rauh. „Sie werden wohl nicht glauben, daß ich oder ein anderer Manu zwei Frauen ruhig ertrinken lassen würde." Damit lüstete er den Hut und schickte sich zum Weg gehen an. „Ich kann schwimmen," bemerkte Vera mit schelmischem Augenblinzeln, fiigte aber im nächsten Augenblick etwas zögernd bei: „Sie sind so durchnäßt und es regnet so stark. Wollen Sie nicht —" sie hielt inne und blickte fragend auf Fräulein Edwards. „Mit uns nach Hause kommen und den Tee mit uns nehmen?" vollendet diese prompt. „Aber wahrscheinlich ziehen Sie vor, Ihr Hotel aufzusuchen und Ihre Kleider zu wechseln, ehe Sie uns das Vergnügen Ihrer Gesellschaft schenken." Fräulein Edwards war selbst angenehm überrascht, daß diese Rede ihr so fließend von den Lippen kam, trotzdem sie des Umganges mit jungen Herren der Gesellschaft seit langem entwöhnt war. Und selbst auf die Gefahr hin, daß er Vera in der nächsten Stunde einen Antrag machen würde, könnte sie doch nicht so undankbar sein, ihn kurzweg ab zufertigen. „Ich habe weder ein Hotel noch Kleider zum Wechseln," entgegnete der Fremde. „Ich bin nur für einige Stunden hier; um 6^Uhr reise ich wieder von hier ab." „Dann kommen Sie auf alle Fälle mit uns, bitte. Herr Bentham, unser Wirt, wird Ihnen gern aushelfen. Ueberdies bedürfen Sie dringend einer gründlichen Erwär mung vor Ihrer Abreise." „Soll ich kommen?" fragte er, wie im Selbstgespräch. Und Vera entschied: „Bitte, ja." Gemeinschaftlich legten die drei unter strömendem Regen die kleine Strecke am Strande zurück, bis zu dem ge wundenen Pfad, der die Klippe hinauf zu Frau Benthams schmuckem, kleinem Besitztum führte. Fräulein Edwards plauderte unaufhörlich. Sie konnte der Angst nicht Herr ! werden, mit der ihre eigene Verwegenheit sie erfüllte. Als ^ sie deni Hauie sich näherten, eilte Vera voraus, um die ^ Wirtin von der Ankunst eines fremden Herrn zu benach richtigen. Als die anderen die Türe erreichten, stand Herr Bentham schon bereit, um die Sorge für den tapferen Retter der jungen Erbin zu übernehmen. Eine Viertelstunde später war an dem hübschen Bogen fenster, das die Aussicht auf die See gewährte, ein einladen der Teetisch hergerichtet. Ein Helles Feuer bereitete behag liche Wärme uud Vera war eifrig beschäftigt, die letzten Vor- bereitungen zum Tisch zu treffen. So fand sie der Fremde, als er, in einen Anzug des freundlichen Wirtes gekleidet, der früher Herrn Godwin gehörte, und dem hohen breit schultrigen Manne wie angegossen saß, in das Wohn- ziminer eintrat. Fräulein Edwards erster gastfreundlicher Eifer hatte sich inzwischen bedeutend abgekühlt und bange Sorgen über ihre Voreiligkeit bedrückten ihr Herz. Der Fremde war jung, das heißt er konnte zwischen 30 und 35 zählen. Er war hübsch und unverkennbar ein Mann der guten Gesell schaft. Hatte sie nicht unendlich unvorsichtig gehandelt? Aber das Unheil war geschehen. Auf ihre eigene Ein- laduug hin stand er hier vor ihr und mußte bleiben — aller- dings nur dreiviertel Stunden — bis es Zeit war, sich zum Bahnhof zu begeben. Der Helle Feuerschein beleuchtete Veras auf dem Kamin sitzende Gestalt und huschle wie liebkosen- über das herr liche goldblonde Haar. Sie trug jetzt ein dunkelrotes Kleid und darüber einen breiten Spitzerckragen ihrer Mutter, von dessen Wert sie nicht die leiseste Ahnung hatte. Bewundern ruhten des Fremden Augen auf der lieblichen Erscheinung. Er dachte an Venedig und Paul Veroneses Bilder und fragte sich, wer dieses hübsche Kind wohl lehrte, sich zu kleiden. „Ich hoffe. Sie finden es nicht zu warm hier," begann jetzt die ältere Dame. „Fräulein Godwin war so durchnäßt, daß ich eine Erkältung fürchtete." „Und ein Feuer ist so gemütlich, wenn es draußen reg- »et. nicht wahr?" fiel Vera ein, während sie den Tee anbot. Der Fremde war anfangs sehr schweigsam, aber der köstliche Tee schien ihm die Zunge zu lösen, denn allmählich wurde er mitteilsamer. Er und Fräulein Edwards trugen die Kosten der Unterhaltung, die sich anfangs nur um gleichgültige Dinge drehte, bis er gelegentlich einfließen ließ, daß er kürzlich von Indien zurückgekehrt und auf dem Wege nach London sei. Weiter berührte er seine persön lichen Angelegenheiten nicht. Die beiden Damen aber waren zu schüchtern und zu unerfahren in diplomatischen Rede wendungen, um näheres über ihren Gast ausfindig zu machen, dessen Gesicht Vera schon irgendwo gesehen zu haben glaubte. Während sie eifrig der Unterhaltung lauschte, drängte sich ihr eine kindische Frage auf die Lippen. „Sie sind in Indien gewesen? Ich möchte wissen, ob Sic meinen) Vater dort vielleicht begegnet sind?" „Ich traf zweimal mit einem Herrn Godwin zusam men." entgegnete er, „sowohl in Kalkutta, wie in Kaschmir, aber wir haben nie miteinander gesprochen." Nach diesen Worten blickte er auf seine Uhr und erhob sich rasch, um vor seiner Abreise Herrn Benthams Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mit vielen warmen Dankesworten von seiten der älteren Dame und einem ruhigen Ablehnen seinerseits der- abschiedeten sie sich von einander. Als Vera ihm die Hand reichte, sagte sie naiv: „Ich möchte auch einmal etwas für j Sie tun können."
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